7 Entkommen – und ein Preis wird eingelöst

Als ich erwachte, saßen meine Kriegerinnen bereits gespannt herum. Mühsam richtete ich mich auf und bemerkte, daß Larid, Binat und Comir zusammenhockten, Fayan sich aber etwas separat von ihnen hielt. Niemand sprach ein Wort, denn es war ja bereits alles gesagt.

Die Sklavinnen, die aus ihren Käfigen herausgelassen wurden, begannen eifrig mit ihrer Arbeit, denn ihre Zahl hatte sich ja verringert. Wir saßen, beobachteten und warteten ab. Bald verbreitete sich wieder der Gestank aus dem großen, eisernen Topf. Als man die kleinen hölzernen Töpfe brachte und uns in den Käfig hineinschob, blieb ich sitzen, wo ich war. Larid, Binat und Comir sahen sich jedoch, wie wir es abgesprochen hatten, an und erhoben sich zögernd.

Ich sprang, als sei ich darüber erzürnt, gleichfalls auf und herrschte sie an: »Was tut ihr da ? Von solchem Zeug kann man nicht essen.«

Larid, die immer schon eine bessere Schauspielerin als die anderen gewesen war, entgegnete: »Aber Jalav, wir haben so großen Hunger. Und wenn wir nicht essen, bekommen wir die Peitsche.«

»Kehrt auf eure Plätze zurück!« befahl ich. »Nein«, kreischte Larid und fiel vor einem Topf auf die Knie. »Ich muß essen.«

Binat und Comir folgten ihrem Beispiel. Ich sprang auf sie zu und versuchte, sie mit den Füßen von den Töpfen wegzustoßen, als die Wächter, wie geplant, in den Käfig eindrangen und meine Kriegerinnen hinausführten. Zu meiner Verwunderung hatte sich Fayan auf meine Seite geschlagen. Bald waren wir alleine im Käfig.

Larid, Binat und Comir knieten draußen vor den Füßen von Bariose und weinten, wie sie es bei den Sklavinnen gesehen hatten. Midanna weinen sonst selten, aber im Dienst der Mida sind alle Dinge möglich.

»Ich müßte euch eigentlich bestrafen lassen«, sagte Bariose zögernd. »Untereinander zu streiten, ist Sklaven verboten.« »Sie wollte uns nicht erlauben, zu essen«, weinte Larid mit erhobenem Gesicht. »Ich möchte nicht ausgepeitscht werden, aber sie erlaubt uns nicht, dir zu gehorchen. Beschütze mich vor ihrem Zorn, und ich werde dir unbedingt gehorchen!«

»Denken die anderen genauso?« fragte Bariose nachdenklich. Als Binat und Comir eifrig nickten, fuhr er fort: »Also gut. Als Gegenleistung für meinen Schutz habt ihr mir aber in allen Dingen unbedingt zu gehorchen. Ihr habt in meiner Gegenwart zu knien, und auch in der Gegenwart eurer Meisterin Karil. Ihre Anordnungen dulden keinen Widerspruch. Geht nun zu ihr, und bittet sie darum, euch zur Arbeit einzuteilen.« Bereitwillig liefen die drei zu Karil und knieten vor ihr nieder. Sie würden tun, was man ihnen befahl, egal, wie entwürdigend es auch sein würde. Ich hatte ihnen erklärt, daß Bariose, stolz auf seinen Triumph über sie, sie bestimmt zur Bedienung der Männer auf dem offenen Platz einteilen würde, wenn nicht sofort, dann bestimmt am nächsten oder übernächsten Tag. Sollte es nach drei Tagen noch nicht der Fall sein, dann wären sie frei in ihren Entscheidungen.

Bariose sah mich zufrieden an, in dem Glauben, mich von meinen Kriegerinnen getrennt zu haben. Ich ließ ihn in diesem Glauben. Als er sich abwandte, sah ich Fayan an, die treuherzig neben mir stand, aber meinem Blick auswich. »Gilt der Befehl deiner Anführerin nicht länger für dich?« fragte ich. »Was tust du hier, anstatt an der Seite deiner Schwestern zu sein?«

»Jalav muß vergessen haben, was wir besprachen«, entgegnete sie mit betonter Harmlosigkeit. »Ich sollte bei dir bleiben, damit die Sache echter aussah und die Chance für die anderen größer wurde, so war es doch verabredet. Niemals würde ich einen Befehl meiner Anführerin nicht befolgen.« Ich lächelte und schaute wieder zu den anderen Kriegerinnen hinüber, deren Hände gerade vor dem Körper gefesselt wurden, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Selbst ein so kleiner Erfolg bedeutete einen Sieg für uns, und vermutlich hatte Fayan recht.

»Nein«, entgegnete ich deshalb, »niemals würde die mutige und stolze Kriegerin Fayan einen Befehl ihrer Anführerin mißachten. Ich bin glücklich darüber, daß ich dich zur Seite habe, Schwester.«»Dort ist mein Platz«, antwortete sie schlicht. Wir setzten uns wieder nieder, und schon bald kam die Gelegenheit, daß sie ihre Wahl, vielleicht, bereute. Vier Männer kamen, um uns erneut zu füttern, und sie taten es nicht sanft. Ich konnte in Fayans Miene ihren Ekel über die widerliche Brühe lesen. Wenn mir nicht selbst übel davon gewesen wäre, hätte ich lachen müssen.

Larid, als wahre Schauspielerin, kam, um uns wegen unseres Ungemachs auszulachen. Ein Teil ihres Lachens war echt, denn in der ganzen Aufregung waren sie und ihre Mitschwestern um das Essen herumgekommen. Plötzlich tauchte aber einer der Bewaffneten hinter ihr auf und versetzte ihr einen harten Schlag, um sie an ihre Pflichten zu erinnern. Sie wollte schon herumfahren und ihm an die Kehle springen, als sie sich auf ihre Rolle besann und ihm demütig folgte. Nun war die Reihe an uns, zu lachen.

