12 Eine Botschaft – und Blut wird vergossen

Am nächsten Morgen war ich nicht sehr glücklich darüber, daß Ceralt mich mit auf sein Kan nahm. Lieber wäre ich, wie zuvor, an der Leine hinter ihm hergelaufen. Ich mußte mich vor ihn in den Sattel setzen, und er hielt mich mit seinen Armen fest, als sei ich ein Stadtweib, das noch nie zuvor auf einem Kan gesessen hatte.

Fayan schien sich über das, was mit mir geschah, zu freuen. Sie hockte hinter Nidisar und vermied es noch immer, meinem Blick zu begegnen. Sie war sehr überrascht gewesen, als sie Larid entdeckte, die offensichtlich eine anstrengende Nacht hinter sich hatte, und nun gefesselt hinter dem Kan Telions herstolperte.

Larids Gesichtsausdruck verriet, daß Telion sich in der Nacht wohl gerächt haben mußte. Auch Ceralt war nicht faul gewesen. Nachdem er mich das erstemal gebraucht hatte, hatte es ihm Spaß gemacht, mich durch das Zelt zu jagen und mir jedesmal, wenn er mich wieder eingefangen hatte, den Hintern zu versohlen und dabei zu sagen: »Du sollst nicht wieder tun, was du getan hast!«

Verzweifelt hatte ich versucht, ihm zu entkommen, bis ich mich zum Schluß auf ihn warf und ihn mit Zähnen und Nägeln angriff. Zunächst war er von meinem Angriff überrascht gewesen, fing sich dann aber bald wieder und jagte mich weiter durch das Zelt, ohne mir Gnade zu gönnen. Als ich schließlich erschöpft zu Boden fiel, hatte er mich wieder fest in die Arme genommen, und ich war mit dem Kopf auf seiner behaarten Brust eingeschlafen. Dabei hatte ich mit Mida gehadert, daß sie mich solche merkwürdigen Dinge erdulden ließ. Während der Rast hatte ich Gelegenheit gehabt, mich mit Larid zu unterhalten. Man hatte sie an einem Baum angebunden, und ich ging nach dem Essen zu ihr hinüber, baute mich mit gekreuzten Armen vor ihr auf und sagte kalt: »Eine Kriegerin der Hosta versucht also, ihre Anführerin zu befreien, und wird dabei selber gefangengenommen. Gut gemacht, Kriegerin. Mach nur weiter so!«

Larid sah mich äußerst beschämt an und entgegnete: »Verzeih mir, Jalav! Ich weiß überhaupt nicht, wie der Mann mich so überraschen konnte.«

»Vielleicht kam er auf den Flügeln eines Lellin geflogen«, sagte ich und hockte mich vor ihr nieder. »Es wird das beste sein, daß wir gemeinsam Mida um Vergebung für deine Schande bitten.«

Die Männer, die nichts von unseren Bräuchen wußten, würden annehmen, daß wir mit gebeugtem Haupt zu Mida sprachen,während doch in Wirklichkeit eine Kriegerin, die mit Mida redet, stolz und aufrecht steht, so, wie Mida sie sich wünscht. Nach einem Augenblick flüsterte Larid: »Sie beobachten uns nicht länger, Jalav. Haben sie mir tatsächlich geglaubt?« »Ich denke schon«, flüsterte ich zurück. »Welche Botschaft bringst du mir von Gimin?«

»Wir haben zwei Männer gefangengenommen«, flüsterte sie. »Sie kannten das Aussehen der Hosta und wollten sich wehren, aber wir konnten sie ohne großes Blutvergießen überwältigen. Beim Verhör haben sie gestanden, daß sie zu denjenigen gehörten, die den Hort überfielen, wissen aber nicht, wo sich der Kristall jetzt befindet. Die anderen sind alle auf dem Weg nach Ranistard, außer einem, der sich noch hier bei der Karawane befinden muß. Insgesamt sind es zweimal fünf Männer.« »War bei den zweien einer, der wie ein junges Mädchen aussieht?« flüsterte ich.

»Nein, sie sahen beide so aus, wie die meisten Männer aussehen«, war die Antwort. »Der, der sich noch bei der Karawane befindet, bringt Weiber nach Ranistard, die für die Männer dort bestimmt sind.«

»Ich kenne ihn«, entgegnete ich. Nun erinnerte ich mich an ihn. Er war breitschultrig, aber nicht so groß, wie Ceralt oder Telion. Oft hatte er mich angesehen, aber jetzt erst verstand ich den Blick seiner harten Augen.

»Gimin will wissen, ob sie jetzt damit beginnen soll, die Männer auszutauschen, die sie gefangenhält«, flüsterte Larid. »Binat beobachtet uns vom Wald aus. Unsere Gandod sind nicht weit davon versteckt. Wenn du willst, kannst du ohne große Mühe fliehen.«

»Also wolltest du meine Gefangenschaft gegen die deinige tauschen«, meinte ich. »Bist du deswegen in Telions Falle gegangen?«

Larid lächelte flüchtig. »Das war nicht einfach«, sagte sie leise. »Er beobachtete dich aus dem Wald und meinte wohl, er hätte sich gut versteckt, obwohl Binat und ich keine Schwierigkeiten hatten, ihn zu entdecken. Allerdings konnte ich dich nicht ansprechen, ohne daß er es bemerkt hätte, und so entschloß ich mich, mich von ihm gefangennehmen zu lassen. Wäre er nicht einer derjenigen gewesen, mit denen du unterwegs bist, hätte ich ihn lautlos umgebracht, aber so wußte ich nicht, was du darüber dachtest. Ich mußte mir aber viel Mühe geben, mich von ihm gefangennehmen zu lassen.«

»Diese Männer wissen wirklich wenig über den Wald«, murmelte ich. »Hat er dich roh behandelt wegen dieser Sache am Hort?«

»Er war noch immer sehr böse darüber«, entgegnete Larid, »und hat mich ziemlich oft gebraucht. Aber Tränen machen ihn weich, habe ich festgestellt. Ich muß noch mehr davon produzieren, scheint mir.«

Ich mußte heimlich lächeln. Larid war sehr wohl in der Lage, für sich selbst zu sorgen, schien mir. Dann sagte ich: »Ich werde mich nicht zu Gimin begeben, sondern mit der Karawane nach Ranistard gehen, denn dort, so glaube ich, befindet sich der Kristall. Auch kann ich dann diesen Mann beobachten und ihm für den Fall, daß er sich davonmachen sollte, folgen. Soll ich dich befreien, so daß du zurückkehren kannst?« »Es wäre nicht klug, die Männer mißtrauisch zu machen«, meinte Larid, »deswegen bleibe ich besser bei dir. Binat wird deine Botschaft weiterleiten.«

»Wie du willst«, sagte ich mit einem Seufzer. »Aber du solltest dich immer daran erinnern, daß es deine eigene Entscheidung war.«

Larid sah mich verständnislos an, aber anstatt sie aufzuklären, erhob ich mich und ging zurück. Vielleicht würde Larid nicht so beschämt werden, wie man Fayan und mich beschämt hatte, und ich wollte sie nicht unnötig in Angst versetzen. Jemand, der so etwas noch nicht mitgemacht hatte, würde auch Mühe haben, es zu verstehen.

