Funkwarnfeuer

Paro Bacos hatte Steuerwache im Zentralposten. Es war Nachtzeit, die Besatzung des Raumschiffes schlief. Die Triebwerke schwiegen. Sie brauchten nicht zu arbeiten. Die Rakete zog antriebslos ihre Bahn um die Sonne und folgte mit gleichbleibender Geschwindigkeit ihrem Weg entlang dem 520. Sonnenkreis.

Gegen 1.00 Uhr meldete sich der Formax. Ein rotes Lämpchen, das Zeichen für eine Störung, flackerte auf.

Bacos weckte Rai Raipur über die individuelle Kabinenrufanlage. Der Elektroneningenieur mußte diesen Schaden sofort beheben; denn eine noch so geringfügige Störung konnte das künstliche Hirn zu verkehrten Schlußfolgerungen und zu falschen Steuerbefehlen veranlassen.

Rai erschien nach wenigen Minuten. An der Nummer der Warnlampe und an der Art ihres rhythmischen Flackerns erkannte der Fachmann, wo der Schaden zu suchen war. Er öffnete das Elektronenhirn neben der Tastatur, um in das Eingabewerk hineinzusteigen. Nach einer Viertelstunde erschien Rais braunes Gesicht in der viereckigen Öffnung. Er winkte Paro Bacos herbei und reichte ihm eine kleine rechteckige Platte. Es war eine der gedruckten Schaltungen.

Die haarfeinen Verbindungen, die an Stelle dünner Drähtchen aufgetragen waren, hatten sich an vielen Stellen zersetzt. Bräunliche Flecke bedeckten die Platte. Winzige Spuren aggressiver Säuredämpfe aus der durch das Raumschiff zirkulierenden Luft hatten sich an diesen Stellen niedergeschlagen und die allmähliche Zerstörung der Schaltung bewirkt.

Bacos beschaffte ein Ersatzteil aus dem Lager, und Rai setzte es wieder ins Elektronenhirn ein. Das rote Lämpchen erlosch. Paro Bacos und der Inder tauschten noch ein paar Worte aus. Dann kehrte Rai in seine Kabine zurück.

Wieder allein, schaltete Bacos den großen Bildschirm ein. Zuerst überprüfte er auf dem Bugbild mit dem Sternkarten-Projektor den Kurs. Beide Bilder, das Fernsehbild und das projizierte, stimmten überein. Der Kurs, den der Pilotron steuerte, war richtig.

Danach schaltete Bacos vom Bugbild auf die Backbordkameras um. Er erblickte nun auf dem Bildschirm den Teil des Firmaments, den er auch sehen würde, wenn er links durch eins der kleinen, dicken Panzerglas-Bullaugen hinaussähe.

Es war dem Wachenden während seiner Sternenflüge zur Gewohnheit geworden, jeweils das Bild der Kameras auf den großen Schirm zu übertragen, in deren Blickfeld die unsichtbare Kette der Raumjäger operierte. Wenn ich Glück habe, kann ich in der Ferne die Zerstörung eines Meteoriten beobachten, überlegte Bacos.

Der Ungar liebte diese stillen Stunden der Steuerwache. Auch heute starrte er von seinem Sessel aus sinnend auf das große Sternenpanorama. Dieses gewaltige und erhabene Gebilde ist stets dasselbe und dennoch immer wieder neu, dachte er. Diese schimmernde schwarze Unendlichkeit kann zugleich Furcht und Ruhe einflößen.

Es schien, als hinge das Raumschiff bewegungslos in der Leere. Nichts verriet seine große Geschwindigkeit. Die Entfernung zu den Sternen war zu riesig. Die nächste dieser leuchtenden Sonnen, der Stern Alpha im Sternbild des Zentauren, war etwa 41 Trillionen Kilometer weit weg. Ein Lichtstrahl würde erst in vier Jahren und drei Monaten dort eintreffen. Bei diesen enormen Entfernungen könnte man, selbst wenn das Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit flog, erst nach langer Zeit eine Verschiebung der Sterne erkennen.

Zuweilen gedachte Paro Bacos in solchen einsamen Stunden seines im Kosmos verschollenen Freundes: Er und seine Kameraden hatten in ihrer Rakete dem unabwendbaren Weltraumtod in ihren letzten Minuten bestimmt gefaßt und aufrecht entgegengesehen. Vielleicht waren sie als Ahnungslose überrascht worden, vielleicht mußten sie auch die Katastrophe tatenlos, hoffend und bangend hinnehmen. War ihre zerschundene Rakete, wehrlos gegen die Anziehungskraft kosmischer Körper, auf einen Planeten gestürzt, auf seiner Oberfläche zerschellt oder in der Planetenatmosphäre verglüht? Oder trieben die toten Menschen, im Raumschiff eingeschlossen, ewig durch das Dunkel und die Leere, selbst im Tode noch von den Tücken des Alls belauert?

Auf dem Bildschirm flammte plötzlich in der Ferne ein blendender, gleißender Funken. Paro Bacos schrak auf. Der Funke dehnte sich schnell zu einem Kügelchen aus, das zusehends zu einem feurigen Ball anwuchs, dabei aber rasch an Leuchtkraft verlor.

Das war ein Lebenszeichen von dem benachbarten Raumjäger. Dieser hatte einen Meteoriten aufgespürt und vernichtet. Paro Bacos beobachtete diese Erscheinung mit Genugtuung. Die Vernichtung eines Meteoriten paßte zu seinen Überlegungen. Es war, als hätten die Kameraden des anderen Schiffes für seinen Freund Rache genommen.

