Kapitel 8

Oop saß vor dem Kamin und schnitt sich die Zehennägel mit einem langen Taschenmesser, als Maxwell mit seiner Reisetasche zurückkam.

Oop deutete mit dem Messer auf das Bett. »Stell das Zeug da ab und setze dich zu mir. Ich habe ein paar neue Scheite ins Feuer geworfen und noch einen halben Krug Schnaps da.«

»Wo ist Gespenst?«

»Oh, er ist verschwunden. Ich weiß nicht, wohin. Das verrät er mir nie. Aber er kommt gewöhnlich schnell zurück.«

Maxwell stellte die Tasche ab und kam zurück an den Kamin. »Du hast heute abend den Idioten noch überzeugender als sonst gespielt«, sagte er. »Hattest du irgendeinen besonderen Grund dafür?«

»Die großen Augen des Mädchens«, grinste Oop. »Sie bettelten geradezu darum, schockiert zu werden. Tut mir leid, Pete. Ich konnte nicht anders.«

»Dieser Unsinn von Menschenfresserei und Speien war reichlich primitiv«, sagte Maxwell.

»Wahrscheinlich bin ich zu weit gegangen«, gestand Oop. »Aber die Leute erwarten einfach, daß sich ein blöder Neandertaler so benimmt.«

»Das Mädchen ist nicht dumm«, meinte Maxwell. »Sie hat uns diese Geschichte von dem Ding raffiniert beigebracht.«

»Beigebracht?«

»Natürlich. Du glaubst doch nicht im Ernst, daß das ein Ausrutscher war?«

»Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, sagte Oop. »Aber weshalb hätte sie das tun sollen?«

»Ich könnte mir denken, daß sie gegen den Verkauf ist. Sie kam wohl zu dem Schluß, wenn so ein Klatschweib wie du davon erfährst, weiß es morgen die ganze Universität. Und Gerüchte haben schon oft genug einen Handel zunichte gemacht.«

»Aber du weißt doch, Pete, daß ich kein Klatschweib bin.«

»Ich weiß es. Doch du hast dich heute abend wie eines aufgeführt.«

Oop ließ das Taschenmesser zuschnappen und steckte es ein. Dann reichte er Maxwell das halbleere Marmeladeglas. Maxwell setzte es an und trank. Die Flüssigkeit rann wie Feuer durch seine Kehle, und er würgte. Er wünschte sich, daß er das Zeug ein einzigesmal trinken könnte, ohne nach Luft zu schnappen oder zu würgen.

»Kräftig, was?« sagte Oop.

Maxwell nickte. Sprechen konnte er noch nicht.

Oop nahm das Glas, setzte es an, und der Spiegel senkte sich erheblich. Dann drückte er es liebevoll an die Brust.

»Dich kann sie schwerlich für redselig gehalten haben«, sagte er schließlich. »Du bist heute sehr geschickt um die Wahrheit herumgeschlittert.«

»Vielleicht, weil ich die Wahrheit selbst nicht genau weiß«, erwiderte Maxwell. »Hast du Lust zum Zuhören?«

»Jederzeit«, sagte Oop. »Aber du mußt mir nichts sagen, wenn du nicht willst. Wir bleiben weiterhin Freunde, auch wenn ich nichts erfahre.«

Maxwell schüttelte den Kopf. »Ich muß es dir sagen, Oop. Ich muß es jemand anvertrauen, und du bist der einzige, bei dem es sicher ist. Allein kann ich es einfach nicht tragen.«

Oop reichte ihm das Glas. »Nimm noch einen Schluck, bevor du anfängst. Was mir nicht einleuchten will, ist der Schnitzer bei der Transportgesellschaft. So etwas darf nicht vorkommen. Ich könnte mir denken, daß es etwas anderes war.«

»Du hast recht.« Maxwell nickte. »Irgendwo draußen ist ein Planet. Wahrscheinlich nicht allzu weit entfernt. Ein freier Planet, der an keine Sonne gebunden ist, der sich jedoch vermutlich in jedes Sonnensystem einschieben kann.«

