„Von den Völkern der Größeren Sonnen führen zwei Karawanenstraßen nach Süden. Die erste, die alte, vom Vierstern zum Gaurosauron, einem sehr hinterlistigen Gestirn mit veränderlichem Schein, das durch Verlöschen dem Abassitenzwerg ähnlich wird, wodurch Verirrte häufig in die Kirowwüste geraten und nur eine Karawane von zehn heil herauskommt. Die neue, die zweite Trasse, hat das Reich der Mirapuden eingerichtet, nachdem seine Raketensalven einen sechs Milliarden Urmeilen langen Tunnel durch den weißen Gaurosauron gebohrt hatten.
Der nördliche Eingang zum Tunnel ist so zu finden: Man folgt sieben elektrische Paternoster lang dem Kurs von der letzten Großen Sonne direkt zum Pol. Dann biegt man nach links ab in einen kleinen Stollen, bis die Feuerwand, das heißt die Flanke des Gaurosauron, aufgetaucht ist, worin die Tunnelöffnung als schwarzer Punkt im weißen Flammenmeer zu sehen ist. Von hier nun geht man stracks geradeaus, ohne etwas befürchten zu müssen, denn es können acht Schiffe Bord an Bord nebeneinander durch den Tunnel fahren; und es gibt keinen schöneren Anblick als den, der sich dann durch die Bordscheiben bietet. Meistens ist es ein Feuerregen; wenn die Sterninnereien aber von magnetischen Stürmen bewegt werden, die in einer Entfernung von einer oder zwei Milliarden Meilen tosen, sind große Feuerknoten und glühende Feuerarterien mit weiß flammenden Gerinnseln zu sehen, wenn jedoch der Sturm oder ein Taifun von der Stärke sieben naht, dann zittern die Gewölbe, als ob der weiße Teig der Glut einstürzen müßte, doch ist das nur Schein, denn er fliegt und stürzt nicht ein, er flammt, verbrennt aber nicht, da die Streben der starken Felder ihn halten. Sieht man aber, wie die Protuberanzfülle anschwillt und die langblitzigen Quellen, Höllenböller genannt, wüten und nahen, ist es gut, das Steuerrad fester zu packen, denn dann tut größte Steuergewandtheit not, und es ziemt sich, nicht auf die Landkarte, sondern auf die Eingeweide der Sonne zu blicken, denn es legt niemand diesen Weg zweimal auf die gleiche Weise zurück. Der mit dem Degen in den Gaurosauron gestochene Tunnel windet sich, schlängelt sich dahin und zittert wie eine Schlange unter Schlägen; deshalb hat man die Augen offenzuhalten, darf sich vom rettenden Eis nie trennen, das die Helmkappen mit durchsichtigen Zapfen umrankt, und muß aufmerksam die entgegenjagenden Brandwände beobachten, die prasselnde Zungen vorstrecken, und sich auf nichts außer auf den eigenen Scharfsinn verlassen, wenn man den feuergepeitschten und von Sonnenglut bespienen Schiffspanzer zischen hört. Zugleich aber muß man beachten, daß nicht jede Feuerbewegung und nicht jede Schrumpfung des Tunnels gleich ein Zeichen für das Beben des Sterns bedeutet, auch nicht der weiße Einbruch der Glutozeane; der erfahrene Schiffsmann wird daher, wenn er sich das eingeprägt hat, nicht gleich beim geringsten Anlaß 'zu den Pumpen' rufen, um nicht zu seiner Schande von den Erfahreneren zu hören, er habe mit einem Tropfen kühlenden Ammoniaks das ewige Feuer des Gestirns löschen wollen. Dem Fragenden, der wissen will, was er zu tun habe, wenn ein echtes Sternbeben über das Schiff hereinbricht, wird jeder Vakuumexperte sofort entgegnen, daß es dann genüge, zu seufzen, denn für größere Todesvorbereitungen bleibe ohnehin keine Zeit, die Augen aber könne man dann offen— oder geschlossen halten, ganz nach Belieben, das Feuer werde sie ja sowieso durchbohren. Jedoch gehört solch ein Mißgeschick zu den seltensten, denn die von den Mirapudanern eingesetzten Verklammerungsklammern halten die Gewölbe recht gut, und eine Direktreise durch das Sterninnere zwischen den biegsam blitzenden Spiegeln des Gaurosauronwasserstoffs kann durchaus zauberhaft sein. Nicht umsonst wird berichtet, daß derjenige, der den Tunnel betreten habe, ihn bald wieder verlassen werde, was man von der Kirowwüste nicht gerade behaupten könne. Wenn aber einmal in einem Jahrhundert der Tunnel von einem Beben demoliert wird, gibt es keinen anderen Weg außer diesem. Die Wüste ist schwärzer als die Nacht, denn das Licht der Sterne aus der näheren Umgebung wagt nicht, in sie zu dringen. Dort rasseln wie in einem Mörser die Wracks jener Schiffe, die durch den hinterhältigen Gaurosauron vom Kurs abgekommen und in der Umarmung der bodenlosen Strudel geborsten waren, um so bis zur letzten galaktischen Umdrehung zu kreisen, schauderhaft plattge drückt von der Gravitation. Östlich von der Kirowwüste liegt das Reich der Schlüpfrigkiefrigen, im Westen das der Armäugigen, und nach Süden verlaufen die Wege, die dicht durchsetzt sind von Todesackern hin bis zu der leichteren Sphäre der himmelblauen Lasurea und weiter zum flammenblättrigen Murgund, wo der Archipel eisenfreier Sterne blutet, der als Karosse des Alzaron bezeichnet wird. Wie gesagt, die Wüste ist ebenso voller Schwarz wie die Sonnenpassage