Paro Bacos blendete sich in die Welle des benachbarten Raumschiffes zum Mithören ein.

Der Funker des anderen Asteroidenjägers meldete der Leitrakete die Beseitigung eines einzelnen Meteoriten. Es folgten Angaben über Größe, Form und Masse, über die Ergebnisse anderer Messungen, unter anderem die Spektralanalyse.

Der letzte Satz der Meldung ließ den mithörenden Wissenschaftler erstaunt aufhorchen. Dieser Satz lautete: „Die Spektralanalyse des vernichteten Meteoriten ließ Spuren des Transurans Plutonium erkennen.“

„Transuran Plutonium?“ murmelte der Atomphysiker ungläubig. Er meinte sich verhört zu haben. Das war doch nicht möglich. So etwas gab es doch nicht. Das mußte ein grober Beobachtungsfehler sein.

Transurane waren Elemente, die in der Natur so gut wie gar nicht vorkamen. Sie wurden lediglich auf der Erde in Laboratorien erzeugt. Atomphysiker hatten die Natur übertrumpft und eine Anzahl neuer Elemente nach ihrem Willen geschaffen. Man nannte diese neuen Elemente Transurane, weil sie in der Tabelle des Periodensystems entsprechend ihrem Atomgewicht jenseits des letzten natürlichen Elementes, hinter dem Uran, eingeordnet waren.

Paro Bacos saß noch eine Weile untätig am Funk- und Radarpult. Er grübelte über die Herkunft des Transurans in dem vernichteten Meteoriten nach. Es konnte nur von der Erde auf eine rätselhafte Weise auf den Meteoriten geraten sein. Das Transuran Plutonium war nur in Reaktoren der Raumschiffe zu finden.

Bei diesen Überlegungen drehte der Ungar unbewußt an den Knöpfen der Funkapparatur. Er schreckte hoch, als plötzlich der Tonträger des Funkgerätes losdröhnte: „Hier Mars, hier Mars! Basis an Leitrakete 401! Basis an Leitrakete 401!“

Bacos hatte sich in einen Funkspruch der Basis an die Leitrakete eingeblendet. Er regelte die Lautstärke herab und hörte mit. Die Basis wartete nicht die Meldung über die Empfangsbereitschaft der Leitrakete ab, sondern begann nach einer kurzen Pause mit ihrer Durchsage; denn die Funkwellen, die die Empfangsbereitschaft der Leitrakete meldeten, hätten erst nach fünfzehn Minuten die 270 Millionen Kilometer bis zum Mars überbrückt.

Der Funkspruch lautete: „B. d. A. an Astro-Kommodore. — Dem Operationsgebiet ihrer Flottille nähert sich der Asteroid Adonis. Er wird die gegenwärtige Flugbahn des Verbandes in drei Tagen im Bereich ihrer gestrigen Position hinterkreuzen. Die automatische kosmische Station RX 632 registrierte vor einigen Wochen bei einer Begegnung mit diesem Asteroiden den Ausfall des Funkwarnfeuers. Kommandieren Sie bitte einen Asteroidenjäger zur Behebung des Schadens ab.“

Der Funkspruch war damit zu Ende. Ihm waren nur noch die gegenwärtigen Himmelskoordinaten des Asteroiden Adonis und seine Bahnelemente beigefügt.

Paro Bacos schaltete die Welle der Basis ab. Ein solcher Funkspruch war nichts Besonderes. Wahrscheinlich war das Funkwarnfeuer auf Adonis durch Meteoritenschlag zerstört worden. Jedenfalls würde eins der Raumschiffe demnächst vom Kommodore einen entsprechenden Auftrag erhalten.

Der Ungar blickte zur Uhr. In zehn Minuten war seine Steuerwache zu Ende. Die Ablösung für ihn war Sagitta, die Ärztin. Bacos schaltete den großen Bildschirm ab und machte noch einen letzten Rundgang durch den Steuerraum, um noch einmal die Instrumente zu kontrollieren. Alles war in Ordnung. Er stellte lediglich fest, daß die Zusammensetzung der automatisch regenerierten Luft im ganzen Schiff mit einem Prozent Sauerstoff zuviel angereichert war. Darüber brauchte man sich aber nicht zu beunruhigen.

Dennoch veränderte Bacos an der Fernsteuerung für die Regeneratoren die Einstellung, so daß der Sauerstoffgehalt der Luft im Raumschiff nicht weiter ansteigen konnte.

Fünf Minuten vor vier Uhr betrat Oulu Nikeria, der Afrikaner, den zentralen Steuerraum. Das war nicht erstaunlich, denn jeder von der Besatzung wußte, seit dem Steinzeitfest der Astronauten hatten sich nicht nur Filitra und Henry, sondern auch Sagitta und Oulu näher befreundet.

Sieh da, dachte Paro Bacos. Die Liebe vergeht selbst hier nicht, fern vom Heimatplaneten, inmitten der ewigen Nacht, der Kälte, des Schweigens und der bodenlosen Leere. Die Liebe konnte selbst hier das Größte und Schönste sein, was sich die Menschen zu geben vermochten. Bacos freute sich über die Zuneigung der beiden. Er fand nichts dabei, wenn Oulu die Steuerwache hilfsbereit mit der Ärztin teilte.

