9

Ganelon und ich verließen die Schweiz in zwei Lastwagen. Wir hatten sie von Belgien aus dorthin gefahren – wobei ich die Gewehre transportierte. Die dreihundert Stück wogen etwa anderthalb Tonnen. Nachdem wir auch die Munition übernommen hatten, blieb genug Platz für Treibstoff und andere Vorräte. Natürlich hatten wir eine Abkürzung durch die Schatten gewählt, um jenen Leuten zu entgehen, die an den Grenzen den Verkehr verzögern. Auf die gleiche Weise reisten wir wieder ab, wobei ich die Führung übernahm, um gewissermaßen den Weg zu bereiten.

Ich steuerte uns durch ein Land düsterer Berge und langgestreckter Dörfer, in denen wir nur an Pferdewagen vorbeikamen. Als der Himmel in einem hellen Zitronengelb schimmerte, boten sich die Lasttiere den Blicken gestreift und manchmal sogar gefiedert dar. Stundenlang fuhren wir dahin und stießen schließlich auf die schwarze Straße, bewegten uns eine Zeitlang parallel zu ihr und schlugen dann wieder eine andere Richtung ein. Der Himmel machte ein Dutzend Veränderungen durch, und die Konturen der Landschaft verschmolzen und flossen von Hügeln in Ebenen und wölbten sich wieder auf. Wir krochen auf schlechten Straßen dahin und rutschten über ebene Stellen, die so hart und glatt waren wie Glas. Wir mühten uns einen Berghang hinauf und wichen einem weindunklen Meer aus. Wir kamen durch Unwetter und ausgedehnte Nebelgebiete.

Es kostete mich einen halben Tag, um sie wiederzufinden – zumindest einen Schatten, der ihrer Welt so nahe war, daß es keinen Unterschied machte. Ja, die Welt jener Wesen, die ich schon einmal ausgenutzt hatte. Es waren stämmige gedrungene Gestalten, sehr haarig, sehr dunkel, mit langen Schneidezähnen und einziehbaren Krallen. Doch sie hatten Finger, mit denen sich ein Abzug betätigen ließ, und sie verehrten mich. Meine Rückkehr freute sie sehr. Dabei kam es wenig darauf an, daß ich vor fünf Jahren die besten Männer dieses Volkes in ein fremdes Land geführt hatte – zum Sterben. Göttern stellt man keine Fragen, sondern verehrt sie, betet sie an und gehorcht ihnen.

Sie waren sehr enttäuscht, daß ich diesmal nur ein paar hundert Mann brauchte. Tausende von Freiwilligen mußte ich wieder nach Hause schicken.

Diese Soldaten hatten nicht viel zu fürchten, waren sie doch die einzigen Kämpfer mit Schußwaffen. In ihrer Heimat war die Munition allerdings noch immer unentzündbar, und wir mußten mehrere Tage weit durch die Schatten wandern, ehe wir ein Land erreichten, das Amber so weit ähnelte, daß die Zündung endlich klappte. Das einzige Problem lag darin, daß die Schatten einem Gesetz der Kongruenz folgen, so daß dieser Ort schon ziemlich nahe bei Amber lag. Dieser Umstand machte mich während der Ausbildung meiner Soldaten etwas nervös. Zwar war es unwahrscheinlich, daß einer meiner Brüder zufällig gerade durch diesen Schatten streifte, doch es hatte schon schlimmere Zufälle gegeben.

Wir übten fast drei Wochen lang, ehe ich zu dem Schluß kam, daß wir ausreichend gewappnet waren. An einem schönen, frischen Morgen hoben wir unser Lager auf und bewegten uns in die Schatten. Die Kolonne der Männer marschierte hinter den Lastwagen. Die Motoren der Lkws würden vollends streiken, wenn wir uns Amber näherten – sie begannen bereits erhebliche Schwierigkeiten zu machen –, doch wir hatten vor, sie zu benutzen, solange sie unsere Ausrüstung befördern konnten.

Diesmal gedachte ich Kolvir vom Norden her zu bezwingen und mich nicht noch einmal an den Hang, der zum Meer hin liegt, zu wagen. Die Männer kannten die Gegend von meinen Beschreibungen, und der Aufmarsch der Gewehrbrigaden war genauestens festgelegt und geübt.

Wir machten Mittagspause, aßen gut und setzten unseren Weg fort, wobei die Schatten langsam an uns vorbeiglitten. Der Himmel nahm ein leuchtend dunkles Blau an – der Himmel Ambers. Der Boden schimmerte schwarz zwischen dem Felsgestein und dem hellgrünen Gras. Das Laub von Bäumen und Büschen hatte einen feuchten Schimmer. Die Luft war süß und rein.

Bei Anbruch der Nacht hielten wir zwischen den mächtigen Bäumen am Rande des Waldes von Arden. Wir schlugen unser Lager auf und teilten ausreichend Wachen ein. Ganelon, der eine Khakiuniform mit Käppi trug, saß bis spät in die Nacht bei mir und ging ein letztesmal die Pläne durch, die ich gezeichnet hatte. Bis zum Berg waren es noch etwa vierzig Meilen.

Die Lkws gaben am folgenden Nachmittag den Geist auf. Sie machten mehrere schnelle Veränderungen durch, blieben wiederholt stehen und ließen sich schließlich nicht mehr starten. Wir schoben sie in ein enges Tal und tarnten sie mit Ästen. Dann verteilten wir Waffen und Munition und den Rest der Rationen auf die Männer und marschierten weiter.

Dabei verließen wir den festgetretenen Lehmweg und arbeiteten uns durch den Wald voran. Natürlich kamen wir nicht mehr so schnell von der Stelle, und die Chance, daß uns eine von Julians Patrouillen überraschte, wurde größer. Die Bäume ragten riesig empor, da wir inzwischen schon ziemlich weit nach Arden vorgedrungen waren, und nach und nach kam mir die Gegend immer bekannter vor.

Wir sahen an diesem Tag jedoch nichts Gefährlicheres als Füchse, Rotwild, Kaninchen und Eichhörnchen. Der Geruch des Waldes, seine grünen, goldenen und braunen Farbtöne weckten die Erinnerung an angenehmere Zeiten. Kurz vor Sonnenuntergang erstieg ich einen riesigen Baum und vermochte die Bergkette auszumachen, über der sich Kolvir erhob. Über den Bergen entlud sich gerade ein Unwetter, dessen Wolken die höchsten Gipfel einhüllten.

Zur Mittagsstunde des nächsten Tages stießen wir auf eine Patrouille Julians. Ich weiß nicht mehr, wer wen überraschte oder wer mehr überrascht war. Es wurde sofort geschossen. Ich schrie mich fast heiser bei dem Versuch, die Knallerei zu unterbinden, da jedermann begierig zu sein schien, seine Waffe an einem lebendigen Ziel zu erproben. Es war nur eine kleine Truppe von achtzehn Mann, und wir töteten alle. Auf unserer Seite gab es nur einen Ausfall; ein Mann verwundete einen anderen. Anschließend marschierten wir mit erhöhtem Tempo weiter: hatten wir doch ziemlich viel Lärm verursacht, und ich wußte nicht, ob vielleicht noch weitere Einheiten in der Nähe waren.