»So leicht ist das nicht. Es würde die Bahnen aller anderen Planeten verschieben.«

»Nicht unbedingt«, erwiderte Maxwell. »Er könnte seine Bahn ja in eine andere Ebene als die restlichen Planeten verlegen.«

»Dieser andere Planet hat also dein Wellenschema erwischt und kopiert«, sagte er. »So daß zwei Maxwells entstanden.«

»Woher weißt du das?«

»Schlußfolgerung. Es ist vollkommen logisch. Ich weiß, daß es zwei Maxwells gab. Da war der eine, der vor dir zurückkam. Ich unterhielt mich mit ihm, und er unterschied sich in nichts von dir. Er sagte, daß das Gerücht von dem Drachen Unsinn gewesen sei und daß er das Coonskin-System deshalb früher als geplant verlassen habe.«

»Das war es also«, sagte Maxwell. »Ich wunderte mich schon, weshalb er so früh zurückkam.«

»Ich weiß nicht, ob ich traurig sein soll oder nicht«, sagte Oop. »Der andere Mann war genau wie du, und nun ist er tot, und ich habe einen Freund verloren — denn er war ein Mensch mit einer Persönlichkeit, und diese Persönlichkeit wurde beim Tode vernichtet.«

»Ich hörte, daß es sich um einen Unfall handelte.«

»Auch darüber habe ich nachgedacht«, sagte Oop. »Seit du wieder hier bist, könnte ich es nicht mehr beschwören. Er verließ ein Straßenband, stürzte und schlug mit dem Kopf auf …«

»Man stürzt nicht, wenn man ein Band verläßt«, sagte Maxwell. »Außer man ist betrunken, geschwächt oder ungeschickt.«

»Ich weiß«, sagte Oop. »Die Polizei war der gleichen Meinung. Aber es gab keine andere Erklärung, und wie du weißt braucht die Polizei irgendeine Erklärung, um die Akten schließen zu können. Es war ein einsamer Fleck. Auf der halben Strecke zwischen hier und der Kobold-Reservation. Niemand sah es. Es muß geschehen sein, als nur wenige Leute unterwegs waren. Vielleicht nachts. Er wurde um zehn Uhr vormittags gefunden. Die Straße ist zwar ab sechs Uhr morgens stark benützt, aber die meisten Leute hielten sich offenbar auf den inneren Gürteln auf.«

»Du glaubst, daß es kein Unfall war? Daß wir es vielleicht mit Mord zu tun haben?«

»Ich weiß es nicht. Der Gedanke hat sich mir jedenfalls aufgedrängt. Und noch eines war komisch — niemand konnte es erklären. Der Körper und die ganze Umgebung hatten einen eigenartigen Geruch. Niemand konnte sich vorstellen, woher er kam. Vielleicht hatte jemand entdeckt, daß es zwei Maxwells gab. Aus irgendeinem Grund wurde der eine ausgeschaltet.«

»Aber wer könnte es gewußt haben?«

»Die Leute auf dem anderen Planeten. Wenn es dort Leute gab …«

»O ja«, sagte Maxwell. »Es war ein erstaunlicher Ort …«

Während er so dasaß und erzählte, hatte er fast das Gefühl, wieder dort zu sein. Ein Kristallplanet — so hatte er zumindest ausgesehen, als Maxwell zum erstenmal die Augen aufschlug. Eine weite Kristallebene, die sich nach allen Richtungen ausdehnte, dazu ein Kristallhimmel, der von Kristallsäulen gestützt wurde. Die Säulen standen in der Ebene und stiegen hoch auf, so daß sich ihre Spitzen im milchigen Himmel verloren. Säulen, die den Himmel festhielten …

Ein leerer Ort, der fast an einen verlassenen Ballsaal erinnerte, an einen Ballsaal von enormen Ausmaßen, geschmückt für die Musik und die Tänzer, die nie gekommen waren und nun nie mehr kommen würden. Und der Glanz und die Anmut waren für alle Ewigkeit verschwendet.

