6 Feilgeboten – und eine Flucht wird geplant

Verzweifelt saß ich in dem Käfig, rüttelte an den Fesseln, die nicht nachgaben, und starrte voller Wut diejenigen an, die draußen vorübergingen. Ich hätte sie allesamt umbringen können, Männer wie Frauen, nur um freizukommen, aber selbst wenn ich die Gelegenheit dazu bekommen hätte, wo waren meine Waffen geblieben?

»Jalav, was sollen wir tun?« fragte Fayan, die sich neben mich hockte. Auch ihr war das wilde, unbändige Verlangen nach Freiheit in den Augen abzulesen.

»Ich weiß es nicht«, entgegnete ich. »Aber Mida wird ihre Kriegerinnen nicht vergessen haben und uns eine Gelegenheit schicken.«

»Was machen die Schmerzen?« fragte sie. »Sie lassen langsam nach.« Größer war der Zorn über das, was man einer Anführerin der Hosta angetan hatte. Sie so zu behandeln, und dann noch am Leben zu lassen, war die allergrößte Beleidigung, die man mir hatte zufügen können. Es bedeutete, daß man sich vor meiner Rache nicht fürchtete. In der Nacht, als alle schliefen, hatte ich Mida angefleht, mir die Gunst zu gewähren, die Schmach an Bariose mit meinem Schwert zu rächen. Die Wächter am Eingang hatten erstaunt herübergesehen, als ich mich mühsam erhob, aber nichts gesagt.

Nach einiger Zeit kamen Bariose und das Weib namens Karil mit einigen anderen Männern in den großen Raum und ließen einige der Sklavinnen aus ihren Käfigen frei. Ein paar von ihnen beschäftigten sich mit einem großen metallenen Topf, der über einem Feuer hing, andere säuberten den Raum mit Wasser und Lumpen. Eins der Weiber kam mit gesenktem Blick zu uns. Zögernd sah sie mir in die Augen, erschauderte vor dem, was sie darin wahrnahm, und entfernte sich hastig. Ein widerlicher Geruch kam aus dem Topf über dem Feuer. Kleine hölzerne Töpfe wurden mit seinem Inhalt gefüllt und von den Weibern verteilt. Die Sklavinnen, die in den Käfigen geblieben waren, setzten die Töpfe an ihre Lippen. Die Männer jedoch, die genauso wie wir angekettet waren, mußten sich auf allen vieren vor den Töpfen hinknien und daraus wie wilde Tiere fressen.

Auch uns hatte man einige Töpfe in den Käfig hineingeschoben. Selbst wenn das Gebräu, das sich darin befand, nicht so ekelhaft gewesen wäre, hätten wir Hosta niemals in dieser erniedrigenden Stellung daraus gegessen. Als die Töpfe wieder abgeholt wurden, atmete ich erleichtert auf, denn der Gestank hätte selbst ein Gando umgehauen.

Die Töpfe wurden rasch gereinigt und wieder zurückgebracht. Dann stellten sich die Sklavinnen mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen vor ihren Käfigen auf. Vier bewaffnete Männer führten sie, einzeln oder in kleinen Gruppen, durch eine Tür in der gegenüberliegenden Wand hinaus. Zuletzt kamen die Männer auch zu uns. Zuerst holten sie Fayan und Larid, dann Binat und Comir, und zum Schluß mich. Zwei Männer hielten meine Arme mit festem Griff und führten mich in einen großen, runden Raum mit vielen Türen. Als sie eine dieser Türen öffneten, schlug mein Herz heftig, denn ich erblickte am strahlend blauen Himmel Midas Licht!

So sehr war ich damit beschäftigt, in tiefen Zügen die frische Luft einzuatmen, daß ich kaum bemerkte, was mit mir passierte. Die Männer stießen mich durch die Tür, und ich befand mich wieder in einem engen Käfig, in dem ich gerade aufrecht stehen konnte. Voller Wut warf ich mich gegen die Tür, die hinter mir verschlossen wurde, aber vergeblich. Ich war wieder gefangen, diesmal unter noch schlimmeren Bedingungen.

