11 Beschämung durch einen Mann – und ein Leben wird gerettet

Als ich erwachte, mußte ich feststellen, daß Ceralt mein Fußgelenk an seinen Gürtel angeschlossen hatte, denn ich war zu weit von dem Pfosten entfernt. Auch die Männer erwachten bald, schlossen mich wieder los und boten mir von dem Fleisch an, das sie aßen. Ich nahm etwas von Telion. Zwar hatte ich keinen Hunger, doch mußte ich meine Kräfte erhalten. Glücklicherweise war dieses Stück noch ziemlich blutig, so wie es die Midanna lieben.

Telion wollte meine Wunde verbinden und war sehr ärgerlich, als ich mich weigerte. Die Midanna verbinden nur stark blutende Wunden, denn wie könnte Mida eine Wunde heilen, die sie nicht sieht? Zudem war meine Wunde bereits ziemlich verheilt.

Ceralt hatte kein Wort mit mir gesprochen. Telion, der ahnte, wie schwach ich war, wollte, daß ich ritt, aber dem widersetzte sich Ceralt, mit dem Argument, daß ich eine Gefangene sei und Gefangene zu laufen hätten. Nach einiger Diskussion gab Telion verdrossen nach, weigerte sich aber, meine Leine zu nehmen, so daß Ceralt diese führen mußte. Dies tat er, ohne mich anzusehen. Ich hatte von ihm nichts anders erwartet. Fayan ritt an diesem Tag hinter Nidisar. Verlegen vermied sie, mich anzusehen. Telion hatte Nidisar erzählt, was mir in der Dunkelheit passiert war, und Nidisar zeigte sich böse darüber, daß ich ihn nicht gerufen hatte. Fayan war tief beschämt gewesen. Ihre Anführerin wurde bedrängt, nicht weit von ihr, und sie hatte nichts davon bemerkt, weil sie sich mit einem Mann abgab.

Ceralt ritt des öfteren mit mir an dem Gefährt vorbei, auf dem die Stadtweiber saßen. Dann lachten sie mich aus und nannten mich eine Sklavin an der Leine, oder ein Spielzeug der Männer. Ich kümmerte mich nicht um sie, sondern versuchte einen Blick auf die Männer zu werfen, die den Hort überfallen hatten, fand sie aber nicht. Ceralt hatte viel Spaß mit den Stadtweibern, besonders mit der, die Halia genannt wurde, aber Telion ließ sich nicht sehen, obwohl ich vermutete, daß er nicht fern war. Während der nächsten zwei Tage sprachen die Männer kaum miteinander. Sie teilten lediglich das Zelt und die Nahrung. Telion achtete darauf, daß ich zu essen bekam, so, als traue er Ceralt zu, mich zu vergessen. Ceralt verlor darüber kein Wort, aber des Abends war er es, der mich festband. Keiner der Männer näherte sich mir noch einmal.

Am dritten Tag entschied ich, daß es Zeit sei, mich ernsthaft nach den Männern umzusehen, die den Hort überfallen hatten. Larid würde bald zurück sein, und dann konnte ich sie nach Gimin und meinen Hosta schicken, um mich zu befreien. Und dann – dann! würden wir die Männer verhören und sie danach befragen, wo der Kristall sei. Das Verhör würde kurz sein, aber lang ihre Qual!

An diesem Tag hatte Ceralt mich erneut beschämt. Während der Rast, als das Himmelslicht am höchsten stand, hatte er mich mit zu den Weibern genommen, die neben ihrem Gefährt saßen. Er setzte sich neben sie, zog mich auf seinen Schoß und hielt mich fest. Belustigt hatten die Weiber gekreischt und fröhlich in die Hände geklatscht, als ich mich wehrte. Ceralt ließ nicht locker und küßte mich, heftig und verlangend. Midas Hand mußte meinen Willen gelähmt haben, denn ich wehrte mich kaum noch.