Bald kam die Zeit, daß man uns wieder zur Schaustellung hinausführte. Ich wehrte mich, wie am Tag zuvor, als man mich wieder in den kleinen Käfig sperren wollte, und war in Wirklichkeit doch begierig, zu sehen, ob unser Plan funktioniert hatte. Er hatte. Meine Kriegerinnen knieten draußen, in demütiger Haltung, aber nicht eingesperrt. Mida hatte unsere Gebete erhört.

Auch an diesem Tag kamen viele, um uns anzuglotzen und das für uns zu bieten, was sie einen »Preis« nannten, aber keiner konnte den Handel abschließen. Meine Kriegerinnen draußen eilten eilfertig hin und her, um Männer von Rang zu bedienen, und alle schienen zufrieden mit ihnen zu sein. Der Augenblick kam, als das Licht der Mida am höchsten stand. Der letzte Mann hatte gerade den Platz verlassen, und meine Kriegerinnen knieten in der Nähe der Wand, nur zwei bewaffnete Männer in ihrer Reichweite. Sie blickten zu mir hinüber, ich nickte in stummem Einverständnis und bat um Midas Segen. Nun standen Larid und Binat auf und näherten sich den beiden Bewaffneten, die ihnen ungeduldig bedeuteten, sich wieder auf ihre Plätze zu begeben. Ehe sie sich jedoch versahen, hatten meine Kriegerinnen sich ihrer Schwerter bemächtigt, und die Männer lagen in ihrem Blut. Aufgeregt lief alles auf dem Platz durcheinander, unfähig, meine Kriegerinnen gefangenzunehmen. Diese rissen die Arme mit den blutigen Schwertern hoch, riefen »Jalav!« und waren einen Augenblick später durch ein Tor in der Mauer verschwunden.

Ich warf meinen Kopf in den Nacken und lachte laut und herzlich. Von nun an würden meine Kriegerinnen durch die Stadt schleichen, wie sich der Zaran durch den Wald schleicht, vorsichtig, unsichtbar und – tödlich. Sie würden einen Platz finden, an dem sie sich bis zur Dunkelheit verbergen konnten, und dann würden sie über die Mauer in die endgültige Freiheit entweichen.

Bariose kam herausgestürzt, brüllte entsetzlich und befahl, sofort die Verfolgung aufzunehmen und alle Tore zu verriegeln. Die Gefangenen wurden allesamt in die großen Käfige zurückgeführt. Niemand blieb außerhalb. Dort saßen wir und warteten. Sollte es meinen Kriegerinnen gelingen, bis zum Einbruch der Dunkelheit freizubleiben, würde niemand sie je wiedersehen.

Die bewaffneten Männer kamen erst spät zurück, müde und alleine. Also hatten meine Kriegerinnen ihre Freiheit wiedergewonnen. Die Suche nach dem Kristall konnte weitergehen. Larid würde Gimin meine letzten Befehle übermitteln, sofern die neue Anführerin noch nicht mit den Kriegerinnen weitergeritten war, und alles würde in Ordnung kommen. Die Männer waren verärgert und mit ihrem Essen beschäftigt, so daß sich niemand um den großen Topf kümmern konnte und wir nicht gezwungen wurden, wieder den ekligen Brei zu schlucken. Die Sklavinnen aus den anderen Käfigen weinten und baten darum, Essen zu bekommen, aber Bariose und Karil befahlen ihnen schroff, zu schweigen. Aufgebracht verschwanden sie danach wieder mit den Männern. Fayan und ich legten uns beruhigt zum Schlafen nieder, überzeugt davon, daß unsere Qual bald ein Ende haben würde. Der Tod zweier ihrer Kameraden würde den Männern bestimmt gegenwärtig sein, wenn Fayan und ich sie angriffen. Bestimmt würden sie nicht zögern, von ihren Schwertern sofort Gebrauch zu machen. In dieser Nacht träumte ich von Midas Königreich und war sehr glücklich.

Am Morgen war alles wie zuvor. Die Sklavinnen wurden aus ihren Käfigen entlassen und beeilten sich, ihren Pflichten nachzukommen, um bald ihren Hunger stillen zu können. Bariose kam zu unserem Käfig, lächelte kalt und sagte: »Ich bedauere, euch mitteilen zu müssen, daß eure verräterischen Freundinnen das Pech hatten, entdeckt zu werden. Es geschah mit ihnen, was mit allen entflohenen Sklaven geschieht. Sie liegen nun jenseits der Stadtmauer und dienen den wilden Tieren zum Fraß. Ihr Blut kommt auf dich«, wandte er sich an mich, »denn du hast sie veranlaßt, zu fliehen. Ohne dich würden sie jetzt noch leben.«

»Ich danke dir für deine Worte«, entgegnete ich, erstaunt darüber, daß er mir die Flucht der Kriegerinnen zuschrieb. »Vielleicht habe ich mich in der Vergangenheit in dir getäuscht. Ich freue mich, daß du mir über meine Kriegerinnen berichtest, und möchte mich dafür erkenntlich zeigen, sobald sich die Gelegenheit dazu ergibt.«

»Was redest du für einen Unsinn?« sagte er verwirrt. »Verstehst du nicht, was ich sage ? Die anderen wurden entdeckt und getötet!«

»Ich habe dich sehr wohl verstanden«, sagte ich. »Meine Kriegerinnen befinden sich nun an der Seite Midas. Mögen sie dort in aller Ewigkeit leuchten.«

»Du bist tatsächlich eine Wilde«, brummte er ungläubig. »Du gibst noch nicht einmal etwas um die eigenen Leute.« Abrupt drehte er sich um und verschwand.

Fayan und ich sahen uns an, dann beugten wir unser Haupt zum Gedenken an drei tapfere Kriegerinnen, die dem Feind entronnen waren. Doch wir konnten uns nicht lange dem Gedenken widmen, denn die Wächter kamen, um uns erneut zu füttern. Sie gingen merklich brutaler mit uns um, was wir nicht verstehen konnten. War nicht das vergossene Blut ihrer Brüder bereits gerächt?

Als wir draußen wieder in die kleinen Käfige gesperrt wurden, konnten wir sehen, daß diesmal keine Sklavin an der Wand kniete. Waren die Männer wirklich so dumm, zu glauben, daß gewöhnliche Sklavinnen zu den gleichen Taten wie Kriegerinnen fähig sind? Die Tore wurden wieder geöffnet, und das Stadtvolk strömte gaffend herein.

