5. KAPITEL


Volker verneigte sich vor der Alten. »Habt Dank für das Frühstück und den Proviant, den Ihr uns überlassen habt. Seid Ihr sicher, daß Eure Enkeltochter nicht doch bald aus den Sümpfen zurückkehren wird?« Das Weib schüttelte den Kopf. »Sie kommt immer erst in der Abenddämmerung, wenn sie Kräuter sucht. Ich werde ihr einen Gruß von Euch ausrichten, edle Ritter.«

»Nun...« Der Spielmann zögerte. Dann griff er nach der Geldkatze an seinem Gürtel. »Sie hat meinem Diener das Leben gerettet. Seid so gut und gebt ihr das hier als Zeichen meines Dankes. Das ist alles Geld, das ich besitze.«

Die Alte schüttelte erneut den Kopf. »Niamh wird Euer Silber nicht annehmen. Was sie für Euch tat, geschah nicht um einer Belohnung willen. Wenn Ihr Euch wirklich als dankbar erweisen wollt, dann treibt das Packpferd in die Sümpfe.«

Volker seufzte. Er musterte das alte Weib eindringlich. Die Frau hatte dieselben graublauen Augen wie ihre Enkelin. Man sah ihr deutlich an, daß sie mit Niamh verwandt war. Ihr Gesicht war von feinen Falten durchfurcht, doch ihre Augen glänzten und waren voll jugendlicher Kraft. Obwohl sie wohl mindestens schon sechzig Sommer erlebt hatte, hielt sie sich noch völlig gerade. »Ich habe Niamh erklärt, warum ich nicht auf das Pferd verzichten kann. Ohne ein Packpferd müßten wir unsere Reise abbrechen und zur nächsten Stadt reiten.«

»Vielleicht wäre es auch das klügste.«

»Das mögt Ihr so sehen«, entgegnete der Spielmann gereizt. »Doch gestattet, daß ich anderer Meinung bin.« Er wollte sich schon umdrehen und zu den Pferden gehen, als die Alte ihn am Arm festhielt.

»Laßt mich Eure Hand sehen, Herr Ritter. Ich möchte wissen, ob Ihr es seid?«

»Wer soll ich sein?«

Sie lächelte. »Vielleicht der Auserwählte der Hohen Königin. Dies ist doch wohl das Schicksal, das Ihr sucht.« Sie nahm seine Hand und fuhr mit den Fingern darüber. »Eure Lebenslinie ist sehr kurz, Herr. Ihr werdet den Tod finden, den Ihr Euch wünscht, doch das Leben, von dem Ihr träumt, wird Euch stets verwehrt bleiben. Ihr seid ein Wanderer, und ganz gleich, wohin Ihr Euch wendet, das Schicksal wird Euch wiedereinholen. Ihr werdet nicht erleben, daß Eure eigenen Kinder auf Euren Knien sitzen, und doch werdet Ihr weiterleben. Auch wenn das Reich der Burgunden längst nur noch eine ferne Erinnerung ist, wird man noch immer Eure Lieder kennen. Doch die Geschichte ist ungerecht. Eure Kunst wird man einem anderen Dichter zuschreiben.«

Volker zog seine Hand zurück. »Genug. Mehr schlechte Nachrichten möchte ich nicht hören. Ich bin selbst meines Glückes Schmied, und mein Schicksal steht nirgends geschrieben! Am allerwenigsten in meiner Hand. Zeig mir meine Lebenslinie!«

Die Alte fuhr mit ihrem dürren Zeigefinger über seine Hand. »Hier. Euer Leben wird weniger als vierzig Sommer währen.«

Der Spielmann lachte und zog einen Dolch aus seinem Gürtel. »Sieh her, törichtes Weib. Dies ist die Linie?« Er setzte das Messer an und schnitt sich in die Handfläche. »Mein Leben wird jetzt fast doppelt so lange währen.« Dunkles Blut tropfte von seiner Hand.