Ein Ballsaal, aber ein Ballsaal ohne Wände, der sich immer weiter erstreckte — nein, nicht zu einem Horizont, denn es schien keinen Horizont zu geben, sondern zu einem Punkt, wo der sonderbare Milchglashimmel sich mit dem Kristallboden traf.

Er stand verblüfft in der Weite und Unermeßlichkeit. Es war nicht die Unermeßlichkeit des Himmels, denn der Himmel war nicht unermeßlich, und es war auch nicht die Entfernung, denn die Entfernung war nicht groß. Nur für einen Raum war die Ausdehnung verblüffend. Er kam sich vor wie in einem Riesenhaus, in dem er sich verirrt hatte und nun nach einer Tür suchte, ohne zu wissen, wo er beginnen sollte. Ein Raum ohne besondere Merkmale, denn eine Säule glich der anderen, keine Wolke stand am Himmel (wenn es überhaupt ein Himmel war), und der Boden war überall mit Kristall bedeckt.

Er wollte rufen, fragen, ob jemand da war, aber er fürchtete sich vor einem lauten Wort — so als könnte sich bei einem einzigen Geräusch dieser kalte und schimmernde Glanz in eine Rauhreifwolke auflösen. Denn der Ort war still. Nicht das leiseste Flüstern war zu hören. Stille und Kälte und Einsamkeit — der Glanz und die Pracht waren in der Einsamkeit verloren.

Langsam, immer in der Furcht, daß seine Füße die ganze Welt in Staub verwandeln könnten, drehte er sich herum und sah etwas — keine Bewegung, sondern ein Flimmern, als sei etwas so schnell vorbeigehuscht, daß er es nicht erkennen konnte. Er blieb stehen, und sein Nackenhaar sträubte sich, nicht so sehr, weil er eine Gefahr spürte, sondern weil ihn diese vollkommene Fremdartigkeit umgab, die einen normalen Menschen zum Wahnsinn treiben konnte, wenn er seine Blicke nicht schnell losriß.

Nichts geschah, und er drehte sich Zoll um Zoll herum. Dann sah er, daß hinter ihm etwas stand — ein Gerät? Ein Instrument? Eine Maschine?

Und mit einemmal wußte er es. Hier war die seltsame Vorrichtung, die ihn in diese verrückte Kristallwelt gebracht hatte, eine Art Materietransmitter.

Aber er wußte auch, daß er sich nicht im Coonskin-System befand. Es war eine Welt, von der er noch nie gehört hatte. Nirgends in der Galaxis, die er kannte, gab es so einen Planeten. Irgend etwas war schiefgelaufen, und nun saß er in einem vergessenen Winkel des Universums, in einem Gebiet, das der Mensch auch in einer Million Jahre noch nicht betreten würde; so weit weg von der Erde, daß die Entfernungen unvorstellbar wurden.

Wieder sah er ein Flimmern, als bewegte sich ein lebender Schatten gegen den Kristallhintergrund. Als er aufmerksamer hinstarrte, wurde das Flimmern zu einer fließenden Form, und er konnte sehen, daß viele dieser Formen ihn umgaben, jede offenbar eine Einheit für sich. Wie die Schatten von Menschen, dachte er entsetzt. Wie fremdartige Geister.

»Und ich akzeptierte sie«, erzählte er Oop. »Vielleicht, weil ich nicht anders konnte. Hätte ich sie nicht akzeptiert, so wäre ich ganz allein auf dieser Kristallebene geblieben. Ein Mensch aus einem anderen Jahrhundert hätte sie vielleicht nicht akzeptiert. Er hätte sie vermutlich als Gebilde seiner Phantasie abgetan. Aber ich hatte zu viele Stunden mit Gespenst verbracht, um bei dem Gedanken an Geister zurückzuschrecken. Ich hatte zu lange mit übernatürlichen Erscheinungen gearbeitet.