Aus dem Busch neben mir schimpfte ein Lellin. Ich hob die Arme so, als wolle ich mich recken, dann bewegte ich die Hände mit den Handtellern nach oben von den Lippen weg. Der Lellin schimpfte noch einmal, dann herrschte Stille. Binat hatte meine stumme Botschaft verstanden. Ich hatte ihr bedeutet: »Sage Gimin: Ja.« Hätte sie sie nicht verstanden, dann hätte der Lellin zweimal gerufen.

Plötzlich stand Ceralt vor mir. Auf seinen Lippen spielte ein leichtes Lächeln. »Hier sind einige, die gerne einmal mit dir sprechen möchten, Jalav«, sagte er. »Ich habe ihnen erklärt, daß du dich über ihren Besuch freuen würdest.« Hinter ihm tauchten die Weiber auf, die mich einige Tage zuvor so verhöhnt hatten. Nur Halia befand sich nicht bei ihnen. Sie standen in einer Gruppe zusammen und blickten nervös überall hin, nur nicht auf mich. Ich verzog mein Gesicht.

Ceralt lachte und sagte dann ernst: »Es wird dir bestimmt nichts ausmachen, mit ihnen zu sprechen, Jalav. Solltest du trotzdem einen Widerstand in dir verspüren, bin ich gerne bereit, dir bei seiner Überwindung behilflich zu sein.« Dabei griff er kurz an das Halsband, das ich noch immer trug. Ich sah ihn böse an, denn ich hatte nichts vergessen von dem, was er mir angetan hatte, dann ging ich auf die wartenden Weiber zu. Sobald wir den Kristall zurückgeholt hatten, würde ich Ceralt wieder meinen Kriegerinnen übergeben, und er würde sehr bitten müssen, wenn ich ihn für mein eigenes Schlafleder behalten sollte. Aber lang würde seine Gefangenschaft dauern, und so mühselig sein wie eben möglich. Grimmig würde meine Rache sein.

Ich blieb vor den Weibern stehen und kreuzte meine Arme auf der Brust, ohne ein Wort zu sagen. Die in den Städten müssen fast ohne Gehör leben, denn es dauerte eine Weile, ehe eine von ihnen mich zufällig erblickte. Sie zuckte zusammen, als sei sie von einer giftigen Sednet gebissen worden, und stammelte »Oh«. Da fuhren auch die anderen herum und lächelten mich schüchtern an. Eine von ihnen, mit hellbraunem Haar, machte einen zögernden Schritt vorwärts.

»Wir wollten dir nur sagen«, begann sie langsam, »wie tapfer wir das gefunden haben, was du getan hast.« Und mit gesenktem Kopf fügte sie hinzu: »Und wir möchten uns für das entschuldigen, was wir zuvor getan haben. Deine Tat war sehr edel, gerade Halia gegenüber.«

»Und doch weigert gerade sie sich«, fügte eine andere, mit hellgelbem Haar und großen Augen, hinzu, »dir Dank zu sagen. Sie möchte dich nicht einmal sehen. Ihr Vater hätte besser zwei Äste auf ihr zerhauen sollen, statt nur einen.« Die anderen murmelten zustimmend, was mich einigermaßen belustigte.

»Halia wurde durch den Willen Midas gerettet, nicht durch mich«, klärte ich sie milde auf. »Mida will, daß jeder sich so benimmt, wie es seinem Wesen entspricht. Ist dies der Fall, dann handelt er nach Midas Willen, egal, wie sein Wesen auch ist. Niemand sollte deswegen verachtet werden.« »Dein Glaube macht dich viel zu großmütig«, sagte das hellhaarige Weib. »Wenn Halia mich so behandelt hätte, würde ich ihr die Augen ausgekratzt haben.«

Als ich sie verständnislos anblickte, zeigte die Braunhaarige auf meinen Hals und sagte ungläubig: »Seht, sie trägt noch immer das Halsband! Hat Ceralt dich noch immer nicht freigegeben?« »Das ist ungeheuerlich!« bemerkte eine andere empört. »Wie kann er es wagen, dich noch immer als Sklavin zu halten?« »Ich bin keine Sklavin«, entgegnete ich. »Jalav ist nie eine Sklavin gewesen, und wird es nie sein.« »Aber das Halsband, die Handfesseln, und die Leine...«, meinte eine andere. »Er hält dich doch wie eine Sklavin und nennt dich auch so.«

»Es spielt keine Rolle, was irgend jemand glaubt«, sagte ich. »Ich weiß, daß ich keine Sklavin bin, und das genügt. Der Jäger hält mich als Gefangene, aber auch das wird nicht ewig dauern.«

»Du bist großartig«, sagte die mit dem hellgelben Haar bewundernd. »Du bist eine Frau wie wir und doch tatsächlich frei und unabhängig. Selbst als Gefangene eines Mannes fühlst du dich frei. Wie gern wäre ich so wie du!«

»Zumal wir auch bald irgendwelchen Männern gehören werden«, sagte die mit dem braunen Haar. »Unsere Väter werden sie für uns aussuchen, und wir werden ihre Sklavinnen sein, auch wenn man es anders nennt. Und es gibt für uns kein Entrinnen aus diesem Schicksal.«

»Wie schaffst du es, als Gefangene unberührt zu bleiben?« fragte eine andere, mit dunkelbraunem Haar, neugierig. »Wenn es möglich ist, würde ich das gerne von dir erfahren. Ich habe kein Verlangen, von einem Mann berührt zu werden.« Die anderen stimmten eifrig zu, was mich wieder sehr verwunderte. »Der Jäger nimmt mich, sooft er will«, entgegnete ich und sah, wie sie alle erröteten. »Aber das ist doch zu erwarten, weil meine Kriegerinnen und ich auch von ihm Gebrauch gemacht haben, als er unser Gefangener war.« Mit offenen Mäulern standen sie vor mir. Die Hellhaarige war die erste, die ihre Stimme wiederfand. »Ihr benutzt die Männer einfach so?« stieß sie hervor.