Die Frau blickte ihn traurig an. »Niemand kann sein Schicksal ändern, nicht einmal Ihr, Herr Volker.« Sie trat zurück und ging zu Golo. Der Spielmann wischte sein Messer an der Satteldecke sauber und steckte es in den Gürtel zurück. Er leckte das Blut von seiner Hand. Die Wunde war nicht sonderlich tief. Es würde nicht einmal eine Narbe zurückbleiben. Er hatte die Alte nur erschrecken wollen. Sie stand jetzt neben dem Jungen und musterte dessen Hand. Plötzlich schlug sie danach, machte einen Satz zurück und spuckte vor Golo aus. Das Pferd des Knechtes scheute. Er hatte alle Mühe, es unter Kontrolle zu halten. Mit großen Schritten eilte die Frau auf die Hütte zu.

Volker zog sich in den Sattel und grinste. Diese Verrückte schien Golo wahrhaft erschreckt zu haben. Der Junge war leichenblaß.

»Ich wünschte, ihr wäret in den Sümpfen verreckt!« keifte das Weib. Sie stand jetzt in der Tür ihrer Hütte und drohte ihnen mit erhobener Faust. »Ihr Bastarde! Mögen Morrigans Raben das Fleisch von euren Knochen picken!«

Volkers Blick fiel auf die beiden grünen Flicken am Saum des grauen Leinenkleides der Frau. Es war das Gewand, das Niamh letzte Nacht getragen hatte! Wer war sie? Sollte etwa... Nein! Die beiden Frauen mußten die Kleider getauscht haben!

Krachend wurde die Tür der Hütte zugeschlagen. Lanzenbrecher schnaubte unruhig, und Volker strich dem Hengst über die Mähne. Er wendete das Pferd und ritt an Golos Seite. »Was hat die verrückte Alte zu dir gesagt?«

Der Junge wirkte völlig verstört. »Sie hat behauptet, der Tod stünde in meinem Schatten, und ich sei der Verderber der Vergangenheit. Dann verfluchte sie den Leib meiner Mutter und den Samen meines Vaters.«

Volker lachte, doch es klang nicht so unbeschwert wie sonst. »Die Einsamkeit hat ihr den Verstand verwirrt. Gib nichts auf ihre Worte. Dein Schicksal steht nicht in den Linien deiner Hand. Allein der Herr, unser Gott, weiß um unsere Zukunft, und nicht irgendeine dahergelaufene Vettel. Laß uns aufbrechen und diesen unfreundlichen Ort hinter uns lassen.«



Sie waren drei Stunden geritten, als sie die Wegkreuzung erreichten, von der Niamh gesprochen hatte. Nur ein paar Schritt weiter hatte ein junger Mann im Schatten einer Weide sein Lager aufgeschlagen. Er briet ein Huhn über einem Feuer.

Ganz in der Nähe graste ein großes, graues Schlachtroß. An der Weide lehnten eine Lanze und ein Schwert. Direkt daneben lagen ein Topfhelm und ein großer Reiterschild im Gras. Zweifellos handelte es sich bei dem Fremden um einen Ritter. Als er sie sah, richtete er sich am Feuer auf. Der Kerl war ein wahrer Hüne. Er hatte flammendrotes Haar, und so, wie er dreinschaute, würde es Ärger geben. Golo kannte sie, die Herren Ritter. Sich zu schlagen war ihnen stets ein Vergnügen, und dieser Kerl sah so aus, als hätte er sich schon lange nicht mehr vergnügt. Besorgt blickte er zu Volker. Er würde sicher keinem Streit aus dem Weg gehen, doch mit der Schnittwunde in der Hand war er benachteiligt. Warum hatte sein Herr auch das alte Weib aus der Hütte foppen müssen? Sich mit dem Messer die Lebenslinie zu verlängern...

Der Fremde war an den Rand des schmalen Weges getreten, der in den Wald führte, in dem der Feenbaum mit dem verwunschenen Horn stehen mußte. Vielleicht würde der Spielmann ja doch einen Streit vermeiden?