Eine ganze Zeit mußten wir diese Prozedur über uns ergehen lassen, bis ich auf einmal durch ein erschrecktes Einatmen von Fayan alarmiert wurde. Ich folgte ihren Blicken und erschrak gleichfalls. Durch das linke Tor in der Mauer stolzierte ein fröhlicher Nidisar herein, aber das war nicht das Erstaunlichste. Neben ihm schritt, so, als seien sie uralte Freunde, der Sthuvad, den wir fern in der Heimat zurückgelassen hatten, Telion hatte er sich genannt, und daneben der namenlose Anführer der gefangenen Jäger, die wir bei unseren Kriegerinnen zurückgelassen hatten.

Die drei kamen direkt auf unsere Käfige zu, mit breitem Grinsen auf ihren Zügen. Sie wollten sich an meiner Schmach erfreuen, das war mir klar, und deshalb richtete ich mich noch stolzer auf. Fayan jedoch, das konnte ich sehen, schien äußerst verwirrt zu sein.

Telion und der andere Jäger bauten sich vor meinem Käfig auf, während Nidisar Fayan inspizierte. »Ein ausnehmend schönes Stück Weiberfleisch, Telion«, sagte der Jäger, mich kritisch musternd. »Was hältst du davon?«

»Nicht übel, Ceralt«, antwortete der Sthuvad. »Vielleicht ein bißchen zu feurig, aber sonst ganz passabel.« »Ich ziehe diese hier vor«, warf Nidisar ein, seinen Blick fest auf Fayan gerichtet, die ihn ruhig erwiderte, aber noch immer verwirrt schien.

»Sollen wir uns ein Weib zulegen, das uns bedienen kann?« fragte der Jäger. »Es könnte uns bei ein paar Dingen nützlich sein.«»Wir sollten uns aber erst einmal weiter umsehen«, erwiderte Telion, der Sthuvad, zweifelnd. »Sie ist bestimmt nicht das Beste, was man hier anzubieten hat. So jung, wie sie ist, könnte sie unter den Wünschen, die ein Mann nun einmal hat, zusammenbrechen.«

Ceralt, der Jäger, lachte. »Ich bin sicher«, sagte er, »daß sie fähig ist, zu lernen, wie man einem Mann gefällt. Aber vielleicht sollten wir uns doch noch einmal umsehen. Flieg uns nicht davon, schönes Vögelchen, denn vielleicht kommen wir doch noch zurück. Kommst du mit, Nidisar?« »Wenn ihr wollt«, antwortete dieser, »obwohl ich schon die Sklavin gefunden habe, die ich kaufen werde. Warte auf mich, meine Schöne«, sagte er zu Fayan, »ich werde bald zurück sein.«

Die drei Männer schlenderten davon und begutachteten sorgfältig die anderen ausgestellten Frauen. Ich wandte mich Fayan zu, in der Erwartung, daß sie genauso zornig über die Unverschämtheit der Männer war. Zu meinem Erstaunen verfolgte sie Nidisar mit beinahe furchterfüllten Augen. »Fayan, was fehlt dir?« fragte ich sie.

»Jalav, er darf mich nicht haben«, flüsterte sie. »Das könnte ich nicht ertragen.«

»Aber sie treiben doch nur ihren Spaß mit uns«, entgegnete ich. »Sicher verfügen sie nicht über das, was sie unseren ›Preis‹ nennen..Aber es gibt doch etwas, was du mir bisher nicht erzählt hast, nicht wahr, Fayan?«

»Ja, es gibt etwas«, erwiderte sie mit gesenkten Augen. »Als uns die Männer in der Nacht überfielen, Jalav, da kämpfte mein Schwert nicht an deiner Seite, denn es gehörte gar nicht mehr mir. Dieser Nidisar hatte es genommen, zusammen mit mir.« Nach einer Weile fuhr sie fort: »Ich weiß nicht genau, wie es passiert ist. Ich erinnere mich nur noch daran, daß ich mit einem Topf Renth dort in dem Raum stand und heftig über die Idee lachte, mit einem Dolch auf eine Zielscheibe zu werfen, wo ich doch kaum noch in der Lage war, die Wand zu erkennen. Da packte mich jemand von hinten. Zuerst wollte ich dem Kerl, der es wagte, eine Kriegerin ohne ihre Erlaubnis zu berühren, eine gewaltige Lektion erteilen, aber ich war nicht in der Lage, mich aus seinem Griff zu befreien. Nie hatte ich gedacht, daß ein Mann so stark sein könnte. Ich wurde in einen winzigen Raum gezerrt, wo man mir mein Schwert und meinen Dolch wegnahm. Als ich endlich freigelassen wurde, sah ich, daß es dieser Nidisar war, der die Tür von innen verriegelte.« »Jalav, ich habe versucht, mich zu wehren«, sagte sie eindringlich, »mich mit aller Kraft zu wehren, aber er bezwang mich mit Leichtigkeit. Er riß mir mein Stammesgewand herunter und warf mich auf einen Lengapelz. Als ich mich noch immer wehrte, holte er aus einem Fach in der Wand eine Anzahl Ketten heraus, mit denen er mich fesselte. Dann zwang er mich, ihm zu Willen zu sein. Ich schwöre dir bei Mida, ich war nicht in der Lage, mich zu wehren! Wenn ich mich nicht so bewegte, wie er wollte, fügte er mir mit den Ketten wahnsinnige Schmerzen zu. Ich gehorchte ihm, aber ich bin nicht mehr würdig, eine Hosta genannt zu werden. Sollte er zurückkommen, um mich zu holen, lasse ich mich lieber von den Wächtern töten, als mich noch einmal derart von ihm demütigen zu lassen.«

»Fayan«, sagte ich, um sie zu trösten, »eine Kriegerin kann nicht für das verdammt werden, woran sie nicht schuld ist. Mida kann in dich hineinsehen. Mit Sicherheit weiß sie, wie du dich gewehrt hast. Ich bezweifle aber, daß sie wünscht, du mögest deine Schande mit dem Tod sühnen.« »Warum nicht?« fragte Fayan.