»Starke Männer bereiten einer Kriegerin viel Spaß«, erwiderte ich lächelnd. »Es ist doch nichts dabei, wenn man sich eines Mannes erfreut. Wozu hat Mida sie sonst erschaffen?« Sie blickten sich hilflos an, dann nahm die Hellhaarige wieder das Wort. »Aber uns wurde immer erzählt, daß wir uns vor der Berührung eines Mannes hüten sollten«, sagte sie. »Mein Vater hat mir erklärt, daß nur der, dem ich zugedacht bin, mich berühren darf. Ich habe zwar nie verstanden, warum gerade er eine Ausnahme sein soll, aber die Berührung durch einen Mann ist mir immer wie etwas Böses vorgekommen. Auch meine Mutter hat so gedacht. Sollte es tatsächlich nichts Böses sein?«

»Ich habe nie etwas Böses dabei gefunden«, sagte ich langsam. Mich überkam großes Mitleid mit diesen Stadtweibern. So erzogen zu werden, daß man die Berührung eines Mannes als etwas Böses empfand, das war schon eine große Scheußlichkeit. Und wie kann ein Mann Spaß dabei empfinden, mit einer Frau zu schlafen, die seine Berührung verabscheut? Als Telion und Cerlat mich beide das erstemal nahmen, hatten sie, das merkte ich, großes Vergnügen dabei empfunden, als sie spürten, welchen Spaß sie mir bereiteten. Wenn das nicht gewesen wäre, dann hätten sie sich ja auch alleine befriedigen können, fand ich.

»Nein, ich habe nie etwas Böses dabei empfunden«, wiederholte ich, »noch hat dies eine einzige meiner Kriegerinnen getan. Habt ihr denn nie die Anziehung eines Mannes gespürt, der von euch angezogen wurde und bereit war, euch Freude zu spenden?«

»Ich schon«, sagte die Rotblonde etwas zögernd. »Ich denke auch, daß ich schon Freude an der Berührung durch einen Mann empfinden könnte.«

Die anderen blickten ungläubig drein, dann sagte die mit dem hellen Haar entschlossen: »Ich weiß nicht, ob das bei mir der Fall ist, aber ich glaube, ich sollte es von dieser Seite aus betrachten. Ich habe bisher immer geglaubt, ich sei dazu verdammt, auf äußerst schmutzige Weise von einem Mann genommen zu werden, aber der Gedanke, daß auch ich ihn nehmen könnte, fesselt mich. Wie stellt man das an, Jalav?« Alle sahen mich an, als könne ich die absolute Wahrheit verkünden, dabei wußte ich nicht, was ich entgegnen sollte. Wie konnte man jemanden darüber informieren, auf welche Weise ein Mann das Blut einer Kriegerin in Wallung bringt? »Ihr müßt euch die Männer ansehen«, sagte ich langsam, nach den richtigen Worten suchend. »Ihr müßt euch einen Mann ansehen, ob er euch gefällt, wie er sich hält, wie er sich benimmt, wie er euch ansieht. Ist er von sich selbst überzeugt? Hält er sich stolz? Sieht er euch frei in die Augen? Solch ein Mann kann euch viel Spaß bereiten, denn er ist ungezähmt.« »Ceralt und Telion sehen so aus«, sagte die Rotblonde. »Bereiten sie dir viel Spaß, Jalav?«

Ich wandte mich zu den beiden Männern um und musterte sie. Ceralt sattelte gerade sein Kan, während Telion bei Larid hockte und sie fütterte. »Ja«, sagte ich, »die beiden wissen, wie man einer Frau Spaß bereitet. Meine Kriegerinnen hatten sehr viel Freude an ihnen, und, wenn Mida will, werden sie es wieder haben. Sie sind Männer, die viel zu geben haben.« »Ich glaube, es würde mir gefallen, Männer gefesselt und hilflos vor mir zu sehen«, meinte die Rotblonde, die beiden nachdenklich betrachtend. »Wenn sie mir keinen Spaß bereiten, würde ich sie prügeln.«

Die anderen Weiber lachten und nickten zustimmend, aber ich schüttelte den Kopf. »Männer müssen gefesselt sein, wenn sie Gefangene sind«, sagte ich, »aber größeren Spaß findet eine Kriegerin an einem Mann, der nicht gefesselt ist. Männer, die man prügeln muß, damit sie einer Frau Spaß bereiten, sind nichts anderes als Sklaven. Und nur eine Sklavin findet Freude an einem Sklaven.«

»Die zwei dort scheinen Spaß aneinander zu finden«, sagte die Hellbraune, auf Nidisar und Fayan deutend, die eng beieinander saßen, sich lebhaft unterhielten und dabei viel lachten. »Zwar hält Nidisar sie an der Leine, aber ihr scheint das nichts auszumachen.« Darauf fand ich keine Antwort. Die Dunkelbraune überlegte: »Wie muß das wohl sein, frage ich mich, von einem Mann an der Leine gehalten zu werden? Würde ich mich in dem Fall wehren oder ihm gehorchen? Und wenn ich ihm nicht gehorchte, würde er mich schlagen? Und wie ist das, wenn man geschlagen wird?« »Jalav weiß, wie das ist«, sagte die Hellhaarige mitleidig. »Telion hat mir erzählt, daß sie im Palast des Hohen Senats geschlagen wurde, weil sie nicht gehorchen wollte. Warum hast du nicht gehorcht, Jalav, und damit die Schläge vermieden?«

