Kapitel 19

Harlow Sharp sah gequält aus.

»Tut mir leid, daß ich dich so lange warten ließ«, sagte er zu Maxwell. »Bei mir geht es heute hektisch zu.«

»Ich war froh, daß man mich überhaupt hereinließ«, erklärte Maxwell. »Dein Wachhund am Schreibtisch wollte mich unbedingt wieder loswerden.«

»Ich habe dich erwartet«, sagte Sharp. »Dachte mir schon, daß du früher oder später auftauchen würdest. Ich habe ein paar komische Sachen über dich gehört.«

»Und die meisten davon stimmen«, erklärte Maxwell. »Aber deshalb bin ich nicht hier. Ich wollte dich nicht besuchen, sondern ein Geschäft mit dir besprechen. Es wird nicht lange dauern.«

»Also gut«, sagte Sharp. »Was kann ich für dich tun?«

»Du verkaufst das Ding?«

Sharp nickte. »Es tut mir leid, Pete. Ich weiß, daß du dran interessiert warst. Aber es steht jetzt seit Jahren im Museum, wo es von Neugierigen angestarrt wird, ohne uns etwas zu nützen. Und unser College braucht Geld. Das wird auch dir nicht entgangen sein. Die Universität hält ihren Säckel fest verschlossen. Die anderen Colleges geben uns zwar hin und wieder winzige Summen für Sonderprogramme, aber …«

»Harlow, ich weiß das alles. Und es ist auch dein Recht, es zu verkaufen. Ich erinnere mich, daß die Universität nichts damit zu tun haben wollte, als man es aus der Vergangenheit holte. Ihr habt die Kosten allein getragen …«

»Wir mußten sparen und herumbetteln und Geld aufnehmen«, sagte Sharp. »Wir haben Hunderte von Projekten ausgearbeitet — gute Projekte, die sich durch Informationen und neue Erkenntnisse bezahlt machen würden — aber niemand kauft sie. Kannst du dir das vorstellen! Die ganze Vergangenheit liegt offen vor uns, und kein Mensch hat Interesse daran. Wahrscheinlich haben sie Angst, daß wir ein paar ihrer Lieblingstheorien, die sie so hübsch ausgearbeitet haben, zunichte machen könnten. Aber irgendwoher müssen wir Geld bekommen, wenn wir mit unserer Arbeit fortfahren wollen. Glaubst du, mir gefällt die Art und Weise, auf die wir unser Geld zusammenkratzen? So wie den Shakespeare-Zirkus und ähnliche Scherze. Ich sage dir, es bringt uns nichts ein. Es schädigt unser Ansehen, und all die Arbeit — Pete, du kannst dir nicht vorstellen, welche Arbeit wir haben. Nimm nur diesen Shakespeare. Er treibt sich wie ein Tourist in irgendeiner Kneipe herum, während ich vor Angst an den Fingernägeln kaue, weil ich vor Augen habe, was ihm alles zustoßen könnte. Male dir das Theater aus, wenn ein Mann wie Shakespeare nicht an die Vergangenheit zurückgegeben wird — ein Mann, der …«

Maxwell unterbrach ihn. »Ich glaube dir ja, Harlow. Deshalb bin ich nicht gekommen …«

»Und plötzlich«, fuhr Sharp fort, »kam die Chance, das Ding zu verkaufen. Für soviel Geld, wie es uns diese schäbige Universität in den nächsten hundert Jahren nicht zur Verfügung gestellt hätte. Du mußt erkennen, was dieser Verkauf für uns bedeutet. Eine Möglichkeit, Projekte durchzuführen, die wir bis dahin aus Geldmangel ruhen lassen mußten. Gewiß, ich weiß von den Rollenfüßlern. Als Churchill hier herumlungerte und uns aushorchen wollte, war mir klar, daß er für jemand im Hintergrund arbeitete, und da machte ich nicht mit. Ich nagelte Churchill fest und erklärte, daß ich kein Geschäft mit ihm abschließen würde, wenn er mir nicht klipp und klar sagte, für wen er arbeitete. Als er es mir verriet, schluckte ich erst einmal, aber dann machte ich trotzdem mit, weil es unsere einzige Chance war, einen ordentlichen Fonds zu bekommen. Pete, ich hätte auch mit dem Teufel verhandelt, um das viele Geld zu kassieren …«

»Harlow, ich möchte dich nur um eines bitten«, sagte Maxwell. »Könntest du das Geschäft für mich ein wenig hinauszögern?«

»Weshalb?«

»Ich brauche das Ding.«

»Du brauchst das Ding? Wofür denn?«

»Ich kann dafür einen Planeten kaufen«, erklärte Maxwell. »Einen Planeten, vollgestopft mit gespeichertem Wissen — nicht von unserem Universum allein, sondern noch von einem anderen, älteren, das bis zu fünfzig Milliarden Jahre zurückliegen kann.«

Sharp beugte sich vor und ließ sich dann wieder zurücksinken.