»Ich weiß es nicht genau, aber ich habe so ein Gefühl«, sagte ich.

»Mida läßt nur das zu, womit sie einverstanden ist. Also muß alles, was mit uns geschah, in Übereinstimmung mit Midas Willen sein. Vielleicht müssen wir, ihre Kriegerinnen, ihr einen Dienst leisten, den wir noch nicht verstehen.« »Also meinst du, daß sie es uns nicht erlaubt, daß wir uns töten lassen?« fragte Fayan.

»Das werden wir sehen, wenn wir es auf den Versuch ankommen lassen«, entgegnete ich. »Wenn sie unsere Dienste noch benötigt, wird Mida es nicht zulassen, daß wir erschlagen werden.«

»Das stimmt«, meinte Fayan. »Wir werden sehen.« Ich blickte zum Himmel hinauf. Bald würden wir in den großen Käfig zurückgeführt werden, und dann würden wir die Männer angreifen und herausfinden, was Mida mit uns im Sinn hatte. Meine Gedanken wurden jäh durch die Rückkehr der drei Männer unterbrochen. Sie wurden von einem der Wächter begleitet. Ceralt wies auf uns beide und fragte: »Habt ihr nicht noch mehr von dieser Sorte? Wie ich hörte, wurden insgesamt fünf von ihnen gefangengenommen.«

»Die anderen versuchten zu fliehen und wurden getötet«, antwortete der Wächter zurückhaltend. »Seid ihr nur neugierig, oder wollt ihr sie wirklich kaufen?«

Die drei wechselten merkwürdige Blicke, dann räusperte sich Ceralt. »Wenn die anderen getötet wurden, nehmen wir tatsächlich diese hier«, sagte er. »Wir zwei nehmen die Schwarzhaarige, und unser Freund dort die mit den goldenen Haaren.« »Leicht gesagt«, fauchte der Wächter, offensichtlich verärgert. »Wenn ich von jedem nur ein Kupferstück hätte, der Spaß an diesen beiden fand, hätte ich schon ihren Preis zusammen. Sie kosten nämlich jede vierzig Silberstücke. Wollt ihr euch nicht lieber doch ein paar andere Sklavinnen ansehen?« »Nein«, antwortete Ceralt zu meiner Überraschung ganz ruhig. »Wir wollen diese zwei, und wir können ihren Preis bezahlen. Mit wem müssen wir darüber verhandeln?« »Ich führe euch zu Bariose«, erwiderte der Wächter fast ehrerbietig. »Er wird die Papiere vorbereiten, und dann werde ich sie euch persönlich übergeben. Kommt bitte mit.« Als sie fortgingen, sahen Fayan und ich uns an. »Vielleicht handeln sieu nwissenderweise im Auftrag von Mida«, meinte sie. »Vielleicht«, entgegnete ich zweifelnd. »Mit Bestimmtheit schätzen sie uns nicht besonders. Wir müssen auf jeden Fall so schnell wie möglich unseren Angriff machen.« Die restlichen Gaffer verließen den Platz, und die Tore wurden hinter ihnen geschlossen. Nach einer Weile erschienen die drei Männer wieder, zusammen mit einigen Wächtern, die eine Anzahl Lederleinen trugen. »Ihr seid nun Eigentümer dieser Männer hier«, sagte der erste Wächter, als er unsere Käfige öffnete. »Mögen sie so viel Spaß daran finden, euch zu füttern, wie wir es gehabt haben.«

Kaum waren die Käfige geöffnet, stürzten wir uns auf die Wächter. Wir griffen sie mit aller Macht an, schlugen, bissen, kratzten und traten sie. Erstaunlicherweise wehrten sie sich nur sehr zögernd und griffen nicht zu ihren Schwertern, sondern schlugen uns lediglich mit dem Knauf ihrer Dolche nieder. Also war es Midas Wille, daß wir doch weiter am Leben blieben.

Man zog uns vom Boden hoch, band die Lederleinen an die Halsbänder, die wir trugen, und übergab uns an die drei Männer. Als Telion mich näher betrachtete, stieß er einen überraschenden Laut aus. »Was ist mir ihr geschehen?« fragte er. »Sie wurde wegen Ungehorsams ausgepeitscht«, erklärte ihm der erste Wächter. »Allerdings war die Peitsche umwickelt, so daß keine Narben zurückbleiben werden. In Zukunft wird es deine Entscheidung sein, in welcher Form sie bestraft wird.« »Ich würde niemals ein so junges Mädchen auspeitschen«, sagte Telion.

»Du bist ein Narr«, entgegnete der Wächter. »Ein Narr, weil du glaubst, sie sei noch ein Mädchen, und ein Narr, weil du so viel gutes Silber für sie bezahlst. Das sind zwei Wilde, verstehst du, die euch bei der ersten Gelegenheit die Kehle durchschneiden werden. Ich möchte sie noch nicht einmal geschenkt haben.« »Es hat sie dir auch niemand als Geschenk angeboten«, sagte Ceralt. »Würdest du nun das Tor öffnen?« Der Wächter schnaubte verächtlich und entfernte sich. Unsere Leinen wurden den drei Männern übergeben, und Nidisar untersuchte sorgfältig Fayans Rücken. Er schien erfreut darüber zu sein, daß er keine Spuren von Schlägen aufwies. Fayan schaute ihn merkwürdig an, so wie man wohl ein Werkzeug von Mida ansieht. Dann wurden wir aus dem Tor geführt. Als wir zwischen den Behausungen hindurchgingen, wurden wir von vielen Stadtleuten begafft. Die Straßen schienen mir breiter als beim erstenmal zu sein, und doch drückten sie wie beim erstenmal auf mein Gemüt. Endlich kamen wir in eine Straße, die noch enger und schmutziger zu sein schien als die anderen. Zerlumpte Gestalten streckten ihre leeren Hände aus und wurden von den Männern davongejagt. Manchen dieser Gestalten fehlte ein Arm oder ein Bein, manchen auch ein Auge. Ich wunderte mich, daß sie so leben wollten. Einst hatte ich mit Lidin gekämpft, der berühmten Anführerin des Stammes der Summa, den erbitterten Blutfeinden der Hosta. Sie kämpfte ausgezeichnet, doch es gelang mir, ihren Schwertarm abzuhauen. Da hatte sie vor mir gestanden, das Blut schoß aus ihr heraus, und hatte gesagt: »Du kämpfst gut, Anführerin der Hosta. Ich grüße dich.« Dann hatte sie sich selbst entleibt. Diese Männer hier zogen es aber offensichtlich vor, ohne ihre Glieder weiterzuleben.

