Kapitel 13

Maxwell erwartete, daß die Reporter vor Oops Hütte auf der Lauer liegen würden, aber er sah keinen. Offensichtlich hatte sich noch nicht herumgesprochen, daß er dort wohnte.

Maxwell öffnete die Tür und sah vorsichtig ins Innere. Niemand war daheim. Oop strich wohl irgendwo in der Umgebung herum, und Gespenst war ohnehin selten da. Im Kamin brannte ein Feuer.

Maxwell schloß die Tür und setzte sich auf die Bank vor der Hütte.

Weit im Westen schimmerte einer der vier Seen wie eine schmale blaue Linse. Abgestorbenes Riedgras gab der Landschaft ein bräunlich-gelbes Gesicht. Hier und da leuchteten Baumgruppen in Herbstfarben auf.

Warm und weich, dachte Maxwell. Ein Land, in dem man träumen konnte. Anders als die düsteren Landschaften, die Albert Lambert vor so vielen Jahren gemalt hatte.

Er wunderte sich, weshalb diese Bilder so in seiner Erinnerung hafteten. Er wunderte sich auch, wie der Künstler gewußt haben konnte, daß die geisterhaften Geschöpfe des Kristallplaneten geflimmert hatten. So etwas konnte kein Zufall sein. So etwas gab einem die Phantasie nicht ohne weiteres ein. Die Vernunft sagte ihm, daß Lambert das Geistervolk gekannt haben mußte, aber die gleiche Vernunft sagte ihm auch, daß das unmöglich war.

Und was war mit all den anderen Geschöpfen, all diesen grotesken Ungeheuern, die Lambert mit wilden Pinselstrichen auf die Leinwand geworfen hatte? Wie ordneten sie sich ein? Woher kamen sie? Oder waren sie einfach Ausgeburten einer verrückten Phantasie, eines gequälten Geistes? Waren die Leute des Kristallplaneten die einzigen echten Kreaturen, die Lambert gemalt hatte? Es war unwahrscheinlich. Irgendwo, irgendwie mußte Lambert auch diese Geschöpfe gesehen haben. Und war die Landschaft reine Phantasie, hingezeichnet, um die Charaktereigenschaften der Geschöpfe besser zum Ausdruck zu bringen, oder konnte es die Landschaft des Kristallplaneten in einer anderen Zeitepoche sein, als man ihn noch nicht mit einem Dach umschlossen hatte? Doch das, sagte er sich vor, war unmöglich, denn der Planet war konserviert worden, noch bevor das heutige Universum entstanden war.

Maxwell war unruhig. Es ergab keinen Sinn. Und er hatte schon genug Schwierigkeiten, als daß er sich um Lambert kümmern konnte. Er hatte seine Stelle verloren, sein Vermögen wurde vom Nachlaßgericht festgehalten, und er hatte keinerlei legale Daseinsberechtigung.

Doch auch das war im Moment Nebensache. Zuerst kam die Angelegenheit mit dem Wissenshort des Kristallplaneten. Es war ein Wissen, das die Universität einfach besitzen mußte — ein Wissen, das größer als das Gesamtwissen der Galaxis war. Einiges war natürlich schon bekannt, aber er war überzeugt davon, daß es riesige Forschungsgebiete gab, an die der Mensch überhaupt noch nicht gedacht hatte. Er hatte nur wenig gesehen, doch es genügte, um seine Überzeugung zu festigen.

Es war wichtig, daß er den Auftrag durchführte. Es war ungeheuer wichtig, daß die Bibliothek des Kristallplaneten erworben wurde und daß es — obwohl ihm keine Zeitgrenze gesetzt worden war — schnell geschah. Denn er war überzeugt davon, daß bei seinem Versagen das Wissen in einem anderen Teil der Galaxis angeboten wurde, vielleicht sogar außerhalb der Galaxis.

Das Ding konnte der Preis sein, aber er wußte es nicht sicher. Die Tatsache, daß es verkauft werden sollte und daß Churchill irgendwie damit zu tun hatte, ließ es denkbar erscheinen. Aber vielleicht wurde das Ding auch für ganz andere Zwecke gebraucht, vielleicht von jemand, der herausgefunden hatte, was es darstellte.

Er öffnete die Tür, betrat die Hütte und ging zu dem Bett hinüber. Er überlegte, daß er nachsehen mußte, ob er noch ein frisches Hemd und Socken für die Party hatte. Er holte seine Tasche vom Boden und legte sie aufs Bett.

