2

Der Keller unter der Kornmühle war erfüllt von Schatten, und die schwachen Lichtbänder, die durch Spalten in den Bodenbrettern drangen, verschwanden schnell im Zwielicht. Nachdem er aus seinem sicheren Versteck durch die leeren Katakomben gejagt worden war und schließlich an der blockierten Falltür, durch die er hatte entkommen wollen, festgehalten wurde, kroch Par Ohmsford wie ein gefangenes Tier umher, hielt das Schwert von Shannara schützend vor sich umklammert, als der Eindringling, der ihn bis hierher verfolgt hatte, abrupt stehenblieb und nach oben griff, um die Kapuze aus seinem Gesicht zu streifen.

»Junge«, flüsterte eine vertraute Stimme. »Ich bin es.«

Die Kapuze des Umhangs lag um die Schultern des anderen, und ein dunkler Kopf war freigegeben. Aber dennoch waren die Schatten zu dicht...

Die Gestalt trat zögernd vor und ließ die Hand mit dem langen Messer sinken. »Par?«

Die Gesichtszüge des Eindringlings wurden im grauen Licht plötzlich sichtbar, und Par atmete hörbar aus.

»Padishar!« rief er erleichtert aus. »Bist du es wirklich?«

Das lange Messer verschwand wieder unter dem Umhang, und tief und unerwartet erklang das Lachen des anderen. »Höchstpersönlich. Schatten, ich dachte, ich würde dich niemals finden! Ich suche dich schon seit Tagen in ganz Tyrsis, von einem Ende zum anderen, in jedem noch so verborgenen Versteck und in jedem Erdloch, und jedes Mal erwarteten mich nur die Sucher der Föderation und die Schattenwesen!«

Er trat zum Fuß der Treppe vor, breit lächelnd und die Arme ausgestreckt. »Komm her, Junge. Laß mich dich ansehen.«

Par senkte das Schwert von Shannara und kam erschöpft und dankbar die Stufen herab. »Ich dachte, du wärst... Ich hatte befürchtet...«

Und dann legte Padishar seine Arme um ihn und drückte ihn an sich, schlug ihm auf den Rücken und hob ihn dann vom Boden hoch, als bestünde er nur aus Sackleinen.

»Par Ohmsford!« grüßte er ihn und ließ den Talbewohner schließlich wieder zu Boden. Seine Hände hielten Pars Schultern umfaßt, während er ihn auf Armeslänge von sich hielt und ihn betrachtete. Das vertraute Lächeln war strahlend und sorglos. Er lachte erneut. »Du siehst wie ein Wrack aus!«

Par zog eine Grimasse. »Du siehst selbst nicht sehr wohl aus.« Im Gesicht und am Hals des großen Mannes waren Narben von Kampfverletzungen zu setzen, die neu hinzugekommen waren, seit sie sich getrennt hatten. Par schüttelte überwältigt den Kopf. »Ich glaubte immer zu wissen, daß du aus der Grube entkommen bist, aber es tut gut, dich zum Beweis hier zu sehen.«

»Ha, seither ist viel geschehen, Talbewohner, das kann ich dir sagen!« Padishars glattes Haar war in Unordnung, und die Haut um seine Augen herum zeigte tiefe Schatten der Müdigkeit. Er schaute sich um. »Bist du allein? Das habe ich nicht erwartet. Wo ist dein Bruder? Wo ist Damson?«

Pars Lächeln verblaßte. »Coll...«, begann er, konnte den Satz aber nicht beenden. »Padishar, ich kann nicht...« Seine Hände verkrampften sich um das Schwert von Shannara, als würde er so den Halt wiederfinden können, den er plötzlich zu brauchen schien. »Damson ist heute morgen hinausgegangen. Sie ist nicht zurückgekommen.«

»Hinausgegangen? Wohin hinausgegangen, Junge?«

»Auf die Suche nach einem Fluchtweg aus der Stadt hinaus. Oder, falls es diesen nicht gibt, nach einem anderen Versteck. Die Föderation hat uns überall gefunden. Aber das weißt du. Du hast sie selbst gesehen. Padishar, wie lange hast du nach uns gesucht? Wie hast du es geschafft, diesen Ort zu finden?«

Die großen Hände sanken herab. »Hauptsächlich mit Glück. Ich habe alle Plätze abgesucht, wo ihr hättet sein können, die neueren und diejenigen, die Damson im vorangegangenen Jahr für uns eingerichtet hatte. Dieses ist ein alter Platz, der vor fünf Jahren eingerichtet und während der letzten drei Jahre nicht benutzt wurde. Ich habe mich erst daran erinnert, nachdem ich alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen hatte.«