Oulu Nikeria kam auf Paro Bacos zu. „Ich möchte Sagitta eine Freude machen und mit ihr die Steuerwache übernehmen“, sagte er. „Sie braucht zwar meine Unterstützung nicht, denn sie kann alle Kontrollaufgaben selbst bewältigen, aber…“

Paro Bacos winkte ab und nickte Oulu zu. Er wollte nicht, daß der Afrikaner lange Erklärungen abgab. „Sagitta wird bestimmt sehr froh sein, wenn du ihr die Einsamkeit überwinden hilfst. Die Stunden der nächtlichen Steuerwache können für einen einzelnen Menschen sehr trostlos sein.“

Pünktlich um vier Uhr früh trat Sagitta in den Steuerraum ein. Sie war überrascht, als sie Oulu sah. Ihre Augen leuchteten freudig auf. Sagitta hatte nicht gewußt, daß er hier auf sie wartete, um mit ihr die Steuerwache zu teilen. Ihr kam es auch gar nicht in den Sinn, daß Oulu vielleicht aus einem anderen Grund im Steuerraum sein könnte. Ihr Gefühl sagte ihr sofort untrüglich: Oulu ist für mich hierhergekommen. Sie ging auf die beiden Männer zu und blieb vor ihnen unschlüssig stehen. In ihr war plötzlich neben der großen Freude doch so ein Gefühl der Verlegenheit aufgekommen.

Paro Bacos überbrückte diese Situation und begann vorschriftsmäßig die Steuerwache an Sagitta zu übergeben. Dabei teilte er ihr auch in knappen Worten die Vorfälle der letzten vier Stunden mit. Das waren die kleine Störung am Formax und die rätselhafte Sache mit dem Transuran. Den Funkspruch der Basis an die Leitrakete hielt Bacos nicht für erwähnenswert.

Der Abgelöste wollte sich gerade verabschieden und gehen, als die Funkautomatik summte. Das bedeutete, daß das Raumschiff angerufen wurde.

Sagitta war mit ein paar schnellen Schritten bei den Funkapparaturen. „Hier AJ-408 auf Position Ekliptik 520, Strich 1420. Grün leuchtet. 408 ist empfangsbereit“, meldete sich die Ärztin.

Sagitta, Oulu und Paro Bacos warteten eine Weile. Nach etwa zwei Minuten erreichten die Funkwellen des Anrufenden wieder das Raumschiff. „Hier Leitrakete AJ- 401 auf Position Ekliptik 500, Strich 1419. Kommodore an Kommandanten. — Raumschiff stoppen und auf Position Ekliptik 520, Strich 1413 zurückführen. Dort…“

Die Worte verzerrten sich und gingen schließlich in einem Rauschen und Knistern unter. Als dann der Funkspruch wieder klar kam, hörten die drei nur noch einige Raumkoordinaten und die Angaben über die Bahnelemente eines kosmischen Flugkörpers.

Auch der bei eingehenden Funksendungen selbständig mitlaufende Funkfernschreiber, der elektronische Teleprinter, hatte im Text Verstümmelungen und Störungen.

„Hallo, Leitrakete, Funkspruch teilweise verstümmelt! Bitte wiederholen!“ rief Sagitta mehrmals in das Mikrophon.

Oulu rechnete im Kopf aus, daß die Bitte um Wiederholung die 20 Millionen Kilometer bis zur Leitrakete in 66 Sekunden durchflogen haben wird. Man würde also, da die Wiederholung des Funkspruchs gleichfalls 66 Sekunden braucht, um den Weltraum von der Leitrakete bis zu AJ-408 zu durchdringen, frühestens in 2 Minuten und 12 Sekunden wieder Empfang haben.

Man müßte Kerulen eigentlich jetzt schon verständigen, dachte Oulu. Er sah Sagitta an.

Die Ärztin hatte den gleichen Gedanken, aber sie zögerte noch. Sollte man den Kommandanten nicht erst dann informieren, wenn der Funkspruch vollständig ist? überlegte sie. Als sie aber zu Oulu blickte und in seinem Gesicht las, entschloß sie sich.

Sagitta beugte sich über die individuelle Kabinenrufanlage und verband sich mit Kerulen. Als sich dieser meldete, teilte sie ihm mit, daß soeben ein verstümmelter Funkspruch eingegangen sei, der in den wenigen klaren Textstellen den Befehl zur sofortigen Umkehr enthalte.

„Ich habe Wiederholung des Funkspruchs angefordert“, sagte Sagitta abschließend.

„Komme sofort“, antwortete Kerulen kurz.

Oulu hatte sich inzwischen an die Tastatur des Elektronenhirns gesetzt. Da feststand, daß AJ-408 stoppen und auf seiner Kreisbahn zurückfliegen mußte, begann er sofort mit der Berechnung der günstigsten Brems- und Beschleunigungswerte für das Manöver. Am kompliziertesten war dabei die sogenannte Nullberechnung. Unter kosmischen Bedingungen war es nämlich nicht möglich, das Raumschiff in einem großen Bogen auf die entgegengesetzte Richtung umzusteuern. Es mußte auf null Kilometer pro Sekunde gebremst, mit dem Bug in die neue Richtung gedreht und erneut beschleunigt werden. Dabei war zu berücksichtigen, daß das Raumschiff beim Bremsen zwangsläufig mehr und mehr von seiner Kreisbahn abwich und bei null Kilometersekunden in Richtung auf die Sonne zu stürzen begann. Dieser Sturz mußte abgefangen werden. Mit dem Steigen der Geschwindigkeit in der neuen Flugrichtung konnten dann allmählich alle Abweichungen von der Kreisbahn, die durch das Bremsen verursacht wurden, wieder ausgeglichen werden.