Halia kreischte vor Freude. »Und nun nehmt sie!« rief sie. »Zeigt ihr, daß sie nur eine Sklavin ist, die den Männern zu Willen sein muß!«Ceralt blickte auf und sah sie an. Ihre Augen funkelten erregt. Jede Faser ihres Körpers wünschte, das war zu spüren, daß ich in ihrer Gegenwart beschämt wurde. Ruhig fragte Ceralt sie: »Habt Ihr es noch nie mit einem Mann getrieben, Halia?« Sie errötete heftig, dann fragte sie schrill: »Was hat das mit dieser Sache zu tun, Ceralt? Nehmt sie!« »Ihr werdet auch bald genommen werden, Halia«, sagte Ceralt freundlich. »Ich aber könnte Eurem Vater nicht mehr unter die Augen treten, wenn ich so etwas vor Euren unschuldigen Augen machen würde. Ich glaube, es ist das beste, wenn wir jetzt gehen.«

Unter dem enttäuschten »Oooh« der Weiber stand er auf, zog mich hoch, bestieg sein Kan und entfernte sich mit mir. Eine verlegene Halia blieb zurück.

Ceralt vermied es, meinem Blick zu begegnen. Ich war sehr zornig auf ihn, da er mich so vor den Weibern behandelt hatte, war aber erfreut darüber, daß er mir so wenig Aufmerksamkeit schenkte. Als wir am Abend hielten, und die Zelte wieder aufgebaut wurden, beachtete er mich noch immer nicht. Vorsichtig band ich die Leine von meinem Halsband ab und schlug mich in die Büsche.

Ich jubelte im stillen. Obwohl meine Hände noch immer gefesselt waren, war ich doch frei. Leicht hätte ich den Weg fortsetzen können. Ich brauchte nur die Zeichen zu suchen, die die Hosta für ihre Schwestern hinterlassen. Gern hätte ich es getan, aber Mida hatte es mir verboten. Da waren noch Fayan und die Männer, die den Hort überfallen hatten. Um Fayan mußte ich mir keine Sorgen machen, auf sie paßte Nidisar auf. Trotzdem, sie war eine Schwester, die man nicht preisgab. Aber am meisten hielten mich die drei Männer zurück. Ich würde niemals fliehen und ihr Blut unvergossen lassen, eher würde ich einem Befehl von Mida nicht gehorchen. Leise schlich ich mich durch das Dickicht des Waldes an den bewaffneten Männern vorbei, die zur Wache um das Lager aufgestellt waren. Das war nicht schwer, denn sie kannten den Wald nicht so gut wie die, die tagtäglich in ihm leben. Jeden dieser Wächter sah ich mir genau an. Auch unter denjenigen im Lager, die die Sklaven antrieben, konnte ich die drei nicht entdecken. Sollten sie auf und davon sein? Dieser Gedanke war kaum zu ertragen.

Ich umrundete das ganze Lager, ohne sie zu finden. Auch gab es für Larids Rückkehr kein Anzeichen. Aber ich bemerkte etwas anderes. Halia hatte sich von ihrer Gesellschaft entfernt und befand sich nun am Rande einer winzigen Lichtung. Sie hatte sich an einen Baum gelehnt und weinte. Das war äußerst gefährlich, denn ich hatte die Spur eines jagenden Hadat bemerkt, der um das Lager herumstrich.

Nun konnte ich auch seine Witterung aufnehmen.

Aus dem Lager ertönten Rufe. Halia stand auf, aber nur, um sich noch tiefer in den Wald hinein zu begeben. Plötzlich blieb ich erschrocken stehen. Vor ihr war der Hadat aufgetaucht und bewegte sich langsam, sprungbereit auf sie zu. Er schlug mit dem Schwanz leicht hin und her, hatte die Fänge kaum entblößt und knurrte. Manche hatten sich schon von diesem Knurren täuschen lassen, hatten angenommen, der Hadat sei ein zahmes Tier. Sie alle waren in seinen Klauen gestorben. Wie eine Salzsäule stand die Frau vor der sprungbereiten Bestie, die Hand vor dem Mund, und nur ein einziger Schrei entfloh ihrer Kehle. Der Lärm aus dem Lager wandte sich plötzlich in unsere Richtung und verwirrte mich. Mit der Beute in den Fängen, würde sich der Hadat nicht schnell davonmachen können und somit den Leuten aus dem Lager zum Opfer fallen. Dies würde bedeuten, daß diese Halia die Ursache dafür war, daß der Hadat, mein Totemtier, erschlagen wurde. Das durfte nicht geschehen.