Plötzlich richtete er sich auf. »Junge!« rief er aus, und sein Blick fiel auf das Schwert in Pars Händen. »Ist es das? Das Schwert von Shannara? Hast du es also gefunden? Wie hast du es aus der Grube herausbekommen? Wo...?«

Aber plötzlich erklang aus der Dunkelheit hinter ihnen das Schlurfen von Schuhen auf hölzernen Treppenstufen, ein Klirren von Waffen und erhobene Stimmen. Padishar fuhr herum. Die Geräusche waren unmißverständlich. Bewaffnete Männer stiegen die rückwärtige Treppe zu dem Raum hinab, den Par gerade verlassen hatte. Offenbar waren sie durch die gleiche Tür gekommen, die Padishar benutzt hatte. Ohne ihren Schritt zu verlangsamen, drangen sie in die dahinterliegenden Tunnel vor, geführt von Fackeln, die in der Schwärze rauchten und spuckten.

Padishar fuhr erneut herum, ergriff Pars Arm und zog ihn auf die Falltür zu. »Die Föderation. Sie müssen mir gefolgt sein. Oder sie haben die Mühle beobachtet.«

Par stolperte und versuchte Padishar zurückzuziehen. »Padishar, die Tür...«

»Geduld, Junge«, unterbrach ihn der andere und zog ihn entschlossen die Stufen hinauf. »Wir werden draußen sein, bevor sie uns erreichen.«

Er warf sich gegen die Tür und stolperte zurück, einen Ausdruck des Unglaubens auf dem Gesicht.

»Ich habe versucht, dich zu warnen«, stöhnte Par, befreite sich und schaute zu den Verfolgern zurück, das Schwert von Shannara drohend erhoben. »Gibt es noch einen anderen Weg hinaus?«

Padishar antwortete, indem er sich erneut mehrere Male gegen die Falltür warf und all seine Kraft einsetzte, um hindurchzustoßen. Die Tür bewegte sich nicht, und obwohl einige ihrer Bretter unter seinem Aufprall splitterten, wichen sie nicht.

»Schatten!« spie der Anführer der Geächteten aus.

Föderationssoldaten drangen aus dem Gang in den Raum vor. Ein Sucher in schwarzem Umhang führte sie an. Sie erblickten Padishar und Par, die regungslos auf der Treppe zur Falltür standen, und eilten auf sie zu. Das Breitschwert in einer und das lange Messer in der anderen Hand, wirbelte Padishar die Treppe wieder hinunter, um dem Ansturm entgegenzutreten. Die ersten Soldaten, die ihn erreichten, wurden augenblicklich vernichtet. Die restlichen verlangsamten ihren Angriff und wurden wachsamer. Sie versuchten ihn zu täuschen und drangen nur noch vorsichtig vor, um ihn von der Seite her außer Gefecht zu setzen. Par stand hinter ihm und warf jene zurück, die ihn angreifen wollten. Langsam wichen die beiden wieder die Treppe hinauf und außer Reichweite zurück, so daß ihre Angreifer gezwungen waren, auf sie zuzukommen.

Es war ein aussichtsloser Kampf. Zwanzig gegen einen. Ein guter Vorstoß, und alles würde vorbei sein.

Par stieß mit dem Kopf hart gegen die Falltür. Er wandte sich lange genug um, damit er erneut dagegendrücken konnte. Sie war noch immer blockiert. Er spürte eine Woge der Verzweiflung in sich aufkeimen. Sie waren gefangen.

Er wußte, daß er den Wunschgesang würde einsetzen müssen.

Unter ihm warf sich Padishar auf ihre Angreifer und trieb sie ein Dutzend Stufen zurück.

Par berief die Energie herauf und spürte die Melodie in seine Lippen aufsteigen, seltsam düster und von bitterem Geschmack. Es war seit seiner Flucht aus der Grube nicht mehr dasselbe. Nichts war mehr dasselbe. Die Föderationssoldaten sammelten sich zum Gegenangriff, der Padishar erneut die Stufen hinaufzwang. Schweiß schimmerte auf dem Gesicht des Geächteten.

Dann klirrte plötzlich ein Riegel über ihnen, und die Falltür flog auf. Par schrie nach Padishar und sie eilten, ohne noch auf irgend etwas anderes zu achten, die Stufen hinauf, durch die Öffnung hindurch und in die Mühle hinein.