Vor mir befand sich ein offener Platz, der von einer hohen Mauer umgeben war. Auf dem Gras in der Mitte des Platzes knieten einige Sklavinnen, bewacht von zwei der bewaffneten Männer, die uns hinausgebracht hatten. Alle anderen, auch meine Kriegerinnnen, waren in einem Käfig eingesperrt wie ich.

Der Anblick des Himmels über uns erfüllte mich nun mit Bitterkeit. Ist es schon ein Unbill, Kriegerinnen, die für die Freiheit geboren sind, dieser Freiheit zu berauben, wieviel mehr von Übel ist es, dies auch noch unter dem offenen Himmel zu tun. Schlecht und grausam waren die Männer in den Städten. Ihnen gebührte nichts anderes, als durch die Hand einer Kriegerin zu sterben. Stumm rief ich Mida an, mir die Gnade zu gewähren, daß diese Hand die meine sein sollte. Als alle Frauen eingesperrt waren, öffneten sich zwei gegenüberliegende Tore in der hohen Mauer. Männer und Frauen strömten eifrig herein und bewegten sich langsam von Käfig zu Käfig. Manche, ohne anzuhalten, manche aber auch, indem sie vor dem einen oder anderen stehenblieben. Dabei war in den Augen der Männer, die mich und meine Kriegerinnen begafften, die reine Gier zu lesen, während die Augen der Frauen Abneigung ausdrückten.

Ein fetter, alter Mann blieb besonders lange vor mir stehen, obwohl seine Frau versuchte, ihn wegzuziehen. Begierig betrachtete er mich, dann winkte er einen der Wächter herbei. »Ich möchte diese hier kaufen«, sagte er, seinen Blick unverwandt auf mich gerichtet, »und biete zwei Silberstücke.« »Ihr Preis ist vierzig Silberstücke«, entgegnete der Wächter grinsend. »Wenn sie für zwei Silberstücke zu haben wäre, dann wäre sie vermutlich schon lange in meinem eigenen Besitz. Sie bringt einem Mann das Blut zum Kochen, wenn er sie nur ansieht, nicht wahr?«

»Vierzig ist zuviel«, protestierte der Dicke. »Mehr als fünf kann ich nicht bieten.«

»Ihr Preis ist aber vierzig«, erwiderte der andere und zuckte mit den Schultern. »Ausdrücklich vom Hohen Senat für sie festgesetzt. «

Der Dicke sah mich enttäuscht an, dann schlurfte er weiter, gefolgt von seinem Weib, das mir einen haßerfüllten Blick zuwarf. Ich lächelte ihr zu, denn ich hätte ihren Mann noch nicht einmal geschenkt haben wollen. Aber sie paßten zueinander.

Wir wurden in den Käfigen ausgestellt, bis Midas Licht am höchsten stand. Viele Stadtleute kamen vorbei, um uns anzuglotzen. Einige von ihnen wurden von den Wächtern besonders ehrerbietig empfangen und von den frei herumlaufenden Sklavinnen mit Getränken und feuchten Tüchern bedient, wobei sie sich vertrauliche Griffe gefallen lassen mußten. Besonders die Männer zeigten großes Interesse an mir und meinen Kriegerinnen, waren aber alle enttäuscht über das, was man unseren »Preis« nannte. Einer protestierte, daß es zu lange dauern würde, bis er unseren Preis wieder hereinhabe, aber der Bewaffnete lachte nur. Ich begriff von alledem, was sie sprachen, kaum etwas.