2 Minuten und 20 Sekunden waren seit der Nachforderung vergangen, als endlich wieder der Teleprinter zu ticken begann und der Funksprecher einsetzte. Diesmal war der Funkspruch klar. Sein Text lautete vollständig: „Kommodore an Kommandanten. — Raumschiff stoppen und auf Position 520, Strich 1413 zurückführen. Dort Asteroid Adonis erwarten. Funkwarnfeuer gestört, bitte überprüfen. Wenn nötig, Landegruppe aussetzen und Funkwarnfeuer neu aufbauen. Sendeapparaturen auf 400 Grad plus isolieren, da Adonis sonnennahen Durchgang hat. Flottille wird AJ-408 in zehn Tagen auf der Bahn des Asteroiden zwischen dem 400. und 440. Sonnenkreis erwarten.“

Hier endete der Funkspruch mit den Koordinaten des gegenwärtigen Standpunktes des Asteroiden Adonis und mit seinen Bahnelementen. Kommandant Kerulen war inzwischen im Zentralposten eingetroffen. Er zog das vom Teleprinter beschriebene Blatt aus dem Funkfernschreiber und las es sorgfältig durch.

Als er dann aufsah, sagte er nach kurzem Überlegen zu Sagitta und Paro Bacos: „Wir können uns für das Manöver zur Rückführung des Raumschiffes auf die neue Position etwas mehr Zeit lassen als sonst. Adonis fliegt erst in drei Tagen in den Bereich unseres gestrigen Flugabschnittes ein. Die Besatzung braucht also nicht vorzeitig geweckt zu werden. Das Umkehrmanöver muß frühestens in vier Stunden, nach dem Frühstück, beginnen. Bis dahin können wir aber schon die Geschwindigkeit unserer Rakete etwas verringern. Sie, Sagitta, überwachen bitte die Abbremsung der Geschwindigkeit am Pilotron. Die notwendige Einstellung dafür am Astropiloten werde ich selbst vornehmen.“

Paro Bacos, dessen Anwesenheit nicht mehr notwendig war, verließ die Steuerzentrale, um in seine Kabine zu gehen und noch ein paar Stunden zu schlafen. Im Hinausgehen sah er, wie Oulu Nikeria ein stummes Zwiegespräch mit dem Elektronenhirn hielt. Aha, die Nullberechnung, dachte Bacos. Der Mathematiker befragte den Rechenzyklon, indem er einige Tasten drückte. Das elektronische Hirn antwortete mit Diagrammen, Kurven und schlängelnden Linien auf seinem gläsernen, grün phosphoreszierenden Rechenschirm.


AJ-408 hatte sich bis zu dem Gebiet des interplanetaren Raumes zurückgetastet, in dem der Asteroid in wenigen Stunden erscheinen mußte. Da das Raumschiff nun gegen die allgemeine Flugrichtung der Meteoriten flog, schickten — auf Anordnung des Kommandanten — Norbert Franken und Rai Raipur, einander ablösend, ununterbrochen einen sehr intensiven breiten Radarfächer voraus. Diese zusätzliche Vorsichtsmaßnahme erwies sich dann auch als sehr nützlich.

Erst jetzt, beim Flug gegen den Strom, erhielt man einen Eindruck davon, wie stark dieser Teil des kosmischen Raumes zwischen den Planeten Mars und Jupiter von vagabundierenden Trümmerstücken verseucht war. Der Pilotron hatte in den vergangenen siebzig Stunden nicht weniger als viermal kosmischen Körpern ausweichen müssen. Das war für interplanetare Verhältnisse sehr viel. Es gab Raumschiffe, die jahrelang von Planet zu Planet flogen, ohne einem Meteoriten zu begegnen.

Jetzt saß Norbert Franken am Funk- und Radarpult im zentralen Steuerraum und beobachtete den nahenden Kleinstplaneten. Das Radar hatte den Asteroiden vor zwölf Stunden gemeldet, als er noch rund 561000 Kilometer entfernt war. Inzwischen hatte sich der kleine Himmelskörper auf 87000 Kilometer genähert. Er zog gemächlich mit etwa 13 Kilometer pro Sekunde seine Bahn. In zwei Stunden mußte man ihn mit dem bloßen Auge erkennen können. Das Funkwarnfeuer aber schwieg. Sein mahnender Ruf hätte schon längst hörbar sein müssen.

Tag und Nacht, Stunde um Stunde sandten die Antennen aller Raumschiffe ununterbrochen Impulse aus, ständig ein und denselben Schaltbefehl wiederholend. Erreichten diese Impulse ein Funkwarnfeuer, schaltete es sich automatisch ein, sobald sie kräftig genug waren. Das geschah in der Regel dann, wenn sich das betreffende Raumschiff auf 2 Millionen Kilometer einem mit Funkwarnfeuer ausgerüsteten Asteroiden genähert hatte.

Die Warnsignale erloschen erst wieder, wenn sich das impulsstrahlende Raumfahrzeug weit genug entfernt hatte.