Dort stand Damson Rhee, das rote Haar aus ihrem Umhang herausflatternd, während sie auf einen Spalt in der Mühlenwand zueilte und ihnen zurief, sie sollten ihr folgen. Dunkle Gestalten erschienen plötzlich, versperrten ihr den Weg und riefen weitere herbei. Damson wirbelte schnell wie eine Katze in sie hinein. Feuer entsprang ihrer leeren Hand und zerfiel in Bruchstücke, die ihren Angreifern ins Gesicht flogen. Sie wirbelte durch sie hindurch, und die Straßenmagie schnellte nach rechts und nach links und eröffnete einen Pfad. Par und Padishar beeilten sich, ihr zu folgen, wobei sie wie wahnsinnig heulten. Die Soldaten versuchten vergebens, sich erneut zu formieren. Keiner von ihnen erreichte Par. Wie besessen kämpfend, tötete Padishar sie, wo sie standen.

Dann befanden sie sich draußen auf den Straßen und atmeten die feuchte Nachtluft. Ihre Gesichter waren schweißüberströmt, und ihr Atem zischte wie Dampf. Die Dunkelheit war zu einem zwielichtigen Hauch von Sand und Staub zerfallen, der dicht in den von engen Mauern begrenzten Gängen hing. Leute rannten schreiend davon, als Föderationssoldaten aus allen Richtungen auftauchten, schrien und fluchten und jedermann beiseite stießen, der ihnen im Wege stand.

Schweigend rannte Damson eine Straße hinab und führte Padishar und Par in einen dunklen Tunnel, der nach Abfall und Exkrementen stank. Sie wurden sofort verfolgt, jetzt allerdings entschieden langsamer. Damson führte sie durch eine Gasse und in den Seiteneingang eines Wirtshauses hinein. Sie eilten durch das schwach beleuchtete Innere, an über Tische gebeugten und auf Stühle gesunkenen Männern vorbei, um Fässer herum, an einer Theke vorbei und dann aus der Vordertür wieder hinaus.

Ein schäbiger Vorbau aus groben Brettern und mit tiefhängendem Dach erstreckte sich zu beiden Seiten. Die Straße war verlassen.

»Damson, was hat dich aufgehalten?« zischte Par ihr zu, während sie liefen. »Diese Falltür...«

»Mein Fehler, Talbewohner«, fauchte sie ärgerlich. »Ich habe die Tür blockiert, um sie zu verbergen. Ich dachte, das wäre sicherer für dich. Ich habe mich offenbar geirrt. Aber ich habe nichts damit zu tun, daß die Soldaten herkamen. Sie müssen den Ort selbst gefunden haben. Oder Padishar gefolgt sein.« Der große Mann wollte zu sprechen beginnen, aber sie unterbrach ihn. »Schnell jetzt. Sie kommen.«

Aus den Schatten vor und hinter ihnen drangen auf einmal die dunklen Gestalten von Föderationssoldaten auf die Straße. Damson fuhr herum, führte sie zu der entgegengesetzten Gebäudereihe zurück und eine Straße hinab, die so schmal war, daß sie nur wie ein enger Gang schien, durch den man gerade eben hindurchgelangen konnte. Wutgeschrei verfolgte sie.

»Wir müssen zur Tyrsian-Allee zurück!« keuchte sie atemlos.

Sie gelangten auf einen Markt, auf dem sie über Nahrungsabfälle rutschten und mit Kisten zu kämpfen hatten. Zwei hohe Türen versperrten ihnen den Weg. Damson versuchte vergeblich, den eingerasteten Riegel zu öffnen, doch schließlich zerschmetterte ihn Padishar mit einem mächtigen Tritt.

Soldaten traten ihnen mit gezogenen Schwertern entgegen, als sie davonstürmten. Padishar rannte in sie hinein und ließ sie auseinanderstieben. Zwei gingen zu Boden und rührten sich nicht mehr. Der Rest zerstreute sich.

Eine plötzliche Bewegung links von Par veranlaßte ihn, sich umzuwenden. Ein Sucher erhob sich aus der Nacht, und sein Wolfskopf glühte auf dem dunklen Umhang. Par sandte die Magie des Wunschgesangs in Form einer schrecklichen Schlange in ihn hinein, und der Sucher taumelte schreiend rückwärts.

