14.

Frederic und Claudette Pendarvis gingen gemeinsam durch den Dachgarten zur Landeplattform und dann schnitt Claudette wie jedesmal eine Blume ab und steckte sie ihm ans Revers.

„Werden die Fuzzys vor Gericht sein?“ fragte sie.

„Oh, das werden sie wohl müssen. Ich weiß nicht, wie es heute morgen sein wird; heute sind hauptsächlich Formalitäten.“ Er schnitt eine Grimasse, die halb ein Lächeln und halb ein Stirnrunzeln war. „Ich weiß noch nicht, ob ich sie als Zeugen oder als Beweisstücke betrachten soll, und ich hoffe nicht, daß man mich zwingt, darüber eine Entscheidung zu treffen — wenigstens nicht gleich am Anfang, denn wie ich es auch anstelle, entweder Coombes oder Brannhard werden bestimmt ein Haar daran finden.“

„Ich möchte sie sehen. Ich habe sie am Bildschirm gesehen, aber ich möchte sie wirklich sehen.“

„Du bist schon lange nicht mehr bei einer Verhandlung von mir gewesen, Claudette. Wenn es sich herausstellt, daß sie heute vor Gericht gebracht werden, rufe ich dich an. Ich werde sogar meine Stellung soweit mißbrauchen, daß ich arrangiere, daß du sie außerhalb des Gerichts sehen kannst. Möchtest du das gerne?“

„Ja, mit dem größten Vergnügen.“ Claudette hatte an solchen Dingen ungeheuren Spaß. Sie küßte ihn zum Abschied, und er ging zu seinem Luftwagen, und der Fahrer hielt ihm die Tür auf. In tausend Fuß Höhe sah er sich um; sie stand immer noch auf dem Dachgarten und winkte ihm nach.

Er würde sich erkundigen müssen, ob sie gefahrlos kommen konnte. Max Fane hatte Angst vor Unruhen, und Jan Ferguson teilte diese Meinung, und dabei waren beides Männer, die man nicht gerade ängstlich nennen konnte. Als der Wagen sich auf das Gerichtsgebäude hinabsenkte, sah er, daß Posten auf dem Dach standen, und sie trugen nicht nur Pistolen — er sah Gewehrläufe und Stahlhelme in der Sonne blinken. Dann, als der Wagen zum Stehen kam, sah er, daß ihre Uniformen von hellerem Blau als die der Konstabler waren. Schaftstiefel und rotgestreifte Hosen — das waren Soldaten von der Raummarine in Paradeuniform. Jan Ferguson hatte also wirklich das Signal gegeben. Er überlegte, daß Claudette hier vielleicht in größerer Sicherheit war als zu Hause.

Ein Sergeant und zwei Männer kamen auf ihn zu, als er aus dem Wagen stieg. Der Sergeant tippte an seinen Helm. Das war die schneidigste Art von Gruß, zu der er sich für einen Zivilisten herabließ.

„Richter Pendarvis? Guten Morgen, Sir.“

„Guten Morgen, Sergeant. Warum wird das Gerichtsgebäude von Marinesoldaten bewacht?“

„Befehl von Kommodore Napier. Sie werden feststellen, daß Marshal Fanes Leute unter Deck das Kommando haben, aber Captain Cassagra vom Marinekorps und Captain Greibenfeld von der Navy erwarten Sie in Ihrem Büro.“

Als er auf den Lift zuging, kam gerade ein großer Wagen der Zarathustragesellschaft herein. Der Sergeant drehte sich schnell herum, winkte zwei seiner Leute zu sich und eilte zu dem Wagen. Pendarvis überlegte, was wohl Leslie Coombes von diesen Marinesoldaten halten würde.

Die beiden Offiziere in seinem Büro waren beide bewaffnet. Desgleichen Marshal Fane, der ihn ebenfalls erwartete. Sie standen alle drei auf, um ihn zu begrüßen und setzten sich, als er seinen Schreibtisch erreicht hatte. Er stellte die gleiche Frage, die er auf dem Dach dem Sergeanten gestellt hatte.