Und das Seltsame und Tröstliche dabei war, daß sie spürten, als ich sie akzeptierte.«

»Und das ist es also?« fragte Oop. »Ein Geisterplanet?«

Maxwell nickte. »Vielleicht könnte man es so ansehen. Aber eine Frage — was ist ein Geist wirklich?«

»Ein Spuk«, sagte Oop. »Ein Gespenst.«

»Aber was verstehst du unter Spuk? Oder definiere mir ein Gespenst!«

»Ich weiß«, sagte Oop zerknirscht. »Ich habe den Mund wieder einmal zu voll genommen. Wir haben keine Ahnung, was ein Gespenst ist. Nicht einmal Gespenst selbst weiß genau, was er ist. Er weiß nur, daß es ihn gibt — und wenn jemand Bescheid wüßte, dann doch zuallererst er. Er hat viel darüber nachgegrübelt. Er hat sich mit anderen Gespenstern beraten, doch es kam nichts dabei heraus. Man muß also auf das Übernatürliche zurückgreifen …«

»Und das verstehen wir nicht«, ergänzte Maxwell.

»Eine Art Mutation«, schlug Oop vor.

»Collins vertrat diese Theorie«, sagte Maxwell. »Aber er stand allein da. Ich wandte mich auch gegen ihn, aber das war, bevor ich den Kristallplaneten sah. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher. Was geschieht, wenn eine Rasse ihr Ende erreicht, wenn sie — als Rasse — Kindheit, Erwachsenenleben und Alter durchgemacht hat? Eine Rasse, die wie ein Mensch an Altersschwäche stirbt? Was tut sie in diesem Zustand? Sie könnte natürlich sterben. Das würde man erwarten. Aber angenommen, sie könnte aus irgendeinem Grund nicht sterben, angenommen, sie müßte unbedingt durchhalten und weiterleben?«

»Wenn es sich wirklich um eine Mutation handelt«, sagte Oop, »wenn sie wissen, daß Geistertum eine Mutation ist, wenn sie Mutationen kontrollieren können …«

Er unterbrach sich und sah Maxwell an. »Glaubst du, das könnte es gewesen sein?«

»Allmählich, ja«, sagte Maxwell.

Oop reichte ihm das Marmeladeglas. »Du brauchst eine Stärkung«, sagte er. »Und ich auch.«

Maxwell hob das Glas und trank. Die Flüssigkeit brannte wie heiße Lava. Er rang nach Luft und wünschte sich wieder, daß er sich an das Zeug gewöhnen könnte. Dann gab er Oop das Glas zurück. Der hob es an die Lippen und setzte es wieder ab, ohne zu trinken.

»Du sagtest etwas von einem Grund. Daß sie aus einem zwingenden Grund weiterleben müßten …«

»Das stimmt«, erklärte Maxwell. »Wissen. Informationen. Ein Planet, vollgestopft mit Wissen. Ein Lagerhaus voll Informationen. Und ich bezweifle, daß wir ein Zehntel davon kennen. Alles andere ist neu, unbekannt. Zum Teil Material, von dem wir nicht einmal zu träumen gewagt haben. Wissen, das wir vielleicht in einer Million von Jahren nicht aufspüren können. Es ist gespeichert — elektronisch, nehme ich an — und zwar so, daß jedes Atom gewisse Informationen trägt. Die Speicher sind Metallplatten, die in großen Stapeln aufeinanderliegen, und jede Atomschicht — ja, sie sind in Schichten angeordnet — trägt gesonderte Informationen. Ich kann dir nicht sagen, wie viele Atomschichten sich in jeder Metallplatte befinden. Hunderttausende, meiner Schätzung nach.«

Oop nahm einen gewaltigen Schluck. Ein Teil des Alkohols floß ihm über die haarige Brust. Er rülpste zufrieden.

»Sie können dieses Wissen nicht im Stich lassen«, sagte Maxwell. »Sie müssen es an jemand weitergeben, der es verwenden kann. Sie müssen irgendwie am Leben bleiben, bis sie es weitergegeben haben. Und hier setzt meine Aufgabe ein. Sie haben mir den Auftrag gegeben, das Wissen für sie zu verkaufen.«

»Zu verkaufen! Ein paar Gespenster, die sich nur noch mit den Fingerspitzen am Leben festklammern! Was können sie wollen? Worin besteht der Preis?«

Maxwell fuhr sich mit der Hand über die schweißnasse Stirn. »Ich weiß nicht«, sagte er.