Sie liefen die Straße hinab, durch eine Gasse zu einer zweiten Straße und dann zu einer dritten. Pars Ausdauer wurde jetzt auf die Probe gestellt, und seine Atmung kam bald so stoßweise, daß er zu ersticken drohte, und seine Kehle vor Staub und Angst ausgetrocknet war. Er war noch immer geschwächt von seinem Kampf in der Grube und hatte sich noch nicht vollständig von dem Schaden erholt, den der Gebrauch der Magie ihm zugefügt hatte. Er umklammerte schutzsuchend das Schwert von Shannara vor seiner Brust, dessen Gewicht mit jedem Schritt zunahm.

Sie umrundeten eine Ecke, hielten im Schutz eines Stalleingangs inne und lauschten, während der Tumult um sie herum anwuchs.

»Mir hätten sie nicht folgen können!« erklärte Padishar plötzlich und spie Blut durch aufgesprungene Lippen.

Damson schüttelte den Kopf. »Ich verstehe es nicht, Padishar. Sie kannten alle sicheren Verstecke und sind überall gewesen und haben gewartet. Sogar bei diesem.«

In den Augen des Anführers der Geächteten flammte plötzlich ein Funke der Erkenntnis auf. »Es hätte mir schon eher auffallen müssen. Es war dieses Schattenwesen, dasjenige, das Hirehone getötet hat, dasjenige, das vorgegeben hat, der Zwerg zu sein!« Pars Kopf fuhr herum. »Irgendwie hat er unsere sicheren Verstecke entdeckt und sie alle verraten, genau wie den Jut!«

»Warte! Welcher Zwerg?« fragte Par verwirrt.

Aber Damson ging erneut weiter und zog die beiden anderen hinter sich her, eilte einen Gang hinab und über einen Platz, der ein halbes Dutzend Querstraßen miteinander verband. Sie eilten erschöpft weiter durch die Hitze und die Düsterkeit und näherten sich der Tyrian-Allee, der Hauptstraße der Stadt. Pars Geist wurde von Fragen geplagt, während er entschlossen hinter ihr her stolperte. Ein Zwerg hatte sie verraten? Steff oder Teel – oder jemand anderer? Er versuchte die Trockenheit aus seiner Kehle herauszuspeien. Was war am Jut geschehen? Und wo, fragte er sich plötzlich, war Morgan Leah?

Eine Reihe Soldaten erschien plötzlich. Sie versperrten den Weg vor ihnen. Damson schob Padishar und Par schnell in die Schatten des Gebäudes. An die verdunkelte Wand gekauert, zog sie ihre Köpfe nah heran.

»Ich habe den Maulwurf gefunden«, flüsterte sie eilig und schaute nach rechts und nach links, als neuerlich Rufe laut wurden. »Er wartet bei der Lederwerkstatt an der Tyrian-Allee, um uns in die Tunnel hinab und aus der Stadt herauszubringen.«

»Er ist entkommen?« keuchte Par.

»Ich habe euch doch gesagt, daß er einfallsreich ist.« Damson hustete und lächelte dann. »Aber wir müssen zu ihm gelangen, wenn er uns nützen soll – über die Tyrian-Allee und ein kurzes Stück von diesen Soldaten fort. Wenn wir getrennt werden sollten, bleibt nicht stehen. Geht einfach weiter.«

Bevor einer von ihnen widersprechen konnte, ging sie erneut los, eilte aus ihrem Versteck auf eine Straße zwischen verlassenen Läden hinaus. Padishar gelang es, einen schnellen, verärgerten Einwand vorzubringen, aber dann stürzte er doch hinter ihr her. Par folgte. Sie drangen aus dieser Straße in eine nächste und wandten sich dann der Tyrian-Allee zu. Soldaten erschienen vor ihnen und suchten die Nacht ab. Es war nur ein kleiner Trupp, und Padishar flog zornig auf sie zu, das Breitschwert in einem Schimmern bösartigen silbernen Lichts schwingend. Damson führte Par an den Kämpfern vorbei. Weitere Soldaten erschienen, und plötzlich waren sie überall, wogten in Gruppen aus der Dunkelheit heran und schlugen wild um sich. Der Mond war hinter einer Wolkenbank verschwunden, und die Straßenlampen waren nicht in Betrieb. Es war so dunkel, daß es unmöglich war, Freund von Feind zu unterscheiden. Damson und Par kämpften sich durch das Handgemenge, entwanden sich Händen, die sie ergreifen wollten, schoben Körper beiseite, die ihren Weg versperrten. Sie hörten Padishars Kampfschrei und dann wildes Waffenklingen.

