Das Geschöpf war riesig; zwei Meter groß, wenn nicht größer. Es sah nicht wirklich aus wie eine Ameise, ähnelte diesem irdischen Insekt aber hinlänglich genug, um diese Bezeichnung zu rechtfertigen: Es besaß ein schimmerndes Exoskelett aus Chitin, sechs Gliedmaßen, die je nach Bedarf als Beine oder auch Arme eingesetzt werden konnten, und einen dreieckigen Insektenschädel mit Antennen, riesigen Facettenaugen und schrecklichen Mandibeln. Der größte Unterschied zu seinen irdischen Verwandten jedoch war nicht sichtbar.
Individualität.
Das Geschöpf hatte ein Ich.
Und einen Namen.
»Was willst du?« wimmerte Charity.
Sie hatte Angst. Panik. Sie war sich vollkommen und jenseits aller Zweifel bewußt, daß sie träumte. Die Ameise war nicht real, so wenig wie die weiße Unendlichkeit, in der sie schwebte. Kias war in ihren Armen gestorben, vor acht Jahren, als der Tod aus dem Nichts sämtliche Moroni auf der Erde dahingerafft hatte. Skudder und sie hatten den Moroni mit eigenen Händen begraben, und Charity hatte - vielleicht zum erstenmal im Leben - am Grab eines Wesens geweint, das sie noch ein Jahr zuvor mit jeder Faser ihres Selbst bekämpft hatte.
Jetzt stand es vor ihr. Seine mörderischen Mandibeln bewegten sich und begleiteten jedes seiner Worte mit klickenden, reißenden Lauten, und in seinen faustgroßen Facettenaugen stand ein Leid, das hundertmal mehr schmerzte als alle Worte.
»Du hast uns getötet«, wisperte Kias. »So viele Milliarden. So viele, viele Milliarden.«
»Nein«, stöhnte Charity. »Das ist nicht wahr! Wir haben uns nur gewehrt!«
Es war sinnlos. Sie träumte. Sie wußte, daß es nicht Kias war, den sie gegenüberstand, und daß es nicht seine Worte waren, die sie hörte. Der Moroni war tot, und die Worte, die er zu ihr sprach, kamen in Wahrheit aus ihr selbst, aber das machte es nicht besser.
»So viele Milliarden«, beharrte Kias. »Hunderttausende von Welten, und auf jeder Milliarden von uns. Ihr hattet nicht das Recht dazu.«
»Wir hatten jedes Recht«, verteidigte sich Charity, doch es war sinnlos. »Ihr wolltet uns töten. Wir haben uns nur gewehrt.«
»So wenige von euch«, antwortete Kias. »Und so viele von uns. Ihr hattet nicht das Recht. Unsere Zivilisation erstreckte sich über ein Zehntel der Galaxis. Ihr habt sie zerstört.«
»Nein!« wimmerte Charity. »Das ist nicht wahr! Ihr habt uns angegriffen! Wir haben nur zurückgeschlagen!«
»Nicht ihr«, antwortete Kias.
Er kam näher, beugte sich über sie. Seine Facettenaugen wuchsen zur Größe von Monden heran, die das gesamte Universum über ihr ausfüllten. »Du!«
»Nein!« wimmerte Charity. »Das ist nicht wahr! So war es nicht.«
»Du allein«, beharrte Kias. »So viele Milliarden. Milliarden von Milliarden Leben. Und du allein hast sie ausgelöscht! Du ganz allein!«
Er kam näher.
Seine furchtbaren Mandibeln klappten auseinander, bereit, sie zu packen und ihr weiches Fleisch mit der schrecklichen, schneidenden Härte des Chitins zu zerreißen.
»Nein!« kreischte Charity.
Kias' Mandibeln berührten ihre Wange, und ein furchtbarer Schmerz explodierte in ihrem Gesicht. Sie schrie auf, schlug instinktiv zurück und setzte sich mit einem Ruck auf - und die graue Unendlichkeit rings um sie herum wurde zum kaum weniger grauen Zwielicht ihres nächtlichen Apartments...