Bis zum Beginn der Dunkelheit legten wir eine große Strecke zurück und bewältigten einen ansehnlichen Höhenunterschied, und bei klarer Sicht konnten wir die Berge erkennen. Noch immer wallten die Gewitterwolken um die Gipfel. Meine Männer waren aufgeregt von der Schießerei und brauchten einige Zeit zum Einschlafen.


Am nächsten Tag erreichten wir die Vorberge, wobei wir zwei Patrouillen rechtzeitig entdeckten und ihnen aus dem Weg gingen. Ich ließ bis tief in die Nacht weitermarschieren, um eine besonders geschützte Stelle zu erreichen, die ich von früher kannte. Als wir uns endlich schlafen legten, waren wir etwa eine halbe Meile höher als in der Nacht zuvor.

Obwohl wir uns dicht unter einer Wolkendecke befanden, gab es keinen Regen; allerdings machte sich jene atmosphärische Spannung bemerkbar, wie sie oft einem Unwetter vorausgeht. In dieser Nacht schlief ich sehr unruhig. Ich träumte von dem brennenden Katzenkopf und von Lorraine.

Am Morgen setzten wir den Marsch unter einem grauen Himmel fort. Unbarmherzig trieb ich die Männer zur Eile an; dabei führte der Weg steil bergauf. Fernes Donnergrollen drang an unsere Ohren, und die Luft bebte und war elektrisch geladen.

Einige Stunden später führte ich unsere Kolonne einen gewundenen Felsweg hinauf. Da hörte ich plötzlich einen Schrei hinter mir, gefolgt von mehreren Gewehrsalven. Sofort hastete ich zurück.

Eine kleine Gruppe von Männern, zu der auch Ganelon gehörte, starrte auf etwas am Boden, unterhielt sich mit leisen Stimmen. Ich drängte mich zwischen sie.

Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Soweit ich mich zurückerinnern konnte, war ein Wesen dieser Art in der Nähe Ambers noch nicht gesehen worden. Etwa zwölf Fuß lang, mit der scheußliche Parodie eines Menschengesichts auf den Schultern eines Löwen, mit adlergleichen Flügeln, die die blutigen Flanken bedeckten, ein noch immer zuckender Schwanz, der mich an einen Skorpion denken ließ. Ein einziges Mal hatte ich bisher einen Manticora gesehen auf einer Insel, die im tiefen Süden lag – ein fürchterliches Ungeheuer, das auf meiner Liste gräßlicher Lebewesen ziemlich weit oben stand.

»Es hat Rail zerrissen, es hat Rail zerrissen«, wiederholte einer der Männer immer wieder.

Etwa zwanzig Schritt entfernt sah ich die Überreste Rails. Wir bedeckten ihn mit einer Plane, die mit Felsbrocken beschwert wurde. Mehr konnten wir nicht tun. Wenn der Zwischenfall überhaupt einen Nutzen hatte, dann den, daß wir die Welt mit neuer Vorsicht betrachteten, etwas, das uns nach dem gestrigen leichten Sieg verlorengegangen war. Die Männer marschierten stumm und wachsam dahin.

»Ein scheußliches Wesen«, sagte Ganelon. »Besitzt es die Intelligenz eines Menschen?«

»Das weiß ich nicht.«

»Ich habe so ein merkwürdiges Gefühl, ich bin nervös, Corwin. Als würde etwas Schreckliches passieren. Ich weiß nicht, wie ich es sonst ausdrücken soll.«

»Ich weiß.«

»Fühlt Ihr es auch?«

»Ja.«

Er nickte.

»Vielleicht ist es das Wetter«, sagte ich.

Wieder nickte er, diesmal zögernder.

Während wir unseren Aufstieg fortsetzten, wurde der Himmel immer dunkler, und das Donnergrollen hörte überhaupt nicht mehr auf. Im Westen zuckten Hitzeblitze auf, und der Wind wurde kräftiger. Wenn ich aufblickte, vermochte ich die gewaltigen Wolkenmassen über den höheren Gipfeln zu erkennen. Schwarze, vogelähnliche Gestalten zeichneten sich ständig davor ab.

Kurz darauf stießen wir auf einen zweiten Manticora, den wir aber zu töten vermochten, bevor er uns angreifen konnte. Etwa eine Stunde später wurden wir von einer Horde riesiger Ungeheuer mit rasiermesserscharfen Schnäbeln angegriffen. Solche Wesen kamen mir zum erstenmal unter die Augen. Wir konnten sie zwar verscheuchen, doch der Zwischenfall beunruhigte mich noch mehr.

Wir kletterten weiter und fragten uns immer wieder, wann das Unwetter losbrechen würde. Der Wind wurde immer heftiger.

Es dunkelte, obwohl die Sonne noch nicht untergegangen sein konnte. Als wir uns den Wolkenbänken näherten, bekam die Luft etwas Nebliges, Dunstiges. Ein Gefühl der Feuchtigkeit machte sich überall bemerkbar. Die Felsen wurden glitschiger. Ich war geneigt, die Kolonne halten zu lassen, doch Kolvir war noch ziemlich weit, und ich wollte unsere Versorgungslage nicht gefährden.

Wir bewältigten noch etwa vier Meilen und mehrere tausend Fuß Höhenunterschied, ehe wir schließlich doch rasten mußten. Inzwischen war es stockdunkel geworden, und die einzige Beleuchtung stammte von den immer wieder aufflammenden Blitzen. Wir lagerten in einem großen Kreis auf einem harten, kahlen Hang, umgeben von Posten. Der Donner erdröhnte wie Kriegsmusik – eine Lärmkulisse ohne Ende. Die Temperatur sank ins Bodenlose. Es wäre sinnlos gewesen, das Anzünden von Lagerfeuern zu erlauben – wir hatten keinen Brennstoff. Wir machten uns auf eine kalte, feuchte, düstere Nacht gefaßt.

Manticoras griffen mehrere Stunden später an, überraschend, lautlos. Mehrere Männer kamen ums Leben, und wir töteten sechzehn Ungeheuer. Ich habe keine Ahnung, wie viele Angreifer fliehen konnten. Ich verfluchte Eric, während ich meine Wunden verband und mich fragte, aus welchem Schatten er diese Geschöpfe herbeigerufen hatte.

Während der Zeit, die hier als Vormittag galt, legten wir auf unserem Weg zum Kolvir noch etwa fünf Meilen zurück, ehe wir nach Westen abbogen. Wir wählten eine von drei möglichen Routen; ich hatte sie stets für diejenige gehalten, die sich am besten zu einem Angriff eignete. Wieder belästigten uns die Vögel – und zwar mehrmals und in größerer Zahl und viel beharrlicher als tags zuvor. Doch wir brauchten nur ein paar zu erschießen, um die ganze Schar zu verscheuchen.

Schließlich umrundeten wir den Fuß eines riesigen Felsvorsprungs. Eben noch bewegten wir uns in schwindelnder Höhe durch Donnergrollen und Nebel – doch plötzlich hatten wir freie Sicht, weit hinab und in die Ferne, Dutzende von Meilen über das Tal des Garnath, das sich rechts von uns erstreckte.

Ich ließ die Truppen halten und trat vor, um mir einen Überblick zu verschaffen.