Vor ihnen brach die Nacht plötzlich in einem strahlend orangefarbenen Blitz auf, als etwas mitten auf der Straße explodierte.

»Der Maulwurf!« flüsterte Damson.

Sie stürzte auf das Licht zu, eine Feuersäule, die mit einem Whoosh in die Dunkelheit flammte. Unzählige andere eilten vorbei und strebten in alle Richtungen. Par wurde herumgewirbelt, und plötzlich war er von Damson getrennt. Er wandte sich wieder um, um sie zu finden, und ging dann in einem Gewirr von Armen und Beinen zu Boden, als ein fliehender Soldat mit ihm zusammenstieß. Der Talbewohner kämpfte sich hoch und schrie Damsons Namen. Das Schwert von Shannara reflektierte das orangefarbene Feuer, während er sich zuerst in die eine und dann in die andere Richtung wandte und seine Verzweiflung herausrief.

Dann hatte Padishar ihn erreicht, tauchte aus dem Nichts auf, hob ihn hoch, warf ihn sich über eine Schulter und brach in die Sicherheit der verdunkelten Gebäude auf. Schwerter stießen auf sie zu, aber Padishar war schnell und stark, und niemand konnte sich ihm in dieser Nacht entgegenstellen. Der Anführer der Geächteten warf sich durch die letzten der um sich schlagenden Föderationssoldaten und hielt auf den Weg zu, der auf der entgegengesetzten Seite der Straße an den Gebäuden entlang verlief. Er eilte den Weg hinab, sprang über Kisten und Fässer, trat Bänke beiseite und schoß an den Stützpfosten von Überhängen und den Trümmern des Arbeitstages vorbei.

Die Lederwerkstatt lag still und scheinbar verlassen vor ihnen. Padishar erreichte sie im Laufschritt und eilte durch die Tür, als sei sie nicht vorhanden. Er hielt die plumpe Schulter gesenkt, um das Portal vollständig aus den Angeln zu schlagen.

In dem Gebäude setzte er Par ab und fuhr wütend herum.

Von Damson war keine Spur zu sehen.

»Damson!« heulte er.

Föderationssoldaten schlössen die Lederwerkstatt von allen Seiten ein.

Padishars Gesicht war von Blut und Staub rot und schwarz gestreift. »Maulwurf!« rief er voller Verzweiflung.

Ein pelziges Gesicht tauchte aus den Schatten an der Rückseite der Werkstatt auf. »Hier drüben«, wies sie der Maulwurf mit ruhiger Stimme an. »Bitte schnell.«

Par zögerte und hielt noch immer Ausschau nach Damson, aber Padishar ergriff seine Tunika und zog ihn fort. »Keine Zeit, Junge!«

Die hellen Augen des Maulwurfs schimmerten, als sie ihn erreichten, das wißbegierige Gesicht erwartungsvoll emporgehoben. »Liebliche Damson...?« begann er, aber Padishar schüttelte schnell den Kopf. Der Maulwurf blinzelte und wandte sich dann wortlos um. Er brachte sie durch eine Tür, die zu einer Reihe von Lagerräumen führte, und dann eine Treppe zu einem Keller hinab. An einer Wand, die fugenlos glatt zu sein schien, fand er ein Paneel, das bei Berührung nachgab und ohne sich noch einmal umzuschauen, führte er sie hindurch.

Sie fanden sich auf einem Podest wieder, von dem eine Treppe in die Abwasserkanäle der Stadt hinabführte. Der Maulwurf war hier zu Hause. Er stieg in die dumpfigen, kühlen Katakomben hinab, wo das Licht so schwach war, daß Padishar und Par ihm kaum folgen konnten. Am Fuße der Treppe gab er dem Anführer der Geächteten eine rußige, geschwärzte Fackel, woraufhin sich dieser schweigend hinkniete, um sie zu entzünden.

»Wir hätten zurückgehen sollen, um sie zu suchen!« zischte Par zornig Padishar zu.

Das von Kampfnarben gezeichnete Gesicht des anderen erhob sich aus den Schatten. Es wirkte wie aus Stein gemeißelt. Er warf Par einen furchterregenden Blick zu. »Sei ruhig, Talbewohner, bevor ich vergesse, wer du bist.«

Er schlug auf einen Feuerstein, brachte damit an der pechbestrichenen Spitze der Fackel eine kleine Flamme hervor, und dann begannen die drei, in die Abwassertunnel hinabzusteigen. Der Maulwurf eilte durch die rauchige Dämmerung stetig voran, wählte seinen Weg mit geübtem Schritt und führte sie tiefer unter die Stadt und von ihren Mauern fort. Die Rufe der Verfolger waren gänzlich erstorben. Par war sich sicher, daß die Föderationssoldaten sich, selbst wenn sie den verborgenen Eingang finden würden, schnell in den Tunneln verlaufen mußten. Er erkannte plötzlich, daß er noch immer das Schwert von Shannara in Händen hielt und ließ es nach kurzem Überlegen vorsichtig in seine Scheide zurückgleiten.