Schließlich nötigten uns die drei Männer in ein kleines schmutziges Haus. Wir betraten einen engen Raum, der nur durch ein paar Kerzen erleuchtet wurde. In ihm standen einige von den Gestellen, die die Männer beim letztenmal »Tisch« und »Bank« genannt hatten. Nidisar setzte sich auf eine der Bänke und befahl Fayan: »Knie dich neben mir nieder!« Fayan sah ihn verwundert an. Da sagte er: »Der Boden ist der richtige Platz für eine Sklavin.«

Ich machte es mir neben Fayan bequem, aber das mißfiel Ceralt, der meine Leine in der Hand hielt. Hart zog er daran, so daß ich fast aufs Gesicht fiel, da meine Arme noch immer auf dem Rücken gefesselt waren, und zwang mich, neben ihm zu knien.

»Dies ist die Stellung, die du künftig einzunehmen hast«, sagte er. »Ich werde dir schon beibringen, wie sich eine gehorsame Sklavin zu benehmen hat.«

»Gut gesagt«, krächzte eine Stimme hinter mir. Eine alte, unsäglich fette Frau war hineingewatschelt gekommen und nickte zustimmend. »So sprach mein Mann, gesegnet sei sein Andenken, als er noch lebte. Keines meiner Widerworte ließ er ungestraft. Ich war genauso wild wie diese da, und, glaubt es mir, genauso hübsch, aber er hat mich gezähmt – im Bett, wenn ihr es genau wissen wollt. Was darf ich euch bringen, junge Herren?«

»Renth«, befahl Ceralt. »Drei Flaschen vom besten.«

»Und zwei Kannen Wasser für die Sklavinnen«, fügte Nidisar hinzu. »Wir wollen sie nicht vergessen.«

»Aber sicher nicht«, meinte Telion. Er grinste und musterte mich von oben bis unten. »Da gibt es noch manches, was wir bei ihnen nicht vergessen werden.«

»Welchem von euch gehört sie?« fragte die Alte, sich heftig kratzend.

Ceralt lachte. »Sie gehört beiden von uns, gute Mutter«, sagte er. »Mein Freund hier und ich teilen sie uns redlich.« »Das ist nicht klug«, bemerkte die Frau. »Zwei Männer können sich manches teilen, aber eine Frau gehört nicht dazu.« Dann wandte sie sich zum Gehen und sagte: »Ich hole den Renth.«

Als sie verschwunden war, sagte Nidisar mit unterdrückter Stimme: »Diese Kneipe ist gut für uns geeignet. Es kommen nur noch wenige hierher, und die Alte schläft meist, wenn sie nicht bedient. Wir können die Zimmer oben für wenige Kupferstücke haben und die Stadt im Morgengrauen ohne Schwierigkeit verlassen.«

»Was uns auf die Frage bringt, Jalav«, sagte Ceralt, »wo sich deine Weiber nun befinden. Ich will die Wahrheit wissen. Glaube nicht, du könntest mich hereinlegen.« »Du hast sie doch vor viel kürzerer Zeit als ich gesehen«, entgegnete ich. »Warum kehrst du nicht zu ihnen zurück?« »Das bin ich«, brüllte Ceralt und ballte die Fäuste. Dann gewann er seine Selbstkontrolle zurück und sagte in gefaßterem Ton: »Ich bin mit fünfzig Jägern aus dieser Stadt zurückgekehrt. Aber sie waren nicht mehr dort, wo ich sie verlassen hatte.«

»Noch waren irgendwelche Spuren zu finden«, warf Nidisar ärgerlich ein. »Ich kann es nicht glauben, daß mehr als fünf Dutzend Weiber und fast zwei Dutzend Gefangene so spurlos verschwinden können.«

»Sie sind Kriegerinnen der Hosta und keine von euren Sklavinnen«, sagte ich lachend. »Ihr würdet sie nicht entdecken, selbst wenn es doppelt so viele wären.« Dann fragte ich Ceralt: »Wieso haben sie dich freigelassen ? Ich kann mir nicht vorstellen, daß es dir gelang, zu entfliehen.«

Er lief rot an und zog noch fester an der Leine, mit der er mich hielt. »Diesen Einfall hatte das Mädchen Gimin«, fauchte er. »Sie meinte, daß sie keine von ihren Weibern in die Stadt schicken könnte, daß ich aber sehr wohl in der Lage sei, Nachforschungen nach euch anzustellen. Dabei versicherte sie mir, daß, wenn ich sie hinterginge, ich niemals einen meiner Männer wiedersehen würde. Als ich mit den Jägern aus der Stadt zurückkam, war sie verschwunden.«

»Meinst du denn, sie hätte auf euren Angriff warten sollen?« fragte ich belustigt. »Du kannst davon ausgehen, daß jeder deiner Schritte scharf beobachtet wurde. Meine Kriegerinnen werden jetzt bereits weit weg sein.«

»Das ist mir klar«, entgegnete Ceralt ärgerlich. »Was ich wissen will, ist, wohin sie geritten sind. Sind sie wieder in die Heimat zurückgekehrt, oder wo sind sie?« »Etwa in Richtung Ranistard?» warf Telion ein. Er schien genauso verärgert wie die beiden anderen Männer. »Die Anführerin der Hosta ist nun Gimin«, sagte ich. »Sie gibt nun die Befehle, was zu geschehen hat.« Fayan kicherte vergnügt. Ceralt zog mich an der Leine eng an sich heran und sah mich mit blitzenden Augen an. »Du solltest dich nicht über mich lustig machen, Kind«, grollte er. »Du bist nun vollständig in meiner Gewalt, und kein Hahn würde einen Ton danach krähen, was ich mit dir mache. Ich will sofort wissen, wo meine Männer sind, oder du wirst erfahren, was wahre Schmerzen bedeuten.«