„Nun, Colonel Ferguson hat gestern abend Kommodore Napier angerufen und um bewaffneten Beistand gebeten, Euer Ehren“, sagte der Offizier in der schwarzen Uniform der Raumnavy. „Er äußerte den Verdacht, daß die Stadt infiltriert worden sei. Dieser Verdacht war völlig richtig, Euer Ehren; seit vergangenem Mittwoch hat Captain Cassagra auf Anweisung Kommodore Napiers hier ein Landekommando durchgeführt und damit die Vorbereitung für die Übernahme der Residenz getroffen. Dieses Unternehmen ist jetzt abgeschlossen; Kommodore Napier ist dort, und Generalresident Emmert und Generalstaatsanwalt O'Brien sind wegen verschiedener Fälle von Korruption und Amtsmißbrauch verhaftet worden, aber damit werden Euer Ehren sich nicht zu befassen haben. Man wird die beiden Männer für ihren Prozeß nach Terra schicken.“

„Dann hat Kommodore Napier die Zivilregierung übernommen?“

„Nun, sagen wir, er hat die Kontrolle darüber vorbehaltlich des Ausgangs dieser Verhandlung übernommen. Wir möchten wissen, ob die augenblickliche Verwaltung legal ist oder nicht.“

„Dann werden Sie sich in die Verhandlung selbst nicht einschalten?“

„Das kommt darauf an, Euer Ehren. Wir werden jedenfalls daran teilnehmen.“ Er sah auf seine Uhr. „Sie eröffnen die Verhandlung ja erst in einer Stunde? Dann habe ich vielleicht noch Zeit zu erklären…“

Bis zur Gerichtseröffnung war noch eine halbe Stunde, aber die Zuschauerbänke waren bereits voll und ebenso der Balkon. Auf den Geschworenenbänken hatte eine Anzahl Offiziere in schwarzen und blauen Uniformen Platz genommen. Da dies kein Geschworenengericht war, hatten sie die Bänke offensichtlich mit Beschlag belegt. Die Pressebänke waren überfüllt.

Baby blickte interessiert auf den großen Bildschirm hinter dem Richterstuhl. Von hier aus erfolgte die Übertragung der Gerichtsszene an das Publikum, gleichzeitig zeigte der Bildschirm aber auch wie ein Spiegel den Zuschauern die gleiche Szene. Es dauerte nicht lange, bis Baby sich darauf erkannt hatte, worauf er erregt mit den Armen zu fuchteln begann. In diesem Augenblick traten Leslie Coombes, gefolgt von Ernst Mallin und einer Anzahl seiner Assistenten, Ruth Ortheris, Juan Jimenez — und Leonard Kellogg ein. Das letztemal, als Jack Kellogg gesehen hatte, war das auf George Lunts Polizeistation gewesen. Damals hatte der Mann eine dicke Bandage um den Kopf und ein paar ausgeborgter Mokassins an den Füßen getragen, weil seine eigenen Schuhe, mit dem Blut von Goldlöckchen verschmiert, als Beweisstück beschlagnahmt worden waren.

Coombes blickte zu dem Tisch, wo Jack Holloway und Brannhard saßen, erblickte Baby, das sich selbst in dem großen Bildschirm zuwinkte und wandte sich protestierend Fane zu. Fane schüttelte den Kopf. Coombes protestierte erneut, erntete aber wieder nur ein Kopfschütteln. Schließlich zuckte er die Achseln und führte Kellogg an den für sie reservierten Tisch, wo sie Platz nahmen.

Sobald Pendarvis und seine beiden Richterkollegen — ein kleiner Mann mit einem runden Gesicht zu seiner Rechten, ein hochgewachsener schlanker Mann mit weißem Haar und einem schwarzen Schnurrbart zu seiner Linken — Platz genommen hatten, lief die Verhandlung sofort an. Die Anklagen wurden verlesen, und dann wandte Brannhard als der Ankläger Kelloggs sich an das Gericht.

„… bekannt als Goldlöckchen, Angehöriger einer intelligenten Rasse… absichtliche Tat besagten Leonard Kelloggs… brutaler, ungerechtfertigter Mord.“ Er trat einen Schritt zurück und lehnte sich an den Tisch, wobei er mit Baby Fuzzy spielte, während Leslie Coombes Jack Holloway bezichtigte, besagten Leonard Kellogg brutal angegriffen und Kurt Borch rücksichtslos niedergeschossen zu haben.

„Nun, meine Herren, ich glaube, wir können jetzt mit der Vernehmung der Zeugen beginnen“, sagte der Oberrichter.