»Du weißt es nicht? Wie kannst du etwas verkaufen, wenn du den Preis nicht kennst?«

»Sie sagten, das würde ich später erfahren. Sobald ich einen Interessenten gefunden hätte, wollten sie mir den Preis nennen.«

»Ein herrliches Geschäft!«

»Ja, ich weiß«, sagte Maxwell.

»Du hast keine Ahnung von der Gegenleistung?«

»Nicht die geringste. Ich versuchte es ihnen zu erklären, aber sie konnten oder wollten mich nicht verstehen. Ich habe seitdem immer wieder über den Preis nachgedacht, aber mir will nichts einfallen, was diese sterbende Rasse brauchen könnte.«

»Wenigstens haben sie sich an den richtigen Mann gewandt. Wie willst du vorgehen?«

»Ich werde mit Arnold sprechen.«

»Eine harte Nuß.«

»Sieh mal, ich muß Arnold direkt sprechen. Es darf kein Wort durchsickern. Wenn die Klatschbasen der Universität erst davon erfahren, kann Arnold nichts mehr tun. Vor allem, da der Handel so verrückt klingt. Die ganze Welt würde uns verspotten, wenn das Geschäft platzt. Es würde Arnold und mich den Kragen kosten …«

»Pete, Arnold ist nichts als ein großer Angeber. Das weißt du ebensogut wie ich. Er ist ein Verwaltungsmensch, der sich nur um die finanzielle Seite der Universität kümmert. Es ist mir egal, ob er den Titel eines Präsidenten trägt oder nicht, für mich ist er nichts anderes als ein Manager. Um die akademischen Probleme kümmert er sich nicht. Er würde seinen Kopf nicht einmal für drei Planeten voller Informationen hinhalten.«

»Der Präsident der Universität muß etwas von Verwaltung verstehen …«

»Wenn es nicht gerade jetzt wäre, hättest du vielleicht eine Chance gehabt«, sagte Oop traurig. »Aber im Moment bewegt sich Arnold auf rohen Eiern. Daß er die Verwaltung von New York an diese Hinterwäldler-Universität verlegt hat …«

»An eine Universität mit liberaler Tradition«, warf Maxwell ein.

»Die Universitätspolitik kümmert sich weder um liberale noch um sonstige Traditionen«, erklärte Oop.

»Vermutlich nicht«, gab Maxwell zu. »Aber jedenfalls muß ich Arnold sprechen. Ich hätte auch lieber einen anderen Verhandlungspartner.«

»Du hättest den Auftrag ablehnen können.«

»Nein, Oop, das ging nicht. Kein Mensch hätte das getan. Sie hätten einen anderen gesucht, der vielleicht alles verdorben hätte. Ich weiß natürlich nicht, ob es mir gelingt, aber ich werde es zumindest versuchen. Es ist nicht nur für uns, sondern auch für sie.«

»Du magst diese Leute?«

»Ich weiß nicht recht. Vielleicht bewundere ich sie. Und sie tun mir leid. Sie tun, was sie können. Sie haben so lange gesucht, um jemanden zu entdecken, an den sie das Wissen weitergeben können.«

»Weitergeben? Ich dachte, sie wollen es verkaufen.«

»Nur, weil es etwas gibt, das sie dringend brauchen. Ich wollte, ich wüßte, was es ist. Es würde die Sache erheblich erleichtern.«

»Eine Nebenfrage — du hast mit ihnen gesprochen. Wie?«

»Die Platten«, sagte Maxwell. »Ich habe dir von den Metallplatten erzählt. Sie sprachen mit Hilfe dieser Platten zu mir.«

»Aber wie konntest du die Dinger lesen?«

»Sie gaben mir ein großes brillenähnliches Gestell. Es war schwer und beherbergte sicher eine Menge Instrumente. Wenn ich es aufsetzte, konnte ich die Metallplatten lesen. Es war keine eigentliche Schrift. Ich erkannte kleine Erhebungen im Metall. Später fand ich dann heraus, daß man das Instrument verstellen und damit die verschiedenen Atomschichten lesen konnte. Aber anfangs schrieben sie mir nur Botschaften, wenn ›schreiben‹ das richtige Wort ist. Ich leitete meine Antwortgedanken in eine Vorrichtung, die an dem Brillengestell befestigt war.«

»Eine Übersetzungsmaschine«, sagte Oop.