»Du meinst das im Ernst, Pete? Du nimmst mich nicht auf den Arm? Ich habe ein paar komische Dinge gehört. Es gab zwei Maxwells, und einer wurde getötet. Und du bist seitdem den Reportern ausgewichen — vielleicht sogar der Polizei. Außerdem hattest du Streit mit der Verwaltung.«

»Harlow, ich könnte dir das alles erzählen, aber es hat keinen Sinn. Du würdest mir wahrscheinlich nicht glauben. Aber was ich sage, ist die Wahrheit. Ich kann einen Planeten kaufen …«

»Du? Für dich selbst?«

»Nein, für die Universität. Deshalb brauche ich Zeit. Um zu Arnold vorzudringen …«

»Du willst ihm das Angebot vorlegen? Pete, das ist aussichtslos. Du hattest eine Auseinandersetzung mit Longfellow, und der Bursche leitet eigentlich den Laden. Selbst wenn du ein gültiges Angebot hättest …«

»Es ist gültig. Ich sage dir, es ist gültig. Ich sprach mit den Leuten auf dem Planeten, ich sah einige der Aufzeichnungen.«

Sharp schüttelte den Kopf. »Wir sind schon sehr, sehr lange Freunde. Für dich würde ich so ziemlich alles tun. Aber mit dieser Sache komme ich nicht durch. Die günstige Gelegenheit für mein College kann ich mir nicht durch die Finger gleiten lassen. Außerdem bist du leider zu spät gekommen.«

»Zu spät?«

»Der Preis ist heute nachmittag bezahlt worden. Der Rollenfüßler nimmt das Ding morgen früh mit. Er wollte es sofort, aber der Transport ließ sich nicht anders arrangieren.«

Maxwell saß stumm da, wie betäubt von dem eben Gehörten.

»So stehen die Dinge«, sagte Sharp. »Ich kann nicht sehr viel tun.«

Maxwell wollte aufstehen, doch dann setzte er sich wieder.

»Harlow, wenn ich Arnold heute abend sprechen könnte — wenn ich ihn dazu überreden könnte, den Preis zu verdoppeln …«

»Sei nicht komisch«, erwiderte Sharp. »Er fällt in Ohnmacht, wenn du ihm den Preis nennst.«

»So hoch war er?«

»Ja, so hoch.«

Maxwell stand langsam auf.

»Eines muß ich zugeben«, sagte Sharp, »du hast dem Rollenfüßler irgendwie einen Schrecken versetzt. Churchill war heute morgen da, nervös und aufgeregt, und schloß den Handel sofort ab. Ich wollte, du wärst eher zu mir gekommen. Wir hätten uns irgend etwas überlegen können.«

Maxwell wandte sich zum Gehen, doch dann zögerte er und sah noch einmal Sharp an.

»Noch eines. Es geht um die Zeitreise. Nancy Clayton hat ein Lambert-Gemälde …«

»Ich hörte davon«, erwiderte Sharp.

»Im Hintergrund ist ein Berg mit einem Stein darauf. Ich könnte schwören, daß der Stein das Ding ist. Oop behauptet, die Geschöpfe, die darauf zu sehen sind, ähnelten jenen, an die er sich aus seiner Neandertalzeit erinnert. Und du hast das Ding auf einem Berg des Jurazeitalters gefunden. Wie konnte Lambert gewußt haben, daß es sich auf einem Berg befand? Das Ding wurde erst Jahrhunderte nach seinem Tod gefunden. Ich glaube, Lambert sah den Stein und die Geschöpfe, die er malte. Ich glaube, er reiste bis zurück ins Mesozoikum. Gibt es da nicht eine Erfindung von einem gewissen Simonson?«

»Ich verstehe, worauf du hinauswillst«, sagte Sharp. »Es könnte sein. Simonson untersuchte im einundzwanzigsten Jahrhundert das Zeitreise-Problem und behauptete, er hätte die Zeit unter Kontrolle. Es heißt, daß er ein paar Leute in die Vergangenheit schickte und nicht mehr zurück in die Gegenwart holen konnte. Aber es haben immer Zweifel an seinem Erfolg bestanden. Die Notizen, die er hinterlassen hat, sind nicht sehr aufschlußreich. Er führte seine Arbeit insgeheim durch, da er die Idee zu haben schien, daß sich die Zeitreise als Goldader entpuppen würde, daß er sie an wissenschaftliche Expeditionen Glücksjäger et cetera verkaufen könnte. Außerdem hatte er vor, in die Vergangenheit Südafrikas zurückzugehen und die Kimberley-Diamantenfelder abzuräumen. Deshalb erfuhren nur wenige Leute von seiner Arbeit.«

»Aber es wäre denkbar«, beharrte Maxwell. »Die Zeit stimmt. Simonson und Lambert haben in der gleichen Epoche gelebt. Und es besteht ein scharfer Bruch in Lamberts Stil — so, als sei etwas Einschneidendes geschehen. Vielleicht ist er in die Vergangenheit gewandert.«

»Möglich ist es«, sagte Sharp.

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