Gus übergab Baby an Jack und trat vor; Coombes trat neben ihn.

„Euer Ehren, dieser ganze Prozeß hängt von der Frage ab, ob ein Angehöriger der Spezies Fuzzy, Fuzzy Holloway, Zarathustra, ein vernunftbegabtes Wesen ist oder nicht“, sagte Gus. „Wir sollten jedoch, ehe der Versuch unternommen wird, diese Frage zu klären, durch Zeugenaussagen genau feststellen, was in Holloways Camp in Cold Creek Valley am Nachmittag des neunzehnten Juni des Jahres sechshundertvierundfünfzig der Atomära geschah. Sobald darüber Klarheit besteht, können wir uns der Frage widmen, ob besagtes Goldlöckchen wirklich ein vernunftbegabtes Wesen war oder nicht.“

„Ich bin einverstanden“, nickte Coombes. „Die meisten der Zeugen werden zwar später noch einmal aufgerufen werden müssen, aber im allgemeinen bin ich der Ansicht, daß Mr. Brannhards Vorschlag vom Zeitstandpunkt aus sehr zu begrüßen ist.“

Ein Beamter trat an den Zeugenstand, nahm daran einige Schaltungen vor und legte schließlich einen Schalter an der Lehne des Stuhles um. Unmittelbar darauf leuchtete die zwei Fuß durchmessende Scheibe dahinter in hellem Blau auf. George Lunts Name wurde aufgerufen; der Leutnant setzte sich, und der Helm des Lügendetektors wurde ihm über den Kopf gestülpt. Man befestigte je eine Elektrode an seinen beiden Handgelenken.

Der Bildschirm zeigte ein reines und klares Blau, als er seinen Namen und Dienstrang angab. Dann wartete er, während Coombes und Brannhard miteinander verhandelten. Schließlich zog Brannhard ein silbernes Halbsolstück aus der Tasche, warf es in die Luft und schlug es mit der flachen Hand auf den Tisch.

Coombes sagte: „Kopf“, worauf Brannhard die Hand wegzog, sich verbeugte und zurücktrat.

„Also, Leutnant Lunt“, begann Coombes, „als Sie in dem provisorischen Lager gegenüber von Holloways Camp eintrafen — was haben Sie dort vorgefunden?“

„Zwei tote Leute“, sagte Lunt. „Einen terranischen Menschen, der an zwei Schüssen durch die Brust gestorben war und einen Fuzzy, der zu Tode getrampelt worden war.“

„Euer Ehren!“ brauste Coombes auf. „Ich muß darum bitten, daß der Zeuge aufgefordert wird, seine Antwort neu zu formulieren und daß die gerade abgegebene Antwort aus dem Protokoll gestrichen wird. Unter den vorliegenden Umständen hat der Zeuge kein Recht, die Fuzzys als 'Leute' zu bezeichnen.“

„Euer Ehren“, widersprach Brannhard, „Mr. Coombes' Einspruch ist ebenso unkorrekt. Er hat unter den vorliegenden Umständen nicht das Recht, den Fuzzys den Status von 'Leuten' abzusprechen. Das liefe ja darauf hinaus, den Zeugen zu zwingen, sie als unvernünftige Tiere zu bezeichnen.“

So ging das fünf Minuten weiter. Jack kritzelte auf einem Blatt Papier herum. Baby sah ihm dabei zu, holte sich einen Bleistift und begann ebenfalls zu kritzeln. Schließlich machte das Gericht dem Streit ein Ende und forderte Lunt auf, über die Vorfälle zu berichten.

Als er seine Aussage beendet hatte, sagte Coombes:

„Keine weiteren Fragen.“

„Leutnant, Sie haben Leonard Kellogg auf eine von Jack Holloway vorgebrachte Mordanzeige festgenommen. Ich nehme an, daß Sie diese Anzeige als berechtigt ansahen?“

„Ja, Sir. Ich war der Meinung, daß Leonard Kellogg ein intelligentes Wesen getötet hatte. Nur intelligente Wesen begraben ihre Toten.“

Damit gab Oberrichter Pendarvis sich zufrieden.