»Eine Kriegerin tut das, was sie tun muß«, antwortete ich, fand aber die Antwort selbst nicht befriedigend. »Die Peitschenhiebe von Bariose haben sehr geschmerzt, aber nicht so stark, wie das Gefühl geschmerzt haben würde, hätte ich meine Würde aufgegeben. Eine Kriegerin mag ihre Würde vielleicht gelegentlich verlieren, aber sie gibt sie nie selbst auf.« »Ich habe bisher geglaubt, ich besäße Würde«, sagte die Hellhaarige, »aber nun glaube ich, daß dies nicht der Fall ist, denn wahre Würde liegt in der Freiheit.« Darüber dachten die Weiber noch nach, als Ceralt wieder auftauchte. »Wie kommt Ihr miteinander aus, meine Damen?« fragte er grinsend und legte seine Hand auf meinen Hintern. »Habt Ihr mit Jalav geredet, wie es zivilisierte Menschen tun, damit sie davon lernen kann?«

»So haben wir in der Tat mit Jalav gesprochen«, sagte die Hellhaarige und sah Ceralt mißbilligend an. »Gebt Ihr nichts um ihre Würde, daß Ihr sie so betatscht? Sie ist keine Sklavin, die man so behandeln kann.«

»Ich spüre, daß dieser Mann viel Hitze in sich hat«, sagte die Rothaarige, indem sie Ceralt, der den Mund vor Staunen nicht mehr zu bekam, aufmerksam musterte. »Wollt Ihr nicht heute abend einmal in mein Zelt kommen, Ceralt?« fragte sie. »Ich möchte Euch gern einmal mit den anderen Männern hier herum vergleichen.«

Ceralt schnappte nach Luft, ohne ein Wort herauszubekommen. Die Dunkelbraune baute sich vor ihm auf, verschränkte die Arme und lachte. »Er sieht mir zu dumm aus«, sagte sie. »Ich glaube nicht, daß ein so dumm aussehender Mann einem viel Spaß bereiten kann. Laßt uns lieber noch einmal die anderen Männer ansehen, Freundinnen.«

Sie erntete begeisterte Zustimmung. Dann zogen die Weiber ab und blieben bei jedem Gefährt stehen, um die verblüfft glotzenden Männer einer sorgfältigen Musterung zu unterziehen.

»Was hast du mit ihnen angestellt?« fragte Ceralt und sah den Weibern unbehaglich nach. »Sie sind so... Was hast du mit ihnen gemacht?«

»Nichts«, entgegnete ich der Wahrheit gemäß. »Außerdem warst du es, der verlangt hat, ich solle mit ihnen reden.« »Damit sie dir etwas beibringen«, sagte Ceralt ärgerlich, »aber nicht du ihnen. Es wird in ihrem eigenen Interesse besser sein, sie in Zukunft von dir fernzuhalten. Komm, es ist Zeit, daß wir uns auf den Weg machen!«

Ich mußte wieder auf dem Kan vor ihm aufsitzen, was mir um so mehr Ärger bereitete, als sich nun auch Larid darüber lustig zu machen schien, wie er mich fest an sich drückte. Ich mußte über einiges nachdenken, wurde aber immer wieder abgelenkt von Ceralts zärtlichen Berührungen, die ich nicht abwehren konnte. So war ich sehr aufgebracht, als wir endlich wieder anhielten.

Ceralt schien sich köstlich über meinen Ärger zu amüsieren. Sobald das Zelt aufgebaut war, schob er mich hinein und sagte: »Falls du dich wundern solltest, so mußt du wissen, daß du bestraft wirst, weil du unschuldige junge Damen so aufgehetzt hast. Es wird dir bestimmt keinen Spaß machen.« Dann warf er mich auf den Boden und begann, meine Leidenschaft anzufeuern. Viel brauchte er nicht dazu, und doch fuhr er immer weiter damit fort. Ich war fast außer mir, aber er lachte nur. »Als ich dich kaufte, hat man mir geraten, dich öfter einmal nicht zu nehmen, wenn ich dich in Fahrt gebracht habe«, sagte er, und brachte mich dabei fast zum Stöhnen. »Dann würdest du schon bald bereit sein, mich um Erlösung zu bitten. Bittest du mich um Erlösung?« Ich hätte diese Erlösung dringend gebraucht, mir aber eher die Zunge abgebissen, als ihn darum zu bitten. Eine Kriegerin muß stark genug sein, um alles auszuhalten, was man mit ihr anstellt, ohne ein Zeichen von Schwäche zu zeigen. Ceralt ließ mich erst los, als ein Sklave das frisch gebratene Fleisch hereinbrachte. Er ließ sich zum Essen nieder und sagte: »Komm, Jalav, iß auch etwas. Es ist Nilno, wirklich köstlich. «

Ich antwortete nicht, sondern vergrub mein Gesicht in den Pelzen auf dem Boden. Leider konnte ich nicht verhindern, daß mir ein leises Wimmern entfuhr.

Plötzlich wurde ich hochgehoben und fand mich an Ceralts Brust wieder. »Jalav, vergib mir!« sagte er fast demütig. »Solch eine Pein wollte ich dir nicht bereiten. Ich habe einmal einen Falth gesehen, der eine tödliche Speerwunde hatte. Er gab einen solchen Ton von sich, wie du gerade. Ich werde ihn nie vergessen.«

Er schwieg einen Moment, dann ließ er mich los und sagte: »Es gibt nur einen Weg, um mich bei dir zu entschuldigen.« Damit zog er seine Kleider aus und legte sich vor mir auf den Boden. »Ich bin die Ursache deines Schmerzes«, sagte er. »Komm und halte dich schadlos an mir!« Verdrossen sah ich ihn an, und verdrossen wandte ich mich ab. Einen Mann zu nehmen, der sich so anbietet, ist noch schlimmer, als gar keinen Mann zu haben, zumal, wenn er es aus Mitleid tut.

»Machst du dir nichts aus mir?« fragte Ceralt. »Wie kannst du einem so prächtigen Burschen wie mir widerstehen? Oder willst du behaupten, ich könne einer Frau nicht gefallen?« Plötzlich kniff er mich fest ins Hinterteil. Als ich mich empört herumdrehte, lachte er und sagte: »Oder hast du etwa Angst vor mir?«

Rasend vor Zorn warf ich mich auf ihn und griff nach seiner Kehle. Sein Spaß verwandelte sich in Bestürzung, er wollte protestieren, als ich ihn auch schon in Besitz nahm, aber nicht auf sein Verlangen hin, sondern als Beute einer freien Kriegerin. Seine Bestürzung verwandelte sich aber bald in Vergnügen. Er zog mich an sich. Seine Lippen suchten die meinen. Viel Spaß hatte ich an ihm, bevor es mir reichte und wir unsere Plätze wechselten. Danach hatte er viel Spaß an mir. Das Nilno war kalt, als wir es endlich zu uns nahmen.