Als das Licht am höchsten stand, wurden wir wieder zurückgeführt, kamen aber nicht wieder in die größeren Käfige. Statt dessen wartete Karil vor einer anderen Tür auf mich.»Die Zurschaustellung wird wundervoll werden«, sagte sie mit zufriedener Stimme. »Außen kommen die mit den braunen Zöpfen, dann die mit dem roten und blonden Haar, und in die Mitte kommst du, mein Kind. Die Leute, die dafür ihre Kupferstücke geben, werden nicht enttäuscht sein, das glaube mir. Schafft sie hinein!« sagte sie zu den Wächtern. Der Raum, in den ich geführt wurde, war vielleicht sieben mal sieben Schritte groß. Erleuchtet wurde er von Fackeln, die in silbernen Halterungen steckten. Seine Wände waren mit seidenen Tüchern bespannt. Auf dem Boden lag ein dunkler Stoff, auf dem die Sklavinnen hockten, einige fest angekettet. Sechs der Sklavinnen, alle braunhaarig, lagen auf niedrigen Liegen, in lange weiße Gewänder gehüllt. Bei ihnen befanden sich auch die braunhaarige Binat und Comir. Sie trugen allerdings nur unsere Stammesbekleidung. Im Innern des Halbkreises, den diese Frauen bildeten, lagen etwas erhöht Fayan und Larid, und noch erhöhter stand eine Liege, auf die man mich zwang.

Unsere Arme wurden hinter unsere Köpfe gelegt und mit Fesseln in dieser Stellung festgehalten. Dann bog man unsere Beine auseinander und hielt sie gleichfalls so fest. Ich versuchte, mich, genau wie meine Kriegerinnen, dagegen zu wehren, trat um mich und traf auch einen meiner Peiniger voll vor die Brust. Lediglich ein Grunzen war die Antwort. Als alle in ihren Stellungen festgebunden waren, trat Karil vor, schob das Gewand zweier Sklavinnen ein wenig höher, ordnete Comirs und Larids Haare und rückte mein Amulett zurecht. Dann sah sie sich zufrieden um und klatschte in die Hände. »Unsere Kunden werden in Kürze eintreffen«, sagte sie zu den Wächtern. »Ihr könnt sie nun vorbereiten.« Damit verließ sie den Raum. Die Wächter grinsten gemein und kamen auf uns zu. Drei von ihnen stellten sich an den Seiten und dem Kopfende meiner Liege auf. Der vierte, der draußen mit dem Dicken gesprochen hatte, baute sich vor mir auf. »Ich bedauere, daß ich das, was ich nun beginnen werde, nicht bis zuletzt vollenden kann«, sagte er mit hungrigem Blick in den Augen, »aber das könnte mich meinen Kopf kosten. Ich hoffe aber, daß du eines Tages freikommst, und dann könnte ich mich ordentlich um dich kümmern.« Zunächst begriff ich überhaupt nicht, was er meinte, dann aber schwante mir Böses. Seine Finger begannen, mein Bein zu streicheln, und gingen immer weiter aufwärts. Als er meinen Oberschenkel erreicht hatte, begann ich zu zittern. In dem Moment fingen auch die anderen an, mich zu streicheln, zunächst am Hals und an den Brüsten, danach griffen sie mir zwischen die Schenkel. Das machte mich fast wahnsinnig. Ich stöhnte und bäumte mich in meinen Fesseln auf. Plötzlich hörten die Männer auf und gingen von mir weg. Ich mußte an mich halten, um nicht herauszuschreien, daß sie meine so geweckten Begierden auch stillen sollten. Meinen Kriegerinnen erging es ähnlich. Von ihnen vernahm ich unterdrückte Laute, als die Männer mit dem Streicheln aufhörten. Anders war es mit den Sklavinnen, die nicht so tapfer waren. Sie fingen leise an zu keuchen, als sie gestreichelt wurden, und baten die Männer darum, nicht aufzuhören, ohne Erfolg allerdings. Die Männer bedienten sich statt dessen der am Boden hockenden Sklavinnen, um ihre Begierden zu befriedigen, die sich auch bei ihnen angestaut hatten. Dies mitansehen zu müssen, brachte mein Blut noch mehr in Wallung. Als die Wächter mit den Sklavinnen fertig waren, riß einer eine Tür auf. Karil geleitete eine größere Gruppe Männer herein. »Hier haben wir wunderschöne Blumen, meine Freunde«, sagte sie, auf uns deutend. »Ihr seid eingeladen, sie zu pflücken.« Einige der Männer befaßten sich sofort näher mit den am Boden hockenden Sklavinnen, die sich vor ihnen mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen hinknieten. Karil trat jedoch in unseren Halbkreis und sagte: »Dies hier sind meine schönsten Blumen. Es lohnt sich, sie zu pflücken. Die äußeren kann man schon für nicht mehr als zehn Silberstücke haben, und sie sind bestimmt das Doppelte wert. Seht nur, wie begierig sie sind, euch zu Gefallen zu sein.« Einer der Männer trat zu einer der Sklavinnen auf einer Liege und betastete sie. Sie wand sich unter seiner Berührung und bat ihn schluchzend, sie zu nehmen. Der Mann lachte, hob ihr Gewand, um mehr von ihr zu sehen, und sagte: »Es stimmt. Diese hier ist heiß genug. Ich biete zwei Silberstücke für sie.« »Das ist unmöglich«, sagte Karil. »Unter acht kann ich sie nicht abgeben.«

