„Ich begreife einfach nicht, wozu du den anderen Sklaven brauchst“, meinte Narsisi unwillig. „Daß du die Frau und ein eigenes Zimmer haben wolltest, finde ich ganz natürlich. Mein Vater hat auch sofort die Erlaubnis erteilt. Aber er hat ausdrücklich gesagt, daß meine Brüder und ich dir helfen sollen damit die Geheimnisse der Maschine keinem Fremden bekannt werden.“
„Dann kannst du gleich zu ihm gehen und die Erlaubnis holen, daß der Sklave Mikah mir bei der Arbeit hilft. Er stammt aus dem gleichen Land wie ich und kennt eure Geheimnisse längst. Wenn dein Vater mit dieser Erklärung nicht zufrieden ist, sagst du ihm, daß ich eine Fachkraft brauche, die meine Anweisungen genau ausführt. Du und deine Brüder haben zu viele eigene Ideen, wie alles gemacht werden muß, und außerdem seid ihr mir zu rasch mit dem Hammer bei der Hand, wenn einmal etwas nicht gleich nach Wunsch geht.“
Narsisi verzog das Gesicht und verschwand, während Jason sich vor den Ölofen kauerte und den nächsten Schritt überlegte. Die Sklaven hatten fast den ganzen Tag dazu gebraucht die Maschine auf Baumstämmen, die als Rollen dienten, weit in die Wüste hinauszuschieben; ein Experiment, bei dem Giftgas freiwerden konnte, durfte nur im Freien unternommen werden. Selbst Edipon hatte sich schließlich davon überzeugen lassen, aber auf seinen Befehl hin war eine Absperrung aus aufgehängten Fellen entstanden, die zum Glück auch den Wind abhielt.
Nach längeren Diskussionen kam ein Schmied, nahm Jason die schweren Fesseln an den Handgelenken ab und ersetzte sie durch leichte Fußeisen. Jason konnte damit zwar nicht rasch gehen, aber immerhin waren seine Arme frei. Das war eine wesentliche Verbesserung, obwohl einer der Brüder ihn ständig mit gespannter Armbrust bewachte. Jetzt brauchte er vor allem einige Werkzeuge und mußte sich davon überzeugen, wie hoch die Technik hier entwickelt war, was wieder einen Kampf um die ängstlich gehüteten Geheimnisse bedeutete.
„Komm“, rief er seinem Wächter zu, „ich muß Edipon ein bißchen ärgern.“
Die ursprüngliche Begeisterung des Führers der d’zertanoj war unterdessen verflogen und hatte einer mürrischen Stimmung Platz gemacht.
„Du hast ein eigenes Zimmer“, knurrte er Jason an, „und das Sklavenmädchen, das für dich kocht. Eben erst habe ich befohlen, daß der andere Sklave dir bei der Arbeit hilft. Jetzt willst du schon wieder etwas — soll ich denn völlig ausbluten?“
„Nur keine Übertreibungen. Ich möchte nur einige Werkzeuge und muß die Werkstatt sehen, in der ihr arbeitet. Wenn ich nicht weiß, wie ihr mechanische Probleme löst, kann ich den Teufelskasten in der Wüste nicht reparieren.“
„Der Eintritt ist verboten.“
„Heute sind schon einige Regeln durchbrochen worden, deshalb kann es auf eine mehr nicht ankommen. Gehst du voraus?“
Die Wächter schlossen das Raffineriegebäude offenbar nur ungern für Jason auf, denn sie brauchten ungewöhnlich lange, bis sie alle Schlösser geöffnet und sämtliche Riegel beiseite geschoben hatten. Eine Anzahl ältlicher d’zertanoj quoll ans Tageslicht und verwickelte Edipon in eine lautstarke Diskussion, bis er schließlich seinen Willen durchsetzte. Jason wurde schwer bewacht in das Innere des Gebäudes geführt, wo ihn keine besonderen Überraschungen erwarteten.