Ich lachte, warf meinen Kopf in den Nacken und mußte so laut und herzlich lachen, daß Ceralt mich ärgerlich schüttelte. »Da gibt es nichts zu lachen«, schimpfte er. »Der Sache muß sofort Einhalt geboten werden.«

»Ich sehe nur Frauen mit aufgelösten Haaren«, kicherte ich.

»So wie du davon sprichst, scheinen es ja fast Kriegerinnen zu sein, die bewaffnet auf ihren Gandod sitzen.«

»Davon scheinen sie nicht weit entfernt zu sein«, grollte er.

»Siehst du nicht mehr, als daß sie nur ihre Haare aufgelöst haben?«

Ich sah mir die Frauen an. Es waren die gleichen Weiber, mit denen ich am Tag zuvor gesprochen hatte. Heute waren ihre Haare nicht so streng zusammengebunden wie gestern, aber viel mehr konnte ich nicht bemerken. Doch, sie gingen recht merkwürdig herum. Ihre Hinterteile bewegten sich so stark, daß man fast befürchten mußte, sie verlören das Gleichgewicht.

»Warum bewegen sie sich so merkwürdig?« fragte ich. »Sind sie verletzt?«

»Ja, verletzt«, erwiderte Ceralt angewidert. »Kannst du nicht sehen, Kind der Wildnis, daß sie deinen Hadatähnlichen Schritt nachahmen wollen? Aber während deiner anmutig ist, sehen sie dabei aus, als seien sie verletzt, jawohl.« »Das ist lediglich eine Angewohnheit, die man beim Anschleichen auf das Wild erwirbt«, sagte ich. »Soll ich ihnen den richtigen Schritt beibringen?«

»Nein!« brüllte er, aber mit unterdrückter Stimme. »Du sollst sie wieder davon abbringen! Ihre Väter waren schon alle bei mir und haben sich beschwert, daß sie verrückt geworden sind. Selbst die Androhung von Prügel hat sie nicht wieder zur Vernunft gebracht, und die Prügel selbst scheinen sie in ihrem Wahnsinn noch zu bestärken. Sie haben erklärt, daß sie keinen Mann nehmen werden, der ihnen nicht gefällt. Die Väter sind außer sich. Auch die anderen jungen Damen scheinen ihnen nacheifern zu wollen.«

»Es gibt nichts, was ich in dieser Sache tun kann«, erklärte ich. »Ich habe ihnen ein solches Verhalten nicht nahegelegt, also kann ich es ihnen auch nicht ausreden. Aber es ist eine Schande, daß sie zu alt sind, um sich mit dem Schwert zu üben.« »Es ist eine Schande, daß man dir nicht den Hals umdrehen kann«, stieß Ceralt zwischen den Zähnen hervor, dann fragte er neugierig: »Wieso sind sie zu alt, um mit dem Schwert zu üben? Sie sind doch nicht älter als du.« »Wann, glaubst du denn, habe ich damit angefangen?« fragte ich ihn lachend. »Ich war noch ein Kind, als ich das erstemal ein Schwert in die Hand nahm. Damals schien es mir so schwer, daß ich glaubte, niemals damit fertig zu werden. Aber schon bald war ich eine der Kriegerinnen, und nicht lange darauf ihre Anführerin.« Ceralt sah mich nachdenklich an. »Nidisar erzählte mir, daß drei der Wächter erschlagen wurden, als man euch gefangennahm«, sagte er. »Hast du einen von ihnen getötet?« »Zwei«, entgegnete ich. »Und Pileth hätte ich auch erledigt, wenn mich nicht jemand von hinten niedergeschlagen hätte.« »Aber Pileth ist der Anführer der Wachmannschaft«, sagte Ceralt und sah mich beinahe entsetzt an. »Er ist einer der besten Schwertkämpfer in der Stadt. Du hättest ihn nicht besiegen können.«

»Du vergißt, daß ich die beste Kriegerin der Hosta bin, und ihre Anführerin«, entgegnete ich verägert. »Er wäre gefallen, wie die anderen.«

»Die anderen waren unzweifelhaft Neulinge«, meinte Ceralt, »die nicht sehr geübt mit dem Schwert waren, und bestimmt Bedenken hatten, mit einer Frau zu kämpfen. Aber Pileth hätte dich mit Sicherheit in deine Schranken verwiesen. Ich möchte niemals erleben, daß du dich mit einem richtigen Krieger anlegst, oder ich würde mich gezwungen sehen, dir das Schwert abzunehmen und dich kräftig damit durchzuwalken. Aber laß uns zu unserem eigentlichen Problem zurückkommen. Was machen wir mit diesen albernen Weibern?« »Das ist nicht mein Problem«, erwiderte ich kurz, verärgert darüber, daß er so wenig von der Anführerin Jalav hielt. »Sie sind nicht meine Kriegerinnen, also habe ich nichts mit ihnen zu tun.«

Damit wandte ich mich ab, aber er kam mir nach und hielt mich fest. »Da sie bestrebt sind, dir nachzuahmen, ist es offensichtlich auch dein Problem«, sagte er. »Du solltest einen Weg finden, sie von ihren Albernheiten abzubringen, oder ich muß mich selbst um diese Angelegenheit kümmern!« Ohne ein weiteres Wort kehrten wir zu den anderen zurück. Sie hatten bereits ihr Mittagsmahl zu sich genommen, und Telion unterhielt sich mit Nidisar. Fayan saß nahe bei ihnen. Noch immer weigerte sie sich, mit mir zu sprechen, schien aber oft in sorgenvollen Gedanken versunken. Ich dachte, daß es das beste sei, sie in Ruhe zu lassen. Mit der Zeit würde sie schon wieder zu sich zurückfinden. Larid saß abseits des Weges im Gras. Sie war nicht gefesselt, trug aber noch das Halsband. Ärgerlich zupfte sie Gras. Auch sie hatte reiten müssen, und zwar so wie ich, vor Telion, was ihr offensichtlich wenig Spaß bereitete. Ich setzte mich zu ihr. Obwohl ich ein ernstes Gesicht zeigte, fauchte sie mich leise an: »Es gibt keinen Grund, darüber zu lachen! Ich bedaure nur, daß ich sein Blut nicht vergossen habe, als ich die Gelegenheit dazu hatte.«