Als ich dieses einst so schöne Tal zum letztenmal gesehen hatte, war es eine verdorrte Wildnis gewesen. Inzwischen war die Lage noch schlimmer geworden. Die schwarze Straße zog sich durch das Tal, verlief bis zum Fuße Kolvirs und endete dort. Mitten im Tal tobte eine Schlacht. Berittene Streitkräfte galoppierten durcheinander, kämpften, trennten sich wieder. Infanteristen rückten reihenweise vor, stießen aufeinander, wichen zurück. Blitze zuckten und trafen zwischen den Kämpf enden auf. Die schwarzen Vögel umschwirrten die Männer wie Ascheflocken im Wind.

Über allem lag die Feuchtigkeit wie eine kalte Decke. Die Echos des Donners rollten zwischen den Gipfeln hin und her. Verwirrt starrte ich auf den Konflikt tief unter uns.

Die Entfernung war zu groß, um die Kämpfenden zu erkennen. Zuerst kam mir der Gedanke, daß dort vielleicht jemand dasselbe versuchte wie ich – daß Bleys seinen damaligen Sturz vielleicht überlebt hatte und nun mit einer neuen Armee vorrückte.

Aber nein. Diese Geschöpfe kamen von Westen heran, auf der schwarzen Straße. Und ich erkannte nun auch, daß die Vögel die Angreifer begleiteten, ebenso herumhüpfende Gestalten, die weder Pferde noch Menschen waren. Vielleicht Manticoras.

Die Blitze stürzten sich auf die heraneilenden Soldaten, zersprengten die Kolonnen, verbrannten und vernichteten sie. Als mir klar wurde, daß sie niemals in der Nähe der Verteidiger einschlugen, fiel mir ein, daß Eric offenbar eine gewisse Kontrolle über jenes Gebilde gewonnen hatte, das Juwel des Geschicks genannt wird. Mit diesem Juwel hatte Vater dem Wetter rings um Amber seinen Willen auf gezwungen. Eric hatte diese Waffe schon vor fünf Jahren mit erheblicher Wirkung gegen uns eingesetzt.

Die Angreifer aus den Schatten, von denen ich gehört hatte, waren also doch stärker, als ich angenommen hatte. Ich hatte mir Scharmützel vorgestellt – doch keine Entscheidungsschlacht am Fuße des Kolvir. Ich starrte auf das Gewirr in der Schwärze. Die Straße schien sich unter der herrschenden Aktivität förmlich zu winden.

Ganelon erschien neben mir. Er sagte lange Zeit nichts.

Ich wollte nicht, daß er mir die Frage stellte, doch ich brachte es nicht über mich, die Worte auszusprechen, ohne dazu aufgefordert zu sein.

»Was jetzt, Corwin?«

»Wir müssen das Tempo steigern«, sagte ich. »Ich möchte heute abend noch in Amber sein.«

Wir setzten den Marsch fort. Eine Zeitlang kamen wir schneller voran, und das war uns eine Erleichterung. Das regenlose Unwetter ging weiter, Blitz und Donner nahmen an Helligkeit und Lautstärke zu.

Durch Dämmerlicht setzten wir unseren Weg fort.

Als wir am Nachmittag einen sicher aussehenden Ort erreichten – eine Stelle knapp fünf Meilen vor den nördlichen Ausläufern Ambers –, ließ ich erneut halten, zur letzten Rast und Mahlzeit. Da wir einander anbrüllen mußten, wenn wir uns verständigen wollten, konnte ich nicht zu den Männern sprechen. Ich ließ die Parole ausgeben, daß wir ziemlich nahe vor der Stadt stünden und uns zum Kampf bereit halten müßten.

Während die anderen rasteten, nahm ich meine Rationen und kundschaftete das Gebiet vor uns aus. Etwa eine Meile entfernt erkletterte ich eine steile Felsformation. Auf den vor uns liegenden Hängen war ebenfalls eine Art Schlacht im Gange.

Ich blieb in Deckung und beobachtete. Eine Streitmacht Ambers war in einen Kampf gegen Angreifer verwickelt, die entweder vor uns den Hang erstiegen haben mußten oder auf einem gänzlich anderen Weg gekommen waren. Ich vermutete das letztere, da uns überhaupt keine frischen Spuren aufgefallen waren. Der Kampf erklärte auch, warum wir bei unserem Aufstieg bisher keinen Patrouillen begegnet waren – ein großes Glück für uns.

Ich schlich näher heran. Zwar hätten die Angreifer einen der beiden anderen Wege benutzen können, doch fand ich jetzt einen weiteren Hinweis darauf, daß dies wohl nicht der Fall war. Die Angreifer trafen nämlich noch immer ein – ein schrecklicher Anblick: Sie kamen aus der Luft!

Sie wehten aus dem Westen herbei wie gewaltige Wogen vom Wind getriebener Blätter. Die Flugbewegungen, die ich aus der Ferne wahrgenommen hatte, stammten von größeren Wesen als den angriffslustigen Vögeln. Hier oben schwebten die Fremden auf geflügelten Zweibeinern heran, die sich am ehesten mit einem heraldischen Flugdrachen vergleichen ließen. Nie zuvor hatte ich solche Tiere gesehen.

In den Reihen der Verteidiger taten zahlreiche Bogenschützen ihr Werk. Sie forderten ihren Tribut in den Reihen der heranstürmenden Flugwesen. Auch hier tobte die Hölle der Elemente; die Blitze zuckten und ließen die Angreifer wie Kohlestücke aufflammen und zu Boden stürzen. Doch immer weiter rückten die Ungeheuer vor und landeten, so daß Soldat und Ungeheuer die Verteidiger getrennt angreifen konnten. Ich suchte und fand den pulsierenden Schimmer, den das Juwel des Geschickes verstrahlt, wenn es eingeschaltet ist. Das Licht glühte mitten in der größten Verteidigergruppe, die sich am Fuße einer hohen Klippe festgesetzt hatte.

Ich starrte hinab, verfolgte die Entwicklung und konzentrierte mich schließlich auf den Träger des Juwels. Nein, ein Zweifel war unmöglich: es war Eric.

Ich warf mich zu Boden und kroch auf dem Bauch weiter. Ich sah, wie der Anführer der nächsten Verteidigergruppe zu einem gewaltigen Schwerthieb ausholte und den Kopf eines landenden Drachen vom Rumpf trennte. Mit der linken Hand packte er die Rüstung des Reiters und schleuderte ihn gut dreißig Fuß weit fort, über die Kante des Felsplateaus. Als er sich dann umwandte, um einen Befehl zu geben, erkannte ich Gérard. Er schien einen Flankenangriff auf eine Gruppe Angreifer zu leiten, die die Streitkräfte am Fuß der Klippe bedrängte. Auf der gegenüberliegenden Seite vollführte eine andere Einheit ein ähnliches Manöver. Noch ein Bruder?

Ich fragte mich, wie lange die Schlacht schon im Gange war – im Tal und hier oben. Vermutlich schon ziemlich lange, wenn man bedachte, seit wann uns der unnatürliche Sturm begleitete.

Ich schob mich nach rechts und wandte meine Aufmerksamkeit dem Westen zu. Der Kampf im Tal ging mit unverminderter Heftigkeit weiter. Aus der Entfernung ließ sich nicht mehr erkennen, wer zu welcher Seite gehörte, geschweige denn beurteilen, welche Partei im Vorteil war. Allerdings zeichnete sich ab, daß keine neuen Soldaten aus dem Westen eintrafen, um die Truppen der Angreifer zu verstärken.

Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Auf keinen Fall konnte ich Eric angreifen, solange er in einen Kampf verwickelt war, der für den Bestand Ambers entscheidend sein konnte. Es war sicher am besten, abzuwarten und später die Überreste aufzusammeln. Doch schon nagten die spitzen Zähne des Zweifels an diesem Plan.

Selbst ohne neue Verstärkung für die Angreifer war der Ausgang der Schlacht keinesfalls klar. Die Invasoren waren kampfstark und zahlreich. Ich hatte keine Ahnung, ob Eric noch über eine Reserve verfügte. In diesem Augenblick war nicht zu beurteilen, ob es sich lohnte, auf Ambers Sieg zu setzen. Wenn Eric verlor, mußte ich mich später gegen die Invasoren durchsetzen, nachdem ein großer Teil von Ambers Streitkräften sinnlos aufgerieben worden war.

Schaltete ich mich jedoch mit meinen automatischen Waffen in die Auseinandersetzung ein, konnten wir die Drachenreiter sofort niederringen, daran bestand für mich kein Zweifel. Überhaupt mußte sich einer oder zwei meiner Brüder unten im Tal befinden. Auf diese Weise ließ sich über die Trümpfe ein Tor für meine Truppen schaffen. Sicher waren die unbekannten Angreifer überrascht, wenn Amber plötzlich mit Gewehrschützen auftrumpfte.

Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den Konflikt in meiner Nähe. Nein, die Sache stand nicht gut. Ich versuchte mir über die Folgen meines Eingreifens schlüssig zu werden. Eric war bestimmt nicht in der Lage, sich gegen mich zu wenden. Zusätzlich zu dem Mitgefühl, das mir für die von seiner Hand erlittene Pein entgegenschlug, hatte ich ihm dann auch noch die Kastanien aus dem Feuer geholt. Für die Errettung aus einer gefährlichen Situation mochte er mir zwar dankbar sein, doch die allgemeine Stimmung, die sich daraus ergab, würde ihm weniger behagen. O nein. Corwin frei in Amber, begleitet von einer gefährlichen persönlichen Leibwache und den Sympathien der Bevölkerung. Ein interessanter Gedanke. Hier bot sich mir ein viel eleganterer Weg zu meinem Ziel als der bisher vorgesehene brutale Angriff, der mit meiner Thronbesteigung enden sollte.

Ja.

Ich lächelte. Ich gedachte, mich zum Helden aufzuschwingen.

Doch ich muß um Nachsicht bitten. Vor die Wahl gestellt zwischen einem Amber mit Eric auf dem Thron und einem vernichteten Amber, war es natürlich keine Frage, daß meine Entscheidung in jedem Falle dieselbe sein mußte – nämlich Angiiff. Der Kampf stand nicht gut genug, um des Ausgangs sicher zu sein. Zwar mochte es zu meinem Vorteil sein, den Sieg zu gewährleisten, doch in letzter Konsequenz waren meine Interessen nicht wichtig. Eric, ich könnte dich nicht so hassen, würde ich Amber nicht so lieben!

Ich zog mich zurück und hastete den Hang hinab. Die Blitze ließen Schatten in alle Richtungen zucken.

Am Rand unseres Lagers blieb ich stehen. Auf der gegenüberliegenden Seite unterhielt sich Ganelon schreiend mit einem einzelnen Reiter. Ich erkannte das Pferd.

Ich eilte weiter, und auf ein Zeichen des Reiters hin setzte sich das Pferd in Bewegung, suchte sich einen Weg zwischen den Soldaten, wandte sich in meine Richtung. Ganelon schüttelte den Kopf und folgte.

Der Reiter war Dara. Kaum war sie in Hörweite, da begann ich auch schon zu brüllen.

»Zum Teufel, was machst du hier?«

Lächelnd stieg sie ab und stand im nächsten Augenblick vor mir.

»Ich wollte doch nach Amber«, sagte sie. »Jetzt bin ich hier.«

»Wie bist du hierhergekommen?«

»Ich bin Großvater gefolgt«, sagte sie. »Ich habe festgestellt, daß es leichter ist, einem anderen durch die Schatten zu folgen, als selbst den Weg zu finden.«

»Benedict ist hier?«

Sie nickte.

»Unten. Er führt die Streitkräfte im Tal. Julian ist bei ihm.«

Ganelon kam herbei und blieb in der Nähe stehen.

»Sie sagt, sie sei uns hier herauf gefolgt!« rief er. »Sie ist schon seit Tagen hinter uns.«

»Stimmt das?« fragte ich.

Wieder nickte sie. Sie lächelte immer noch.

»Das war nicht weiter schwer.«

»Aber warum das alles?«

»Um nach Amber zu gelangen! Ich möchte das Muster beschreiten! Dorthin gehst du doch auch, nicht wahr?«

»Natürlich. Aber leider ist auf dem Weg dorthin noch ein Krieg im Gange!«

»Was tust du dagegen?«

»Ich werde ihn natürlich gewinnen!«

»Gut. Ich warte solange!«

Ich fluchte einige Sekunden lang, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Dann fragte ich: »Wo warst du, als Benedict zurückkehrte?« Das Lächeln verblaßte.

»Ich weiß es nicht«, entgegnete sie. »Als du abgefahren warst, bin ich ausgeritten und den ganzen Tag fortgeblieben. Ich wollte allein sein und nachdenken. Als ich am Abend zurückkehrte, war er nicht mehr da. Am nächsten Tag bin ich wieder ausgeritten. Ich habe dabei eine ziemlich weite Strecke zurückgelegt, und als es dunkel wurde, beschloß ich im Freien zu übernachten. Das tue ich oft. Ehe ich am nächsten Nachmittag nach Hause zurückkehrte, hielt ich auf eine Bergspitze zu und sah ihn unten vorbeireiten, in Richtung Osten. Ich beschloß, ihm zu folgen. Der Weg führte durch die Schatten. Ich weiß nicht, wie lange wir unterwegs waren. Die Zeit geriet völlig durcheinander. Er kam hierher, und ich erkannte den Ort von einem der Bilder auf den Karten. In einem Wald im Norden traf er sich mit Julian, und beide stürzten sich in die Schlacht dort unten!« Sie deutete in das Tal hinab. »Ich hielt mich mehrere Stunden lang im Wald auf – wußte ich doch nicht, was ich tun sollte. Ich hatte Angst, mich zu verirren, wenn ich auf unserer Spur zurückritt. Dann sah ich deine Armee den Berg ersteigen. Ich sah dich und Ganelon an der Spitze. Da ich wußte, daß in dieser Richtung Amber lag, bin ich euch gefolgt. Mit der Annäherung habe ich bis jetzt gewartet, weil ich wollte, daß du Amber zu nahe bist, um mich zurückzuschicken.«

»Ich glaube nicht, daß du mir die ganze Wahrheit sagst«, erwiderte ich. »Doch ich habe jetzt keine Zeit, mich damit zu beschäftigen. Wir reiten in Kürze weiter, und es wird zu einem Kampf kommen. Es wäre das sicherste, wenn du hier bliebst. Ich stelle einige Leibwächter für dich ab.«

»Die will ich aber nicht!«

»Mir ist egal, was du willst. Du wirst dich mit den Leibwächtern abfinden müssen. Wenn der Kampf vorüber ist, lasse ich dich holen.«

Ich wandte mich um, wählte zwei Männer aus und befahl ihnen zurückzubleiben und das Mädchen zu bewachen. Sie waren nicht sonderlich begeistert von dieser Aufgabe.