„Ich glaube, mit dieser Aussage ist die Tatsache bestätigt, daß das Wesen, das hier unter dem Namen Goldlöckchen bekannt ist, wirklich von dem Beklagten, Leonard Kellogg, zu Tode getrampelt wurde und daß der Mensch namens Kurt Borch wirklich von Jack Holloway erschossen wurde. Unter diesen Umständen können wir uns jetzt der Frage zuwenden, ob diese beiden Körperverletzungen mit Todesfolge dem Sinne des Gesetzes nach Morde waren. Es ist jetzt elf Uhr vierzig. Wir unterbrechen die Sitzung für eine Mittagspause. Das Gericht tritt um vierzehn Uhr wieder zusammen. Es sind da einige Dinge, darunter auch Änderungen im Gerichtssaal, die vor der Nachmittagssitzung vorgenommen werden müssen… Die Verhandlung ist bis vierzehn Uhr vertagt.“

'Einige Änderungen im Gerichtssaal' war recht vorsichtig ausgedrückt. Vier Reihen Zuschauersitze waren entfernt worden; der Zeugenstand, ursprünglich links neben der Richterbank angeordnet, war ans Trenngitter geschoben worden und stand jetzt der Richterbank gegenüber. Darüber hinaus war eine große Zahl von Tischen in den Saal gebracht worden und halbkreisförmig um den Zeugenstand angeordnet worden. Alle an den Tischen Sitzenden hatten jetzt die Richter vor sich und konnten auch sonst das Geschehen im ganzen Saal verfolgen, indem sie auf den Bildschirm blickten. So vermochte auch ein auf dem Zeugenstuhl Sitzender den Bildschirm des Lügendetektors zu sehen.

Gus Brannhard sah sich um, als er mit Jack eintrat und fluchte halblaut.

„Kein Wunder, daß sie uns zwei Stunden Mittagspause gelassen haben. Ich möchte nur wissen, worauf sie damit hinauswollen.“ Dann lachte er. „Coombes hier scheint es auch nicht zu gefallen.“

Ein Beamter mit einem Sitzplan kam auf sie zu.

„Mr. Brannhard, Sie und Mr. Holloway dort drüben am Tisch.“ Er deutete auf einen etwas abseits von den anderen stehenden Tisch am äußersten rechten Ende. „Dr. van Riebeek und Dr. Rainsford bitte hier drüben.“

Der Lautsprecher des Gerichtsausrufers gab zwei scharfe Pfiffe von sich und plärrte dann metallisch:

„Achtung an alle! Achtung an alle! Das Gericht tritt in fünf Minuten zusammen…“

Brannhards Kopf flog herum, und Jacks Augen folgten ihm. Der Ausrufer war ein Offizier in der Uniform der Raummarine.

„Was zum Teufel soll das?“ fragte Brannhard. „Ein Kriegsgericht?“

„Das habe ich mich auch gefragt, Mr. Brannhard“, sagte der Beamte. „Die haben ja inzwischen den ganzen Planeten übernommen.“

„Vielleicht haben wir Glück, Gus. Ich habe immer gehört, daß man als Unschuldiger besser mit einem Kriegsgericht fährt, als Schuldiger besser vor einem Zivilgericht.“

Gus blickte zur Balustrade auf.

„Ich wette, daß jeder Anwalt auf dem ganzen Planeten am Bildschirm zusieht“, sagte er. „Oh! Siehst du die weißhaarige Dame im blauen Kleid, Jack? Das ist Pendarvis' Frau. Das erstemal seit Jahren, daß sie vor Gericht ist.“

„Die Anwesenden werden gebeten, sich für das ehrenwerte Gericht zu erheben!“

Jemand mußte dem Offizier einen Schnellkursus in der vor Gericht üblichen Phraseologie gegeben haben. Jack stand auf und hielt Baby Fuzzy fest, während die drei Richter nacheinander eintraten und ihre Plätze einnahmen. Als sie sich gesetzt hatten, schlug der Oberrichter mit seinem Hammer aufs Pult.

„Um möglichen Einsprüchen zuvorzukommen, möchte ich mitteilen, daß die hier getroffenen Änderungen provisorischer Natur sind.

Im Augenblick verhandeln wir nicht gegen Jack Holloway oder Leonard Kellogg. Für den Rest dieses Tages — und ich fürchte, für eine ganze Anzahl Tage danach — werden wir uns ausschließlich damit befassen, die Intelligenzstufe der Spezies Fuzzy, Fuzzy Holloway, Zarathustra, zu ermitteln.