Die Minuten vergingen, und mit jedem Schritt, den sie taten, verlor Par ein wenig mehr die Hoffnung, Damson Rhee jemals wiederzusehen. Er wollte ihr so gerne helfen, aber der Ausdruck auf Padishars Gesicht hatte ihn davon überzeugt, daß er zumindest für den Moment schweigen mußte. Sicherlich sorgte sich Padishar genauso um sie wie er.

Sie überquerten einen Steinpfad, der einen trägen Strom überspannte, und betraten einen Tunnel, dessen Decke so niedrig war, daß sie fast auf Händen und Knien kriechen mußten. An seinem Ende wölbte sich die Decke wieder empor, und sie liefen durch ein Gewirr von Tunneln zu einer Tür. Der Maulwurf berührte sie, worauf ein schweres Schloß sichtbar wurde, und die Tür öffnete sich, um sie hindurchzulassen.

Innen fanden sie eine Ansammlung alter Möbel und alter Einrichtungsgegenstände, die sicherlich Duplikate waren, wenn nicht sogar diejenigen, die der Maulwurf bei seiner Flucht vor der Föderation vor einer Woche beinahe verloren hätte. Die ausgestopften Tiere saßen ordentlich aufgereiht auf einer alten Ledercouch, und die Knopfaugen schauten ihnen unvermittelt entgegen, als sie eintraten.

Der Maulwurf trat sofort hinüber und gurrte sanft: »Tapferer Chalt, süße Everlind, meine Westra und kleine Lida.« Andere Namen wurden gemurmelt, zu leise, um sie zu verstehen. »Hallo, meine Kinder. Geht es euch gut?« Er küßte sie, eines nach dem anderen, und setzte sie vorsichtig wieder zurecht. »Nein, nein, die dunklen Wesen werden euch hier nicht finden, das verspreche ich euch.«

Padishar reichte die Fackel, die er trug, an Par weiter, ging zu einem Becken hinüber und begann kaltes Wasser in sein schweißüberkrustetes Gesicht zu spritzen. Als er fertig war, blieb er dort stehen. Er stützte sich auf dem Tisch ab, der das Becken hielt, und sein Kopf hing müde hinab.

»Maulwurf, wir müssen herausfinden, was mit Damson geschehen ist.«

Der Maulwurf wandte sich um. »Mit der lieblichen Damson?«

»Sie war unmittelbar neben mir«, versuchte Par zu erklären, »und dann drängten sich die Soldaten zwischen uns...«

»Ich weiß«, unterbrach Padishar ihn und schaute auf. »Es war nicht dein Fehler. Es war niemandes Fehler. Vielleicht ist sie auch entkommen, aber es waren so viele...« Er stöhnte heftig auf. »Maulwurf, wir müssen wissen, ob sie sie haben.«

Der Maulwurf blinzelte träge, und seine scharfen Augen funkelten. »Diese Tunnel reichen bis unter die Gefängnisse der Föderation. Einige führen sogar bis in die Mauern hinein. Ich kann nachsehen. Und horchen.«

Padishar sah ihn offen an. »Sieh dir auch das Wachhaus zur Grube an, Maulwurf.«

Ein langes Schweigen folgte. Par begann über und über zu frieren. Dort durfte Damson nicht sein! Nicht dort!

»Ich möchte mit ihm gehen«, bot er leise an.

»Nein.« Padishar schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Der Maulwurf wird schneller und leiser vorankommen.« Sein Blick war voller Verzweiflung, als er Par ansah. »Ich möchte genauso gern mitgehen wie du, Junge. Sie ist...«

Er zögerte, fortzufahren, und Par nickte. »Sie hat es mir gesagt.«

Sie sahen einander schweigend an.

Der Maulwurf durchquerte auf leisen Sohlen den Raum und blinzelte dann in den Lichtschein der Fackel, die Par noch immer festhielt. »Wartet hier, bis ich zurückkomme«, wies er sie an.

Und dann war er fort.

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