»Was sind das für Waffen, die deine Soldaten da haben?« fragte Dara.

»Später«, erwiderte ich. »Jetzt habe ich zu tun.«

Ich gab meinen Soldaten die notwendigsten Anweisungen und teilte die Einheiten ein.

»Du scheinst nur wenige Männer zu haben«, sagte sie.

»Sie genügen jedenfalls«, erwiderte ich. »Bis später!«

Ich ließ sie mit den Wächtern zurück.

Wir schlugen den Weg ein, den ich vorhin schon zurückgelegt hatte. Ein Stück weiter hörte das Donnern plötzlich auf, und die Stille war weniger eine Erleichterung als ein Grund zu weiterer Besorgnis. Dämmerlicht umgab uns, und unter der feuchten Decke der Luft begann ich zu schwitzen.

Kurz bevor wir meinen ersten Beobachtungspunkt erreichten, ließ ich halten. In Deckung schlich ich voran, begleitet von Ganelon.

Die Drachenreiter waren praktisch überall, und ihre Flugtiere griffen ebenfalls in den Kampf ein. Sie drängten die Verteidiger am Fuße der Felswand zusammen. Ich versuchte Eric und den glühenden Edelstein zu finden, konnte aber nichts entdecken.

»Welches sind denn die Feinde?« wollte Ganelon wissen.

»Die Monsterreiter.«

Nachdem die himmlische Artillerie das Feuer eingestellt hatte, begannen die Angreifer nun gezielt zu landen. Kaum berührten sie festen Boden, griffen sie auch schon zielstrebig an. Ich suchte die Reihen der Verteidiger ab, doch Gérard war nicht mehr zu sehen.

»Holt die Soldaten«, sagte ich und hob mein Gewehr. »Und sagt ihnen, sie sollen sowohl auf die Reiter als auch auf die Tiere schießen!«

Ganelon zog sich zurück, und ich zielte auf einen landenden Drachen und schoß. Mitten im Landeanflug begann das Tier wild mit den Flügeln zu schlagen. Es prallte gegen den Hang, überschlug sich und blieb zuckend am Boden liegen. Ich schoß ein zweitesmal. Im Sterben begann das Ungeheuer zu brennen. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich vier Brände entfacht. Ich kroch in meine zweite Stellung vor. Dort angekommen, hob ich die Waffe und schoß von neuem.

Ich erlegte einen weiteren Angreifer, doch schon waren einige Wesen in meine Richtung geschwenkt. Ich verfeuerte den Rest meiner Munition und lud hastig nach. Mehrere Flugtiere rasten auf mich zu. Sie waren ziemlich schnell.

Ich vermochte sie aufzuhalten und lud gerade nach, als die erste Schützeneinheit eintraf. Gleich darauf wehrten wir uns mit verstärkter Feuerkraft und rückten weiter vor.

Nach zehn Minuten war alles vorbei. Sehr schnell erkannten unsere Gegner, daß sie keine Chance hatten, und begannen auf den Rand des Plateaus zuzurennen, wo sie sich in die Luft warfen und davonflogen. Doch erbarmungslos schossen wir sie herunter, und ringsum lagen brennendes Fleisch und glimmende Knochen.

Links von uns erhob sich das feuchte Felsgestein zu einer steilen Klippe, die in den Wolken verschwand und daher kein Ende zu haben schien. Noch immer tobte der Wind durch Rauch und Nebel, und der Boden war voller Blut. Als wir schießend vorrückten, erkannten die Streitkräfte Ambers sofort, daß wir Hilfe brachten, und begannen ihrerseits vom Fuß des Felsens her vorzurücken. Ich sah, daß sie von meinem Bruder Caine angeführt wurden. Einen Augenblick lang trafen sich von ferne unsere Blicke, dann stürzte er sich in den Kampf.

Als die Angreifer weiter zurückwichen, fanden sich verstreute Amber-Gruppen zu einer zweiten Streitmacht zusammen. Sie verengten allerdings unser Schußfeld, indem sie begannen, die gegenüberliegende Flanke der Monstermenschen auf ihren Drachenvögeln anzugreifen, doch ich sah keine Möglichkeit, ihnen das verständlich zu machen. Wir rückten weiter vor und bemühten uns, genau zu zielen.

Eine kleine Gruppe von Männern blieb am Fuß der Felswand zurück. Ich hatte den Eindruck, Eric sei vielleicht verwundet worden, da das Unwetter sehr plötzlich aufgehört hatte. Ich löste mich von den anderen und schlug die Richtung ein.

Als ich in die Nähe der Gruppe gelangte, ließ die Schießerei bereits wieder nach. Was nun geschah, bemerkte ich erst, als es zu spät war.

Etwas Großes raste von hinten heran und war in Sekundenschnelle an mir vorbei. Ich stürzte zu Boden und ließ mich abrollen, wobei ich automatisch das Gewehr hob. Doch mein Finger krümmte sich nicht um den Abzug. Es war Dara, die soeben auf dem Pferderücken an mir vorbeigaloppiert war. Als ich ihr nachbrüllte, drehte sie sich im Sattel um und lachte.

»Komm zurück! Verdammt! Du wirst dich noch umbringen!«

»Wir sehen uns in Amber!« rief sie und galoppierte über das graue Gestein auf den Weg, der dahinter begann.

Ich war zornig. Aber ich konnte im Augenblick nichts unternehmen. Wutschnaubend rappelte ich mich wieder auf und setzte meinen Weg fort.

Als ich die Gruppe erreichte, hörte ich mehrmals meinen Namen. Köpfe wandten sich in meine Richtung. Männer traten zur Seite, um mich durchzulassen. Ich erkannte viele Gesichter, doch ich kümmerte mich nicht um die Umstehenden.

Ich glaube, ich entdeckte Gérard in demselben Augenblick wie er mich. Er hatte mitten in der Gruppe gekniet und stand jetzt auf und wartete. Sein Gesicht war ausdruckslos.

Als ich näher kam, sah ich, daß meine Vermutungen richtig gewesen waren. Gérard hatte am Boden gekniet, um einen Verwundeten zu versorgen. Es war Eric.

Ich erreichte die Gruppe, nickte Gérard zu und blickte dann auf Eric hinab. Widerstreitende Gefühle tobten in mir. Das Blut mehrerer Brustwunden schimmerte sehr hell – und er verlor sehr viel. Das Juwel des Geschicks, das noch an einer Kette um seinen Hals hing, war damit besudelt. Wie ein herausgerissenes Herz pulsierte es weiter unter der roten Schicht. Erics Augen waren geschlossen, sein Kopf lag auf einem zusammengerollten Mantel. Er atmete schwer.