Aus diesem Grunde werden wir eine Zeitlang auf einige der traditionellen Gerichtsgepflogenheiten verzichten. Wir werden Zeugen aufrufen, wobei Aussagen, soweit nötig, in der üblichen Weise unter dem Lügendetektor gemacht werden.

Sie werden inzwischen bemerkt haben, daß sich eine Anzahl von Offizieren vom Marinestützpunkt Xerxes im Saal befindet, und Sie haben wahrscheinlich auch gehört, daß Kommodore Napier die Zivilregierung übernommen hat. Captain Greibenfeld, würden Sie sich bitte erheben? Captain Greibenfeld nimmt an der Verhandlung als amicus curiae teil, und ich habe ihm das Recht delegiert, Zeugen zu befragen und dieses Recht auch an ihm geeignet erscheinende Personen weiterzugeben. Mr. Coombes und Mr. Brannhard dürfen ebenso verfahren.“

Coombes sprang wie von der Feder geschnellt auf.

„Euer Ehren, wenn wir jetzt die Frage klären sollen, ob Fuzzys vernunftbegabte Wesen sind oder nicht, möchte ich vorschlagen, daß wir zuallererst einmal eine akzeptable Definition des Begriffes 'Vernunft' zu finden suchen. Mich für meinen Teil würde sehr interessieren, was mein Kontrahent unter diesem Begriff versteht.“

Das ist es. Sie wollen, daß wir es definieren. Gerd van Riebeek runzelte die Stirn. Ernst Mallin lächelte süffisant. Gus Brannhard jedoch schien sich zu freuen.

„Jack, die haben so wenig eine Definition wie wir“, flüsterte er.

Captain Greibenfeld, der sich inzwischen wieder gesetzt hatte, erhob sich erneut.

„Euer Ehren, wir haben uns während des vergangenen Monats im Stützpunkt Xerxes mit genau diesem Problem befaßt. Uns liegt sehr viel daran, die Klassifikation dieses Planeten festzulegen, und wir sind auch der Ansicht, daß dies nicht das letztemal sein wird, daß die Frage 'vernünftig oder nicht' auftritt. Ich glaube, Euer Ehren, daß wir eine solche Definition gefunden haben. Ehe wir aber mit der Diskussion beginnen, möchte ich um die Erlaubnis des Gerichts bitten, eine Demonstration vorzunehmen, die uns allen beim Verständnis dieser Dinge nützlich sein wird.“

„Captain Greibenfeld hat seine Demonstration bereits mit mir besprochen und meine Zustimmung erhalten. Bitte, fahren Sie fort, Captain“, erklärte der Oberrichter.

Greibenfeld nickte, worauf ein Gerichtsbeamter eine Tür rechts von der Richterbank öffnete. Zwei Raummatrosen, die Kästen trugen, traten ein. Einer trat vor den Richtertisch, der andere begann an den Tischen kleine batteriebetriebene Hörgeräte zu verteilen.

„Bitte, stecken Sie sich die Hörer ins Ohr und schalten Sie die Geräte ein“, sagte er. „Danke.“

Baby Fuzzy versuchte, Jacks Gerät zu erwischen. Aber Jack war schneller. Er steckte sich den Hörer ins Ohr und schaltete das Gerät ein. Sofort hörte er Geräusche, wie er sie noch nie zuvor gehört hatte, und Baby sagte zu ihm: „He - inta sa - wa'aka; igga sa geeda?“

„Mein Gott, Gus, der redet ja!“

„Ja, ich höre. Was soll…?“

„Ultraschall; großer Gott, daß wir nicht gleich daran gedacht haben!“

Er schaltete das Hörgerät ab. Baby Fuzzy sagte:

„Quiek.“ Als er wieder einschaltete, sagte Baby:

„Kukk - ina za zeeva.“

„Nein, Baby, Pappi Jack versteht nicht. Wir müssen ganz geduldig sein und deine Sprache lernen.“

„Pa - pii dscheek!“ schrie Baby. „Bee - bii za - hinga; pa - pii dscheek za zagga he - izza!“

„Dieses Quieken ist nur der hörbare Teil ihrer Sprache. Ich wette, in unseren Stimmen gibt es auch eine Menge Ultraschallaute, die niemand hört.“

„Nun, er hört jedenfalls, was wir sagen; er hat seinen Namen und deinen verstanden.“