Er öffnete den Verschluß und räumte die obenauf liegende Hose zur Seite, um besser an die Hemden heranzukommen. Er fand die Hemden, aber er fand noch etwas anderes. Eine Vorrichtung mit einem Band, das man über den Kopf streifen konnte, und mit zwei Okularen.

Er starrte es verwundert an. Er erkannte es sofort. Es war die Übersetzungsmaschine, mit der er auf dem Kristallplaneten die Metallschichten gelesen hatte. Nachdenklich ließ er das Ding in seiner Hand baumeln. Da war die Energiezelle, und da waren auch die Verstellschrauben für die Okulare.

Er mußte es wohl aus Versehen eingepackt haben, aber er konnte sich um alles in der Welt nicht erinnern, daß er die Tasche überhaupt gepackt hatte. Nun, jedenfalls war es da, und schaden konnte es nicht. Im Gegenteil, es war ein Beweis, daß er sich wirklich auf dem Kristallplaneten aufgehalten hatte.

Ein leichtes Klopfen kam von irgendwo, und Maxwell horchte. Vielleicht ein Ast, der an die Hütte schlug, obwohl es eigentlich anders geklungen hatte.

Das Klopfen begann wieder, diesmal sogar im Rhythmus — dreimal schnell hintereinander, Pause, zweimal schnell hintereinander und wieder Pause.

Jemand war an der Tür.

Maxwell erhob sich vom Bett und stand unentschlossen da. Vielleicht waren es Reporter, die ihn aufgespürt hatten, und dann war es am besten, nicht auf das Klopfen zu achten. Aber irgendwie erschien ihm das Klopfen nicht laut und ungestüm genug für ein Rudel Zeitungsleute. Es war schüchtern, zögernd, als wollte sich die Person vor der Tür schon vorher für ihr Eindringen entschuldigen. Und wenn es Reporter waren, überlegte Maxwell, dann würden sie nach kurzer Zeit die Klinke herunterdrücken und feststellen, daß die Tür nicht verschlossen war.

Das Klopfen, das einen Moment lang aufgehört hatte, begann von neuem. Maxwell ging an die Tür und riß sie auf. Draußen stand die Garnele, ein weißer Klecks im Sonnenlicht. Sie trug ein in Zeitungspapier gewickeltes Bündel.

»Um Himmels willen, kommen Sie herein, bevor jemand Sie sieht!« sagte Maxwell scharf.

Die Garnele kam herein, und Maxwell schloß die Tür. Er war gespannt, was das Geschöpf für ihn hatte.

»Die Furcht vor Zeitungswölfen ist unbegründet«, sagte die Garnele. »Ich war auf der Hut und achtete darauf, daß niemand mir folgte. Ich bin ein so dümmlich aussehendes Geschöpf, daß mir nie jemand folgt. Niemand traut mir zu, daß ich gefährliche Aufträge durchführe.«

»Eine großartige Gabe«, erklärte Maxwell. »Man könnte es eine Art Tarnung nennen.«

»Ich erscheine wieder im Auftrag von Miß Nancy Clayton«, sagte der Kleine. »Sie weiß, daß Sie wenig auf Ihre Reise mitnahmen und bisher keine Gelegenheit hatten, eine Waschanstalt aufzusuchen. Keinesfalls, um Sie in Verlegenheit zu bringen — das soll ich betonen — sondern, um Ihnen zu helfen, schickt sie diese Kleider.«

Er holte das Bündel unter seinem Arm hervor.

»Das ist nett von Nancy.«

»Sie ist eine rücksichtsvolle Person. Sie trug mir noch mehr auf.«

»Also los«, sagte Maxwell.

»Es wird Sie ein Räderfahrzeug zu ihrem Haus bringen.«

»Das ist doch nicht nötig«, sagte Maxwell. »Die Straße läuft direkt an ihrem Haus vorbei.«

»Wenn ich um Vergebung bitten darf«, sagte die Garnele fest, »sie hält es für das beste. Es gibt ein großes Rätselraten, wo Sie untergetaucht sind.«

»Woher weiß eigentlich Miß Clayton, wo ich untergetaucht bin?« fragte Maxwell.

»Ich muß gestehen, daß dies meiner Kenntnis entgeht«, erwiderte die Garnele.

»Also gut, dann richten Sie Miß Clayton meinen besten Dank aus.«

»Es wird mir eine Freude sein.«

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