des Gaurosauron voller Weiß. Nicht alle Not rührt dort von den Strudeln her, vom Sand, von den Strömungen, die aus der Höhe herab ziehen und von rasenden Meteoren; von manchen wird nämlich behauptet, daß ein Ding oder auch ein Unding, genannt der Unbekannte, an einem unbekannten Ort sitze, in trüber Finsternis, seit alters in unfaßbarer Tiefe; wer seinen wahren Namen kennenlernen will, indem er ihm begegnet, wird der Welt nichts mehr offenbaren können, weil er sie nicht mehr sehen wird. Man erzählt sich, der Unbekannte sei ein Räuber und Zauberer gewesen und bewohne eine eigene Burg, errichtet aus schwarzer Gravitation, die Burggräben seien eine ewige Lawine, ihre Mauern das Nichtsein, das vollkommen in seinem Nichts ist, ihre Fenster seien blind, ihre Türen taub; der Unbekannte lauere den Karawanen auf, und wenn ihn großes Verlangen nach Gold und nach Skeletten heraustreibe, blase er schwarzes Pulver auf die Sonnenscheiben, die die Wege weisen; und wenn er sie zum Verlöschen gebracht habe, stürze er, Kobolz schießend, aus dem Nichtsein, umgebe sie mit engen Ringen und verschleppe sie in das Nichts seiner Burg, sorgsam darauf achtend, nicht die kleinste Rubinagraffe fallen zu lassen — so übergenau sei er in all seiner Schrecklichkeit. Danach schwimmen nur besagte Wracks von Nirgendwoher und kreisen in der Wüste, ihnen hinterher fliegen aber noch Schiffsniete, wie Kerne, die der Rachen des ungeheuerlichen Unbekannten ausgespien hat. Seit aber der Gaurosauronsche Tunnel durch die Sklavenarbeit der Raketenscharen der öffentlichen Nutzung übergeben werden konnte und die Raumfahrerei durch diese hellste aller Rinnen vor sich ging, wütet der Unbekannte, seiner Beute beraubt, und erhellt mit der Glut seiner Wut dermaßen die Finsternis der Wüste, daß sein Leib durch die schwarze Mauer der Gravitation hindurchschimmert, wie ein Larvengerüst, das in seiner Bespinnung wie in einem Grab, aber doch phosphorisch modert. Manche Besserwisser behaupten, ihn gebe es gar nicht, und es habe ihn nie gegeben; sie haben gut reden. Es ist nämlich viel schwerer, um die Darstellung der Dinge zu ringen, für die das Wort, in lauer Stille, fern von flammenden Gluten und Wüsteneien entstanden, keine Entsprechung besitzt. Es fällt leicht, das Ungeheuer zu leugnen, schwerer jedoch, dieses zu überwinden und seiner ekelhaften Gier zu entrinnen. Hatte es nicht gar den Murgunder Kybernator mit achtzig Gefolgsleuten auf drei Schiffen verschlungen, so daß von all diesen Magnaten nichts übrigblieb außer ein paar angenagten Klammern, die von Bewohnern der Siedlungen der kleinen Solara gefunden wurden, da die Nebelfleckendrift sie an ihre Gestade geworfen hatte? Hatte es nicht zahllose andere Männer ohne Pardon aufgefressen? So mag denn wenigstens stilles elektrisches Gedenken diesen Unbeerdigten eine Huldigung darbringen, wenn sich schon niemand findet, der sich ritterlich, nach altem Sternumkreisungsgesetz, an jenem Übeltäter räche.“
Dies alles las Trurl einmal in einem vom Alter verblichenen Buch, das er von einem Verkäufer zufällig erworben hatte, und gleich brachte er es zu Klapauzius, um ihm diese Absonderlichkeiten von Anfang bis Ende laut vorzulesen, da sie ihm sehr gefielen.
Klapauzius, der weise Konstrukteur, in Dingen des Kosmos erfahren und in Sonnen und Nebelflecken jeglicher Art beschlagen, lächelte nur, nickte und sagte: „Ich hoffe, du glaubst davon kein Wort.“
„Warum sollte ich nicht glauben?“ rief Trurl empört. „Sieh nur, hier ist sogar eine kunstvoll gemachte Gravüre, die den Unbekannten darstellt, wie er gerade zwei Sonnensegler verspeist und in den Kasematten die Beute birgt. Übrigens, gibt es denn nicht wirklich einen Tunnel in einem Superstern, zugegeben, in einem anderen, dem Beth-el-Geus? Du bist doch wohl in der Kosmographie nicht so unbewandert, daß du das bezweifeln würdest?“
„Hinsichtlich des Kupferstichs: Ich kann dir auf der Stelle einen Drachen mit Augen von je tausend Sonnen zeichnen — wenn dir eine Zeichnung als Wahrheitsbeweis gilt“, sagte Klapauzius. „Und was den Tunnel betrifft, so hat er nur eine Länge von zwei Millionen und nicht von zwei Milliarden Meilen, zweitens ist der Stern nahezu erloschen, und drittens stellt die Fahrt durch den Tunnel nicht die geringste Gefahr dar, was dir sehr wohl bekannt sein dürfte, da du ja dort geflogen bist. Was nun die sogenannte Kirowwüste anbelangt, so ist das in Wirklichkeit einfach eine zehn Kiloparsek breite Masse kosmischen Mülls, die zwischen Maerydia und Tetrarchidis kreist und nicht in der Nähe irgendwelcher Feuerköpfe oder Gaurosaurier, die es überhaupt nicht gibt. Es stimmt zwar, daß es dort finster ist, aber nur von dem vielen Schmutz. Einen Unbekannten gibt es selbstverständlich dort nicht! Das ist nicht einmal ehrbarer antiker Mythos, sondern Phantasterei eines Wirrkopfs.“
Trurl preßte die Lippen zusammen.