Ein solches Warnfeuer funkte unentwegt seine Sendung in den Weltraum, solange ein Raumschiff in der Nähe war. Es nannte den Namen oder die Nummer des Asteroiden, auf dem es stand, die Bahngeschwindigkeit des Planetoiden, die Umlaufzeit um die Sonne sowie den sonnenfernsten und den sonnennahesten Punkt der Bahn. Es zählte die charakteristischsten Daten des kleinen Himmelskörpers auf, wie Maße und Abmessung, Form und Dichte, Volumen und Anziehungskraft.

Jeder Raumschiffkommandant wurde auf diese Weise frühzeitig auf die Begegnung mit einem Kleinplaneten vorbereitet. Auch die selbständig steuernden Pilotrone der Raketen konnten auf die zugefunkten Angaben entsprechend reagieren. Sie stellten mit Hilfe der Funkpeilung den Standort und die Bewegungsrichtung des Asteroiden fest. Auf diese Weise konnten sie die Rakete so um die unsichtbare Klippe im Kosmos steuern, daß die Sicherheit von Besatzung und Schiff gewährleistet war.

Funkwarnfeuer wurden erst seit vierzig Jahren errichtet. Wo auch immer ein Raumjäger einen dieser kleinen Planeten aufspürte, stets wurde ein Funkwarnfeuer aufgebaut. Auf diese Art hatte man von den schätzungsweise 30000 Asteroiden, die innerhalb des Sonnensystems kreisten, schon 8000 mit den automatischen Warnstationen augerüstet.

Der immer umfangreicher werdende interplanetare Verkehr machte eine solche Maßnahme unbedingt erforderlich. Die Sicherheit des Lebens war seit Beginn des kosmischen Zeitalters, seit dem Start des ersten bemannten Raumschiffes, oberstes Gesetz in der Raumfahrt.

Durch die Errichtung von Funkwarnfeuern auf Asteroiden bei gleichzeitiger Säuberung des kosmischen Raumes innerhalb des Sonnensystems von Meteoriten wurde auch der Einsatz sehr schneller interstellarer Photonenraketen und Graviplane möglich. Diese beiden neuen Arten von Raumfahrzeugen konnten fast mit Lichtgeschwindigkeit, also annähernd 300000 Kilometer in der Sekunde, fliegen. Bei einem solchen Tempo würde das Bordradar fast wirkungslos sein.

Die Funkwarnfeuer dagegen waren mit ihrer starken Sendeleistung in der Lage, jedes noch so schnell fliegende Raumschiff auf das Hindernis im kosmischen Raum aufmerksam zu machen. Die so gewarnten Raketen konnten also trotz ihres schnellen Fluges rechtzeitig ausweichen.

Das Funkwarnfeuer auf Adonis aber blieb immer noch gefährlich stumm. Norbert Franken versuchte mit Hilfe des Radars ein genaues Bild von den Umrissen des Zwergplaneten zu erhalten. Sobald das merklich größer werdende Beobachtungsobjekt noch etwas näher herangerückt war, wollte Franken die Radarwellen verstärken, um die Oberflächengestaltung des Asteroiden deutlicher erkennen zu können.

Franken hatte sich schon die Karten des Asteroiden Adonis griffbereit hingelegt. Seine Aufgabe war es, Veränderungen der Umrisse und der Oberfläche auf die Karten zu übertragen, damit für eine eventuelle Aussetzung einer Landegruppe einwandfreie Unterlagen zur Verfügung standen. Es war durchaus möglich, daß sich im Laufe der Jahrzehnte einiges verändert hatte; denn die Karten waren angefertigt worden, als vor vielen Jahren das erste Funkwarnfeuer auf dem Planetoiden Adonis aufgebaut worden war. überall im Raumschiff gingen die Vorbereitungen auf das Zusammentreffen mit dem Asteroiden zügig voran. Die Besatzungsmitglieder überprüften ihre schweren Raumanzüge und legten für die kosmischen Ausflüge Sauerstoffflaschen und konzentrierte Nahrungstabletten bereit. Im Bugraum hoben mechanische Greifer die kleine Erkundungsrakete auf das Katapult. Kisten mit Ersatzteilen und Werkzeug zur Reparatur des gestörten Funkwarnfeuers wurden herbeigeschafft und in den Räumen neben den Schleusen griffbereit hingelegt.

Die Wissenschaftler bereiteten sich in ihren Arbeitszimmern und in den Laboratorien auf die Begegnung mit dem Asteroiden Adonis vor. Der Geologe und die Chemikerin wollten die besondere Eigenart seiner Schlackenhalden, die bei den sonnennahen Durchgängen entstanden, untersuchen. Der Astrobotaniker beabsichtigte, Mikroorganismen an geschützten und ungeschützten Stellen auszusetzen und ihr Verhalten vergleichend zu beobachten. Henry Lorcester plante Messungen der Kraftlinien im Gravitationsbereich des Asteroiden. Timofei Mirsanow bereitete das Aufstellen einer neuen Anti-Falle vor. Die Falle damals auf der Felsplatte war abgebaut worden, nachdem sie zehn Tage erfolgreich gearbeitet hatte.

Der Großversuch war gelungen. Mehrere Milligramm Antiteilchen-Materie hatten gewonnen werden können.

Filitra Goma, die Chemikerin aus Brasilien, stand in ihrer Kabine am Bullauge und preßte das Gesicht an das Panzerglas. Das“ elektrische Licht in der Kabine war gelöscht. Ihre Augen spähten in den Sternenschein. Jeden Augenblick mußte der Asteroid Adonis auftauchen.