„Mr. Brannhard, Mr. Holloway“, sagte Richter Pendarvis, „dürfen wir Sie um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Haben Sie jetzt alle Ihre Hörgeräte eingeschaltet? Gut; bitte, fahren Sie fort, Captain.“

Diesmal ging ein Kadett hinaus und kam mit ein paar Soldaten zurück, die sechs Fuzzys trugen. Sie setzten sie auf den freien Raum zwischen der Richterbank und dem Halbkreis von Tischen und zogen sich wieder zurück. Die Fuzzys drängten sich zusammen und sahen sich interessiert um. Jack starrte sie ungläubig an. Aber das war doch unmöglich — sie existierten doch nicht mehr. Aber das waren sie — Little Fuzzy und Mama Fuzzy und Mike und Mitzi und Ko-Ko und Cinderella. Baby quiekte vergnügt und sprang vom Tisch. Mama rannte ihm entgegen und preßte ihn mit beiden Armen an sich. Dann sahen sie ihn alle und begannen zu schreien: „Pa - pii dscheek! Pa - pii dscheek!“

Jack wurde gar nicht bewußt, daß er sich erhoben hatte, und dann saß er unter seiner „Familie“ am Boden, und die Kleinen drängten sich um ihn und quiekten vor Freude. Wie aus weiter Ferne hörte er, wie der Richter mit dem Hammer auf sein Pult schlug, und dann erhob sich Richter Pendarvis' Stimme:

„Das Gericht zieht sich für zehn Minuten zurück!“ Inzwischen saß auch Gus neben ihm, und dann hoben sie die ganze Familie auf und trugen sie zu ihrem Tisch hinüber.

Die Fuzzys taumelten und konnten sich nicht richtig bewegen. Und dann begriff er, daß sie nicht krank und nicht unter dem Einfluß von Drogen waren. Sie waren nur eine Weile unter dem Einfluß niedriger Schwerkraft gewesen und hatten sich noch nicht wieder an das normale Gewicht gewöhnt. Jetzt wußte er, weshalb niemand eine Spur von ihnen gefunden hatte. Er bemerkte, daß jeder Fuzzy eine kleine Schultertasche trug — ein Sanitätspäckchen des Marinekorps. Warum hatte er nicht daran gedacht, ihnen so etwas zu machen? Er berührte eines der Täschchen, worauf alle erregt zu plappern begannen und ihre kleinen Taschen öffneten und ihm zeigten, welche Schätze sie enthielten — kleine Messer und winzige Werkzeuge und grellbunten Kram aller Art, den sie gesammelt hatten. Little Fuzzy brachte eine winzige Pfeife und einen kleinen Tabaksbeutel zum Vorschein, aus dem er sie füllte. Schließlich holte er ein kleines Feuerzeug heraus.

„Euer Ehren!“ schrie Gus. „Ich weiß, daß das Gericht sich zurückgezogen hat, aber bitte achten Sie darauf, was Little Fuzzy hier tut.“

Vor ihren Augen knipste Little Fuzzy sein Feuerzeug an und hielt die Flamme an den Pfeifenkopf.

Leslie Coombes schluckte ein- oder zweimal und schloß dann die Augen.

Als Pendarvis mit dem Hammer auf das Pult schlug und die Sitzung wieder für eröffnet erklärte, sagte er:

„Meine Damen und Herren, Sie haben jetzt Captain Greibenfelds Demonstration gesehen. Sie haben gehört, wie diese Fuzzys Laute von sich gaben, die wie Sprache klangen, und Sie haben gesehen, wie einer von ihnen eine Pfeife angezündet hat. Übrigens, Rauchen vor Gericht ist zwar nicht zulässig, aber wir werden während dieser Verhandlung zugunsten der Fuzzys eine Ausnahme machen. Ich hoffe, daß die übrigen Leute das nicht als Diskriminierung empfinden.“

Wieder sprang Coombes wie von einer Tarantel gestochen auf. Er wollte um den Tisch herumrennen, erinnerte sich dann aber daran, daß er das unter den neuen Regeln gar nicht zu tun brauchte.