»Wohin führt Euch die Reise? Dies ist eine einsame Gegend. Ihr seid seit zwei Tagen die ersten Menschen, die mir begegnen.« Der Ritter hatte eine volltönende, angenehme Stimme. Er sprach mit einem eigenartigen Akzent, wie ihn Golo noch nie gehört hatte. Einen Moment lang überlegte der Knecht, ob dies vielleicht der Streiter der Feenkönigin sein mochte, doch dann verwarf er diese Idee. Der Kerl sah dafür einfach zu gewöhnlich aus. Für Morrigan würde sich gewiß ein Riese schlagen oder eine Bestie, der Hörner aus der Stirn wuchsen und die Feuer spucken konnte.

»Wir sind auf einer Queste, die uns in diesen Wald dort führen wird, mein Freund. Ich hoffe, Ihr habt nicht die Absicht, uns den Weg zu verwehren, denn wir haben es eilig.« Volker sprach in einem Tonfall, als rede er mit einem einfältigen Bauern. Gleichzeitig äffte er den Akzent des Fremden nach.

Golo seufzte. Er würde seinen Herren niemals begreifen! Da trieben sie nun wochenlang das Spiel mit dem flüchtenden Kaufmann und dem weißen Ritter, der selbst mit verbundenen Augen ein unbezwingbarer Schwertkämpfer war, um unnötigen Kämpfen aus dem Wege zu gehen, und dann provozierte Volker trotz seiner verletzten Schwerthand ein Duell.

Der fremde Ritter lief rot an. Offenbar kostete es ihn große Mühe, die Fassung zu bewahren und gemäß ritterlichem Ehrenkodex zu antworten. »Da ich als erster an diesen Weg gekommen bin, beanspruche ich auch das Recht, als erster in diesen Wald zu reiten. Solltet Ihr das nicht akzeptieren können, fürchte ich, wird es sich nicht vermeiden lassen, diesen kleinen Streit mit einem Lanzengang zu klären.«

Volker verneigte sich. »Es wird mir eine Freude sein, Euch hinter Eurem Pferd im Gras Hegen zu sehen. Und falls die Käfer dort unten Euch fragen sollten, wer Euch so schnell vom Pferd geholfen hat, so sagt ihnen, daß Ihr Volker von Alzey begegnet seid.«

Der Fremde lachte jetzt. »Ich nehme Euer Angebot an, Herr Volker. Solltet Ihr mit der Lanze so gewandt sein wie mit der Zunge, so müßtet Ihr wohl der gefährlichste Kämpe Aquitaniens sein. Da ich Euren Namen aber noch nie zuvor gehört habe, werde ich mir wohl keine Sorgen über den Ausgang unserer Auseinandersetzung machen müssen. Mein Name übrigens ist Gwalchmai von Kaledonien.«

»Ah, ein Krieger aus dem Volk der Zungenverdreher und Rockträger. Wie ich sehe, seid Ihr noch nicht gerüstet. Darf ich Euch die Dienste meines Knechts anbieten, um Euer Panzerhemd anzulegen?«

»Vielleicht sollten wir zuallererst nach dem Huhn über dem Feuer sehen«, wandte Golo ein. »Wenn Ihr nicht bald den Spieß dreht, dann wird es schwarz wie ein Rabe sein.« Vielleicht würde es sich Volker während eines Essens mit dem Kaledonier ja noch anders überlegen. Wenn die beiden sich die Köpfe einschlugen, bedeutete das nur jede Menge zusätzliche Arbeit für ihn. Er war schließlich derjenige, der die Scharten aus Volkers Schwert wetzen mußte und dem es oblag, das Kettenhemd zu flicken und eine neue Lanze zu schneiden.