Filitra war nicht allein. Henry hatte sich eingefunden. Die zwei jungen Menschen wollten den immer wieder aufregenden Augenblick, den das Auftauchen eines Himmelskörpers mit sich brachte, einmal mit dem bloßen Auge erleben.

Filitra hatte Glück. Sie gewahrte einen Stern, der nur sehr schwach leuchtete, der aber deutlich wahrnehmbar wanderte. Zuerst war sie nicht sicher, ob dieses schwache Lichtfleckchen — unter den vielen anderen Sternen sehr schwer im Auge zu behalten — wirklich der Gesuchte war. Aber als dieses unscheinbare Sternchen von Minute zu Minute größer wurde und auch an Leuchtkraft gewann, schwanden ihre Zweifel. Der Asteroid reflektierte, ähnlich wie der Mond, das Sonnenlicht. Er leuchtete aber bedeutend matter. Filitra rief Henry, der auf der Liege saß, herbei.

Beide stellten sich aneinandergelehnt vor das kleine Bullauge und starrten hinaus. Ihre Ohren waren vor Aufregung ganz rot geworden. Begierig nahmen die Augen immer mehr Einzelheiten auf. Mit kurzen, zugeraunten Bemerkungen teilten sie sich ihre Beobachtungen mit.

Zuerst enthüllte sich ihnen der Umriß des Asteroiden. „Er ähnelt einem arg zerdrückten Klumpen Knetmasse“, sagte Filitra. Diese Bemerkung traf durchaus zu. Man konnte Adonis nämlich allenfalls mit einem der unförmigen, rauhen Steine vergleichen, wie sie auf Geröllhalden und an Gletscherrändern zu finden waren.

Der Zwergplanet Adonis war einer der Kleinsten unter den Kleinen. Sein Durchmesser betrug etwas weniger als einen Kilometer. Dafür tat er sich aber mit einer anderen Eigenschaft hervor. Seine Bahn war im Gegensatz zu der Mehrzahl der Asteroiden eine gestreckte Ellipse mit sehr großer Exzentrizität. Diese Bahn führte ihn bis auf nur 60 Millionen Kilometer an die Sonne heran. Als Adonis ganz dicht, bloß wenige Kilometer vom Raumschiff entfernt, vorüberzog, die Bahn der Rakete dabei langsam schneidend, waren verschiedene Einzelheiten zu erkennen.

Filitra Goma war enttäuscht. Vergebens hielt sie nach den für Asteroiden so typischen, nadelscharfen Felszacken und nach den bizarr und grotesk getürmten Gesteinsquadern Ausschau. Statt dessen sah sie die Spuren, die die Sonne mit ihrer Glut immer dann hinterlassen hatte, wenn Adonis mit erhöhter Geschwindigkeit den sonnennahesten Teil seiner Bahn durcheilte. Das geschah alle vier Jahre. Rund plus 400 Grad Celsius durchglühten dann monatelang das Gestein und ließen es porig, blasig, schlackig und rissig werden. Tiefe Sprünge und Spalten durchzogen den zusammenhängenden Felsgrund.

„Sieh dort, lauter Zuckerhüte!“ rief Filitra plötzlich, aufgeregt den Arm Henrys umklammernd.

Tatsächlich, aus einer Geröllmulde erhoben sich mehrere kleine Hügelkuppen. Sie ähnelten in ihrer Form stark dem sogenannten Zuckerhut bei Rio de Janeiro, der weltbekannten brasilianischen Bergspitze am Atlantischen Ozean.

Aber Henry erfaßte diese Seltenheit nur halb. Seine Aufmerksamkeit galt einer anderen Erscheinung. Im kleinen Kreisausschnitt des Panzerglases gähnte an einer schroff abfallenden Kante des Asteroiden eine dunkle Öffnung, groß wie ein Hallentor. Wahrscheinlich war das eine Höhle.

Da stutzten beide. Sie sahen etwas, was ihnen bekannt erschien, etwas, was in diesem Chaos von rissigem und schlackigem Fels durch das Gleichmaß seiner Form wohltuende Ruhe ausstrahlte: Mitten auf einem kleinen Plateau erhob sich der mattgraue Panzerkegel des Funkwarnfeuers. Die Kegelspitze lief in einen dünnen, langen, dreißig Meter hohen Rohrmast aus, den Antennenträger.

Alles schien unversehrt.


„Es scheint alles unversehrt zu sein“, sagte Kommandant Kerulen zu Timofei Mirsanow.

Sie saßen im zentralen Steuerraum vor dem großen Bildschirm und beobachteten ebenfalls den Asteroiden. Planetoid und Raumschiff flogen fast auf gleicher Höhe nebeneinander.

„Jetzt den Schaltschock probieren“, riet Mirsanow.

Kerulen nickte. Er wandte sich an den Funker. „Norbert, senden Sie kurz den Schaltimpuls für die Funkwarnfeuer. Am besten aus dem Richtstrahler. Und den Richtstrahler direkt auf den Kegel richten. Bitte die Sendeleistung verzehnfachen.“

Man hoffte, mit dieser überstarken Impulsdosis das Funkwarnfeuer in Tätigkeit setzen zu können. Aber der Schock blieb wirkungslos. Das Funkwarnfeuer schwieg auch jetzt noch.

Adonis hatte das Raumschiff inzwischen überholt und begann vorauszueilen.

