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Die Zeit verging, und der Sommer wurde zum Herbst. Die Hitze der Jahresmitte wich widerwillig, die Tage wurden kühler, kürzer und wieder wertvoller angesichts des kommenden Winters. Die Wildblumen verblühten, das Laub begann sich zu verändern, und eine Farbvielfalt löste die andere ab. Vögel flogen gen Süden, und der Wind aus den Bergen wurde kalt. Das Licht wurde trübe und schwach und schien in tiefen, weichen, stillen Schichten aus dem Himmel herabzuschweben, die alles wie Daunen zudeckten.

Coll Ohmsford kehrte ins Shady Vale zurück, um sich zu versichern, daß es Jaralan und Mirianna gutging, und entdeckte zu seiner Überraschung, daß die Föderation schon vor Wochen das Interesse an ihnen verloren hatte und das Dorf und die älteren Ohmsfords zugunsten dringenderer Belange verlassen hatte. Es gab ein frohes Wiedersehen, und Coll versprach schnell, daß er lange Zeit nicht mehr fortgehen würde.

Par Ohmsford und Damson Rhee reisten nach Norden und blieben lange genug in Tyrsis, um festzustellen, daß der Maulwurf tatsächlich die Jagd der Schattenwesen überlebt hatte. Dann kehrten sie ins Shady Vale zurück, um Coll zu treffen. Par plante bereits, was sie als nächstes tun sollten. Sie drei würden irgendwo nördlich in einer der Grenzstädte Callahorns ein Wirtshaus eröffnen, in dem sie gutes Essen servieren, eine bequeme Übernachtungsmöglichkeit bieten und, wenn sich die Gelegenheit bot, ihre Gäste mit Geschichten und Liedern unterhalten wollten. Bei der Befreiung der Magie des Landes in der Südwache war etwas Merkwürdiges mit dem Wunschgesang geschehen. Er konnte jetzt nur noch das tun, was er einst getan hatte: Bilder schaffen. Aber das genügte Par und Coll, um genau wie früher Geschichten erzählen zu können. Coll wollte das Shady Vale natürlich nicht wieder verlassen. Aber Par war überzeugt, ihn doch überreden zu können.

Die Schattenwesen waren aus den Städten Callahorns verschwunden, und die Bevölkerung vertrat immer entschlossener die Meinung, daß die Föderationsbesatzer ebenfalls gehen sollten. Fast augenblicklich begann Padishar Creel Pläne für einen Aufstand zu schmieden, durch den die Geächteten die Südländer aus Callahorn vertreiben sollten. Er erzählte den Männern, die ihm halfen, daß seine Eltern einst Land in Callahorn besessen hatten. Die Föderation hatte sie gefangengenommen und dann verbannt, und er war bei einer Tante aufgewachsen. Er hatte seine Eltern niemals gesehen, aber er hatte gehört, daß sein Vater allgemein als Baron Creel bekanntgewesen war.

Morgan Leah hielt das Versprechen, das er Steff gegeben hatte, und ging zurück ins Ostland, um sich dem Zwergenwiderstand in seinem Kampf gegen die Föderation anzuschließen. Matty Roh begleitete ihn. Sie fragte sich nicht mehr, ob sie das Richtige tat, und ließ sich durch den Geist Quickenings nicht mehr stören. Morgan sagte ihr, er wolle, daß sie mitkäme. Sie würden Granny Elise und Auntie Jilt sehen und bleiben, bis die Zwerge wieder frei wären. Dann würden sie ins Hochland zurückkehren, und er würde ihr seine Hütte in den Bergen zeigen. Das hatte er gesagt, aber sie dachte, daß er vielleicht noch mehr sagen würde.

Wren Elessedil kehrte als Königin der Elfen ins Westland zurück und hielt ihren Schwur, dafür zu sorgen, daß die Elfen ihre alte Tradition wiederaufnahmen, als Heiler in die Vier Länder hinauszuziehen. Sie hatte Triss und Desidio und jetzt sogar Barsimmon Oridio hinter sich und zweifelte nicht, daß das Hohe Konzil sie weiterhin in Frage stellen würde. Ihre Heiler würden aus den Reihen der Auserwählten kommen. Sie würden nicht nur die Hüter der Gärten des Lebens und der Ellcrys sein, sondern die der ganzen Erde. Sie wußte, daß sie zuerst nicht anerkannt sein würden, aber sie würden nicht aufgeben. Denn das lag nicht in der Natur der Elfen.

Der Kampf gegen die Föderation zog sich noch eine Weile lang hin und erstarb dann, als sich die Südländer wieder in ihr Heimatland zurückzuziehen begannen. Ohne die Schattenwesen, die das Koalitionskonzil beeinflussen konnten, und nach der Niederlage ihrer Armee im Tal von Rhenn begann ihr Interesse an diesem Kampf schnell nachzulassen. Die Aufstände in Callahorn und dem Ostland führten zu zunehmender Unzufriedenheit mit dem gesamten Programm der Ausbreitung im Südland, und schließlich verließ die Föderation die anderen Länder vollständig.

Die Zeit verging, und die Jahreszeiten lösten sich ab.

Paranor stand ungestört durch Herbst und Winter da und erhob sich aus den schattigen Wäldern, die es beschützten. Es war umgeben von den hohen Gipfeln der Drachenzähne. Hin und wieder kamen Reisende an der dunklen Ansammlung von Mauern und Türmen vorüber, aber niemand wagte den Keep des Druiden zu betreten. Es wurde von vielen behauptet, er sei von Gespenstern heimgesucht, ein Spielplatz für Geister, eine Gruft für tote und vergangene Druiden. Einige sagten, eine Moorkatze schleiche dort herum und manchmal auch außerhalb, die sei so schwarz wie die Nacht, so groß wie ein Pferd und habe Augen aus Feuer.

In dem Keep aber schlief Walker Boh den ungestörten Druidenschlaf. Obwohl sein Körper ruhte, durchwanderte sein Geist häufig das Land, eilte auf dem Wind zu seinen entferntesten Winkeln, ritt auf den Wolken und auf dem Rücken der Wogen. Walker träumte im Schlaf von vergangenen und zukünftigen Dingen, von dem, was gewesen war, und von dem, was sein würde. Er träumte von einem neuen Druidenkonzil, von einer Versammlung der weisesten Männer und Frauen der Rassen, von einer Vereinigung von Wissen, das die Vier Länder wachsen und gedeihen lassen würde. Er träumte vom Frieden. Seine Träume erstreckten sich weiter als die Reisen, die er in Geistergestalt unternahm, denn für seine Vorstellungskraft gab es keine Grenzen.

Hin und wieder kam Allanon zu ihm. Er war jetzt fast weiß, ein dunkler Schatten, der zu einem Geist geworden war, nicht mehr als verwischende Linien vor dem Licht. Er sprach mit Walker, aber die Worte teilten sich eher als Gefühle mit denn als Gedanken. Er entglitt der Welt des Lichts und der Substanz weiter und weiter und versank tiefer in der Unterwelt des Lebens nach dem Tode. Er schien zufrieden damit, daß er verging. Er schien in Frieden mit sich zu sein.

Und manchmal, wenn Walkers Herz still und sein Geist ruhig war, war wohl auch Cogline da. Der alte Mann kam nah heran, sein Körper eine wirre Ansammlung von Knochen, sein Haar dünn und wirr, seine Gesichtszüge scharf und seine Augen klar, und er lächelte auch und nickte. Ja, Walker, schien er zu sagen. Du hast es gut gemacht.

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