Ihr Herz jagte. Sie war am ganzen Leib in Schweiß gebadet, und mit dem Hinübergleiten aus dem Schlaf ins Wachsein wich die Panik nicht zurück, sondern wurde für einen Moment eher schlimmer. Sie mußte mit aller Kraft dagegen ankämpfen, nicht sinnlos um sich zu schlagen und loszuschreien.
Noch etwas hatte sie aus dem Alptraum herüber in die Wirklichkeit verfolgt: Ihre rechte Wange brannte noch immer wie Feuer, und die Hand, mit der sie im Traum zurückgeschlagen hatte, pochte heftig.
Mit einer bewußten Willensanstrengung gelang es ihr, die Panik endgültig zurückzudrängen. Das graue Zwielicht ringsum gerann zu den vertrauten Umrissen ihres Apartments.
Sie war nicht allein. Vielleicht war es kein Traum gewesen. Jemand war bei ihr im Zimmer. Sie hörte kratzende, schabende Geräusche, und so etwas wie ein Stöhnen. Vielleicht auch das Schaben messerscharfer Chitinscheren. Ein Schatten bewegte sich in der Dunkelheit vor ihr. Irgend etwas Großes, Bedrohliches begann sich vor ihr aufzurichten, Kias, der ihr aus dem Alptraum heraus in die Wirklichkeit gefolgt war, aber plötzlich zu Skudder wurde, der sich benommen neben ihrem Bett aufrichtete und die linke Hand gegen Kinn und Lippen preßte. Zwischen seinen Fingern quoll hellrotes Blut hervor.
»Skudder?« fragte Charity verwirrt.
»Ganz sicher bin ich nicht«, antwortete er gepreßt. »Ich glaube, das war mein Name... bevor mich ein Elefant getreten hat. Darf ich aufstehen, oder kriege ich dann wieder was aufs Maul?«
Charity war kein bißchen zum Lachen zumute.
»Was... ist passiert?«
»Du hast mir eine verpaßt«, antwortete Skudder in quengeligem Tonfall. »Ich schätze, jetzt sind wir mehr als quitt. Ich habe etwas gut bei dir.«
Seine Worte ließen den brennenden Schmerz auf Charitys Wange neu aufflammen. Sie hob die Hand ans Gesicht und spürte, daß die Haut heiß war.
»Du hast mich geschlagen«, sagte sie vorwurfsvoll.
»Meine einzige Chance, dir das eine oder andere heimzuzahlen«, nörgelte Skudder, während er sich geräuschvoll neben ihrem Bett aufrichtete. »Jedenfalls habe ich das bisher gedacht.« Er nahm die Hand vom Mund und betrachtete vorwurfsvoll abwechselnd Charity und das Blut, das auf seinen Fingern klebte. »Ich finde das unfair. Bisher konnte ich dich wenigstens im Schlaf ab und zu prügeln. Seit wann schlägst du zurück?«
»Was ist passiert?« fragte Charity.
Skudder wurde von einem Sekundenbruchteil auf den anderen todernst.
»Du hattest einen Alptraum«, sagte er. »Du hast geschrien. Ich habe dich ein paarmal geschüttelt, aber ich konnte dich nicht wachbekommen. Deshalb habe ich dich geohrfeigt. Ich dachte, es wäre die letzte Möglichkeit. Es tut mir leid.«
»Geschrien?« fragte Charity.
»Und wie. Ich wundere mich, daß nicht die ganze Basis zusammengelaufen ist«, erwiderte Skudder. »Was war los?«
Er fuhr sich noch einmal mit dem Handrücken über den Mund, betrachtete stirnrunzelnd das Blut, das aus seiner aufgeplatzten Lippe gequollen war, und setzte sich dann auf die Bettkante; wie es Charity vorkam, ein gutes Stück weiter weg, als notwendig gewesen wäre.
»Ein Traum«, antwortete sie. »Ich... hatte einen Alptraum. Er war nicht sehr schön.«
»Wie das Wort schon sagt«, entgegnete Skudder. Mehr nicht. Aber die Art und Weise, wie er sie ansah, war mehr als beredt. Es vergingen nur noch einige Sekunden, bis Charity zu erzählen begann; zuerst stockend, dann immer schneller, bis sie die Einzelheiten ihres Alptraums schließlich regelrecht hervorsprudelte, ohne damit innehalten zu können.
»Verrückt«, sagte Skudder, als Charity geendet hatte.