Der automatische Astropilot ertönte. Die Flugoperation, die er ankündigte, war nicht schwierig. Die Rakete erhöhte ihre Geschwindigkeit geringfügig, so daß sie sich dem Asteroiden wieder näherte.

Kerulen gab den Start der Erkundungsrakete frei.

Wenige Minuten später glitt aus der Schleusenöffnung unterhalb der Bugspitze des Raumschiffes die Aufklärungsrakete hervor, vom Katapult herausgeschleudert. Durch einen kurzen Feuerstoß aus dem Triebwerk glich der Pilotron den Rückstoß aus, den das Katapult verursachte. Die kleine Kolibri-Rakete huschte davon, sich eilig vor der großen Mutterrakete einen Vorsprung verschaffend. Dabei scherte sie allmählich aus und wechselte zur Bahn des Asteroiden hinüber.

Leicht den Flug abbremsend, ließ Kioto Yokohata dann den Asteroiden von hinten herankommen. Langsam schoben sich die öden Gesteinsmassen, träge, rotierend, hinter dem Heck vorbei. Aufmerksam suchten die drei Kundschafter, der Pilot, ein Monteur und Rai Raipur, der Elektroneningenieur, die Oberfläche des Asteroiden nach dem Schutzkegel des Senders ab. Als er überraschend über dem kleinen, engbegrenzten Horizont des Planetoiden im dämmrigen Sonnenlicht emporwuchs, galt es, schnell zu handeln. Yokohata wollte so nahe wie möglich am Sender aufsetzen. Ein kurzer, schwacher Flammenstoß aus der Bugdüse gegen die Flugrichtung genügte, die Geschwindigkeit noch mehr zu verlangsamen. Die Distanz zum Plateau verringerte sich zusehends. Fünzig Meter über dem Boden bremste Yokohata die Rakete mit einem Feuerstoß aus der Heckdüse ab. Kurz vor dem Aufsetzen glitten drei Teleskopbeine aus dem Heck, spreizten sich und fingen den leichten Stoß auf, der bei der Berührung des Bodens zu spüren war.

Die Erkundungsrakete war gelandet.

Zwei der Kundschafter machten sich fertig zum Aussteigen. Yokohata mußte leider in der Kabine bleiben, um seine kleine Raumrakete vorschriftsmäßig unter Aufsicht zu haben. Der Monteur und Rai Raipur erhoben sich vorsichtig aus ihren Sesseln. Hier auf dem Asteroiden fehlte die normale Schwerkraft, wie sie sie von der Erde gewöhnt waren und wie sie im Raumschiff mit viel Energieaufwand künstlich erzeugt wurde. Es war klar, daß Adonis mit seinem Durchmesser von nur einem Kilometer bei weitem nicht die Anziehungskraft entwickeln konnte wie der Heimatplanet mit seinen rund 12700 Kilometern Durchmesser.

Rai Raipur öffnete die Luke. Zuvor hatten Pumpen die Luft aus der Kabine abgesaugt. Da alle drei den Raumanzug mit dem fest auf der Schulter sitzenden Panzerglas-Helm anhatten, spürten sie nichts von dem Druckschwund. Im Raumanzug herrschte nach wie vor eine Atmosphäre Druck. Auch die notwendige Atemluft wurde der Helmglocke zugeführt.

Bevor sich Rai Rapur und der Monteur durch die Luke hinauszwängten, hakten sie eine zwirnstarke, aber reißfeste Sicherheitsleine in einer Öse am Lukendeckel fest. Sie vermieden damit, daß sie durch die Kraft ihrer Muskeln beim Abstoßen vom Fußboden oder durch einen unvorsichtigen Schuß aus der Rückstoßpistole ungewollte Hoch- und Weitsprünge von mehreren hundert Metern machten. Im Fall einer Gefahr konnten sie sich mit Hilfe des winzigen Motors in der taschenuhrgroßen Seiltrommel schnell zur Rakete zurückspulen.

Der Monteur und der Ingenieur ließen sich die wenigen Meter am Rumpf der Rakete zum Boden hinabgleiten. Sie fanden gerade noch Zeit, sich nach dem Kegel des Funkwarnfeuers umzusehen, der ungefähr einhundertzwanzig Meter entfernt aufragte, dann war es plötzlich stockdunkel um sie herum. Die Planetoidennacht hatte begonnen. Sie hatte schlagartig das dämmrige Licht der Sonne verdrängt. Diese Nacht war aber nur sehr kurz. Sie würde etwa zwanzig Minuten dauern. Danach würde es wieder für zwanzig Minuten hell sein. Dieser schnelle Wechsel von Dunkelheit und Dämmerung entsprach der Rotationsdauer des Planetoiden.

Die beiden Kundschafter schalteten ihre Handlampen ein und bewegten sich vorsichtig in der Richtung, in der sie den Sendekegel gesehen hatten. Sie machten das mit steifen Beinen, mit absichtlich durchgedrückten Knien. Sie stießen sich, lediglich die Fußgelenke bewegend, mit dem Ballen vom Boden ab. Sogleich schnellten ihre Körper, leicht vorgeneigt, mehrere Meter weiter. Mit dieser eigenartig hüpfenden Gangart hatten sie bald die Strecke bis zum Funkwarnfeuer zurückgelegt. Den beiden Kundschaftern stand jetzt erfahrungsgemäß eine langwierige und schwierige Arbeit bevor. Sie mußten in den Kegel eindringen und herausfinden, warum der Sender schwieg.