»Tu, was du willst«, entgegnete ich. »Ich weiß nicht, wo die Hosta sind, und mir macht es nichts aus, meinen Kriegerinnen zu folgen, die bereits den Weg in die Freiheit gefunden haben.«

Ceralt schwieg eine Weile, dann ließ er mich los. Ich sank auf die Knie zurück und konnte zum erstenmal wieder ungehindert atmen. Als ich mich umsah, schienen alle Männer wieder ernüchtert zu sein. Nidisar streichelte Fayans Haar. »Sind sie wirklich alle drei tot?« fragte er. »Wie konnte das geschehen?« »Sie konnten zunächst entkommen«, sagte ich. »Später erzählte mir dieser Mann Bariose, daß man sie gefaßt und erschlagen habe. Das beweist, daß Mida sich um ihre Kriegerinnen kümmert. «

»So können nur unwissende Wilde sprechen«, fuhr Telion mich an. »Es wäre besser für sie gewesen, man hätte sie wieder gefangengenommen und verkauft, als daß sie nun tot und unbetrauert herumliegen. Die Wachen dieser Stadt sind verdammt herzlos, Ceralt! Wie können sie nur drei Frauen, die fast noch Kinder sind, so skrupellos umbringen?« »Daß sie herzlos sind, bestreite ich nicht«, entgegnete Ceralt nachdenklich. »Ich habe schon manches von diesem Bariose gehört, und dazu zählt nicht, daß er ein mitleidiges Herz hat. Aber er war auch nie ein Verschwender. Wenn er die Mädchen wirklich gefangen hätte, dann hätte er sie höchstens vor allen Sklaven ausgepeitscht – aber getötet, nein. Damit ist ja auch ihr Preis verloren.«

»Das bedeutet, daß sie noch leben!« meinte Nidisar freudig. »Und daß Bariose vor Wut schäumt«, warf Telion genauso freudig ein. »Er hat nur behauptet, sie seien tot, um nicht zugeben zu müssen, daß ihre Flucht gelang.« »Es scheint, daß diese Hostaweiber überall viel Ärger verursachen«, bemerkte Ceralt. »Aber ich kenne zwei von ihnen, die keinen Ärger mehr machen werden.« Er sah mich an. »Morgen früh werden wir nach Ranistard reiten, Jalav, und ich hoffe, dort deine Weiber und meine Männer zu finden. Dann werden wir euch gegeneinander austauschen. Bete darum, daß ihnen inzwischen nichts geschieht!«

»Wir reiten nach Ranistard?« fragte Fayan. Als Ceralt nickte, warf sie ihren Kopf zurück und lachte heftig. Ich stimmte in ihr Lachen ein. Unsere Feinde schafften uns genau an den Ort, zudem wir um alles in der Welt hinwollten. Mida bewachte uns und leitete unsere Schritte, das war nun eindeutig klar! »Ihr solltet diesen Mädchen am besten nichts von dem Renth geben«, sagte die Alte, die mit einem Brett wiedergekommen war, auf dem drei große Behältnisse standen. »Ich weiß nicht, was ihr ihnen bereits gegeben habt, aber, Sklavin oder nicht, man sollte mit so unschuldigen jungen Mädchen nicht alles anstellen.«

Nun brachen auch die Männer in Lachen aus, weshalb die Alte ärgerlich wieder gehen wollte. Nidisar rief ihr zu: »Einen Augenblick, gute Mutter! Wir entschuldigen uns für unser Benehmen und geben dir unser Wort, daß wir diesen – unschuldigen jungen Mädchen nichts von dem Renth geben werden. Vergibst du uns?«

»Wie könnte ich drei Schelmen wie euch nicht vergeben?« antwortete sie. »Mein Mann war genauso einer. Ich hole nun noch das Wasser für die Sklavinnen.« Damit entschwand sie wieder.

Die Männer widmeten sich dem Renth. Ich hätte auch gut einen Schluck oder zwei vertragen, aber nichts wurde mir angeboten. Selbst beim Trinken blieben die Männer wachsam. Sie ließen uns nicht aus den Augen. Unsere Leinen hatten sie an den Beinen des Tisches angebunden. Die Alte brachte das Wasser für uns herein, das wir aber verschmähten. Trotzdem ließ sie uns nicht in Ruhe. Nach einer Weile kehrte sie mit einem Topf zurück, der stark nach Krautern duftete. »Ihr Rücken muß versorgt werden«, sagte sie, auf mich deutend, »damit es keine Narben gibt. Wer macht es?«

»Gib her«, sagte Ceralt. Er trug etwas auf meinen Rücken auf, das so stark brannte, daß ich aufschrie und mich abwandte. »Die Salbe brennt etwas«, sagte die Alte, »aber sie tut gut. Du solltest sie dir auftragen lassen.«

»Nein, ich will nicht«, entgegnete ich. »Ich habe nie etwas von euch Städtern verlangt, und doch mehr bekommen, als ich wollte. Ich bin ich, und möchte so bleiben, wie ich bin.«

»Deine Wünsche spielen überhaupt keine Rolle mehr«, sagte Ceralt. »Dreh dich um!«

»Nein!« erwiderte ich und sah ihn so an, wie ich Bariose angesehen hatte, wohl wissend, daß er mit der Peitsche antworten würde.

Ceralt sah mich wütend an. Die Alte kam näher und sagte: »Mein Mann hätte ihr eine tüchtige Tracht Prügel verabreicht. Da sie euch beiden gehört, sagt mir, was soll sie bekommen: Eine Einreibung oder eine Abreibung?« »Eine Einreibung«, sagte Telion und stand auf. »Laß sie uns auf der Bank festbinden, Ceralt.«

»Ein guter Gedanke«, meinte Ceralt, und holte eine Bank herbei. Dann zogen mich die beiden Männer an den Armen hoch und befahlen: »Leg dich auf die Bank und halte dich gut fest.« Dabei löste mir Ceralt die Fesseln, aber ich war nicht in der Lage, meine Arme zu bewegen, sondern mußte vor Schmerz stöhnen.