Sein Tonfall paßte allerdings noch sehr viel weniger als sein Blick zu seiner Wortwahl, und Charity schüttelte den Kopf.
»Ich bin nicht sicher«, sagte sie. »Es ist nicht das erste Mal, daß ich diesen Traum habe, weißt du? Nur war er noch nie so intensiv wie diesmal.«
Erst indem sie diese Worte aussprach, machte Charity sie zur Wahrheit. Es war nicht das erste Mal, daß sie diesen Traum träumte. Nur hatte sie sich bisher nie erlaubt, sich nach dem Erwachen daran zu erinnern.
»Es ist trotzdem nur ein Traum«, sagte Skudder. »Mehr nicht.« Seine Stimme klang beinahe beschwörend, und das mit gutem Grund.
»Und wenn er recht hat?« fragte Charity.
Skudder schaute sie eine Sekunde lang erschrocken an. Dann gab er sich einen Ruck und zwang sich zu einem Lächeln. Es wirkte so falsch, wie es nur möglich war.
»Er«, sagte er betont, »ist tot. Wir haben Kias begraben, nur ein paar Meilen von hier. Hast du das schon vergessen?«
»Du weißt genau, was ich meine«, antwortete Charity ernst. »Was ist, wenn es die Wahrheit ist?«
»Was meinst du damit?«
»Daß wir sie umgebracht haben«, antwortete Charity. »Alle.«
»Quatsch!« sagte Skudder. Diesmal klang die Überzeugung in seiner Stimme echt. »Was ist eigentlich los mit dir? Leidest du neuerdings an galoppierendem Größenwahn? Du überschätzt dich, wenn du glaubst, tatsächlich ein Zehntel der Galaxis entvölkert zu haben, weißt du?«
»Und wenn es doch so war?« fragte Charity.
Sie konnte sehen, daß Skudder zu einer seiner gewohnten spöttischen Antworten ansetzte, aber dann wurde er plötzlich sehr ernst. Seine Hand kroch über die Bettdecke auf ihre Finger zu, berührte sie aber nicht. »Dann ist es eben so«, sagte er. »Wenn sie eine schwache Stelle hatten, an der man sie tödlich treffen konnte, dann hätte es früher oder später jemand getan. Wenn nicht wir, dann eben ein anderer. Aber das glaube ich nicht. Wir haben die Transmitterverbindung zwischen der Erde und Moron gekappt, das ist alles.«
»Hartmann glaubt, daß das gesamte Netz zusammengebrochen sein könnte.«
Skudder zuckte mit den Schultern. Seine Stimme klang schon wieder ein ganz kleines bißchen zornig. »Und wenn schon! Dann ist es eben zusammengebrochen. Sie haben uns angegriffen, und wir haben zurückgeschlagen, so einfach ist das.«
»Ja«, murmelte Charity. »So einfach ist das. Ich frage mich nur, ob wir wirklich das Recht dazu hatten.«
Skudder blinzelte. »Das Recht wozu?«
»So viele Lebewesen zu töten«, antwortete Charity.
Skudder schwieg eine ganze Weile. Irgend etwas in seinem Blick änderte sich. Die Sorge war noch immer darin, aber sie hatte jetzt eine andere Qualität angenommen.
»Das meinst du ernst, nicht wahr?« fragte er. »Charity, es war nicht deine Schuld, und auch nicht meine, oder die Hartmanns, oder die irgendeines anderen Menschen auf dieser Welt! Sie oder wir, so einfach war das!«
»Aber gibt uns das allein das Recht, so viele Leben auszulöschen?«
Es war keine Frage von der Art, auf die man eine Antwort erwartete, und Charity bekam auch keine. Skudder schaute sie nur an - jetzt eindeutig bestürzt. Nach einigen Sekunden stand Charity auf und ging zum Fenster. Sie hatte erwartet, daß Skudder ihr folgen würde, aber er blieb, wo er war.
Sie war enttäuscht.
»Ich weiß, daß es verrückt klingt«, murmelte sie. »Aber ich... ich werde diesen Gedanken einfach nicht mehr los. Was ist, wenn sie wirklich alle tot sind, Skudder? Ich meine: alle.«
Sie drehte sich mit einem Ruck zu Skudder um. Er saß noch immer reglos auf der Bettkante und sah sie voller Trauer (oder Furcht?) an.