»Ihre Haut ist angenehm weich«, dachte der Mann laut. »Vier Silberstücke wäre sie mir schon wert.« »Aber nicht doch«, entgegnete Karil. »Denke doch nur an den Spaß, den sie dir gewähren muß, ohne dich abweisen zu können. Sechs Silberstücke sollten dir nicht zuviel dafür sein.« Der Mann betastete erneut die Sklavin, die unter seinem Griff laut zu stöhnen begann. Die Spannung seines Körpers verriet, wie sehr er sie begehrte. Heiser sagte er: »Fünf.« Karil lächelte und sagte: »Wie ich sehe, gefällt sie dir doch nicht so sehr. Möchtest du nicht lieber eine von denen dort auf dem Boden haben? Sie sind schon für ein Silberstück zu bekommen.«

Als sie sich abwandte, griff der Mann nach ihrem Arm und sagte mit zusammengekniffenen Lippen: »Also gut. Sechs Silberstücke. Wenn ich nicht wüßte, daß du im Auftrag des Hohen Senats handelst.«

»Ja, ich handele in seinem Auftrag«, lachte Karil und klatschte in die Hände. »Man binde sie los. Du bekommst die Papiere von Bariose, bei dem du auch zahlen mußt. Ich wünsche dir viel Spaß mit deinem Neuerwerb.« Dann wandte sie sich einem anderen Kunden zu, der Gefallen an einer Sklavin gefunden hatte.

Der ärgerliche Mann wartete stumm, bis die Sklavin losgebunden war, dann nahm er den Strick, der an ihrem Halsband befestigt wurde, und zog sie mit sich. Die Sklavin weinte leise, vermutlich aus Enttäuschung darüber, daß ihre körperliche Begierde noch immer nicht gestillt war, wie auch aus Angst, denn es sah so aus, als ob sie kein leichtes Los bei ihm treffen würde.

Zwei weitere Sklavinnen fanden so ihren Gebieter, dann wandte sich Karil einem Mann zu, der schon seit einiger Zeit mit gekreuzten Armen vor meiner Liege gestanden hatte, ohne irgendeinen erkennbaren Ausdruck auf seinen männlichen Zügen. Sein Anblick hatte mich noch mehr erregt. Glücklicherweise konnte ich diese Erregung aber verbergen. Karil lächelte mich an, dann sagte sie zu dem Mann: »Ist sie nicht sehr hübsch ? Ein begehrenswertes Kind, und eins, das begehrt, zu gefallen.« Die Lippen des Mannes verzogen sich zu einem kargen Lächeln. »Glaubst du, ich bin blind?« fragte er, und seine tiefe Stimme klang leicht amüsiert. »Diese schwarzen Augen sind nicht die einer Sklavin, die begehrt, zu gefallen. So lange wie ich hier stehe, hat sie meinem Blick unverwandt standgehalten und nicht einmal weggesehen. Die fühlt sich nicht als Sklavin.« »Aber natürlich bleibt es ihrem Meister überlassen, ihr beizubringen, daß sie eine Sklavin ist, und wie sie sich zu benehmen hat«, entgegnete Karil. »Das wird ihm große Freude bereiten. Trotzdem lechzt sie danach, von einem Mann genommen zu werden. Überzeuge dich selbst.«