„Der Tunnel ist nicht wichtig“, sagte er. „Du meinst, er sei ungefährlich, weil ich dort geflogen bin; wärst du es gewesen, würde man ganz andere Sachen zu hören bekommen. Aber lassen wir einmal den Tunnel, meine ich. Was die Wüste und den Unbekannten betrifft, so liegt mir nichts an einem Überzeugen durch Wortargumente. Fahr hin, dann wirst du sehen, was daran wahr ist“ — hier ergriff er das dicke Buch, das auf dem Tisch lag — „und was nicht.“
Klapauzius versuchte ihm diese Absicht, so gut er konnte, auszureden, als er jedoch eingesehen hatte, daß Trurl, hartnäckig wie immer, nicht im geringsten daran dachte, auf eine so eigenartig begonnene Expedition zu verzichten, erklärte er zunächst, er wolle ihn nicht mehr sehen, bald jedoch begann auch er sich für den Weg zu rüsten, denn er wollte nicht, daß sein Freund allein ums Leben käme — zu zweit blickt man dem Tod mutiger ins Auge.
Nachdem er sich mit vielerlei Dingen ausgerüstet hatte, weil der Weg durch Wüsteneien führen sollte (wenn diese auch nicht so malerisch waren, wie sie das Buch schilderte), brachen sie mit ihrem bewährten Raumschiff auf. Während der Reise machten sie hier und da halt, um Erkundigungen einzuziehen, vor allem, als sie das Gebiet verlassen hatten, über das sie genaue Angaben besaßen. Jedoch war von den Einheimischen nicht viel zu erfahren, da sie nur über ihre nähere Umgebung sachlich zu berichten wußten, darüber aber, was sich dort befand und was sich ereignete, wo sie selbst nie gewesen, erzählten sie die unglaublichsten Dinge, und zwar in allen Einzelheiten, mit Behagen und mit Entsetzen zugleich. Klapauzius hatte eine kurze Bezeichnung für solche Berichte, er nannte sie korrosiv, auf jene Korrosion und Sklerose anspielend, von der alle Greisenhirne geplagt werden.
Als sie sich nun der schwarzen Küste bis auf fünf oder sechs Millionen Feueratemzüge genähert hatten, kamen ihnen Gerüchte über einen gewalttätigen Riesen zu Ohren, der sich Diploj-Sbirre nannte; dabei hatte ihn nie einer gesehen, und man konnte sich auch nicht erklären, was das sonderbare Wort „Diploj“, mit dem dieses Gebilde bezeichnet wurde, zu bedeuten habe. Trurl dachte, es könnte vielleicht der entstellte Terminus „Dipol“ sein, was von der polaren und zugleich widersprüchlichen, ambivalenten Natur des Räubers zeuge, Klapauzius dagegen, der von beiden der Nüchternere war, zog es vor, sich jeglicher Hypothese zu enthalten. Offenbar — so verlautete es — sei jener Räuber grausam und jähzornig, was sich darin äußere, daß er, nachdem er seine Opfer aller Dinge beraubt habe, immer noch unzufrieden durch seinen schrecklichen Geiz, weil es ihm in seiner Gier niemand recht machen konnte, sehr lange und schmerzhaft zuzuschlagen pflege, bevor er jemanden freilasse. Die Konstrukteure überlegten eine Weile, ob sie sich nicht mit einer Feuer— oder Stichwaffe ausrüsten sollten, hevor sie den schwarzen Rand der Wüste überschritten, doch schließlich erkannten sie, daß ihre Köpfe die beste Waffe seien, geschärft bei der Konstruktion, weitreichend und universell, und so fuhren sie, wie sie da standen.
Es muß eingeräumt werden, daß Trurl im Verlaufe der weiteren Reise recht bittere Enttäuschungen erlebte, denn in dem alten Buch waren die Sternballungen, die Flammenherde, die öden Wüsteneien, die Meteorenriffs und die wandernden Felsen viel schöner geschildert, als sie sich dem Auge des Reisenden in Wirklichkeit darboten. Die wenigen Sterne in dieser Gegend waren ganz unansehnlich und obendrein alt; die einen blinzelten kaum, wie in Asche glimmende Kohlestückchen, die anderen waren an der Oberfläche bereits vollends nachgedunkelt, und nur durch die Risse ihrer schlampig gefalteten Rinde aus Schlacke glommen rote Äderchen; flammende Dschungel oder heimliche Strudel gab es hier gar nicht, auch hatte niemand je etwas davon gehört. Die ganze Wüstenei zeichnete sich nämlich dadurch aus, daß sie todlangweilig war; was nun die Meteore betraf, so gab es sie wie Sand am Meer, jedoch flog in diesem klappernden Gerümpel mehr Schmutz mit als anständige magnetische Magnetite oder tektische Tektite, und das, weil man von hier mit der Hand zum galaktischen Pol reichen konnte und die Rotation der finsteren Strömungen gerade hierher, nach Süden, Unmengen von Abfällen und Staub aus den zentralen Sphären der Galaxis zog. Daher nannten die benachbarten Stämme und Völkerschaften dieses Gebiet nicht Kirowwüste, sondern einfach nur: Müll— haufen.
So steuerte Trurl also, bemüht, seine Enttäuschung vor Klapauzius so gut wie möglich zu verbergen, das Raumschiff in die Wüste — und gleich schlug Sand gegen seine Panzerung, und all der Sternenunrat, den die Sonnen mit ihren Protuberanzen ausspien, ließ sich mit so dicker Schicht auf den Wänden des Rumpfes nieder, daß beim Gedanken an eine künftige Säuberung die Lust an allem, hauptsächlich aber an einer Reise, gründlich verging.