»Euer Diener scheint mir ein kluger Mann zu sein, auch wenn er ein wenig vorlaut ist. Gestattet Ihr, daß ich Euch einlade, Herr Volker?«

»Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, Euch ein wenig besser kennenzulernen. Schließlich ist es ja nichts Persönliches, weswegen wir uns duellieren werden. Es geht lediglich darum zu entscheiden, in welcher Reihenfolge wir in diesen Wald reiten werden. Gestattet Ihr, daß ich meinen Diener damit beauftrage, sich um das Essen zu kümmern, dann können wir ungestört plaudern.«

So liebte Golo seinen Herren. Wütend stieg er ab und schnallte die Kiste mit dem Proviant vom Packpferd. Dann ging er zur Feuerstelle, um sich um das Huhn zu kümmern. Wahrscheinlich würden die beiden ihm nicht einmal einen der mageren Flügel übrig lassen. Obwohl... Er starrte erst auf das Hähnchen und dann auf den Weinschlauch, den er mitgebracht hatte. Wenn er das Fleisch gut mit Salz einrieb und den beiden reichlich von dem schweren Rotwein servierte, dann würde ihr Duell vielleicht ausfallen...



Volker fühlte sich nicht besonders wohl, als er sein Pferd bestieg. Er schwankte leicht, und im Grunde war er überhaupt nicht in kämpferischer Stimmung. Aber nun hatten sie sich auf dieses Duell geeinigt... Dieser Kaledonier war ein ernstzunehmender Gegner. Volker hatte ihn während des Essens unauffällig beobachtet. Er bewegte sich gewandt und selbstsicher. Sein Körper war stets in vollkommener Balance. Wahrscheinlich war Gwalchmai ein erstklassiger Schwertkämpfer. Und muskulöser war er obendrein auch noch.

Volker erschien sein Kettenpanzer heute schwerer als sonst. Ob Golo irgend etwas damit angestellt hatte? Der Ritter hob den Kopf und spähte durch die schmalen Sehschlitze seines Topfhelms. Er konnte nur mit Mühe einen Teil des Waldweges sehen und den Kaledonier, der keine fünfzehn Schritt entfernt mit eingelegter Lanze auf das Zeichen zum Angriff wartete.

»Meinen Speer, Knappe!« Volker streckte die Rechte aus und griff nach der Waffe. Dann preßte er die Linke mit dem Schild eng an den Körper und achtete darauf, den Schild leicht schräg zu halten, damit die Lanze des Gegners gut abgleiten konnte.

Wieder blickte er zu dem Kaledonier hinüber. Sein Grauer tänzelte unruhig. Gwalchmai hatte einen grünen Waffenrock angelegt und war mit einem grünen Schild gewappnet, auf den ein weißer Falke aufgemalt war. »Seid Ihr bereit, Herr Gwaldm... Gwailch... ähm, mein Freund?« Dieser Name! Wie sehr mußte eine Mutter ihren Sohn hassen, um ihm einen Namen zu geben, den kein aufrechter Christenmensch richtig auszusprechen vermochte.

Der Kaledonier hob leicht den Schild und nickte.

»Dann los!« Volker legte die Lanze ein und gab seinem Hengst die Sporen. Mit donnernden Hufen galoppierten die beiden schweren Pferd aufeinander zu. Der Spielmann zielte auf die rechte Hälfte von Gwalchmais Schild. Wenn der Kaledonier nicht aufpaßte, würde es ihn aus den Sattel reißen.

Krachend zersplitterten die beiden Lanzen. Volker erhielt einen Schlag wie ein Pferdetritt. Etwas prallte mit dumpfem Klang gegen seinen Helm. Vor ihm tauchte der Wald auf. Er riß den Hengst herum und schwenkte den Schildarm, der vom Aufschlag der gegnerischen Lanze wie betäubt war. Hastig wendete er den Kopf. Der Kaledonier war nirgends zu sehen. Im Gras lag er jedenfalls nicht. Verfluchter Helm! Wenn er nur eine bessere Sicht hätte. Volker warf den Stumpf seiner zersplitterten Lanze zur Seite, hängte den Schild an das Sattelhorn und hob mit beiden Händen den schweren Topfhelm.