Das Lächeln des Mannes verstärkte sich leicht, und er streckte seine Hand aus, um mich zu berühren. Diese Berührung war so besitzergreifend. In mir stieg Ärger empor. Durfte man mich, die Anführerin der Hosta, derart berühren? »Sieh ihr in die Augen«, sagte der Mann, der mich unverwandt angesehen hatte. »Sie würde mich töten, wenn sie dazu in der Lage wäre. Aber es stimmt, sie ist die zehn Silberstücke wert, die du für sie haben willst. Laß sie losbinden.« »Leider, mein Freund, kann ich sie dir für zehn nicht lassen«, seufzte die Frau und streichelte mir die Haare. »Ihr fester Preis ist vierzig, festgesetzt vom Hohen Senat, aber ist vierzig zuviel für solch ein Temperament und solch eine Schönheit? Für das Vergnügen, sie zu lehren, wie sie vor dir niederzuknien hat und deine Wünsche erfüllen muß? Sieh doch, wie sie auf deine Berührung reagiert, und denk daran, wie sich ihre Begierde mit der Zeit noch steigern kann. Kaufe sie, und sie gehört dir alleine!«

Der Mann berührte mich wieder, dann seufzte er. »Ich würde es tun«, sagte er bekümmert, »wenn ich die vierzig besäße. Ich würde sogar noch mehr für sie geben. Gibt es keine Möglichkeit, den Preis zu senken?«

»Zur Zeit nicht«, entgegnete die Frau. Ihre Hand lag noch immer auf meinem Haar. »Leider. Und dabei wünsche ich so sehr, daß sie den richtigen Meister findet.« »Ich wünsche nur eins«, sagte ich und blickte ihr unverwandt in die Augen. »Sollte ich noch einmal in meinem Leben ein Schwert in die Hand bekommen, so wünsche ich deine Eingeweide auf der Erde vor mir liegen zu sehen. Dann wären alle meine Begierden gestillt.«

Die Frau wurde bleich und schnappte nach Luft, dann trat sie schnell einen Schritt zurück. Der Mann lachte vergnügt. »Voller Temperament, in der Tat«, sagte er und kreuzte erneut die Arme auf der Brust. »Sollte ich jemals die vierzig haben, um sie zu kaufen, wäre es weise, mir auch noch eine Peitsche anzuschaffen. Sie wird nicht leicht zu zähmen sein.« »Diese undankbare Wilde!« fauchte die Frau und ballte die Fäuste. »Sie wird noch bereuen, daß sie so zu mir gesprochen hat.« Dann drehte sie sich brüsk um und marschierte davon. Der Mann sah ihr zu, wie sie sich entfernte, dann sagte er mit einem Grinsen zu mir: »Ich fürchte, daß du deine Worte noch bereuen wirst, mein Kind.« Er tätschelte meine Brüste und fügte hinzu: »Es ist zwar eine Schande, solch einen schönen Körper wie den deinen zu mißhandeln, aber du scheinst die Peitsche wirklich nötig zu haben. Sei tapfer, und lerne aus deinen Fehlern.«

Damit wandte er sich um und verließ den Raum, die anderen Sklavinnen nur kurz musternd. Mein Körper brannte, wo seine Hände ihn berührt hatten.