»Was hast du?« fragte Telion. »Warum wirst du so blaß?« Ich antwortete nicht, sondern schämte mich, daß ich bei solch einem kleinen Schmerz meine Beherrschung verloren hatte. »Wie lange warst du so gefesselt?« fragte Ceralt mit zusammengekniffenen Augen.

»Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Was spielt es für eine Rolle?« »Was spielt es für eine Rolle, fragt sie«, fuhr Telion auf und brüllte Ceralt an: »Sie glaubt, wir sind so brutal wie die Männer eurer Stadtwache.«

»Bis meine Männer wieder frei sind und deine Stadt sicher ist vor ihrem Angriff, sollten wir es vielleicht sein«, entgegnete Ceralt mit einem Achselzucken. »Kümmere du dich um ihren linken Arm.«

Er nahm meinen rechten Arm, bog ihn sanft, aber beharrlich nach vorn und begann ihn einzureihen. Langsam kehrte das Gefühl in ihm zurück, als ob ich von tausend Nadeln gestochen würde. Telion tat dasselbe mit meinem linken Arm.

Dann begann auch Nidisar Fayan einzureiben. Sie wehrte sich, aber er hielt sie an ihrem Halsband fest. Als ich meine Arme wieder etwas bewegen konnte, legten Telion und Ceralt mich auf die Bank und banden mich fest. Dann trugen sie etwas aus dem Topf mit dem Kräuterduft auf meinen Rücken auf und setzten sich wieder auf ihre Bank. Mein Rücken brannte wie Feuer, aber allmählich tat es doch gut.

Die Alte brachte mehr Renth herbei, und die Männer verhandelten mit ihr wegen der Nacht und etwas zu essen. Aus dem Gespräch, das sie dann führten, erfuhr ich, wie sie zusammengekommen waren. Nidisar hatte Ceralt auf der Suche nach meinen Kriegerinnen begleitet. Bei ihrer Rückkehr in die Stadt hatten sie von einem Fremden gehört, der sich nach ungewöhnlich aussehenden, hochgewachsenen, bewaffneten, halbnackten Weibern erkundigt hatte. So fanden sie Telion, der uns suchte, um uns von einem Angriff auf Ranistard abzuhalten. Vor seiner Freilassung hatte er gehört, wie in unseren Zelten der Name Bellinard erwähnt wurde.

Nidisar hatte von Pileths Leuten erfahren, wo wir waren. Bei unserer Gefangennahme war er nicht zugegen gewesen, denn er hatte versucht, Fayan zu verteidigen, und war dabei niedergeschlagen worden. Dann wollte er uns freikaufen, als wir feilgeboten wurden, aber die Silberstücke in seinem Beutel hätten noch nicht einmal für eine von uns gelangt. Mit den Silberstücken jedoch, die Telion für die Steine bekam, die wir unseren Sthuvad bei der Freilassung schenken, und dem Erlös, den Ceralt für einen Lengapelz erzielte, den Gimin ihm mitgegeben hatte für den Fall, daß er uns damit freikaufen müßte, hatte der Handel um Fayan und mich dann geklappt. Enttäuscht waren sie, daß unsere Schwesterkriegerinnen entkommen waren, denn sie hatten die Absicht, uns alle gegen die gefangenen Männer Ceralts und eine Versicherung, daß die Stadt Ranistard in Ruhe gelassen würde, einzutauschen. Was sie offensichtlich nicht wußten, war, daß meine Kriegerinnen in ihrem Bemühen, den Kristall der Mida wieder heimzuholen, nicht nachlassen würden, selbst wenn es das Leben ihrer Anführerin kostete. Keine Midanna würde das erwartet haben.

Selbst ich hätte sie bespuckt und keine Hosta mehr sein wollen, wenn sie es getan hätten.

Die Dunkelheit brach schon herein, als die Alte mit dem Essen erschien. Das Wasser lief mir im Mund zusammen, als ich das gebratene Lellin und die anderen köstlichen Dinge sah, die sie vor den Männern hinstellte, aber niemand von ihnen dachte daran, uns etwas abzugeben. Erst als sie das meiste auf gegessen hatten, lehnte sich Nidisar zufrieden zurück, blickte Fayan freundlich an, nahm ein Stück Braten in die Hand und sagte: »Beinahe hätte ich doch meine goldhaarige Sklavin vergessen. Hier hast du auch etwas.«

Er hielt es Fayan vor den Mund und heulte laut auf, als sie zubiß, allerdings nicht in das Fleisch, sondern in seine Hand. Telion und Ceralt lachten laut auf, und Ceralt sagte: »Hast du vergessen, daß unsere Sklavinnen rohes Fleisch bevorzugen?« »Auch ich bevorzuge rohes Fleisch«, sagte Nidisar und stand auf. »Komm, meine Sklavin«, meinte er, und zog Fayan an ihren Haaren hoch. »Wir haben noch etwas zu erledigen. Wenn ich dich das nächstemal füttere, wirst du sicher wissen, welches das richtige Fleisch ist.« Dann zog er die sich wild sträubende Fayan hinaus.