Der Hadat war nur noch zwei Schritte von der Frau entfernt. Ich sprang auf die Lichtung und ahmte das herausfordernde Fauchen eines anderen Hadat nach. Der Hadat wandte sich in Gedankenschnelle um und jagte auf mich zu, so, wie jeder Hadat seine Beute gegenüber einem anderen verteidigt, wobei einer von beiden den Zweikampf nicht überlebt. Als er hochsprang, um seinen Feind wie gewohnt in der Luft zu treffen,warf ich mich zur Seite. Der Hadat wandte sich unwillig ab und verschwand in den Büschen.

An der Spitze der Verfolger erblickte ich Ceralt, der auf die hysterisch schreiende Halia zulief – und an ihr vorbei dorthin, wo ich auf dem Boden saß. Er zog mich hoch, nahm mich in die Arme und hielt mich so für einen langen Moment fest. Halia beobachtete uns mit großen Augen. Ihr Schreien war verstummt. Viele Männer liefen auf sie zu, und einer, den ich oft neben ihr gesehen hatte, nahm sie in die Arme, ohne daß sie dessen gewahr zu werden schien.

Ceralt ließ mich los, dann schüttelte er mich und grollte: »Nun verdienst du wirklich geschlagen zu werden. Einfach den Hadat auf sich zu locken, nur um das Leben einer Frau zu retten, die dir nichts als Kummer bereitet hat, das ist wahrlich die Handlungsweise eines großen, dummen Kindes! Hast du denn gar keine Vernunft im Kopf? Wirst du niemals lernen, auf dich selbst acht zu geben?«

Er schüttelte mich in großer Aufregung. Obwohl ich nicht verstand warum, war ich aber andererseits nicht in der Lage, ihm zu erklären, weshalb ich den Hadat auf mich gelenkt hatte. Ceralt stieß weiter ärgerliche Fragen hervor, ohne auf meine Einwände zu hören, bis der Mann, der Halia in den Arm genommen hatte, zu uns kam und seine Hand auf Ceralts Schulter legte.

»Beruhigt Euch, Jäger«, sagte er. »Ich weiß, wie Euch zumute ist, doch muß ich Euch daran erinnern, daß meine Tochter verloren gewesen wäre, wenn es diese Sklavin nicht gegeben hätte. Dafür möchte ich ihr meinen Dank aussprechen, bevor Ihr sie wegen ihrer Dummheit prügelt.« »Ihr mögt Ihr danken«, entgegnete Ceralt ärgerlich, »aber verprügelt wird sie, und das nicht zu wenig. Alleine schon, weil sie versucht hat, mir wegzulaufen.«

»Natürlich, das hatte ich vergessen«, sagte der Mann. »Sie ist ja Eure Sklavin.« Dann sah er mich an und sagte: »Ich möchte sie Euch abkaufen, Jäger. Nennt mir ihren Preis.« »Man kann sie mir nicht abkaufen«, sagte Ceralt, mich noch immer festhaltend. »Ihr Preis ist so hoch, daß niemand ihn zahlen kann. Sie gehört mir, und sie wird mir immer gehören. «

»Als Sklavin?« fragte der Mann in merkwürdigem Ton, Ceralt lächelte leicht, dann entgegnete er: »Wenn es sein muß«, dann hob er mich hoch und legte mich über seine Schultern. Als ich protestierte, weil noch nie jemand so etwas mit mir zu tun gewagt hatte, kicherte er und sagte: »Sie hat es noch immer nicht gelernt, mir zu gehorchen. Würdet Ihr uns jetzt bitte entschuldigen?«

Unter dem fröhlichen Gelächter von allen, die herumstanden, verließ er mit mir die Lichtung. Ich trommelte auf ihn ein, ohne ihn beirren zu können. Er trug mich in das Zelt, stellte mich dort auf die Füße und nahm das Metall von meinen Handgelenken ab. Dann warf er es zusammen mit seinem Schwert fort. Ich sah ihm unsicher zu, denn es war das erstemal, daß wir beide uns so gegenüberstanden. Ceralt lachte über meine Unsicherheit und sagte: »Du hast recht. Ich habe die Absicht, dich jetzt erneut zu nehmen, aus Erleichterung darüber, daß ich dich nicht ganz verloren habe. Hast du etwas dagegen?«