Das Elend war damit aber noch lange nicht zu Ende. Viele Stunden mußten wir noch gefesselt dort liegen, wehrlos den Blicken und Berührungen gieriger Männer ausgesetzt. Niemand war in der Lage, die Forderungen der schwarzhaarigen Frau zu erfüllen. Sie hatte sich wieder beruhigt, aber ihr Blick war kalt, wenn sie mich musterte. Viele Männer forderte sie auf, meine »Hitze zu prüfen«. Allmählich war ich dankbar, daß man mich an die Liege gefesselt hatte, sonst hätte ich mich schreiend herumgewälzt.

Der Tag mußte bereits zu Ende gehen, als endlich die Tür hinter dem letzten männlichen Besucher geschlossen wurde. Mehr als fünf der Sklavinnen vom Boden hatten einen Herrn gefunden, wie auch vier von den Liegen. Comir und Larid, die einzigen meiner Kriegerinnen, die ich aus meiner Stellung beobachten konnte, schienen so ermattet zu sein wie ich. Ich war es leid, so zur Schau gestellt und betastet zu werden, und hätte jede Gelegenheit zur Flucht benutzt, selbst wenn sie mit dem Tod geendet hätte. Besser in Midas Reich, als so behandelt zu werden.

Dabei fiel mir der Kristall ein. Wie konnte er zurückerobert werden, wenn ich hier als Gefangene lag, meine Kriegerinnen sich jenseits der Mauern dieser Stadt befanden und die Diebe sich inzwischen immer mehr aus der Reichweite unserer Schwerter entfernen konnten? Aber dann erinnerte ich mich daran, was ich Gimin befohlen hatte. Fünf Tage sollte sie höchstens warten, nicht länger. Hatte sie meinen Befehl befolgt? Waren die fünf Tage bereits verstrichen? Ich wußte es nicht.

Aber der Kristall mußte unter allen Umständen zurückgeholt werden. Mein Schicksal lag in Midas Hand. Also mußte ich eine Möglichkeit finden, daß Larid und die anderen dafür Sorge trugen, daß meine Befehle befolgt wurden. Aber wie kamen sie frei, wie konnten sie entkommen?

Ich dachte lange nach, aber selbst, als man uns in den größeren Käfig zurückgeführt hatte, war mir noch nichts eingefallen. Um zu entkommen, mußten meine Kriegerinnen ungefesselt sein. Aber nur jene Sklavinnen konnten ungefesselt herumlaufen, die putzen und kochen mußten, und von denen wurden auch nur die ansehnlichsten auf den Platz mit den kleinen Käfigen geführt. Hübscher als diese waren meine Kriegerinnen ja, aber wie konnte man die Fesseln loswerden? Wir hockten zusammen in unserem Käfig. Larid, Binat und ich, mit dem Rücken an die Metallstäbe gelehnt, die Beine ausgestreckt. Fayan lief ruhelos auf und ab, genauso müde wie wir, aber nicht in der Lage, sich still zu verhalten. Comir hockte allein, mit gekreuzten Beinen und gesenkten Schultern. Sie hatten die Ereignisse des Tages am meisten mitgenommen, denn sie war noch sehr jung, zu jung vielleicht, um mich überhaupt auf dem Rachezug zu begleiten. Ich hätte an die Gefahren denken und sie zurücklassen sollen. Wieder beleidigte der Gestank aus den Essenstöpfen unsere Nasen, und wieder aßen wir nichts. Diesmal blieb dies aber nicht unbemerkt. Bariose stand vor dem Käfig, sah die Töpfe an und dann uns. »Warum habt ihr noch nicht gegessen, Sklavinnen?« fragte er.