Die Sterne waren lange schon im allgemeinen Dämmer verschwunden, und so flogen die beiden aufs Geratewohl, doch plötzlich wurde das Schiff erschüttert, so daß alle Gerätschaften, Töpfe und Instrumente rasselten, und sie spürten, daß sie irgendwohin flogen, und das immer schneller, schließlich krachte es entsetzlich, das Schiff setzte ziemlich weich auf und erstarrte in schrägem Neigungswinkel, als habe sich seine Spitze in etwas Unbewegliches gebohrt. Sie stürzten zu den Fenstern, draußen jedoch herrschte völlige Finsternis — nichts war zu sehen. Schon hörte man es rattern, ein Unbekannter von entsetzlicher Kraft war dabei, gewaltsam in das Innere einzudringen, daß die Wände nur so hüpften. Jetzt erst hatten sie nur mehr geringes Vertrauen in ihre vernünftige Wehrlosigkeit, aber hinterher war es nutzlos zu klagen, also machten sie selbst die Klappe von innen auf, jedoch nur, damit man sie ihnen nicht mit Gewalt zuschanden machte.
Was erblickten sie? Jemand steckte sein Maul durch die Luke. Es war so groß, daß keine Rede davon sein konnte, er könnte auch seinen Körper durchstecken; dieses Maul war unheimlich abstoßend, war von oben bis unten, längs und quer, mit Augen besetzt und hatte eine Nase wie eine Säge sowie Kiefer oder auch Nichtkiefer, die hakenförmig und stählern waren. Es rührte sich nicht, da es die Luke vollends ausfüllte, und nur seine Augen linsten diebisch nach allen Seiten, dergestalt, daß jedes Grüppchen von ihnen einen anderen Teil der Umgebung erfaßte, und sie hatten einen Ausdruck, als wollten sie abschätzen, ob das Gesehene ehrlich lohnte; selbst ein Dümmerer als unsere Konstrukteure hätten begriffen, was dieses Ausschauen bedeutete, da es außerordentlich eindeutig war.
„Was ist?“ sagte schließlich Trurl, den dieses unverschämte Beäugen, das sich in aller Stille abspielte, wütend machte. „Was willst du, gräßliche Fratze? Ich bin der Konstrukteur Trurl, der allgemeine Omnipotentiator, und dies ist mein Freund Klapauzius, ebenfalls eine Berühmtheit und eine große Leuchte, und wir sind mit unserem Raumschiff rein touristisch geflogen, also bitte ich darum, daß das Gesicht sofort verschwindet und wir aus diesem finsteren Ort, der sicherlich voll Unrat ist, hinausgeführt werden, damit wir wieder in ein anständiges reines Vakuum gelangen, widrigenfalls sehen wir uns genötigt, eine Beschwerde einzureichen, und dann wird man dich, den Mülltonnenwühler, in deine Bestandteile zerlegen — hörst du, was ich sage?!“
Jener erwiderte nichts — linste weiter umher und schien etwas zu berechnen. Stellte er Kalkulationen an — oder wie?
„Hör mal, du aufgeblähte Mißgeburt“, rief Trurl, der jetzt auf nichts mehr Rücksicht nahm, obwohl Klapauzius ihn zur Mäßigung in die Rippen knuffte, „wir haben weder Gold noch Silber und auch keine Juwelen, laß uns also gleich von hier fort, nimm vor allem aber dein großes Maul weg, denn es ist unsäglich abstoßend. Und du“, hier wandte er sich an Klapauzius, „du hör auf, mich zu knuffen, damit ich mich mäßige, ich habe meinen eigenen Verstand und weiß, wie mit wem zu reden ist!“ „Ich verlange nicht nur Gold und Silber“, versetzte plötzlich das Maul und wandte tausend feurige Augen auf Trurl, „und zu reden hat man mit mir zartfühlend und mit Hochachtung, denn ich bin ein Räuber mit Diplom, bin gebildet und nervös von Natur. Ich hatte schon andere bei mir als euch und habe nachgeprüft, soviel ich wollte — und wenn ich alles bei euch zusammenschweiße, dann sickert auch aus euch Süßigkeit. Ich heiße Mäuler, messe dreißig Arschin in jede Richtung und raube tatsächlich Kostbarkeiten, aber in einer wissenschaftlich modernen Weise, das heißt: Ich entwende wertvolle Geheimnisse, Schätze der Wissenschaft, authentische Wahrheiten, überhaupt jede Information von Wert. Aber nun her damit, los, sonst pfeife ich! Ich zähle bis fünf — eins, zwei, drei…“
Er zählte bis fünf, und da sie ihm nichts gaben, pfiff er tatsächlich, daß ihnen beinahe die Ohren abgefallen wären. Klapauzius aber begriff, daß dieses „Diploj“, von dem die Eingeborenen mit Angst erzählt hatten, eben jenes Diplom war, das der Räuber offenbar an einer Akademie für Räuberwesen erworben hatte. Trurl mußte sich mit den Händen an den Kopf fassen, denn Mäuler besaß eine Stimme, die seinem Wuchs angemessen war.