»Ich fürchte, das war ein eindeutiges Unentschieden«, ertönte seitlich von ihm die Stimme Gwalchmais. Der Kaledonier hielt seinerseits eine zersplitterte Lanze in der Hand. »Ihr sitzt recht fest im Sattel, Herr Volker. Die meisten meiner Gegner haben sich nicht so gut gehalten wie Ihr. Es wird mir eine Freude sein, mit Euch die Klinge zu kreuzen.«

Der Spielmann nickte. Die Wirkung des Weins war jetzt verflogen. Sein Haar klebte ihm schweißnaß an den Schläfen. Er schwang sich aus dem Sattel und winkte Golo, ihm das Schwert zu bringen. Dann ballte er die Rechte zur Faust und öffnete sie langsam wieder. Der Verband um seine Hand hatte sich rot gefärbt. Hätte er nur auf dieses dumme Spiel mit der alten Wahrsagerin verzichtet! Er konnte sein Schwert nicht so fest halten, wie es gegen einen solchen Kämpfer notwendig gewesen wäre! »Bring mir den Bastard!« rief er Golo zu. Er konnte in diesem Duell nur durch überlegene Technik bestehen.

Der Knecht eilte zum Packpferd und schnallte das lange Schwert vom Lastsattel. Der Griff der Waffe war so gearbeitet, daß man sie mit zwei Händen führen konnte. Zugleich war das Bastardschwert aber so gut ausgewogen, daß man auch einhändig mit ihm kämpfen konnte.

»Ihr gestattet, daß ich lieber mit Breitschwert und Schild kämpfe?« Gwalchmai hatte seine Waffen bereits genommen und stand breitbeinig mitten auf dem Weg, der zum Wald führte.

»Wenn Ihr glaubt, so der Niederlage entgehen zu können!« Volker wünschte, er wäre nur halb so zuversichtlich, wie er tat. Golo reichte ihm den Bastard. Der Spielmann wog das große Schwert prüfend in der Rechten. Ein stechender Schmerz fuhr durch die verletzte Hand. Er hatte keine Wahl, er mußte die Waffe zweihändig führen. Seine Linke müßte die Hauptlast tragen.

»Wollt Ihr den Kampf nicht aufgeben, Herr?« flüsterte Golo leise. »Dieser Kaledonier scheint mir ein geübter Schlächter zu sein. Mit Eurer Verletzung werdet Ihr einen schweren Stand gegen ihn haben.«

Volker schüttelte den Kopf. »Ich bin Ritter. Ich kann jetzt nicht kneifen. Das ist das Vorrecht der Knappen und Knechte. Ich bin dazu erzogen, auch dann meine Sache nicht aufzugeben, wenn es keine Aussicht auf Erfolg gibt. Weißt du, Junge, das ist der Stoff, aus dem die Dichter Heldenepen schreiben. Setz mir den Helm auf.«

Innerlich fluchte Volker. Natürlich hätte er sich gerne mit Gwalchmai geeinigt, doch dazu war es jetzt zu spät. Aufzugeben, hieße, das Gesicht zu verlieren. Dann würde er schon lieber ein paar Prellungen einstecken. Schließlich kämpften sie nicht auf Leben und Tod.

Der schwere Helm senkte sich über seinen Kopf, und wieder war die Welt auf zwei schmale Schlitze reduziert. Langsam ging er dem Kaledonier entgegen. Dieser stürmte vor und eröffnete den Kampf mit einigen schnellen Attacken, die Volker jedoch mühelos parierte. Das Bastardschwert war die einzige Waffe, mit der er es zum selben Geschick gebracht hatte wie sein Mentor und Fechtmeister, Hagen von Tronje.

Der Spielmann täuschte einen Schlag nach Gwalchmais Helm an, führte die Waffe dann geschickt um den Schild herum, den sein Gegner zur Parade hochriß, und landete mit der flachen Seite des Schwertes einen wuchtigen Treffer an der Hüfte des Kaledoniers. Er konnte den Ritter kurz aufstöhnen hören. Gwalchmai zog sich ein Stück zurück, und sie umkreisten einander eine Weile.

Wieder war es der Kaledonier, der den ersten Angriff wagte. Wie sein Wappentier, der Falke, stieß er vor und bedrängte Volker mit seinen Attacken. Kaum konnte er die ungestümen Schläge Gwalchmais abwehren. In der Hoffnung, sich Luft zu verschaffen, versuchte er einen geraden Stich, um seinen Gegner zu zwingen, in die Defensive zu gehen. Offenbar unterschätzte der Kaledonier die Wucht des Angriffs. Denn er hob kaum seinen Schild, und die Spitze von Volkers Schwert glitt ab und fuhr Gwalchmai in den Oberschenkel. Sein Gegner fluchte lauthals. Er ging in die Knie und kauerte sich hinter seinen großen Schild.