»Nur, weil er dich vor sich reiten läßt?« fragte ich belustigt. »Das ist das wenigste«, sagte sie mit flammenden Augen. »Aber er verlangt, daß ich mich wie eine Sklavin benehme, und wenn ich nicht gehorche, schlägt er mich. Dann muß ich immer noch so tun, als habe ich Angst vor der Peitsche, sonst wird er mißtrauisch. Wann kann ich sein Blut haben?« »Nimm es doch sofort, wenn du willst«, sagte ich. Ich lag auf dem Rücken, der Himmel über den Bäumen war klar, Midas Licht wärmte mich, aus dem Wald ertönten die Stimmen der Kinder der Wildnis, und bald würde ich in Reichweite derjenigen sein, die den Kristall geraubt hatten. Ich war glücklich. »Ich finde deine Antwort nicht komisch, Anführerin«, sagte Larid bitter. »Mein Schwert und mein Dolch sind wohlverwahrt auf seinem Kan, und ein Versuch, an seine Waffen zu kommen, brachte mir nur Schläge ein. Wenn sich die Dinge nicht bald ändern, können wir unser Haar zusammenbinden und uns tatsächlich so benehmen wie die Sklavenweiber.« »Die Dinge werden sich nicht ändern, bevor wir Ranistard erreicht haben«, erklärte ich freundlich. »Dort befindet sich der Kristall, und ihn müssen wir zurückholen.« Larid zog scharf den Atem ein und sagte: »Vergib mir, Jalav, aber über die Nachricht von der Gefangennahme der beiden Männer vergaß ich, dir etwas anderes zu berichten. Rilas sandte eine Botschaft. Den Hüterinnen wurde der Zutritt zu dem Hort, in dem sich der Kristall befindet, den die Silla bewachen, verwehrt. Ihre Hüterin Tanir war verschwunden. Rilas glaubt, daß die Silla nicht länger den Kristall besitzen, daß er aber nicht gestohlen wurde.«

Diese Nachricht verwirrte mich sehr. Obwohl der Verlust des zweiten Kristalls nicht unerwartet kam, schien es nun so, daß dies mit Einwilligung der Silla geschah. Die Silla waren Todfeinde der Hosta, trotzdem konnte ich nicht verstehen, wie eine Midanna einen Kristall der Mida nicht mit ihrem Leben verteidigen konnte.

»War Gimin in der Lage, herauszubringen, warum der Kristall gestohlen wurde?« fragte ich.

»Die Männer wußten den Grund nicht«, entgegnete Larid. »Sie haben uns nur erzählt, daß sie für den Diebstahl viel Metall erhielten.«

»Jetzt sind also beide Kristalle in der Hand derjenigen, die nicht einmal würdig sind, auch nur einen Blick darauf zu werfen«, sagte ich. »Wenn wir die Kristalle zurückerobert haben, werde ich dafür sorgen, daß die Silla nicht mehr die Ehre erhalten, einen davon zu bewachen.«

»Ich habe nie verstanden, wieso ihnen die Ehre überhaupt zuteil wurde«, erwiderte Larid. »Vielleicht werden die Silla auf ihrer Suche nach dem Kristall zu uns kommen.« »Das würde uns sehr willkommen sein«, sagte ich drohend. »Ein wirklicher Spaß«, stimmte mir Larid zu. »Sie sprechen von Spaß«, sagte Telion zu Ceralt. Beide hatten sich unbemerkt genähert. »Meinst du, daß sie von uns sprechen oder darüber, was wir ihnen wohl in Ranistard kaufen werden?«

»Vermutlich von beidem«, meinte Ceralt. »Frauen sind in der Lage, sich gleichzeitig mit mehreren dieser Dinge zu beschäftigen. «

»Da stimme ich dir zu«, antwortete Telion. Dann beugte er sich nieder und zog die entrüstete Larid an ihrem Halsband hoch. »Komm, meine Süße«, sagte er. »Ich verspüre den dringenden Wunsch nach einem kleinen Waldspaziergang. Solltet ihr aufbrechen, bevor wir zurück sind, Ceralt, laß mein Kan dort drüben stehen.« Damit verschwand er mit der sich heftig sträubenden Larid. »Ich glaube, daß der Spaziergang sie einige Zeit in Anspruchnehmen wird«, sagte Ceralt grinsend. »Die Idee scheint gar nicht so übel zu sein.« Er blickte mich auffordernd an. Da ich im Moment ganz andere Dinge zu bedenken hatte, stand ich auf und zuckte die Schultern. »Im Moment birgt der Wald nichts Interessantes für mich«, entgegnete ich. »Wann reiten wir weiter?«

»Bald«, knurrte er, offensichtlich sehr enttäuscht. Dann musterte er mein Halsband und meinte: »Vielleicht sollte ich doch wieder die Leine anbringen. Niemand soll denken, du seist weniger begehrbar als die beiden anderen Weiber.« »Die Gedanken anderer interessieren mich nicht«, entgegnete ich mit verschränkten Armen. »Ceralt zieht sie viel zu oft in Betracht.«

»Das muß man tun, wenn man unter ihnen lebt«, erwiderte er trocken. »Dir würde es auch nichts schaden.« »Jalav dient nur Mida«, entgegnete ich. »Und nur ihre Gedanken muß sie in Betracht ziehen.«

»Jalav sollte besser Ceralts Wünsche in Betracht ziehen«, antwortete er mit strengem Blick. »Hast du dir inzwischen überlegt, was mit den jungen Damen geschehen soll?« »Wenn sie Mida gefallen, wird sie sich darum kümmern«, erwiderte ich.