„Gar nichts bekommst du von uns!“ rief er, indes Klapauzius nach Watte rannte. „Und du nimmst auf der Stelle das Maul weg!“
„Wenn ich das Maul wegnehme, stecke ich die Hand 'rein“, erwiderte Mäuler. „Und die ist klaftergroß, zangenartig und schwer, daß Gott behüte! Achtung — ich beginne!“ In der Tat: Die Watte, die Klapauzius brachte, erwies sich als unnötig, denn das Maul verschwand, und eine knorrige, stählerne, dreckige, schaufelfingrige Pranke erschien; gleich fing sie an zu wühlen, zerbrach Tische und Schränke und Hindernisse, daß die Bleche nur so kreischten. Trurl und Klapauzius flohen vor der Pranke in die Atomsäule, und sobald sich nur ein Finger näherte, bekam er von oben eins verpaßt: bauz! Schließlich ärgerte sich der diplomierte Räuber, steckte erneut das Maul durch die Luke und versetzte: „Ich rate euch im guten, einigt euch mit mir, denn sonst lege ich euch für später beiseite, in die Tiefe meiner Vorratsgrube, schütte euch mit Schmutz zu und drücke euch mit Steinen fest, daß ihr euch nicht rühren könnt und euch der Rost vollends auffrißt; ich bin schon mit anderen fertig geworden; ihr könnt wählen!“
Trurl verwarf jeden Gedanken an Verhandlungen, aber Klapauzius war anderen Sinnes und fragte, was sich der Diplomand denn eigentlich wünsche.
„Die Rede höre ich gern“, versetzte dieser hierauf. „Ich sammle Schätze des Wissens, denn dies ist das Hobby meines Lebens, das sich aus der Hochschulbildung und der praktischen Einsicht in das Wesen der Dinge ergibt, zumal es hier für gewöhnlich Schätze, nach denen einfältige Räuber gieren, nicht zu kaufen gibt; Wissen hingegen sättigt den Hunger nach Erkenntnis, außerdem ist bekannt, daß alles Existierende Information ist; ich sammle sie also seit Jahrhunderten und werde es auch weiterhin tun; natürlich habe ich auch nichts dagegen, Gold oder Juwelen zu kassieren, denn das ist schön, erfreut das Auge und kann aufgehängt werden, aber ich tue es nur nebenbei, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Ich mache darauf aufmerksam, daß ich Prügelstrafe für falsche Wahrheiten anwende, ebenso für falsche Metalle, denn ich bin ein Schöngeist und lechze nach Authentizität!“
„Und was wäre das für eine authentische und wertvolle Information, nach der es dich verlangt?“ fragte Klapauzius.
„Jede, vorausgesetzt, daß sie wahr ist!“ erwiderte jener.
„Jede kann in einer Lebenslage von Nutzen sein. Meine Keller und Verliese sind ziemlich voll, aber es geht noch einmal soviel hinein. Erzählt, was ihr wißt und was ihr könnt, ich schreibe es mir auf. Aber schnell!“
„Da haben wir uns eine schöne Sache eingebrockt“, flüsterte Klapauzius Trurl ins Ohr, „der kann uns ein ganzes Jahrhundert hier festhalten, ehe wir ihm alles gesagt haben, was wir wissen, unsere Weisheit ist ungeheuer!“
„Warte“, versetzte hierauf Trurl, „laß mich mit ihm verhandeln.“ Und laut sagte er: „Hör zu, du diplomierter Räuber. Was das Gold anbelangt, so besitzen wir Informationen, die mehr als alle anderen wert sind, es besteht eine Methode, wie man Gold aus Atomen gewinnt; sagen wir es gleich: aus Wasserstoffatomen, denn ihrer gibt es im Kosmos ohne Zahl — willst du dieses Rezept, dann sind wir uns einig, hinterher läßt du uns frei.“
„Ich habe schon eine ganze Kiste mit solchen Rezepten“, erwiderte das Maul und glotzte zornig aus seinen Augen. „Alle taugen sie nichts. Ich lasse mich nicht mehr betrügen — erst muß die Gebrauchsanweisung ausprobiert werden.“
„Warum nicht? Das ist möglich. Hast du einen Topf?“
„Nein.“
„Macht nichts, es wird auch ohne Topf gehen, Hauptsache, es dauert nicht lange“, entgegnete Trurl. „Das Rezept ist einfach: so viele Atome Wasserstoff, wie ein Atom Gold wiegt, also siebenundachtzig; dann die Wasserstoffatome von den Elektronen säubern, dann die Protonen rühren, den Kernteig durchkneten, bis Mesonen auftauchen, und rings um alles hübsch mit Elektronen besetzen. Dann hast du reines Gold. Sieh her!“
Trurl begann Atome zu fangen, schälte die Elektronen heraus, mischte die Protonen, daß man seine Finger in der Eile gar nicht sah, knetete den Protonenteig, zog Elektronenkreise ringsherum, dann verfuhr er ebenso mit dem nächsten Atom; kaum waren fünf Minuten vergangen, da hielt er bereits einen Klumpen echten Goldes in den Händen, reichte ihn dem Maul, dieses biß an, nickte und sagte: „Na schön, Gold ist das ja, aber ich schaffe es nicht, den Atomen so schnell hinterherzulaufen. Ich bin zu groß.“
„Macht nichts, du bekommst dafür einen geeigneten kleinen Apparat!“ lockte Trurl. „Denk nur, auf diese Weise läß sich alles in Gold umwandeln, nicht nur der Wasserstoff, wir geben dir auch noch Rezepte für andere Atome; der ganze Kosmos läßt sich in Gold umwandeln, wenn man sich bloß ein bißchen anstrengt!“
„Wäre er ganz aus Gold, so verlöre er jeden Wert“, versetzte hierauf der praktische Mäuler. „Nein, eure Vorschrift nützt mir nichts: das heißt, gewiß, aufgeschrieben habe ich sie, aber das genügt nicht! Ich lechze nach Schätzen der Wissenschaft!“
„Was willst du dann, Teufel noch mal?“
„Alles!“
Trurl sah Klapauzius an, Klapauzius den Trurl, und dieser sprach wie folgt: „Wenn du einen großen Schwur tust und schwörst, daß du uns dann gleich freiläßt, geben wir dir die Information über die Allinformation, das heißt, wir bauen dir eigenhändig einen Dämon Zweiter Ordnung, welcher magisch, thermodynamisch, unsklavisch und statistisch ist und dir aus einem alten Faß oder auch nur aus einem Niesen Informationen über alles extrahieren und sammeln wird, was war, was ist, was sein kann und was sein wird. Es gibt keinen Dämon über diesen Dämon, denn er ist Zweiter Ordnung, wenn du ihn also willst, dann rede gleich!“
Der Diplomräuber war mißtrauisch und ging nicht gleich auf die Bedingungen ein, zu guter Letzt legte er den Schwur ab, jedoch mit der Einschränkung, daß erst der Dämon entstehen und seine allinformatorische Macht beweisen müsse. Trurl nahm die Bedingungen an.