Ich war sprachlos. Und ob ich etwas dagegen hatte! War ich nicht eine Kriegerin der Midanna, war ich nicht die Anführerin der Hosta, der nicht einfach ein Mann erklären konnte, er wolle sie jetzt nehmen? Konnte Mida denn nicht die Scham erkennen, die mir damit bereitet wurde? Also fragte ich: »Und warum sollte ich nichts dagegen haben?« Ceralt lachte herzlich und entgegnete: »Die Antwort auf deine Frage, mein Kind, ist eine weitere Frage. Du hattest dich schon lange von deiner Leine befreit, trotzdem warst du noch nicht im Wald verschwunden. Darum also die Frage: Warum bist du nicht davongelaufen?«

Da ich ihm nicht die volle Wahrheit sagen konnte, erklärte ich ihm: »Ich wollte Fayan, meine Kriegerin, nicht alleinlassen.« Wieder lachte er und sagte: »Fayan wird durch ihr eigenes Verlangen hier festgehalten. Sie hat ihr Herz an Nidisar verloren, und hält statt dessen seines gefangen. Alle, die sie beobachtet haben, wissen das, und du weißt das auch, Jalav. Ich weiß, warum du nicht geflohen bist, und das erfüllt mich mit großer Freude.« Er nahm mich in die Arme und sagte zärtlich: »Du kannst es nicht ertragen, dich von mir zu trennen, und ich kann es nicht ertragen, von dir getrennt zu sein.« »Das ist Unsinn«, sagte ich erschrocken, als er sich zu mir herunterbeugte, um mich zu küssen. »Ich werde dich mit Freuden verlassen, sobald ich nur kann.« »Frauen!« brummte Ceralt ärgerlich. »Mögen sie zivilisierte oder wilde sein, alle wollen sie überredet werden. Kannst du nicht ein einziges Mal zugeben, Jalav, daß du mir gehören willst?«

»Dir gehören?« wiederholte ich erregt. »Ich werde niemals die Deine sein! Ich bin eine Kriegerin der Midanna und gehöre Mida!« Ich stieß ihn von mir. Traurig ließ er mich los. »Nun gut«, sagte er, »wie ich sehe, kannst du es noch immer nicht zugeben. Deshalb muß ich dich so lange gefangenhalten, bist du es nicht mehr leugnen kannst. Bis dahin bleibst du mein Eigentum.«

»Und das meine«, sagte Telion vom Zelteingang her. Belustigt blickte er auf uns.

»In der Tat, das hatte ich vergessen«, murmelte Ceralt. »Telion, mein Freund, ich kaufe dir deinen Anteil ab.« »Anteil?« fragte Telion mit hochgezogenen Augenbrauen. »Wenn ich mich recht erinnere, wollten wir sie uns gleichberechtigt teilen.«

»Das stimmt«, entgegnete Ceralt mürrisch, »doch habe ich das größere Anrecht, denn sie wurde in meiner Stadt gefangengenommen. «

»Und es ist meine Stadt, die sie vernichten will«, erwiderte Telion. »Also habe ich das größere Anrecht.« »Aber ich wurde von ihrem Stamm gefangengenommen und lange festgehalten«, sagte Ceralt.

»Auch ich wurde von ihrem Stamm gefangengenommen, und allerdings nur kurz festgehalten«, sagte Telion und fügte, als Ceralt schon zu strahlen begann, schnell hinzu: »Aber ich wurde zuerst gefangengenommen.«

Die zwei Männer standen sich wie zwei kämpfende Kinder der Wildnis gegenüber. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, um was es ging und bezweifelte auch, daß sie es mir hätten erklären können. Mida konnte es vielleicht verstehen, aber sonst niemand.