»Wie kommst du darauf?« fragte er.
»Sie sind alle gestorben, Skudder«, antwortete sie. »Alle, die hier waren. Wir haben niemals herausgefunden, warum. Was ist, wenn... wenn wir mehr unterbrochen haben als die Transmitterverbindung?«
Charity - und nicht nur sie, sondern sie alle - hatten sich diese Frage unzählige Male gestellt, ohne eine Antwort darauf zu finden. Es war möglich. Nach dem Zusammenbruch des Transmitternetzes waren sämtliche Moroni-Geschöpfe auf der Erde gestorben. Niemand wußte, warum.
»Wenn es so ist, dann ist es zu spät, sich Vorwürfe zu machen«, antwortete Skudder. »Und ich glaube es auch nicht.«
»Weil du es nicht glauben willst«, vermutete Charity. In ihren Worten war nicht der leiseste Vorwurf zu hören. Es war eine Feststellung, mehr nicht, und Skudder faßte sie auch ganz genau so auf. Wie konnte er auch daran glauben? Wäre es so, dann wäre es der größte Massenmord in der Geschichte des Universums. Niemand hätte mit diesem Wissen weiterleben können. Auch Charity nicht. Sie versuchte den Gedanken zu verscheuchen. Natürlich ging es nicht.
Skudder schaute auf die Uhr und zog eine Grimasse. »Fünf«, sagte er. »Es lohnt nicht mehr, noch mal ins Bett zu gehen. Eines muß ich dir lassen: Dein Timing ist noch immer perfekt.« Er stand auf, reckte sich ausgiebig und gähnte übertrieben. »Ich sehe überhaupt nicht ein, daß ich als einziger leiden soll. Erfüllst du ausnahmsweise deine Pflichten als Beinahe-Ehefrau und kochst mir einen Kaffee?«
»Natürlich«, antwortete Charity. Ohne sich vom Fenster zu rühren, fügte sie mit leicht erhobener Stimme hinzu: »Computer: Kaffee für zwei.«
Skudder hob die linke Augenbraue, enthielt sich aber jeden Kommentars. Charity benutzte den Computer so gut wie nie, sondern zog es vor, einfache Handgriffe im Haushalt auf die althergebrachte Art zu erledigen. Es gab keinen logischen Grund dafür, aber sie hätte es einfach pervers gefunden, sich von einem Computer Kaffee zubereiten zu lassen, während zehn Kilometer entfernt Menschen um ihr nacktes Leben kämpften. Daß sie es nun doch tat, sagte mehr über ihre psychische Verfassung aus, als ihr lieb war.
Skudder wartete einige Sekunden lang vergeblich darauf, daß Charity das immer unbehaglichere Schweigen von sich aus brach, dann zuckte er mit den Schultern, drehte sich um und ging, vermutlich allerdings nur, um sich anzuziehen, denn er ließ die Tür zu seinem Apartment offen. Charity nutzte die Zeit, sich selbst ihre Uniform überzustreifen - das einzige Kleidungsstück, das sie seit Wochen trug.
Als sie sich an den kleinen Eßtisch setzte, fiel ihr Blick auf den weißen Briefumschlag, der darauf lag. Hartmanns Adjutant hatte ihn noch gestern abend gebracht, und Charity hatte seinen Inhalt seither unzählige Male durchgeblättert. Trotzdem - und sei es nur, um sich abzulenken - nahm sie ihn auch jetzt wieder zur Hand und zog das Dutzend farbiger Hochglanzfotos heraus.
Es waren Vergrößerungen des Objekts, das sie in der Umlaufbahn des Mars entdeckt hatten:
Das Zonenschiff.
Eine unheimliche Bezeichnung, fand Charity. Sie wußte nicht, was sie bedeutete, ja, nicht einmal, ob es wirklich die richtige Bezeichnung war, oder ob Gurk sich diesen Namen vielleicht in genau dem Augenblick ausgedacht hatte, als sie das Objekt zum erstenmal gesehen hatte. Aber gleich wie - Charity fand diesen Namen passend. Er erweckte Bilder von Dunkelheit in ihrem Inneren, von unendlicher Leere und Öden, lebensfeindlichen Welten. Gedanken an düstere, verbotene Dinge und Bereiche des Weltalls, in denen nichts Lebendiges Bestand haben konnte.