„Euer Ehren, ich habe heute schon einmal gegen diesen Ausdruck protestiert. Ich muß noch viel entschiedener dagegen protestieren, daß er jetzt auch seitens des Gerichts verwendet wird. Ich habe tatsächlich gehört, wie diese Fuzzys Laute hervorbrachten, die man vielleicht irrtümlich als Sprache ansehen könnte, aber ich muß entschieden verneinen, daß es sich dabei um Sprache handelt, und was den Trick angeht, ein Feuerzeug zu bedienen, so verpflichte ich mich, in höchstens dreißig Tagen jedem beliebigen Affen von der Erde oder meinetwegen auch einem freyanischen Kolph dasselbe beizubringen.“

Greibenfeld erhob sich sofort. „Euer Ehren. Wir haben in den vergangenen dreißig Tagen, in denen sich diese Fuzzys in unserem Stützpunkt aufhielten, ein Wörterbuch mit etwa hundert Fuzzyvokabeln zusammengestellt, die alle ihrer Bedeutung nach klar sind. Dazu kommt noch eine große Anzahl weiterer Ausdrücke, deren Bedeutung wir noch nicht ergründet haben. Und was den Trick mit dem Feuerzeug betrifft, so möchte ich dazu sagen, Little Fuzzy — wir kannten seinen Namen nicht und bezeichneten ihn als M 2 — hat das durch Beobachtung selbst gelernt. Wir haben ihn auch nicht gelehrt, Pfeife zu rauchen. Er kannte das schon, ehe wir etwas mit ihm zu tun hatten.“

Jack erhob sich, während Greibenfeld noch sprach. Als der Captain geendet hatte, sagte er:

„Captain Greibenfeld, ich möchte Ihnen und Ihren Leuten dafür danken, daß Sie für die Fuzzys gesorgt haben. Und ich freue mich sehr, daß Sie gelernt haben, ihre Sprache zu hören und danke Ihnen für all die schönen Dinge, die Sie ihnen gegeben haben. Aber warum haben Sie mir nicht mitgeteilt, daß sie in Sicherheit waren? Wissen Sie, ich habe im letzten Monat darunter sehr gelitten.“

„Ich weiß das, Mr. Holloway und kann nur sagen, daß wir das sehr bedauern, aber wir konnten nicht riskieren, unseren Geheimagenten im Forschungszentrum, der die Fuzzys am Morgen nach ihrer Flucht herausgeschmuggelt hat, zu kompromittieren.“

„Nun, Captain Greibenfeld“, sagte der Oberrichter, „ich nehme an, daß Sie weiteres Beweismaterial über die Beobachtungen und Studien, die Sie auf Xerxes angestellt haben, vorbringen möchten. Zunächst möchte ich aber für das Protokoll genau festgestellt haben, wann und wie sie nach Xerxes gebracht wurden.“

„Ja, Euer Ehren. Wir können das sofort erledigen. Darf ich Sie bitten, den vierten Namen auf der Liste, die ich Ihnen gab, aufzurufen.“

Der Oberrichter griff nach einem Blatt Papier.

„Leutnant Ruth Ortheris, TFN-Reserve“, rief er.

Diesmal blickte Jack Holloway in den großen Bildschirm, in dem er jedermann sehen konnte. Coombes' Gesicht war einen Augenblick totenbleich und starr. Ernst Mallin zitterte vor Wut, während Ben Rainsford unmittelbar neben ihm grinste. Als Ruth vor das Richterpult trat, bereiteten ihr die Fuzzys eine Ovation; sie erinnerten sich an sie und mochten sie. Leutnant Ortheris gab zunächst unter dem Lügendetektor Namen und Dienstrang an und begann dann mit ihrem Bericht. Die ganze Zeit über blieb der Kontrollschirm blau.

„Mein Auftrag war, zu überprüfen, ob die Zarathustragesellschaft die Bedingungen ihres Vertrages unter den Gesetzen der Föderation einhielt. Ich hatte bis Mitte des vergangenen Monats, abgesehen von einigen Unregelmäßigkeiten in der Finanzverwaltung in Zusammenhang mit Generalresident Emmert nichts zu berichten. Dann erhielt ich am Abend des fünfzehnten Juni eine wichtige Nachricht…“

Das war der Tag, an dem Ben seinen Bandbericht an Juan Jimenez weitergegeben hatte; sie berichtete, wie dieses Band zu ihrer Kenntnis gelangt war und fuhr fort:

„Ich leitete sobald wie möglich eine Kopie des Bandes an Commander Aelborg weiter. Am nächsten Abend rief ich Xerxes aus Dr. van Biebeeks Boot an und berichtete meine Erfahrungen mit den Fuzzys. Man informierte mich, daß Leonard Kellogg ebenfalls eine Kopie des Bandes besaß und Victor Grego eingeschaltet hatte. Kellogg und Ernst Mallin seien zum Betakontinent geschickt worden und hätten Anweisung, die Veröffentlichung des Berichtes zu verhindern und gleichzeitig Beweismaterial dafür zu fabrizieren, daß Dr. Rainsford und Mr. Holloway vorhätten, einen großen wissenschaftlichen Schwinde aufzuziehen.“

„Nun, Leutnant Ortheris, das ist zwar sehr interessant, aber uns interessiert im Augenblick mehr, wie die Fuzzys nach Xerxes kamen“, warf Pendarvis ein.

„Darauf komme ich sofort, Euer Ehren“, sagte sie. „Am Abend des Freitags, des zweiundzwanzigsten, wurden die Fuzzys Mr. Holloway weggenommen und nach Mallorys Port gebracht; Mohammed O'Brien gab sie an Juan Jimenez weiter, die sie ins Forschungszentrum brachte und sie in einem Zimmer hinter seinem Büro in Käfige steckte. Sie entkamen unmittelbar darauf. Ich fand sie am nächsten Morgen und konnte sie aus dem Gebäude schmuggeln und an Commander Aelborg weiterleiten. Wie das im einzelnen vor sich ging, werde ich nicht aussagen, das wäre ein Bruch meiner Sicherheitsvorschriften.“

Brannhard erhob sich. „Ich möchte die Zeugin fragen, ob ihr etwas über die vier anderen Fuzzys bekannt ist, die von Jack Holloway am Freitag in der Nähe des Ferny Creek gefunden wurden.“

„Natürlich, das sind meine Fuzzys, und ich habe mir ihretwegen schon Sorgen gemacht. Sie heißen Komplex, Syndrom, Id und Super-Ego.“

„Ihre Fuzzys, Leutnant?“

„Nun, ich habe mich um sie gekümmert und mit ihnen gearbeitet; Juan Jimenez und ein paar Tierfänger der Gesellschaft fingen sie auf dem Betakontinent. Man hielt sie auf einer Farm etwa fünfhundert Meilen nördlich von hier. Ich habe die ganze Zeit mit ihnen gearbeitet, und Dr. Mallin war auch meistens dort. Und dann kam am Montag abend Mr. Coombes und holte sie.“

„Mr. Coombes sagten Sie?“ fragte Gus Brannhard.

„Mr. Leslie Coombes, der Generalanwalt der Gesellschaft. Er sagte, die Fuzzys würden in Mallorys Port gebraucht. Erst am nächsten Tag erfuhr ich, wozu man sie gebraucht hatte. Man hatte sie kurz vor der Fuzzyjagd freigelassen, in der Hoffnung, daß sie dabei umkommen würden.“

Sie blickte zu Coombes hinüber; wenn Blicke töten könnten, wäre er jetzt ebenso tot wie Kurt Borch gewesen.

„Die hätten also vier Fuzzys geopfert, nur um eine Geschichte zu belegen, die sowieso auffliegen mußte?“ fragte Brannhard.

„Das war kein Opfer. Sie mußten diese Fuzzys loswerden und hatten Angst, sie selbst zu töten, da sie fürchteten, dann am Ende genauso wie Leonard Kellogg unter Mordanklage gestellt zu werden. Jeder einzelne, der mit ihnen zu tun hatte, von Ernst Mallin bis zum kleinsten Laboranten war nämlich davon überzeugt, daß es sich um intelligente Wesen handelte.“

Pendarvis dankte ihr mit einem Kopfnicken und blickte dann auf. „Ich hätte jetzt gerne Dr. Ernst Mallin gehört.“

Wieder sprang Coombes auf. „Euer Ehren, ich möchte vor weiteren Aussagen allein mit meinem Mandanten sprechen.“

„Ich sehe keinen Grund, weshalb wir dazu die Verhandlung unterbrechen sollten, Mr. Coombes. Sie können sich nachher mit Mr. Mallin unterhalten, solange Sie wollen.“ Pendarvis klopfte mit dem Hammer auf den Tisch und sagte: „Dr. Ernst Mallin, darf ich Sie in den Zeugenstand bitten?“

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