Ceralt verschränkte entschlossen die Arme und sagte: »Und ich verspüre eine tiefe Liebe für sie.«

Telion verschränkte gleichfalls die Arme und erwiderte: »Und auch ich – habe sie sehr liebgewonnen.« Ungläubig starrte Ceralt ihn an. Offensichtlich hatte er etwas anderes erwartet. Telion lachte über seinen Gesichtsausdruck, dann legte er ihm den Arm um die Schulter und sagte: »Das, mein lieber Freund, wollte ich von dir hören. Ich war im Zweifel, ob du es eingestehen würdest.«

»Ich mußte es doch«, sagte Ceralt. »Wie hätte ich dich sonst bewegen können, mir deinen Anteil zu überlassen.« »Ich werde ihn dir schenken«, erwiderte Telion, »denn ich habe schon lange gemerkt, daß sie an dir mehr interessiert ist als an mir.«

»Ich bin an keinem Mann interessiert«, warf ich ein, aber niemand beachtete mich.

»Ich habe mir auch ein anderes Zelt besorgt«, fügte Telion hinzu. »Es steht neben diesem hier.«

»Du bist der verständigste aller Freunde«, sagte Ceralt lächelnd. »Hättest du nicht daran gedacht, so hätte ich dich darum gebeten.«

»Es ist nicht nur wegen des Verständnisses«, entgegnete Telion mit schlauem Blick, »sondern es war tatsächlich nötig, was ich dir noch zeigen werde.«

Er verließ das Zelt, und Ceralt sah mich mit einem fragenden Blick an, so, als würde ich ihn verstehen. Ich verstand aber gar nichts, und das ging mir schon längere Zeit so. Also ließ ich die Dinge an mich herankommen und hoffte, daß sie sich von alleine aufklären würden. »Sieh einmal, was mir in die Falle gegangen ist!« sagte Telion, als er zurückkam. Über seiner Schulter trug er Larid, an Händen und Füßen gefesselt und im Mund einen, Knebel. Sie strampelte wild mit den Beinen, doch das half ihr nichts. Mida machte uns ihren Dienst wahrlich nicht leicht! »Ich habe sie noch nicht verhört«, sagte Telion, »weil ich glaubte, daß das, was sie zu erzählen hat, auch für dich wichtig sein könnte.«

»Das werden wir gleich feststellen«, meinte Ceralt. Telion setzte Larid auf den Boden und nahm ihr den Knebel ab. Sie sah ihn mit bösen Blicken an, aber er schien das nicht zu bemerken und lächelte sie freundlich an. »Wir freuen uns außerordentlich, dich wiederzusehen«, sagte er und fragte: »Wo sind die anderen?«

»Die Hosta befinden sich überall um euch herum«, fauchte Larid zornig. »Laßt mich sofort frei, und euer Leben wird geschont werden!«

»Das ist sehr lieb von dir«, erwiderte Telion, »trotzdem, so glaube ich, sollten wir dich noch eine Weile in Gewahrsam halten. Darf ich fragen, wo genau die Hosta sich überall um uns herum befinden?«

»Überall«, antwortete Larid. »Und wenn ich in einer Stunde nicht wieder bei ihnen bin, werden sie euch angreifen.« »Dann müssen wir also noch eine ganze Stunde warten«, meinte Ceralt mit einem Gähnen. »Da ich nicht viel Zeit brauche, um mein Schwert umzugürten, muß ich mich nicht beeilen.« »Und da ich mein Schwert immer umgegürtet habe«, sagte Telion, »muß ich mir die Zeit anderweitig vertreiben. Aber wie?« Er dachte einen Moment nach, dann hellte sich sein Gesicht auf. »Ich hab's«, sagte er. »Ich werde mir vom Sklaventreiber der Karawane die schwere Peitsche holen, so daß ich, wenn der Angriff in nicht genau einer Stunde erfolgt, in der Lage bin, diejenige zu bestrafen, die mich so gemein belogen hat.«

Er tat so, als wolle er das Zelt verlassen. Larid sah ihn ängstlich an und sagte: »Warte noch. Vielleicht habe ich mich im Zeitpunkt geirrt, und er kommt nicht vor Anbruch der Dunkelheit. «