„Paß nun auf, Großmäuliger!“ sagte er. „Hast du irgend wo Luft bei dir? Ohne Luft kann der Dämon nämlich nicht arbeiten.“
„Etwas wird wohl dasein“, sagte Mäuler, „aber ganz rein ist sie nicht, sie ist abgestanden.“
„Schadet nichts, sie kann sogar faulig sein, das hat keine Bedeutung“, sagten die Konstrukteure. „Führe uns dorthin, wo die Luft ist, und wir zeigen dir alles!“
Er ließ sie also aus dem Raumschiff, indem er sein Maul wegrückte, und sie folgten ihm, während er sie zu sich führte — Beine hatte er wie Türme, einen Rücken wie einen Abgrund, und sein ganzer Körper war seit Jahrhunderten ungewaschen und ungeölt, er knirschte also geradezu unsäglich. Sie folgten ihm in die Kellergänge; auf dem Wege lagen verschimmelte Säcke herum, in denen der Geizhals die geraubten Informationen hielt, gebündelt und in Packen geordnet, mit Schnüren umwunden, und alles Wichtigere und Wertvollere war mit Rotstift unterstrichen. Und an der Wand des Verlieses hing ein riesiger Katalog, mit einer von Rost zerfressenen Kette an den Felsen geschmiedet. Darin waren alle möglichen Fächer — bei A war der Anfang. Trurl sah sich das an und ging weiter — ein dumpfes Echo antwortete, er verzog das Gesicht, ebenso Klapauzius, denn obschon alles voll war von geraubten authentischen kostbaren Informationen, befanden sich doch überall, wohin sich das Auge wandte, Gerümpelhöhlen und Schmutzkeller. Alles war voll Luft, aber die war ganz stickig. Sie blieben stehen und Trurl sagte: „Gib acht! Die Luft besteht aus Atomen, diese Atome springen nach allen Seiten und prallen milliardenmal in der Sekunde in jedem Kubikmikromillimeter zusammen, und das ist eben das Gas, weil sie so ewig hüpfen und miteinander anstoßen. Aber wenn sie auch so blindlings und rein zufällig springen, so gibt es davon doch in jeder Ritze Milliarden über Milliarden; infolge dieser hohen Anzahl bilden sich aus jenen Sprüngen und Schwüngen unter anderem auch durch reinen Zufall verursachte sinnvolle Konfigurationen… Weißt du denn, du Kamel, was das ist, so eine Konfiguration?“
„Keine Beleidigung, bitte!“ entgegnete Mäuler. „Ich bin nämlich kein einfacher ungehobelter Räuber, sondern ein feinsinniger, einer mit Diplom, und ich bin deshalb sehr nervös.“
„Gut. Aus diesen atomaren Sprüngen entstehen also gewichtige, das heißt sinnvolle Konfigurationen, etwa so, wie wenn du, ohne zu zielen, gegen eine Mauer schössest und die Treffer einen Buchstaben bildeten. Was im großen Maßstab selten und wenig wahrscheinlich ist, das ist im Atomgas alltäglich und stetig, eben wegen jener Billionen Zusammenstöße in jedem hunderttausendstel Teilchen einer Sekunde. Das Problem stellt sich nun folgendermaßen dar: In jeder Prise Luft formen sich durch das atomare Gezappel und Gehampel gewichtige Wahrheiten und bedeutsame Sentenzen, aber gleichzeitig entstehen dort ganz und gar sinnlose Sprünge und Abpraller; und von den letzteren gibt es tausendfach mehr als von jenen. Obschon man auch früher wußte, daß vor deiner Sägenase in jedem Milligramm Luft innerhalb des Bruchstücks einer Sekunde Fragmente jener Poeme entstehen, die erst nach einer Million von Jahren geschrieben werden, auch Teile verschiedener herrlicher Wahrheiten sowie die Lösungen sämtlicher Rätsel des Daseins und seiner Geheimnisse, so gab es noch Verfahren, diese Information vollends zu isolieren, um so mehr, als die Atome, die mit den Köpfen zusammenstoßen und sich zu einem Inhalt ordnen, gleich wieder auseinanderfliegen, und mit ihnen zerfällt auch dieser, vielleicht für immer. Der ganze Witz liegt also darin, daß man einen Selektor baut, der all das auswählt, was in dem Hin und Her der Atome sinnvoll ist. Das ist die Idee des Dämons Zweiter Ordnung, hast du davon etwas begriffen, du großer Mäuler? Es geht, bedenke, darum, daß der Dämon mir die wahre Information aus den atomaren Tänzen extrahiert, das heißt die mathematischen Theoreme und die Modejournale, die Muster und die Geschichtschroniken, die Rezepte für den Ionenkuchen und die Verfahren zum Stopfen und Waschen von Asbestpanzern und die Gedichte und die wissenschaftlichen Ratschläge und die Almanache und die Kalender und die geheimen Nachrichten darüber, wann sich etwas ereignet hat, und all das, was die Zeitungen im ganzen Kosmos schrieben und noch schreiben, und die Telefonbücher, die noch nicht gedruckt sind…“
„Genug! Genug!!!“ rief der Mäuler. „Halt ein! Was nützt es, wenn sich diese Atome so fügen, wenn sie gleich wieder auseinanderfliegen, ich glaube auch nicht, daß man unschätzbare Wahrheiten von allerlei Gehampel und Gehüpfe isolieren kann, das keinen Sinn hat und niemand frommt!“