»Wahrscheinlich. Sie funktionierte in beiden Richtungen.«

»Wir — das heißt, die Intelligenz der ganzen Galaxis — haben versucht, eine zu konstruieren. Vergeblich.«

»Ja, ich weiß.«

»Aber diese Gespenster besitzen eine.«

»Sie besitzen noch viel mehr«, erklärte Maxwell. »Ich habe mir ihre Errungenschaften angesehen. Es reichte, um mich zu überzeugen, daß sie die Wahrheit sagten.«

»Noch eines will mir nicht einleuchten«, meinte Oop. »Du hast gesagt, daß es sich um einen Planeten handelte. Was ist mit dem zugehörigen Stern?«

»Der Planet ist überdacht. Ich nehme an, daß ein Stern da war, aber ich konnte ihn nicht sehen. Du kennst sicher den Begriff vom oszillierenden Universum.«

»Das Jo-jo-Universum«, sagte Oop. »Das Ding, das verschwindet und wieder hochkommt?«

»Genau«, sagte Maxwell. »Und die Theorie stimmt. Der Kristallplanet kommt aus dem Universum, das vor unserem jetzigen Universum existierte. Die Bewohner hatten alles errechnet. Sie wußten, daß die Zeit kommen würde, in der alle Energie verbraucht war und die tote Materie sich zu einem kosmischen Ball zusammenziehen würde, der von neuem explodierte. Sie wußten, daß der Tod ihres Universums bevorstand und daß sie mit ihm untergehen mußten, wenn sie nichts dagegen taten. So begannen sie mit einem Projekt. Einem planetarischen Projekt. Sie nahmen Energie auf und speicherten sie — frage mich nicht, woher sie die Energie nahmen oder wie sie gespeichert wurde. Jedenfalls war genug Energie da, als das übrige Universum zugrunde ging. Sie sorgten für ein Antriebssystem, damit sich ihr Planet unabhängig fortbewegen konnte. Und bevor das Zusammenziehen der toten Materie erfolgte, verließen sie ihren Stern und machten sich auf den Weg. Seit dieser Zeit hat sich nichts geändert. Ein uraltes Volk, das sich in einem planetarischen Raumschiff durch das Universum bewegt. Sie sahen das alte Universum sterben. Sie waren allein im Raum, in dem kein Licht, kein Lebenszeichen glimmte. Vielleicht — ich weiß es nicht — sahen sie, wie sich der neue kosmische Ball formte. Und wenn sie ihn sahen, dann sahen sie auch die Explosion, die den Beginn des neuen Universums markierte. Sie sahen die ersten rotglühenden Sterne, sahen, wie sich die Galaxien formten. Und als es dann soweit war, schlossen sie sich dem neuen Universum an. Sie konnten jeden Ort aufsuchen, jeden Stern umkreisen. Sie waren die Zigeuner des Universums. Aber jetzt ist ihr Ende nahe. Ich glaube, daß der Planet noch durchhalten würde, denn die Energievorrichtungen funktionieren. Aber die Rasse stirbt aus. Und ihr Erbe ist das Wissen des alten und des neuen Universums.«

»Fünfzig Milliarden Jahre«, sagte Oop. »Fünfzig Milliarden Jahre an Wissen.«

»Mindestens«, meinte Maxwell. »Es könnten noch mehr sein.«

Sie saßen schweigend da. Von weit weg klang die Glocke der Musikhalle auf und zählte die Stunden.

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