»Ich habe aber wenig Lust, auf das Eingreifen deiner Mida zu warten«, sagte Ceralt ärgerlich. »Entweder ist dir bis morgen früh etwas eingefallen, oder ich werde dich in ihre Mitte schaffen und ihnen beweisen, daß die allmächtige Jalav auch nur ein Weib wie andere ist – das man züchtigt, wenn es sich widersetzt. Nun komm, die Karawane bricht auf!« Nach einem längeren Ritt gesellten sich Telion und Larid wieder zu uns. Telion machte einen sehr vergnügten Eindruck, aber auch Larid schien sehr zufrieden mit sich zu sein. Ihr Halsband war verschwunden. Ich wußte nicht, was sie diesmal mit dem unglücklichen Krieger angestellt hatte, aber jedenfalls hatte sie ihr Ziel erreicht. Zwar hatte sie den Verlust ihrer Waffen beklagt, aber es war mir klar, daß sie auch ohne sie zurechtkommen würde.

Der nächste Tag war trübe, denn die ganze Zeit fielen Midas Tränen herunter. Die Männer zogen Felle über, um die Nässe abzuhalten, und bestanden zu meiner und meiner Kriegerinnen Entrüstung darauf, daß wir desgleichen taten. Unser Einwand, daß Midas Tränen ein Segen sei, der demjenigen, der in ihnen badet, den Sieg in der nächsten Schlacht verheißt, fruchtete nichts. Selbst Fayan weigerte sich standhaft, die Felle überzuziehen, aber wir wurden wieder gefesselt und konnten uns nicht wehren, als man uns in die Felle hüllte. Ein Gutes bewirkten Midas Tränen aber doch noch nach Meinung Ceralts. Ein Mann, der die Stadtweiber begleitete, kam geritten und berichtete ihm, daß die Weiber dadurch an der Ausführung ihrer Idee gehindert wurden, genauso gekleidet zu gehen wie die Midanna. Obwohl er mich dabei böse anstarrte, mußte ich lachen. Ceralt verschloß schnell meinen Mund mit seiner Hand und erklärte, der Regen habe irgendwie meinen Geist verwirrt.

Volle drei Tage fielen Midas Tränen. Sie durchnäßten alles um uns herum. Selbst die Bäume bogen sich unter der Nässe und ächzten. Kein Feuer konnte angezündet werden, und das Fleisch war nach langer Zeit wieder einmal eßbar. Am vierten Tag kehrte das Licht zurück. Meinen Kriegerinnen und mir wurden die verhaßten Felle und die Fesseln wieder abgenommen, und alle atmeten auf.

Am Abend, als wir auf den Aufbau der Zelte warteten, hörten wir Lärm aus der Richtung des Gefährtes, das die Stadtweiber transportierte. Neugierig gingen wir hinüber. Der Anblick, der sich uns bot, ließ Ceralt aufstöhnen, während Nidisar und Telion kicherten. Die Weiber hatten, zum großen Zorn ihrer Begleiter, ihre Röcke so weit gekürzt, daß sie unseren Stammeskleidungen glichen, und hatten offensichtlich auch die Absicht, die Oberteile ganz abzulegen. Mit rot angelaufenen Gesichtern brüllten die Männer sie an, aber die Weiber, obwohl leicht nervös, blieben standhaft. »Da siehst du, was du angerichtet hast«, brummte Ceralt. »Das ist nicht meine Schuld«, entgegnete ich. »Wenn sie Speere in die Hand nähmen, um im Wald zu jagen, würdest du dann dir die Schuld geben, nur weil du Jäger bist?« »Das ist nicht dasselbe«, meinte Ceralt. »Du gehst jetzt sofort zu ihnen und sorgst dafür, daß sie ihre Albernheiten aufgeben!«

Ich erklärte ihm gerade, daß ich niemals bereit sei, so in das Leben anderer einzugreifen, als plötzlich wilde Horden aus den Büschen auftauchten und schwertschwingend über uns herfielen. Laute Schreckensschreie ertönten. Die Wachen, die überrascht worden waren, fluchten, und die Bewaffneten, die ihren Todesstreich erhielten, sanken mit einem unvermittelt endenden Schrei zu Boden.

»Banditen!« schrie der Mann, den man den Karawanenmeister nannte. »Verteidigt die Karawane!«

Die, die dazu in der Lage waren, rissen ihre Klingen heraus und stürzten sich ins Getümmel. In solch einer Schlacht konnten Hosta nicht abseits stehen. Meine Kriegerinnen und ich bemächtigten sich der Schwerter derjenigen, die sie nicht mehr benötigten, und stürzten uns gleichfalls in den Kampf. Viele der Angreifer waren von ihren Kand abgestiegen, denn sie schienen nicht an einen Kampf vom Rücken eines Reittieres aus gewohnt zu sein. Mit dem Schlachtruf der Hosta auf den Lippen griffen wir sie an. Links und rechts von uns sanken die Angreifer zu Boden. Angstschreie ertönten, aber in der Schlacht kennen die Hosta keine Gnade. Schon bald hatten wir die Verteidiger des Lagers in unserem Blutrausch hinter uns gelassen, denn zu lange schon hatten wir die Freude des Sieges vermissen müssen.

Drei Männer in verzweifelter Haltung befanden sich vor mir. Ich machte einen Ausfallschritt mit meinem Schwert, und derjenige in der Mitte wich mit einem Schreckensschrei zurück. Ich erwischte seinen Nebenmann an der ungedeckten Seite. Da warf sich der erste mit einem Fluch auf mich, aber ehe er sich versah, schlitzte ich ihm den Bauch auf. Nun hatte ich es nur noch mit dem dritten zu tun, dem, der zurückgewichen war. Langsam ging ich auf ihn zu, mit dem Fangknurren des Hadat in der Kehle. Er war größer als ich. Wären wir beide unbewaffnet gewesen, hätte er mich sicher besiegt. So aber war sein Schicksal besiegelt.

Mit einem verzweifelten Angstschrei warf er sein Schwert weg und fiel vor mir auf die Knie, um sein miserables, nutzloses Leben bettelnd. Angeekelt sah ich ihn an, dann schlug ich ihm beidhändig den Kopf ab, damit Midas Ohren nicht länger durch sein Flehen beleidigt wurden. Sein Körper sank lautlos zu Boden. Ich wandte mich ab, um weitere Gegner zu suchen. Um mich herum war der Boden mit Toten bedeckt, und von meiner Klinge tropfte das Blut vieler Feinde. Die, die der Tod nicht ereilt hatte, waren geflohen. Stolz, mit hocherhobenem Haupt, standen meine Kriegerinnen neben mir. Auch ihre Klingen zeugten vom Erfolg ihrer Bemühungen. Wir reckten die blutigen Schwerter gen Himmel, und ich rief: »Mida, empfange diese wertlosen Männer von deinen Hosta! Immer werden wir zu deinem Ruhm Blut vergießen!« »Immer!« kam das Echo von meinen Kriegerinnen. Dann wandten wir uns wieder den Männern der Karawane zu. Sie beobachteten uns mit weit aufgerissenen Augen und offenen Mäulern. Wir lachten vergnügt, dann reinigten wir unsere Schwerter und gurteten sie um. Nicht länger waren wir unbewaffnet, und niemals wieder würde ich so leicht mein Schwert verlieren. Auch ein Dolch fand seinen langvermißten Platz in den Wadenbändern, die ich noch trug.