„Ziemlich primitiv“, stellte Jason fest und versetzte einem Kasten voller Werkzeuge einen geübten Fußtritt. Die gesamte Destillieranlage leckte an allen Ecken und Enden, weil sämtliche Rohrverbindungen undicht waren. Die Werkzeuge bestanden hauptsächlich aus einfachsten Zangen, Hämmern und Schraubenschlüsseln. Jason freute sich allerdings, als er eine Art Drehbank entdeckte, auf der die massiven Muttern und Schrauben hergestellt wurden, mit denen die Räder an den caroj befestigt wurden. Die Maschine wurde selbstverständlich durch einen Riemen angetrieben, der die Sklavenkraft auf ein Wechselgetriebe übertrug.
Alles hätte schlimmer sein können. Jason suchte sich die kleinsten Werkzeuge zusammen und legte sie beiseite, um sie am folgenden Morgen bei der Hand zu haben. Es war unterdessen so dunkel geworden, daß an Arbeit nicht mehr zu denken war.
Sie verließen die Raffinerie in der gleichen Ordnung, in der sie gekommen waren. Zwei der Wächter führten Jason zu der Kammer, die ihm angewiesen worden war. Nachdem der schwere Riegel eingerastet war, kniff Jason die Augen zusammen und versuchte den Dunst der Öllampe zu durchdringen.
Ijale hockte vor dem winzigen Ölherd und kochte etwas in einem Tongefäß. Sie sah kurz auf, lächelte Jason zögernd zu und wandte sich sofort wieder um. Jason ging zu ihr hinüber, roch an dem Gekochten und schüttelte sich.
„Ein Festessen! Krenoj als Suppe. Vermutlich gibt es nachher frische krenoj und am Schluß krenoj als Salat. Ab morgen werde ich für etwas Abwechslung sorgen, sonst halte ich es nicht mehr lange aus.“
„Ch’aka ist groß“, flüsterte Ijale, ohne dabei aufzusehen. „Ch’aka ist mächtig…“
„Ich heiße übrigens Jason. Den vorherigen Job habe ich verloren, als ich die Uniform ausziehen mußte.“
„… Jason ist mächtig und verzaubert die d’zertanoj, damit sie tun, was er will. Sein Sklave dankt dir.“
Er hob ihr Kinn zu sich empor und ärgerte sich über die dumpfe Ergebenheit, die in ihren Augen stand. „Wann hörst du endlich damit auf? Wir sitzen gemeinsam in der Patsche und werden auch gemeinsam wieder herauskommen.“
„Wir werden entkommen, ich weiß es. Du wirst die d’zertanoj umbringen und deine Sklaven befreien. Dann wirst du uns nach Hause zurückführen, wo wir wieder krenoj suchen und diesen schrecklichen Ort vergessen können.“
„Manche Mädchen sind eben mit wenig zufrieden… Ich hatte mir ziemlich genau den gleichen Ablauf vorgestellt — allerdings mit einer Ausnahme. Wenn wir von hier fliehen, möchte ich nichts mehr mit den anderen zu tun haben, deshalb werden wir in die entgegengesetzte Richtung verschwinden.“
Ijale hörte aufmerksam zu, wobei sie mit einer Hand die Suppe umrührte, während sie sich mit der anderen kratzte. Jason mußte sich ebenfalls kratzen und überlegte dabei, daß er etwas gegen die Läuse tun mußte, bevor sie ihn vollends auffraßen.
„Genug ist genug!“ rief er plötzlich, ging an die Tür und schlug mit der Faust dagegen. „Wir sind hier zwar unter die Wilden geraten, aber trotzdem sehe ich nicht ein, weshalb wir gleich so verkommen müssen.“ Draußen wurde der Riegel zurückgeschoben, dann steckte Narsisi den Kopf durch die Tür.