Volker wollte ihm schon anbieten, den Kampf zu beenden, als der Kaledonier einen Satz nach vorne machte und den Spielmann mit seinem Schild zu Boden stieß. Volker versuchte, sich zur Seite zu rollen, doch Gwalchmai war sofort über ihm. Er zielte mit der Spitze seines Schwertes unter den Topfhelm und berührte Volkers Hals.

»Genug!« keuchte der Spielmann. »Ihr seid der Bessere. Ich ergebe mich!« Der Kaledonier machte keine Anstalten, seine Waffe zur Seite zu nehmen. Auch er keuchte lauthals. Blut sickerte ihm durch die Panzerringe und lief das Bein hinab. Er hob die Klinge ein Stück an, und dann stieß er zu.

Volker riß den Kopf zur Seite. Klirrend schlug die Waffe gegen seinen Helm und glitt ab. Gwalchmai rammte sein Schwert in die Erde und trat zwei Schritte zurück. »Verzeiht mir! Verzeiht, Herr!«

Volker riß sich den Helm herab. »Was sollte das? Ich hatte doch gesagt, daß ich mich ergebe!«

»Verzeiht!« Auch der Kaledonier zog jetzt seinen Helm ab. »Es war... Ich... Manchmal weiß ich nicht mehr, was ich tue. Ich will dann das Blut meines Gegners fließen sehen. Vor allem, wenn ich verwundet werde. Man sagt, ich hätte Wolfsblut in den Adern und sei ein Berserker. Deshalb mußte ich auch das Königreich Kaledonien verlassen. Ich habe in einem Turnier den Halbbruder des Königs erschlagen und wurde verbannt.«

Volker stieß ebenfalls sein Schwert in die Erde und stülpte seinen Topfhelm über den Griff. »Über diese Eigenart hättet Ihr mich auch vor unserer Auseinandersetzung unterrichten können. Es ist schließlich nicht ganz belanglos, wenn Euch mitten in einem freundschaftlichen Kräftemessen plötzlich die Lust überkommt, mich zu köpfen.«

Gwalchmai starrte zu Boden. »Ich dachte, ich könnte es unterdrücken.«

»Ihr habt gewonnen. Ihr solltet jetzt die Kettenhose ablegen, damit wir uns die Wunde an Eurem Bein ansehen können. Es tut mir leid, Euch verletzt zu haben. Ich werde Euch verbinden. Und mein Diener wird Eure Rüstung reparieren und säubern. Es ist wahrscheinlich klüger, wenn wir über Nacht hierbleiben. Wir beide sollten bei Kräften sein, wenn wir uns dem Streiter der Morrigan stellen.«

»Ich fühle mich nicht schwach!« brauste der Kaledonier auf. »Das ist nur ein Kratzer, und ich werde mir von Euch nicht vorschreiben lassen, was ich zu tun habe!«

»Und wenn ich Euch bitte?« Was für ein gräßliches Temperament! Wahrscheinlich floß Barbarenblut in den Adern des Kaledoniers, und sein Großvater hatte noch zu jenen halbnackten piktischen Räubern gehört, die sich bunt anmalten, wenn sie in den Krieg zogen. »Ich würde Euch gerne einladen, das Abendmahl mit mir zu teilen. Es wird meinem Diener ein Vergnügen sein, für uns beide ein Essen zu bereiten. Der Kerl zieht zwar meist ein griesgrämiges Gesicht, und er hält ein Schwert wie eine Pfanne, doch für Küchenarbeit ist er wirklich zu gebrauchen.«

Gwalchmai zögerte eine Weile. Schließlich nickte er. »Es wäre wohl unhöflich, diese Einladung auszuschlagen, und den Kämpen der Morrigan können wir auch morgen noch zur Hölle fahren lassen.«


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