Langsam kam wieder Leben in das Lager. Die Männer reinigten ihre Schwerter und stießen sie wieder in die Scheiden, wenn auch zögernd, und sahen uns noch immer seltsam an. Die Frauen, die sich auf ihr Gefährt gerettet hatten, kamen langsam wieder zum Vorschein.

Hinter ihrem Gefährt stand der Mann, der ihre Reise veranlaßt hatte. Er gehörte zu denjenigen, die den Hort überfallen hatten. Mir fiel auf, daß er der einzige war, der sich nicht an dem Kampf beteiligt hatte, denn sein Schwert hing unbenutzt in der Scheide. Als unsere Blicke sich begegneten, versteifte sich seine Haltung, dann war er hinter dem Gefährt verschwunden. Lachen ertönte hinter mir. Als ich mich umwandte, bemerkte ich Larid, die stolz mit ihrem neueroberten Schwertgurt vor Telion stand und sagte: »Du hast dich nicht schlecht geschlagen. Wenn du dich ein wenig anstrengst, darfst du dich bald Krieger nennen.«

»Man nennt mich bereits einen Krieger«, erwiderte Telion verärgert. »Wenn du dich gelegentlich einmal umschaust, wirst du bemerken, daß es auch noch andere Methoden des Schwertkampfes gibt als den Frontalangriff.«

»Die Hosta kennen keine andere Methode«, gab Larid lachend zurück. »So sind wir seit jeher in die Schlacht gezogen, und so werden wir es immer machen. Das ist unsere Methode, den Sieg zu erringen.«

Telion schnaubte verächtlich, dann erblickte ich einige Schritte hinter ihm Nidisar und Ceralt. Nidisar sah Fayan an, die strahlte, denn sie hatte viel von der ihr angetanen Schmach in der Schlacht abwaschen können. Sie ging auf ihn zu, aber er wandte sich wortlos ab. Die Freude verschwand aus ihren Zügen. Dennoch blieb sie stolz stehen, wie es sich für eine Kriegerin der Hosta geziemt, aber man konnte sehen, daß ihr das Herz grausamer aus der Brust gerissen worden war, als es mit einem Schwert hätte geschehen können. Ceralt blickte Nidisar, der sich entfernte, einen Augenblick nach, dann kam er langsam auf mich zu. »Die Anführerin der Hosta versteht tatsächlich ausgezeichnet, das Schwert zu führen«, sagte er zu mir. »Ich bitte um Verzeihung – für alles.« Dann wandte er sich um und lief hinter Nidisar her. Ich verstand nicht, warum er sich so benahm. Als sich aber auch Telion entfernte, sagte ein anderer Mann zu den Stadtweibern: »Ihr habt sie gesehen. Ihr wollt wie sie reden, und ihr wollt euch kleiden wie sie. Wollt ihr euch auch so benehmen wie sie?« Schaudernd wandten sich die Weiber ab. Keine sagte ein Wort, aber ihre Antwort war klar.

Larid stand neben Fayan, und ich ging zu ihnen hinüber. »Jalav, was bedrückt Fayan?« fragte Larid mit besorgter Miene. »Ich rede mit ihr, aber sie hört mir nicht zu.«

»Fayan verspürt einen Schmerz«, entgegnete ich, meinen Arm um Fayans Schulter legend, »den die Hosta bisher glücklicherweise immer vermieden haben. Laßt uns zu den Zelten zurückkehren.«

Verwirrt half Larid mir, Fayan vorwärtszuziehen, deren Augen in eine unbestimmte Ferne zu blicken schienen. Auf dem Weg zu Nidisars Zelt versperrte uns Telion den Weg. »Es ist am besten, wenn Fayan heute nacht in deinem Zelt schläft«, sagte er mit betrübter Miene. »Nidisar... ihm geht es nicht gut. Er möchte ihren Schlaf nicht stören.«

Ich nickte. »Die Kriegerin Fayan ist unter meinem Dach immer willkommen«, sagte ich. »Wird aber Ceralt nichts dagegen haben?«

Telion sah noch trauriger aus. »Ceralt... er glaubt, es ist am besten, wenn er bei Nidisar bleibt«, sagte er ohne Betonung. »Um ihm Hilfe zu leisten, falls es nötig ist. Sie sind Jäger, Brüder. Keine Krieger. Larid, würdest du mir die Freude machen, mein Zelt mit mir zu teilen?«

Larid sah mich unschlüssig an. Ich nickte ihr zu. Sie schien noch immer unschlüssig zu sein. Aber schließlich war ich ihre Anführerin, die dies gerade noch einmal auf dem Schlachtfeld bewiesen hatte. Zögernd folgte sie Telion in sein Zelt. Fayan saß auf dem Boden unseres Zeltes, genau dort, wo wir sie niedergesetzt hatten. Langsam bewegte sie sich hin und her. Tränen flössen aus ihren Augen. Ich verstand nicht, warum Nidisar nicht mit ihr gesprochen hatte, auch nicht, warum Ceralt nicht zu mir kam. Hatte ich nicht so viele Nächte mit ihm zusammen verbracht? Vergeblich versuchte ich zu ergründen, ob ich ihn irgendwann beleidigt hatte. Nichts fiel mir ein, aber ich verstand auch zu wenig von dem, was Männer empfanden.

Dann begann Fayan laut zu weinen. Verzweifelt warf sie sich auf den Boden, vergrub ihr Gesicht in den Pelzen. Ich sah sie ratlos an, dann begab ich mich in den Hintergrund des Zeltes und setzte mich an den Pfosten, an den man mich so oft gebunden hatte.Erst spät brachte man uns etwas zu essen, aber weder Fayan noch ich schliefen.

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