Ich kniete nieder, unfähig, den Blick von dem aschgrauen Gesicht zu wenden. Ich versuchte meinen Haß beiseite zu schieben, da er so offenkundig im Sterben lag, damit ich eine Chance hatte, diesen Mann, der mein Bruder war, in den Minuten, die ihm noch blieben, ein wenig besser zu verstehen. Ich stellte fest, daß ich so etwas wie Mitleid aufbringen konnte, indem ich an all die Dinge dachte, die er zusammen mit dem Leben verlieren würde, und indem ich mich fragte, ob ich wohl jetzt an seiner Stelle läge, wenn ich vor fünf Jahren gesiegt hätte. Ich versuchte etwas zu finden, das zu seinen Gunsten sprach, fand aber nur die Worte: Er starb im Kampf um Amber. Das war immerhin etwas. Der Satz ging mir immer wieder durch den Kopf.

Er kniff die Augen zusammen, öffnete sie zuckend. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, als er den Blick auf mich richtete. Ich war nicht sicher, ob er mich überhaupt erkannte.

Doch er sagte meinen Namen und fuhr fort: »Ich wußte, daß du es sein würdest.« Er schwieg einige Atemzüge lang und fuhr fort: »Sie haben dir Arbeit abgenommen, nicht wahr?«

Ich antwortete nicht. Er wußte, was ich gesagt hätte.

»Eines Tages bist auch du an der Reihe«, fuhr er fort. »Dann sind wir wieder gleich.« Er lachte leise und erkannte zu spät, daß er das lieber nicht hätte tun sollen. Ein gurgelnder Hustenreiz packte ihn. Als es vorbei war, starrte er mich düster an.

»Ich habe deinen Fluch gespürt«, sagte er. »Überall. Die ganze Zeit. Du brauchtest nicht einmal zu sterben, um ihn wirksam werden zu lassen.«

Als könnte er meine Gedanken lesen, lächelte er gespenstisch. »Nein«, sagte er. »Ich werde dich nicht mit meinem Todesfluch belegen. Den habe ich mir für die Feinde Ambers aufgehoben – dort draußen.« Er machte eine Bewegung mit den Augen. Dann sprach er flüsternd den Fluch, und ich erschauderte, als ich die Worte hörte.

Schließlich kehrte sein Blick zu meinem Gesicht zurück; einen Augenblick lang starrte er mich an. Er zupfte an der Kette, die um seinen Hals lag.

»Das Juwel . . .« sagte er. »Nimm es mit in die Mitte des Musters. Halte den Stein empor. Ganz dicht – vor ein Auge. Blicke hinein – und stell dir vor, es wäre eine SchattenWelt. Versuche dich selbst – hineinzuprojizieren. Du dringst nicht ein. Doch es gibt – ein Erleben . . . Dann weißt du, wie du den Stein nutzen kannst . . .«

»Wie . . .?« sagte ich und stockte. Er hatte mir bereits gesagt, wie man sich auf den Edelstein einstellte. Warum sollte er seinen Atem mit der Erklärung verschwenden, wie er darauf gekommen war? Doch er erkannte, was ich wissen wollte. »Dworkins Notizen . . . unter dem Kamin . . . mein . . .«

Dann überkam ihn ein neuer Hustenreiz, und Blut quoll ihm aus Nase und Mund. Er holte tief Atem und stemmte sich mit rollenden Augen in eine sitzende Position hoch.

»Führe dich so gut, wie ich es getan habe – Bastard!« sagte er, sank in meine Arme und machte seinen letzten blutigen Atemzug.

Ich verharrte mehrere Sekunden lang und brachte ihn dann in die frühere Stellung. Seine Augen waren noch offen, und ich hob die Hand und schloß sie. Fast automatisch legte ich seine Hände auf dem erloschenen Edelstem zusammen. Ich brachte es nicht über mich, ihm das Schmuckstück jetzt schon abzunehmen. Dann stand ich auf, zog meinen Mantel aus und bedeckte ihn damit.

Als ich mich umdrehte, sah ich, daß alle mich anstarrten. Viele altvertraute Gesichter, einige unbekannte dazwischen. Doch viele, die in jener Nacht dabeigewesen waren, als ich in Ketten zum Bankett geführt wurde . . .

Nein. Jetzt war nicht der Augenblick, daran zu denken. Ich schlug mir den Gedanken aus dem Kopf. Das Schießen hatte aufgehört. Ganelon zog die Truppen zurück und brachte sie in Formation.

Ich trat vor und ging zwischen den Amberianern hindurch. Ich schritt zwischen Toten dahin, ging an meinen Soldaten vorbei und trat an den Rand der Klippe.

Im Tal unter uns ging der Kampf weiter. Die Kavallerie strömte hierhin und dorthin wie ein aufgewühltes Gewässer, vorschäumend, stockend, Strudel bildend, zurückweichend, umschwärmt von der insektengleichen Infanterie.

Ich nahm die Karten zur Hand, die ich Benedict abgenommen hatte. Ich zog sein Abbild aus dem Spiel. Es schimmerte vor mir, und nach einer Weile kam es zum Kontakt.

Er saß auf dem mir bekannten rotschwarzgescheckten Tier, mit dem er mich verfolgt hatte. Er war in Bewegung, ringsum wurde gekämpft. Da ich sah, daß er einem anderen Reiter gegenüberstand, blieb ich still. Er sagte nur ein einziges Wort.

»Warte!«

Er erledigte seinen Gegner mit zwei schnellen Klingenbewegungen. Dann ließ er das Pferd herumwirbeln und begann sich aus dem Kampf zu lösen. Ich sah, daß die Zügel des Tieres verlängert und um den Stumpf seines rechten Arms gebunden waren. Es kostete ihn gut zehn Minuten, sich an eine einigermaßen sichere Stelle zurückzuziehen. Als er soweit war, sah er mich an, und ich erkannte, daß er sich zugleich die Szene hinter mir ansah.

»Ja, ich bin auf dem Plateau«, sagte ich. »Wir haben gesiegt. Eric ist in der Schlacht gefallen.«

Sein Blick blieb starr auf mich gerichtet; er wartete darauf, daß ich weitersprach. Sein Gesicht war reglos.

»Wir haben gesiegt, weil ich Gewehrschützen in den Kampf führen konnte«, sagte ich. »Ich habe schließlich doch einen Explosivstoff gefunden, der hier funktioniert.«

Er kniff die Augen zusammen und nickte. Ich hatte das Gefühl, daß er sofort wußte, worum es sich bei dem Zeug handelte und woher es stammte.

»Es gibt zwar viele Dinge, die ich mit dir besprechen möchte«, fuhr ich fort, »aber zunächst will ich mich deiner Gegner annehmen. Wenn du den Kontakt hältst, schicke ich dir mehrere hundert Schützen hinunter.«

Er lächelte.

»Beeil dich«, sagte er.

Ich rief nach Ganelon, der mir ganz aus der Nähe antwortete. Ich trug ihm auf, die Männer zusammenzuholen und hintereinander Aufstellung nehmen zu lassen. Er nickte, entfernte sich und begann Befehle zu brüllen.

Während wir auf seine Rückkehr warteten, sagte ich: »Benedict. Dara ist hier. Sie vermochte dir durch die Schatten zu folgen, als du von Avalon hierherrittest. Ich möchte . . .«

Er bleckte die Zähne und brüllte: »Zum Teufel, wer ist diese Dara, von der du andauernd redest? Ich kannte sie überhaupt nicht, ehe du zu mir kamst! Bitte, sag´s mir! Ich möchte es wirklich gern wissen!«

Ich begann zu lächeln.