»Das macht doch nichts«, erwiderte Telion. »Auf alle Fälle kann ich die Peitsche schon einmal holen.« »Halt, nein!« rief Larid mit großen, hilflosen Augen. »Ich... ich habe nicht die Wahrheit gesagt vorhin. In... in Wirklichkeit weiß ich gar nicht, wo die Hosta sind.« Telion und Ceralt sahen sich zufrieden an. Ich mußte gewaltsam ein Lächeln unterdrücken, um sie nicht mißtrauisch zu machen. Larid hatte sich wieder einmal als wahre Schauspielerin erwiesen, und die Männer dazu gebracht, ihr zu glauben. »Das ist aber gar nicht schön, was ich da hören muß«, sagte Telion mit gerunzelter Stirn. »Jetzt mußt du aber wirklich die Wahrheit sagen, oder die Strafe folgt auf dem Fuß.« »Bitte, schlag mich nicht!« sagte Larid. »Ich will bestimmt die Wahrheit sagen.«

»Also gut«, entgegnete Telion. »Zunächst will ich wissen, wie du hierherkamst.«

»Ich wollte Jalav befreien«, antwortete Larid kleinlaut. »Ich wartete außerhalb der Stadt, als wir geflohen waren, und bin euch dann gefolgt.«

»Du bist also eine von den dreien«, sagte Ceralt erstaunt. »Wie habt ihr euch von den Metallfesseln befreien können, und wo sind die anderen zwei?«

»Wir haben jemanden aus der Stadt dazu gezwungen«, sagte Larid. »Binat und Comir gingen, um die Hosta zu suchen, und ich blieb zurück, um in der Nähe von Jalav und Fayan zu bleiben.«

»Dann mußt du also Larid sein«, meinte Telion. »Sag mir, Larid, wohin sind die beiden anderen gegangen, um die Hosta zu suchen?«

»In die Richtung von Ranistard«, erwiderte Larid. »Sie wissen zwar nicht genau, wo es liegt, aber sie haben sich nach Norden gewandt.«

Telion winkte Ceralt in eine entfernte Ecke des Zelts und beriet sich mit ihm. Larid sah mich stolz an. Ich legte meine Finger auf die Lippen, dann legte ich die Hand mit dem Handteller nach oben auf den Schoß. »Gut gemacht«, hieß das in der stummen Sprache der Midanna. Larid strahlte mich an, aber dann verdunkelten sich ihre Augen. Mir wurde klar, daß sie mit einer Botschaft für mich gekommen war, aber ich konnte sie nicht fragen, da die beiden Männer zurückkehrten. »Fürs erste wollen wir dir Glauben schenken«, sagte Telion zu Larid. »Sollte sich jedoch herausstellen, daß du uns belogen hast, ist dir die Peitsche sicher.«

»Ich habe nicht gelogen«, schluchzte Larid furchtsam. »Bitte, schlagt mich nicht!«

»Wir werden sehen«, sagte Telion, dann beugte er sich vor ihr nieder, hob ihr Kinn und fragte: »Erinnerst du dich, wer ich bin?«

Verwirrt antwortete sie: »Ja. Du bist der Sthuvad, den wir hatten, bevor wir aufbrachen.«

»Genau«, lächelte Telion. »Und kannst du dich noch erinnern, was geschah, bevor ihr aufbracht?«

Larid öffnete den Mund, um ihm zu antworten, schloß ihn dann aber vorsichtig wieder. »Ich sehe, daß du dich erinnerst«, sagte Telion grimmig lächelnd. »Ein Gefangener wurde von einer Kriegerin ohne seine Einwilligung benutzt. Ich habe so eine Ahnung, daß heute das Umgekehrte passieren wird.« Larid sah mich besorgt an, aber ich konnte nichts tun, um ihr zu helfen. In gewisser Hinsicht hatte sie sich auch selbst in diese heikle Lage gebracht.

»Ich glaube, du solltest sie nun in dein Zelt bringen«, sagte Ceralt mit einem Lachen zu Telion. »Es wird gleich Zeit zum Essen sein, und vorher muß ich noch Jalavs Wunde auswaschen.«

»Wunde?« fragte Telion und sah mich an, aber ich wußte selbst nichts davon. »Von ihrer Begegnung mit dem Hadat«, sagte Ceralt und nahm mein linkes Bein in die Hand. Tatsächlich, an der Wade befand sich ein kleiner Riß, den ich bis dahin nicht einmal bemerkt hatte.