„Du bist ja wirklich weniger dumm, als ich angenommen habe“, sagte Trurl, „die Schwierigkeit besteht wirklich nur darin, wie man diese Selektion in Gang setzen soll. Und ich habe gar nicht die Absicht, dich von ihrer Möglichkeit theoretisch zu überzeugen, sondern ich werde, wie versprochen, gleich hier, auf der Stelle, den Dämon Zweiter Ordnung bauen, damit du dich mit eigenen Augen von der wunderbaren Vollkommenheit dieses Allinformators über zeugen kannst! Du brauchst mir nichts weiter als eine Schachtel oder eine Kiste zu geben; sie kann klein sein, aber sie muß dicht halten; wir machen darin mit einer Nadelspitze ein kleines Loch und setzen über diese Öffnung den Dämon; er wird breitbeinig darauf sitzen und nur sinnvolle Informationen aus dem Kasten herauslassen, sonst nichts. Wenn sich nämlich irgendein Häufchen Atome zufällig so zusammenfügt, daß es etwas bedeutet, dann packt sie der Dämon gleich am Kragen und schreibt diese Bedeutung auf einen Papierstreifen, von dem ich einen ganzen Haufen bereitschaffen muß, denn er wird Tag und Nacht arbeiten — bis der Kosmos aufgehört hat, nicht früher… Und das hundertmilliardenmal pro Sekunde, du wirst es gleich selbst erleben; so nämlich arbeitet der Dämon Zweiter Ordnung.“
Mit diesen Worten begab sich Trurl zum Raumschiff, um den Dämon anzufertigen; Mäuler fragte indes den Klapauzius: „Und wie ist der Dämon Erster Ordnung beschaffen?“
„Ach, der ist weniger interessant, ein gewöhnlicher thermodynamischer Dämon, der nur soviel kann, daß er die schnellen Atome durch die Öffnung läßt und die langsamen nicht; auf diese Weise entsteht dann ein thermodynamisches Perpetuum mobile. Mit Information hat das jedenfalls nichts zu tun, schaff also lieber das Gefäß mit dem Loch herbei, Trurl ist nämlich gleich wieder da!“
Der diplomierte Räuber begab sich in einen zweiten Keller, polterte dort mit den Blechen, fluchte und wetterte, türmte Eisengerümpel auf, wühlte darin herum, bis er schließlich ein leeres altes Eisenfaß hervorkramte, ein kleines Loch darein bohrte und damit zurückkehrte, und da nahte auch schon Trurl, den Dämon in der Hand.
Das Faß war voll Luft, die so faulig war, daß die Nase geradezu abfallen wollte, wenn man sie an die Öffnung hielt, aber dem Dämon machte das nichts aus; Trurl setzte dieses winzige Etwas mit gespreizten Beinen über dem kleinen Loch aufs Faß, brachte eine große Trommel mit Papierband an und führte dieses unter den Brillantschreiber, der vor Lust zitterte, und das Klopfen begann — tak — tak, tak — tak, wie in einem Telegraphenamt, aber eine Million Mal schneller. Das kleine Schreibzeug mit dem winzigen Brillanten an der Spitze zitterte und vibrierte nur so, und das Informationsband glitt langsam mit dem Text auf den sehr schmutzigen, über die Maßen verdreckten Kellerfußboden.
Der Räuber Mäuler hockte sich neben das Faß, hielt das Papierband an seine hundert Augen und las ab, was der Dämon da als Informationssieb aus dem ewigen atomaren Gehüpfe herausfischte; und die wichtigen Inhalte fesselten ihn gleich dermaßen, daß er gar nicht merkte, wie die beiden Konstrukteure um so rascher den Keller verließen, ihr Schiff an den Steuervorrichtungen packten, einmal, zweimal, dreimal daran zerrten, bis sie es aus der Falle gezogen hatten, in die es der Räuber gestoßen hatte, hineinsprangen und so sehnell davonrasten, wie sie nur konnten; denn obwohl sie wußten, daß ihr Dämon tätig war, argwöhnten sie, daß die Ergebnisse dieser Wirkung Mäuler mit größerem Reichtum ausstatten würden, als es wünschenswert war. Dieser aber saß ans Faß gelehnt und las beim Piepsen des Brillantschreibers, mit dem der Dämon auf dem Papierband alles niederschrieb, was er von den zitternden Atomen erfuhr, darüber, wie sich die arlebardischen Gliederfüßler gliedern und daß die Tochter des Königs Petricius aus Labaudien Garbunda hieß, und was Friedrich II., der König der Blasser, zum Zweiten Frühstück aß, als er den Guendolinern den Krieg erklärte, und wie viele Elektronenhüllen ein Termionoliumatom besäße, wenn ein solches Element möglich wäre, und wie groß die Abmessungen des hinteren Lochs des kleinen Vogels sind, welcher Krugelhahn heißt und von den Lockschwänigen Marleien auf Ramphoren gemalt wird, ebenso über die drei polyaromatischen Geschmacksarten des ozeanischen Schwamms auf Aquatien und über das Blümchen Wiedehopf, das vor Rührung über die Morgenröte mit allem Ungestüm die altmälfischen Jäger zum alten Eisen legte, auch darüber, wie man die Formel für den Kosinus des Winkels der Basis des Vielecks, Ikoseder genannt, deduziert und wer der Juwelier des Falucius, jenes linkshändigen Schlächters der Buwanten, war und wie viele philatelistische Schriften im Jahre siebzigtausend auf Markonautien erscheinen werden und wo sich die kleine Leiche der Schönfersigen Kybricja befinde, die ein gewisser Malkonder im trunkenen Zustand mit einem Nagel durchbohrte, auch wodurch sich ein Kritiker von einem Haarspalter unterscheide, desgleichen, wer im Kosmos die kleinste Längsjätedecke besitze und warum drachenhintrige Flöhe kein Moos essen wollen, worin das Spiel „Herunterziehen des Hinteren Baluciers“ bestehe und wie viele Samenkörner von Löwenkraut sich in dem Häufchen befanden, das Burkan der Blättrige mit dem Fuß anstieß, als er beim achten Kilometer der Chaussee nach Albazia im Tal der Greisen Seufzer ausrutschte — und nach und nach wurde er fuchsteufelswild, denn ihm schwante, daß er all diese gänzlich echten und über die Maßen sinnvollen Informationen überhaupt nicht brauchte, denn sie waren wie Kraut und Rüben, wovon einem der Kopf platzen wollte und die Füße zitterten.