Kioto Yokohata, ebenfalls von der rasch hereinbrechenden Dunkelheit umfangen, erkannte nur an dem heftig auf- und abhüpfenden Lichtfleck der Handlampen, wo sich die Gefährten befanden. Amüsiert sah er dem Tanz der beiden Lichtstrahlen zu. „Hallo, ihr Känguruhs!“ rief er dann in das Mikrophon. „Wie steht's? Findet ihr den Sender nicht? Soll ich euch den Scheinwerfer einschalten?“

„Danke, nein, wir sind gleich da“, antwortete Rai.

Plötzlich schwankte die kleine Rakete leicht. Der Pilot spürte zwar nichts, aber die Gleichgewichtswaage am Armaturenbrett reagierte. Sie sprach selbst auf das kaum fühlbare Schwerefeld des Planetoiden an und zeigte, daß sich die Rakete um einige Grade zur Seite geneigt hatte. Wird die Rakete nun umfallen oder sogar vom Plateau herunterrollen? fragte sich Kioto Yokohata.

Aber es geschah nichts weiter. Wahrscheinlich hatte der poröse Fels unter einem der Federbeine etwas nachgegeben. Oder einer der beiden da draußen hatte eine zu heftige Bewegung gemacht, so daß sich die Sicherheitsleine gespannt hatte.

Als Kioto wieder nach dem Lampenschein der Kundschafter Ausschau hielt, war dieser verschwunden.

„Hallo, Rai, seid ihr endlich ins Ziel gehüpft?“ erkundigte sich Kioto, vergnügt schmunzelnd. „Muß ja ein mächtiger Freudensprung gewesen sein. Ihr hättet mich beinahe umgerissen.“

„Ach, du meine Güte“, vernahm er anstelle einer Antwort Rais Stimme. Sie klang überrascht und fassungslos.

„Was ist los, Jungs?“ rief Kioto beunruhigt.

Er bekam keine Antwort.

„Das ist ja unwahrscheinlich“, hörte er dafür nach einer Weile den Monteur zu Rai Raipur sagen.

Kioto hatte auf einmal ein unangenehmes Gefühl. Seine Fröhlichkeit war im Nu verflogen. Im Kegel mußte eine ungewöhnliche Entdeckung gemacht worden sein. „Hallo Rai, hallo Rai! Was gibt's? Ist was geschehen? Braucht ihr Hilfe?“

„Gib doch Ruhe, du in deiner Kabine“, klang es unwirsch zurück. Dann besann sich Rai aber. „Nein, danke, keine Hilfe. Hier im Kegel ist nichts mehr zu machen.“

„So kurz und erfolglos hatte ich mir den Erkundungsgang nicht vorgestellt“, hörte Kioto den Monteur enttäuscht murmeln.

Auch im Raumschiff hatte man den seltsamen Disput der Kundschafter mit angehört. Kerulen und Mirsanow, die noch immer vor dem großen Bildschirm saßen, sahen sich fragend an. Aber da meldete sich schon Rai Raipurs Stimme, jetzt wieder laut und deutlich. Anscheinend hatte er sich ein vorläufiges Urteil gebildet.

„Hallo AJ-408, hallo Raumschiff! Wir bekommen viel Arbeit. Es sieht hier im Kegel wüst und hoffnungslos aus. Wir werden einen neuen Sender aufbauen müssen. Ein bedeutender Teil der Transistoren- und Halbleiteranlage ist zerstört. Hier drinnen muß für kurze Zeit hoher Druck und große Hitze geherrscht haben. Vermutlich hat ein Kleinmeteorit den Sender getroffen. Der Meteorit, etwa kirschkerngroß, hat die Kegelwand durchschlagen und ist hier im Innern zerplatzt. Dabei ist alles zertrümmert worden.“

Kerulen erteilte den Kundschaftern den Auftrag, die weitere Untersuchung des Senders einzustellen und einen passenden Standort für Mirsanows zweite Anti-Falle zu ermitteln.

Im Raumschiff setzte nun eine emsige Tätigkeit ein. Aus den Lagerräumen wurde eine vollständige Ausrüstung für das neue Funkwarnfeuer sowie das Material für die Falle zu den Schleusenkammern geschafft. Kerulen und der Navigator arbeiteten einen Plan aus, der den pausenlosen Fortgang der Arbeiten garantierte. Jedes der Besatzungsmitglieder einschließlich der Wissenschaftler sollte täglich für eine bestimmte Zeit zu den Bauarbeiten herangezogen werden.

All diese Vorbereitungen waren noch nicht abgeschlossen, als auch schon die Kundschafter mit der kleinen Erkundungsrakete Kioto Yokohatas vom Asteroiden zurückkehrten. Sie erstatteten dem Kommandanten über mehrere geeignete Stellen für die Anti-Falle Bericht. Der Kommandant beriet umgehend mit den Wissenschaftlern über den günstigsten Platz. Bald war man sich über den Standort einig.

Nun konnten die Programme zum Bau des Senders und der Falle ablaufen. Zwischen dem Raumschiff und dem Asteroiden begann ein lebhaftes Hin und Her. Unermüdlich wurden sowohl mit den Einmannraketen als auch mit der Aufklärungsrakete alle Bauteile und Arbeitsmittel zum Asteroiden hinübergeschafft. Der Transport nahm viel Zeit in Anspruch.

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