Meine Kriegerinnen sahen mich an. Ich zuckte die Achseln. »Wir essen nichts, was so scheußlich stinkt wie das hier«, sagte ich. »Außerdem fressen wir nicht wie die wilden Tiere. Wenn du uns die Fesseln losbinden läßt und uns Fleisch zu essen gibst, ist es in Ordnung. Sonst kannst du dich wieder entfernen.« »Ach, kann ich das?« sagte er mit eisiger Entrüstung. »Es scheint, daß du nur sehr langsam lernst, Sklavin. Entweder wirst du jetzt sofort essen, oder ich lasse dich füttern. Was willst du ?« Ich blickte ihn nur stumm an.

»Wie du willst«, sagte er, winkte zwei der Wächter herbei, deutete auf mich und sagte: »Füttert sie!« Dann wandte er sich um und ging.

Die Wächter sahen sich an, zuckten die Schulter, öffneten den Käfig und zogen mich heraus. Der eine hielt mich fest, während der andere das Essen holte. Es war wieder der, der draußen mit dem Dicken gesprochen hatte. Grinsend sagte er: »Bisher war es noch nie nötig, eine Sklavin zu füttern. Man mußte ihnen nur die Peitsche zeigen, und schon schlangen sie ihren Schleim herunter, als sei es seit jeher ihre Lieblingsspeise gewesen. Dich zu füttern, meine Süße, wird mir ein besonderes Vergnügen sein.« Der andere Wächter griff in mein Haar, zog meinen Kopf nach hinten und hielt mir die Nase zu. Daraufhin öffnete mir der erste gewaltsam den Mund und schüttete einiges von dem widerlichen Brei hinein. Vergebens versuchte ich mich zu wehren, dann schloß ich den Mund und tat so, als schlucke ich den Brei hinunter. Im nächsten Moment spuckte ich ihn dem ersten Wächter ins Gesicht. Mit einem Schrei sprang er zurück, zu spät. Ich hatte gut getroffen.

Der andere Wächter, meine Kriegerinnen und die meisten der Sklaven im Raum brachen in lautes Gelächter aus. Der Bespuckte wischte sich mit offensichtlichem Ekel das Gesicht ab und starrte mich böse an. Eine Sklavin eilte herbei und brachte ihm ein feuchtes Tuch. Damit wischte er die Reste ab, dann nahm er einen neuen Topf und kam drohend näher. »Dafür wirst du diesen Topf leeressen und noch einen zweiten«, sagte er. »Wenn du mir gehörtest, würde ich dich mit dem größten Vergnügen auch noch auf andere Weise bestrafen.« Danach zwang er mich, den scheußlichen Brei hinunterzuschlingen, ohne daß er mir Gelegenheit gab, ihn noch einmal zu bespucken. Tatsächlich zwang er mich, auch noch einen zweiten Topf zu leeren. Zum Schluß war ich halb erstickt und von Ekel gewürgt.

Auch meine Kriegerinnen wurden auf Anordnung von Bariose auf die gleiche Weise gefüttert. Dann wurden wir mit vielen Wassergüssen gesäubert. Wir hatten es wahrlich nötig. Nach dem Kämmen wurde ich wieder zu Bariose befohlen. Neben ihm stand Karil. Beide musterten mich streng, dann ließ Bariose mich in die Knie zwingen und sagte: »Du hast erneut eine Strafe verdient, Sklavin. Die Zahl der Hiebe kann diesmal jedoch verringert werden, wenn du deine Handlungen bedauerst. Dazu mußt du dich zunächst bei deiner Meisterin entschuldigen, danach bei mir.«

»Jalav bedauert nur, daß sie ihre Waffen verloren hat«, entgegnete ich. »Zu einem offenen Kampf würdet ihr nicht den Mut haben.« Dabei betete ich im stillen zu Mida, sie möge mir die Kraft verleihen, im Angesicht der Feinde nicht schwach zu werden. Die beiden waren über meine Wort sehr zornig und ließen mich sofort wieder zur Wand führen und anbinden. Ich preßte meine Wange gegen die kühle Wand und dachte unentwegt daran, daß ich eine Kriegerin der Midanna war und nicht schwach werden durfte.