»Ja, wirklich«, sagte Telion. »Hätte ich den Vorfall nicht mit eigenen Augen gesehen, würde ich es nicht glauben.« »Ich auch nicht«, entgegnete Ceralt. »Und alles wegen dieser albernen Halia.«

»Die jetzt eine gezüchtigte Halia sein wird«, lachte Telion. »Als du mit Jalav fortgingst, schien sie der Schlag getroffen zu haben. Sie weinte, warf sich auf den Boden und schrie, sie wolle keinen anderen Mann als dich haben. Ihr Vater brachte sie zu ihrem Zelt, und auf dem Weg nahm er einen starken Ast mit. Als ich vorbeikam, konnte ich sie schon heulen hören.« »Vielleicht tut es ihr gut«, meinte Ceralt. »Ich für mein Teil würde sie nie als Frau haben wollen.«

»Ich auch nicht«, sagte Telion, dann warf er Larid wieder über die Schulter und sagte: »Wir sehen uns morgen früh.« »Bestimmt nicht vorher«, entgegnete Ceralt lachend, mit einem Blick auf mich. Larid warf mir beim Verlassen des Zelts einen verzweifelten Blick zu. Bestimmt hatte ihre Gegenwart einen besonderen Zweck.

»Zeig mir dein Bein!« befahl Ceralt. Mit einem feuchten Tuch wusch er vorsichtig das Blut von dem Kratzer ab. Dabei hielt er mein Bein zärtlich fest. So kraftvolle Hände hatte er, so muskulöse Arme, so breite Schultern! Zu Hause, in den Zelten der Hosta, wäre er bestimmt einer meiner Favoriten geworden. Ein Sklave brachte das Fleisch für die Abendmahlzeit und sah mich neugierig an. Ceralt lachte, als er sich wieder entfernte und schnitt mir eine Portion Fleisch ab. Wir aßen schweigend, wobei Ceralt einige Schlucke Renth trank, mir davon aber nichts abgab.

Als wir fertig waren, stand Ceralt auf, um die Kerzen zu löschen. Ich erhob mich gleichfalls und begab mich zu meinem Pfahl. »Was machst du da?« fragte Ceralt mich erstaunt. »Ich warte darauf, angekettet zu werden«, entgegnete ich und fand seine Frage etwas merkwürdig.

»Das sehe ich«, entgegnete er. »Und warum, meinst du, sollte ich dich anketten?« Ich sah ihn an und fragte mich, wie lange er wohl noch solche dummen Fragen stellen würde. »Nun, um mich von der Flucht abzuhalten«, sagte ich.

»Und ist das nötig?« fragte er, »wo wir doch nun sogar zwei deiner Kriegerinnen gefangenhalten?«

Daran hatte ich nicht gedacht, aber er hatte die Wahrheit gesagt. Zunächst einmal mußte ich hören, welche Botschaft Larid für mich hatte. Vielleicht waren meine Kriegerinnen irgendwo versteckt, wo ich sie nicht leicht finden konnte. »Ich höre keine Antwort von dir«, sagte Ceralt und legte sich, nachdem er die letzte Kerze ausgelöscht hatte, neben mich. »Vielleicht ist der Grund auch, daß du gar nicht von mir weglaufen willst.« Damit zog er sich und mich behutsam aus. Ich wußte nicht, was ich ihm auf seine merkwürdigen Bemerkungen antworten sollte, wurde dieser Mühe aber auch enthoben. Seine starken Arme umfingen mich wieder, sein haariger Körper preßte sich an mich und brachte mein Blut in Wallung. Ich wollte ihn nehmen, aber er lachte, warf mich auf den Rücken und nahm mich statt dessen. Als Anführerin der Hosta hätte ich dies eigentlich nicht dulden dürfen, aber ich wußte ja, daß er in Übereinstimmung mit Midas Willen handelte. So ließ ich alles geschehen, was er mit mir anstellte. Gesegnet sind die, die Midas Befehlen ohne Widerwort gehorchen.

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