Der Dämon Zweiter Ordnung arbeitete mit einer Geschwindigkeit von dreihundert Millionen Informationen in der Sekunde, der Papierstreifen ringelte sich bereits meilenweit und bedeckte nach und nach den diplomierten Räuber mit seinen Schleifen, es war, als würde er in weiße Spinnweben eingesponnen, und der kleine Brillant des Schreibers zitterte wie rasend, und der Räuber glaubte, er werde nun gleich unerhörte Dinge erfahren, solche, die ihm die Augen auf das Wesen des Seins öffnen würden, also las er alles, was unter dem kleinen Brillanten hervorsprudelte, und das waren Trinklieder der Kwaidonesen, die Größen der Nachtpantoffeln mit Troddeln auf dem Kontinent Gonduana, die Dicke der Haare, die auf der Kupferstirn des Euerburger Tausendfüßlers wachsen, und die Breite der Fontanellen bei den Futtersäuglingen und die sechs Methoden, eine Grießsuppe zu kochen, und wirksames Gift für Tanten und die Art, wie man bis zur Übelkeit kitzelt, und alle Namen auf M der Einwohner von Finsterangstglauba und die Beschreibungen des vom Schimmel befallenen Bieres… Ihm wurde von alledem dunkel vor Augen, und er brüllte laut los, denn er hatte es satt, doch hatte ihn bereits die Information mit dreihunderttausend Papiermeilen umwickelt und gefesselt, so daß er sich nicht mehr rühren konnte und weiterlesen mußte, darüber, welchen Anfang des zweiten „Dschungelbuches“ Rudyard Kipling geschrieben hätte, wenn ihn damals Bauchschmerzen geplagt hätten, und woran ein von Ehelosigkeit geplagter Walfisch denkt, welcher Art das Liebeswerben der weißen Fliegenpilze sei, wie man einen alten Sack stopfe, was Amüsierschoten sind, warum man Schmied und Schneider und nicht Schneid und Schmieder sage, wie viele blaue Flecke man auf einmal haben könne, dann folgte eine Reihe von Merkmalen zur Unterscheidung von Trillern und Aprikosen: die ersten seien kahl, die anderen hätten Härchen, ferner welches die Reime zu dem Wort „Kohl“ seien und mit welchen Worten Papst Ulm von Pendera den Antipapst Mulma beleidigt habe und wer eine Kammbläse besitze. Hier nun vermochte er in äußerster Verzweiflung, sich aus dem Papiergewirr zu befreien, bald jedoch verließen ihn die Kräfte; er stieß die Papierstreifen zurück, zerriß sie und warf sie beiseite, aber er hatte viel zu viele Augen, als daß nicht wenigstens durch einige ein paar neue Informationen drangen, also erfuhr er gezwungenermaßen, welches die Kompetenzen eines Nachtwächters in Indochina sind und weshalb die Nadojderer aus Flutorsien stets behaupten, sie seien verweht worden. Doch da schloß er die Augen und erstarrte, erdrückt von der Informationslawine, der Dämon indes wickelte ihn weiter in die Papierstreifen ein und strafte somit auf entsetzlichste Weise den diplomierten Räuber Mäuler für seine maßlose Gier nach jedwedem Wissen.
So hockt jener Mäuler bis auf den heutigen Tag auf dem Grunde seiner Müllhaufen und Schutthalden, bedeckt mit Bergen von Papier, im Halbdämmer des Kellers aber zittert und vibriert der winzige Brillantschreiber und notiert alles, was der Dämon Zweiter Ordnung aus den atomaren Tänzen der Luft, die durch das kleine Loch im alten Faß strömt, herausfischt; und so erfährt der unglückselige Mäuler, genötigt durch die Streifenflut der Information, von den Pompons und von den Karakons und von seinem eigenen Abenteuer, das auf diesen Seiten ebenfalls geschildert wurde, wo es sich auf irgendeinem Kilometer des Papierstreifen befindet — auch noch andere Geschichten und Prophezeiungen der Geschichte aller Wesen bis zum Verlöschen der Sterne; und es gibt für ihn keine Rettung, denn so streng haben ihn die Konstrukteure für seinen räuberischen Überfall bestraft — es sei denn, daß schließlich das Band wegen Papiermangels zu Ende geht.