Zweimal fünf Hiebe zählte ich auf meinem gepeinigten Rücken, ehe mich wohltuende Dunkelheit umfing. Kein Laut des Schmerzes war über meine Lippen gekommen. Ich wurde im Käfig inmitten meiner Kriegerinnen wach, gefesselt wie üblich. Ich lag auf der rechten Seite und war nicht in der Lage, mich aufzurichten. Jede Bewegung verursachte unendliche Schmerzen. Laut verfluchte ich die Leute aus den Städten, wie ich noch nie einen Feind verflucht hatte. Es war Fayan, die mich als erste ansprach. »Jalav«, sagte sie leise, ihre Stimme gefüllt mit Bitterkeit, »diese Menschen hier sind der Abschaum des Bösen. Sie beleidigen uns mit jeder ihrer Handlungen, und sie behandeln uns, als wären wir ihr Eigentum. Wir müssen ihnen entkommen.« »Du sprichst die Wahrheit, Fayan«, sagte ich mühsam. Der Schmerz in mir brannte, aber meine Gedanken waren vollkommen klar. »Wir müssen jetzt unbedingt irgend etwas unternehmen. «

»Sie angreifen«, zischte Fayan. Ihre Augen leuchteten bei dem Gedanken. Auch die anderen Kriegerinnen blickten zustimmend.

»Wir können sie nicht angreifen«, sagte ich und wünschte, es wäre nicht so. »Durch ihr Schwert zu sterben, würde Entkommen bedeuten, aber wir dürfen nicht den Kristall der Mida vergessen. Die Hosta müssen ihn wiederfinden, egal, welches Schicksal ihre Anführerin erleidet.«

Meine Kriegerinnen schwiegen. Ihnen war klar geworden, daß ich sie bei einem Ausbruch nicht begleiten konnte. Bariose und Karil würden mich niemals ungefesselt lassen. Mir blieb nur übrig, abzuwarten, welchen Erfolg ein Ausbruchsversuch meiner Kriegerinnen haben würde, um dann den einzigen Ausweg zu nehmen – den Weg in Midas Königreich.

»Mit dem neuen Licht werdet ihr es versuchen«, sagte ich. »Ihr habt gesehen, daß einige Sklavinnen ungefesselt nach draußen kommen können. Dazu werdet ihr morgen gehören. «

Dann erklärte ich ihnen die Einzelheiten meines Planes. Sie waren sehr beunruhigt und enttäuscht darüber, aber ich war die Anführerin, und sie hatten zu gehorchen. Als alles klar war, befahl ich, daß sie sich ausruhen und Kräfte sammeln sollten, dann erflehte ich Midas Segen. Trotz der brennenden Fackeln waren meine Kriegerinnen bald eingeschlafen. Auch ich versuchte zu schlafen, aber vergeblich. Der Schmerz brannte in meinem Rücken, und viele Gedanken jagten in meinem Kopf durcheinander. Daß meine Kriegerinnen vermutlich entkommen würden, freute mich, aber der Gedanke, dann alleine zu sein, hilflos unter meinen Feinden, bedrückte mich. Vielleicht wäre ich noch nicht einmal in der Lage, meinen Weg in Midas Königreich zu finden. Die Möglichkeit, so weiterzuleben wie jetzt, war für mich unfaßbar, aber sie bestand. Dann wandten sich meine Gedanken derjenigen zu, die mich geboren hatte, und deren Blut ich noch nicht hatte rächen können. Nur, daß andere sie rächen würden, tröstete mich etwas. Aber wie würde ich dort oben vor ihr Antlitz treten können, wenn es den Feinden weiterhin gelang, mich derartig zu beschämen? Ich war die Anführerin der Hosta, der man das Recht verweigerte, in Ehren zu sterben. Wohin würde dann aber meine Seele gehen? Mit solchen Gedanken konnte ich lange nicht einschlafen.

Загрузка...