»Sinnlos«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Ich weiß über sie Bescheid – doch ich habe niemandem verraten, daß du eine Enkelin hast.«

Unwillkürlich öffneten sich seine Lippen, und seine Augen waren plötzlich weit aufgerissen.

»Corwin«, sagte er. »Entweder bist du verrückt, oder du hast dich hübsch hinters Licht führen lassen. Soviel ich weiß, besitze ich eine derartige Verwandte nicht. Und was die Möglichkeit betrifft, mir durch die Schatten zu folgen – ich bin durch Julians Trumpf hierhergelangt.«

Natürlich! Meine einzige Entschuldigung, warum ich sie nicht sofort entlarvt hatte, war meine Konzentration auf die Auseinandersetzung. Benedict hatte natürlich durch den Trumpf von der Schlacht erfahren. Warum sollte er auf einer weiten Reise kostbare Zeit verschwenden, wenn eine schnelle Transportmöglichkeit zur Verfügung stand?

»Verdammt!« sagte ich. »Sie muß inzwischen in Amber sein! Hör zu, Benedict! Ich hole Gérard oder Caine – die sollen den Transport der Truppen zu dir durchführen. Ganelon wird die Männer begleiten. Gib deine Befehle durch ihn.«

Ich sah mich um und entdeckte Gérard, der sich mit mehreren Edelleuten unterhielt. Ich rief ihn mit lauter Stimme zu mir. Hastig wandte er den Kopf und rannte in meine Richtung.

»Corwin! Was ist?« Benedict hatte ebenfalls die Stimme erhoben.

»Ich weiß nicht! Jedenfalls stimmt etwas nicht!«

Ich schob Gérard den Trumpf in die Hand.

»Sieh zu, daß die Soldaten zu Benedict durchkommen!« sagte ich. »Ist Random im Palast?«

»Ja.«

»Frei oder eingesperrt?«

»Frei – mehr oder weniger. Er ist sicher in Begleitung einiger Wächter. Eric traut – traute ihm noch immer nicht.«

Ich machte kehrt. »Ganelon!« rief ich. »Tut, was Gérard Euch sagt. Er wird Euch dort hinabschicken – zu Benedict.« Ich machte eine Handbewegung. »Sorgt dafür, daß meine Männer Benedicts Befehle ausführen. Ich muß sofort nach Amber.«

»Gut!« gab er zurück.

Gérard lief auf ihn zu, und ich blätterte erneut die Spielkarten durch. Ich fand Randoms Bild und konzentrierte mich. In diesem Augenblick begann es endlich zu regnen.

Augenblicklich hatte ich Kontakt.

»Hallo, Random«, sagte ich, als sein Bild sich belebte. »Erinnerst du dich an mich?«

»Wo bist du?« fragte er.

»In den Bergen«, entgegnete ich. »Diese Schlacht haben wir gerade gewonnen, und ich schicke Benedict die Hilfe, die er braucht, um im Tal aufzuräumen. Doch zunächst brauche ich deine Hilfe. Hol mich zu dir!«

»Ich weiß nicht recht, Corwin. Eric . . .«

»Eric ist tot.«

»Wer führt dann das Kommando?«

»Na, was glaubst du wohl? Hol mich zu dir!«

Er nickte hastig und streckte die Hand aus. Ich hob den Arm, ergriff sie und tat einen Schritt. Im nächsten Augenblick stand ich neben ihm auf einem Balkon, der auf einen der Innenhöfe hinabblickte. Die Balustrade bestand aus weißem Marmor, und der Hof unten war ziemlich kahl. Wir befanden uns im zweiten Stockwerk.

Ich schwankte, und er ergriff meinen Arm.

»Du bist ja verletzt!« sagte er.

Ich schüttelte den Kopf und bemerkte, wie müde ich war. In den letzten Nächten hatte ich nicht besonders gut geschlafen. Das und noch viel mehr . . .

»Nein«, sagte ich und starrte auf die blutige Hemdbrust. »Ich bin nur müde. Das Blut stammt von Eric.«

Er fuhr sich mit der Hand durch das strohfarbene Haar und schürzte die Lippen.

»Du hast ihn also doch erledigt . . .«, sagte er leise.

Wieder schüttelte ich den Kopf.

»Nein – als ich ihn erreichte, lag er bereits im Sterben. Komm mit! Beeil dich! Es ist wichtig!«

»Wohin? Was ist denn los?«

»Zum Muster«, sagte ich. »Warum? Den Grund kenne ich nicht genau. Ich weiß nur, daß es wichtig ist. Komm schon!«

Wir betraten den Palast und näherten uns der Treppe. Zwei Wächter standen an der obersten Stufe, doch sie salutierten bei unserer Annäherung und versuchten uns nicht aufzuhalten.

»Ich bin froh, daß die Gerüchte über deine Augen stimmen«, sagte Random unterwegs. »Kannst du wirklich wieder gut sehen?«

»Ja. Wie ich gehört habe, bist du noch immer verheiratet.«

»Ja.«

Als wir das Erdgeschoß erreichten, hasteten wir nach rechts. Unten an der Treppe warteten zwei weitere Wächter, doch sie kümmerten sich nicht um uns.

»Ja«, wiederholte er, während wir zur Mitte des Palasts strebten. »Das überrascht dich, nicht wahr?«

»Allerdings. Ich dachte, du wolltest das Jahr hinter dich bringen und die Sache dann beenden.«

»Das dachte ich zuerst auch«, sagte er. »Doch ich habe mich in sie verliebt. Wirklich und wahrhaftig.«

»Es hat schon seltsamere Dinge gegeben.«

Wir durchquerten den marmornen Speisesaal und betraten den langen schmalen Korridor, der scheinbar endlos durch Schatten und Staub führte. Ich unterdrückte einen Schauder, als ich daran dachte, in welchem Zustand ich gewesen war, als ich diesen Weg das letztemal benutzt hatte.

»Sie mag mich wirklich«, sagte er. »Wie nie jemand zuvor.«

»Das freut mich für dich.«

Wir erreichten die Tür, die zu der Plattform am oberen Ende der langen Wendeltreppe führte. Sie stand offen. Wir schritten hindurch und begannen mit dem Abstieg.

»Mich nicht«, sagte er. »Ich wollte mich nicht verlieben. Damals nicht. Wie du weißt, waren wir die ganze Zeit in Gefangenschaft. Darauf kann sie doch niemals stolz sein!«

»Damit ist es nun vorbei«, sagte ich. »Du bist gefangengesetzt worden, weil du meinem Beispiel gefolgt bist und Eric töten wolltest, nicht wahr?«

»Ja. Aber dann kam sie hierher zu mir.«

»Das werde ich nicht vergessen«, sagte ich.

Wir eilten weiter. Es war ein weiter Weg in die Tiefe, und nur etwa alle vierzig Fuß brannte eine Laterne. Es war eine riesige, natürlich gewachsene Höhle. Ich fragte mich, ob überhaupt ein Mensch wußte, wie viele Tunnel und Korridore sie enthielt. Plötzlich überkam mich Mitleid mit den armen Geschöpfen, die in den Verliesen dort unten verkamen – aus welchen Gründen auch immer. Ich beschloß, sie freizulassen oder eine bessere Verwendung für sie zu finden.