Der Tod, hatte Gurk gesagt. Unser aller Tod.
Natürlich kannte Charity die Vorliebe des Zwerges für dramatische Auftritte und geheimnisvolle Andeutungen. Gurk liebte es, sich zu produzieren, vor allem in den unpassendsten Augenblicken. Aber die Angst, die sie in seinen Augen gesehen hatte, war echt gewesen.
»Unheimlich, nicht?«
Sie hatte nicht einmal bemerkt, daß Skudder zurückgekommen war, aber er stand jetzt hinter ihr und blickte stirnrunzelnd auf die Bilder, die vor Charity auf der Tischplatte lagen. Skudder hatte die Aufnahmen mindestens ebensooft gesehen wie sie, aber ganz offensichtlich konnte auch er sich ihrer beunruhigenden Wirkung noch immer nicht entziehen. Das konnte niemand.
Einem Impuls folgend, wollte Charity die Hand heben und die Bilder herumdrehen, um dem beunruhigenden Anblick des Objekts darauf zu entgehen, aber dann begriff sie, wie diese Geste auf Skudder wirken mußte. Statt dem albernen Impuls nachzugeben, nickte sie nur und sagte: »Ja. Ich frage mich, was es ist. Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen.«
»Das hat niemand«, sagte Skudder achselzuckend, drehte sich herum und trat an die Anrichte, um zwei Tassen herauszunehmen.
»Gurk offenbar schon«, widersprach Charity.
Skudder machte ein abfälliges Geräusch. »Du solltest nicht alles glauben, was dieser Zwerg erzählt«, sagte er.
Charity sah ihn scharf an. »Hat Drasko dich mit seinem Mißtrauen schon angesteckt?«
»Nein«, antwortete Skudder. Er stellte zwei Tassen mit dampfend heißem Kaffee auf den Tisch und zog sich einen Stuhl heran. »Ich sage ja nicht, daß Gurk lügt. Aber du weißt, wie sehr er es liebt, Spielchen zu spielen.«
»Das war kein Spiel. Hast du in seine Augen gesehen? Es war halb verrückt vor Angst, als er dieses... Ding gesehen hat.« Charity stieß heftig mit dem Zeigefinger auf eines der Fotos hinunter, aber sie wagte es nicht einmal, die Fotografie des Zonenschiffes zu berühren, sondern tippte nur auf die schwarze Fläche des Weltraums dahinter.
»Warum hat er uns dann nicht gesagt, was er weiß?« Skudder schüttelte heftig den Kopf. »Wenn er wirklich auf unserer Seite steht, dann sollte er uns verdammt noch mal sagen, was er weiß!«
»Vielleicht hatte er gute Gründe, es nicht zu tun.«
Es fiel Skudder offenbar immer schwerer, sich zu beherrschen. Er antwortete nicht sofort, sondern griff nach seiner Kaffeetasse und trank einen langen Schluck, aber Charity sah, wie die Sehnen auf seinem Handrücken sichtbar hervortraten, und wie seine Augen sich vor Zorn verdüsterten. »Schade, daß er keine Gelegenheit mehr hatte, uns seine guten Gründe zu erläutern«, meinte er schließlich. Er gab sich keine Mühe, seine Stimme irgendwie anders als höhnisch klingen zu lassen.
»Was willst du damit sagen?« fragte Charity scharf.
»Nichts«, antwortete Skudder. »Nur keine Sorge. Ich werde nicht an der Loyalität deines Freundes zu zweifeln wagen.«
»Jetzt klingst du wirklich wie Drasko«, antwortete Charity. »Aber weißt du - der Zyniker steht dir nicht.«
Mit einer zornigen Bewegung stand sie auf und wandte sich zur Tür, doch Skudder griff blitzschnell zu und hielt sie am Handgelenk fest.
»Was soll das?« fragte er. »Wo willst du hin?«
Charity riß sich los. »Raus«, antwortete sie. »Ich gehe spazieren. Allein!«
Und damit fuhr sie herum, stürmte aus dem Zimmer und war wenige Augenblicke später aus dem Haus.