Die beiden anderen lachten, dann sagte Ceralt zu mir: »Auch du wirst nur etwas aus der Hand deiner Herren zu essen bekommen, oder willst du lieber hungrig schlafen gehen?« »Hunger ist kein Fremder für uns«, entgegnete ich, nicht in der Lage, mich auf der Bank auch nur ein wenig zu bewegen. »Ich will lieber verhungern, als aus der Hand eines Mannes zu essen.«

»Wir werden sehen, was der Hunger von deinen guten Vorsätzen übrigläßt«, antwortete Ceralt, dann fragte er Telion: »Sollen wir darum werfen, wer erster ist?« »Ich wollte gerade dasselbe vorschlagen«, sagte Telion grinsend. »Bisher haben wir noch keinerlei Dienst von unserer Sklavin erhalten.«

»Das wird sich ändern«, meine Ceralt. Die beiden standen auf, banden mich von der Bank los, schoben mich zur Wand, und banden mich dort wieder fest. Ich hatte sofort, als ich das erstemal seit meiner Gefangennahme frei über meine Hände verfügen konnte, zu dem Metallband an meiner Kehle gegriffen, aber Ceralt lächelte und sagte: »Du kannst daran ziehen, wie du willst, Mädchen, das öffent sich nur für deine Herren.« Dann warnte er mich: »Bewege dich nicht, sonst treffen unsere Dolche eher dich als die Wand!«

Sie stellten sich vor mir auf, zogen ihre Dolche aus den Scheiden am Gürtel, und Telion sagte: »Du hast den ersten Wurf, Ceralt.«

»Mit Vergnügen«, entgegnete dieser und warf seinen Dolch in meine Richtung. Ich stand so unbeweglich, wie ich bei meiner Prüfung zur Kriegerin gestanden hatte, furchtlos und ohne mit der Wimper zu zucken. Der Dolch landete eine Handbreite links neben meinem Kopf. Die beiden Männer lachten vor Vergnügen.

»Gut geworfen«, sagte Telion, »und gut gestanden. Jetzt komme ich.«

Sein Dolch landete haarscharf neben meinem rechten Ohr. »Du hast gewonnen«, murrte Ceralt. »Auf diesen Augenblick habe ich lange gewartet«, knurrte Telion zufrieden. Ich hatte blitzschnell nach Ceralts Dolch gegriffen. Bevor ich ihn ganz herausgezogen hatte, waren die Männer über mir und hielten mich fest.

»Sklavinnen ist es nicht erlaubt, eine Waffe zu berühren«, sagte Telion. »Auch der Versuch wird bestraft.« »Jalav ist keine Sklavin«, antwortete ich. »Es wird noch andere Dolche geben.«

»Nicht für Jalav«, sagte Ceralt und band mich von der Wand los. »Du solltest sie nun vornehmen, Telion. Wir müssen früh losreiten.«

Telion zog mich an meinem Halsband hinter sich her, über einen schlecht beleuchteten Gang, eine Treppe hinauf und durch eine von zwei Türen, die dort waren. Dahinter befand sich ein enger Raum, vielleicht drei mal drei Schritte groß, mit einer breiten Matte auf dem Boden und einem verschlossenen Fenster. Erleuchtet wurde der Raum von einer einzigen Kerze.

Telion legte einen Balken so vor die Tür, daß sie sich nicht mehr öffnen ließ. Dann stieß er mich auf die Matte. Über ihr ragte ein Ring aus schwerem Metall aus der Wand, an dem er die Leine meines Halsbandes befestigte. Dann stand er über mir und sagte, während er seine Kleider auszog: »Dir hat es große Freude bereitet, mich abzulehnen. Von allen Frauen, die ich in meinem Leben kennenlernte, habe ich keine mehr begehrt als dich. Nun kannst du mich nicht mehr ablehnen!«

»Jalav hat dir ihren Körper nicht gewährt, und wird es auch niemals tun«, erwiderte ich.

Er beugte sich zu mir nieder, lachte und sagte: »Du wirst schon lernen, daß sich die Männer das nehmen, was man ihnen nicht freiwillig gibt.«

Damit zog er mir meine Stammeskleidung aus. Ich wehrte mich, so gut es ging, aber bald lag ich nackt vor ihm. Mein Anblick gefiel ihm, das konnte man merken. Aber auch sein Anblick brachte mein Blut in Wallung, seine Hände und Lippen auf meinem Körper ließen mich zittern.

Doch tief im Innern war ich unglücklich. Eine Anführerin der Hosta darf nicht von einem Mann empfangen, und ich mußte nun empfangen, um Mida zu dienen. O Mida, du verlangst viel von deinen Töchtern, die du liebst!

Telion schrie auf, dann nahm er mich. Niemals zuvor hatte ich den Körper eines Mannes so intensiv gefühlt. Seine Stärke raubte mir alle Kraft. Seine Lippen, die er auf meine preßte, nahmen mir den Atem, seine Arme zerdrückten mich fast.

Wieder und wieder nahm er mich, als stünde er noch unter dem Einfluß der Droge, die wir ihm eingeflößt hatten. Es dauerte lange, ehe er von mir abließ. Dann stand er wortlos auf und verließ den Raum.

Kurze Zeit später kam Ceralt. Heimlich bat ich Mida, mir weitere Schmach zu ersparen. Er kniete neben mir nieder und sagte: »Warum ist deine Begrüßung so kalt? Habe ich einen Stein vor mir, den ich erst erwärmen muß?«Ich antwortete nicht. Er warf seine Kleider beiseite und beugte sich über mich. »Du bist sehr schön«, sagte er. »Draußen im Wald habe ich davon geträumt, dich so vor mir zu haben. Wie ich sehe, hat dich mein Vorgänger sehr erschöpft. Bitte mich darum, und ich lasse dich in Frieden.« Ich schwieg.

»Nun gut«, sagte er und nahm mich in seine Arme. »Irgendwo habe ich sowieso den Spruch gehört, daß Gefangene benutzt werden müssen. Du hast mein Wort, Jalav, du wirst benutzt werden.«

Er nahm mich wild und stark, und ich konnte ihm nicht widerstehen. Er brachte mein Blut erneut in Wallung und schenkte mir viele zärtliche Worte. Er benutzte mich tatsächlich, bis ich fast nicht mehr konnte. Als er endlich fertig war, stand er auf, nahm den Balken von der Tür weg, löschte die Kerze und legte sich neben mich. Zärtlich nahm er mich in die Arme und schlief ein.

Ich konnte nicht einschlafen. Wäre es nicht wegen des Kristalls der Mida gewesen, ich hätte nicht mehr leben mögen. Fast sehnte ich mich in Barioses Gewahrsam zurück. Er war hart zu mir gewesen, aber er hatte nur die Peitsche gebraucht. Kurze Zeit später kam Telion herein, entkleidete sich und legte sich gleichfalls neben mich. Mein letzter Gedanke, ehe ich endlich einschlief, galt Mida, und daß sie ihre gehorsame Tochter nicht verlassen möge.

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