Minuten vergingen. Ich sah das Flackern der Fackeln und Laternen unter mir.

»Es geht um ein Mädchen«, sagte ich. »Sie heißt Dara. Sie hat mir erzählt, sie sei Benedicts Urenkelin – und zwar äußerst glaubhaft. Sie besitzt eine gewisse Macht über die Schatten und war sehr darauf aus, das Muster abzuschreiten. Als ich sie zuletzt sah, galoppierte sie zur Stadt. Benedict hat mir inzwischen geschworen, sie sei nicht seine Enkelin. Und plötzlich habe ich Angst. Ich möchte sie vom Muster fernhalten. Ich möchte sie ausfragen.«

»Seltsam«, sagte er. »Sehr seltsam, da muß ich dir recht geben. Glaubst du, daß sie schon unten ist?«

»Wenn nicht, dann kommt sie bestimmt bald. Das sagt mir mein Gefühl.«

Endlich erreichten wir den Boden, und ich hastete durch die Dunkelheit auf den richtigen Tunnel zu.

»Warte!« brüllte Random mir nach.

Ich blieb stehen und wandte mich um. Es dauerte einen Augenblick, bis ich ihn entdeckte, da er sich hinter der Treppe befand. Ich kehrte um.

Meine Frage blieb unausgesprochen. Ich sah, daß er neben einem großen bärtigen Mann kniete.

»Tot«, sagte er. »Eine sehr schmale Klinge. Ein geschickter Stich. Gar nicht lange her.«

»Weiter!«

Wir rannten zu dem Tunnel und bogen ein. Die siebente Abzweigung war die gesuchte. Im Laufen zog ich Grayswandir, denn die große metallbeschlagene Tür stand weit offen.

Ich stürmte hindurch, dicht gefolgt von Random. Der Boden des gewaltigen Raums ist schwarz und wirkt eben wie Glas, wenn er auch nicht so glatt ist. Das Muster brennt auf diesem Boden, in diesem Boden, ein komplizierter, schimmernder Irrgarten aus gekrümmten Linien, etwa hundertundfünfzig Meter lang. Mit weit aufgerissenen Augen blieben wir am Rand stehen.

Etwas war dort draußen, etwas beschritt das Muster. Ich spürte den kribbelnden Kältehauch, der mich immer überfällt, wenn ich das Gebilde betrachte. War es Dara? Ich vermochte die Gestalt nicht zu erkennen inmitten der Funkenfontänen, die immer wieder ringsum emporsprangen. Wer immer es war – es mußte jemand von königlichem Blute sein, denn es war allgemein bekannt, daß jeder andere vom Muster vernichtet wurde, und dieser Mensch hatte bereits die Große Kurve überwunden und beschäftigte sich gerade mit der komplizierten Serie von Bögen, die zum Letzten Schleier führte.

Die Flammengestalt schien mit der Bewegung auch die Form zu verändern. Eine Zeitlang widersetzten sich meine Sinne den winzigen unterbewußten Eindrücken, die zu mir durchdrangen. Ich hörte Random neben mir keuchen, und dieser Laut schien den Damm meines Unterbewußtseins zu brechen. Eine Horde von Impressionen überflutete meinen Geist.

In dem durchscheinend wirkenden Raum schien es zu riesiger Größe anzuschwellen. Dann schien es zu schrumpfen, zu ersterben, bis es fast nur noch ein Nichts war. Einen Augenblick lang sah es aus wie eine schlanke Frau – vielleicht Dara, deren Haar von dem Schimmer erhellt war, wehend, flatternd, knisternd von statischer Elektrizität. Doch im nächsten Augenblick waren das keine Haare mehr, sondern mächtige Hörner auf einer breiten gewölbten Stirn. Hörner, deren krummbeiniger Besitzer Hufe über den funkensprühenden Weg zu ziehen versuchte. Dann wieder etwas anderes . . . Eine riesige Katze . . . Eine gesichtslose Frau . . . Ein hellgeflügeltes Gebilde von unbeschreiblicher Schönheit . . . Ein Ascheturm . . . »Dara!« rief ich. »Bist du das?«

Meine Stimme wurde zurückgeworfen, und das war alles. Wer immer, was immer sich dort draußen befand, es mühte sich mit dem Letzten Schleier. In automatischer Reaktion auf die Anstrengung regten sich meine Muskeln.

Schließlich brach es durch.

Ja, es war Dara! Groß und herrlich anzuschauen. Schön und zugleich schrecklich. Ihr Anblick rüttelte an den Grundfesten meines Verstandes. Freudig hatte sie die Arme gehoben, während ein unmenschliches Lachen über ihre Lippen kam. Ich wollte den Blick abwenden, konnte mich aber nicht bewegen. Hatte ich wahrlich dieses – Wesen in den Armen gehalten, liebkost, beschlafen? Ich war von einem schrecklichen Widerwillen erfüllt und zugleich von einer starken Sehnsucht, wie nie zuvor. Ein überwältigender Widerstreit der Gefühle tobte in mir, den ich nicht verstand.

Dann sah sie mich an.

Das Lachen hörte auf. Ihre veränderte Stimme erklang.

»Lord Corwin. Seid Ihr jetzt Herr von Amber?«

Von irgendwoher verschaffte ich mir die Kraft zu einer Antwort.

»Gewissermaßen schon«, sagte ich.

»Gut! Dann erschaut Eure Nemesis!«

»Wer seid Ihr? Was seid Ihr?«

»Das werdet Ihr niemals erfahren«, sagte sie. »Dazu ist es nun ein bißchen zu spät.«

»Das verstehe ich nicht. Was meint Ihr?«

»Amber«, sagte sie, »wird vernichtet werden.«

Und sie verschwand.

»Was war denn das, zum Teufel?« fragte Random.

Ich schüttelte den Kopf.

»Ich weiß es nicht. Wirklich, ich weiß es nicht. Dabei habe ich das Gefühl, daß es auf dieser Welt nichts Wichtigeres gibt als die Aufgabe, eine Antwort auf diese Frage zu finden.«

Er ergriff meinen Arm.

»Corwin«, sagte er. »Sie . . . es . . . hat jedes Wort im Ernst gesprochen. Und es wäre durchaus möglich, weißt du.«

Ich nickte. »Ich weiß.«

»Was machen wir jetzt?«

Ich steckte Grayswandir in die Scheide zurück und wandte mich zur Tür.

»Wir sammeln die Scherben auf«, sagte ich. »Das, was ich seit jeher zu erstreben glaubte, dürfte nun leicht zu erringen sein – ich muß es mir nun sichern. Und ich darf nicht auf die Dinge warten, die auf Amber zukommen. Ich muß die Gefahr suchen und beseitigen, bevor sie Amber erreicht.«

»Weißt du, wo du sie suchen mußt?« wollte er wissen.

Wir bogen in den Tunnel ein.

»Ich glaube, sie lauert am anderen Ende der schwarzen Straße«, sagte ich.

Wir schritten durch die Höhle zur Treppe, an deren Fuß der tote Wächter lag, und bewegten uns in der Dunkelheit über ihm immer wieder im Kreise, stiegen die Spirale empor zum Tageslicht.

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