„Warum schreist du so? Was paßt dir denn schon wieder nicht?“
„Ich brauche Wasser, viel Wasser.“
„Du hast doch genügend Wasser“, meinte Narsisi erstaunt und wies auf den Steinkrug in der Ecke. „Das reicht für mindestens drei Tage.“
„Vielleicht für deine Ansprüche, Nars, aber nicht für meine. Ich möchte mindestens zehnmal soviel und will es sofort. Und etwas Seife, falls es die hier überhaupt gibt.“
Narsisi wollte nicht recht, aber Jason überzeugte ihn schließlich, indem er von religiösen Riten sprach, die unerläßlich seien, wenn er morgen gute Arbeit leisten solle. Das Wasser wurde in vier großen Gefäßen gebracht, während die flüssige Seife nur ein flache Schale füllte.
„Jetzt fängt der Spaß an“, verkündete Jason. „Zieh dich aus, Ijale — ich habe eine Überraschung für dich.“
„Ja, Jason“, antwortete das Mädchen, lächelte glücklich und legte sich auf das niedrige Bett.
„Nein! Du sollst ein Bad nehmen. Weißt du nicht, was ein Bad ist?“
„Nein“, sagte Ijale zitternd. „Aber es klingt nicht schön.“
„Hierher und herunter mit den Fellen“, befahl Jason und zeigte auf ein Loch im Fußboden. „Das scheint der Abfluß zu sein — jedenfalls fließt das Wasser ab, wenn man welches hineinschüttet.“
Jason wärmte das Wasser auf dem Herd, aber Ijale drückte sich trotzdem zitternd gegen die Wand, als er es ihr über den Kopf schüttete. Sie kreischte auf, als Jason ihr die Haare einseifte, aber er hielt ihr den Mund zu und ließ sich nicht aufhalten. Dann wusch er sich selbst die Haare und war so damit beschäftigt, daß er nicht hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Erst Mikahs heisere Stimme lenkte ihn von seiner erfreulichen Tätigkeit ab. Mikah stand mit erhobenem Zeigefinger in der Tür, während Narsisi die eigenartigen religiösen Riten des Fremden mit Interesse betrachtete.
„Abscheulich!“ rief Mikah anklagend. „Du zwingst dieses arme Wesen, dir zu Willen zu sein! Du ergötzt dich an dem Anblick ihres Körpers, obwohl ihr nicht durch den Bund der Ehe vereint seid.“ Er hielt sich schützend die Hand vor die Augen. „Du bist bis ins Mark hinein verdorben, Jason, und mußt deine gerechte Strafe finden…“
„Hinaus!“ brüllte Jason, drehte Mikah um und versetzte ihm einen der gewaltigen Tritte, die er während seiner Amtszeit als Ch’aka geübt hatte. „Hier ist gar nichts verdorben — nur deine Gedanken, du kleiner Stinker! Ich verschaffe dem Mädchen das erste Bad ihres Lebens, und du müßtest mir einen Orden dafür geben, daß ich den Wilden die Grundbegriffe der Hygiene beibringe. Aber statt dessen kreischst du hier herum, als hätte ich einen Mord begangen.“
Er stieß die beiden Männer zur Tür hinaus und rief Narsisi nach: „Ich brauche diesen Sklaven — aber nicht ausgerechnet jetzt! Sperrt ihn bis morgen früh ein und bringt ihn dann wieder her.“ Dann knallte er die Tür zu und nahm sich vor, so bald wie möglich einen Riegel an der Innenseite anzubringen.
Ijale zitterte vor Kälte, und Jason gab ihr ein sauberes Stück Fell, damit sie sich abtrocknen konnte. Sauber gewaschen wirkte sie geradezu hübsch, aber Jason dachte an Mikahs Anschuldigungen und wandte sich entschlossen ab. Nach dem Bad war er in bester Stimmung und pfiff leise vor sich hin, während er die scheußliche Suppe in den Ausguß schüttete, weil sie genügend rohe krenoj hatten, um satt zu werden. Dann löschte er das Licht und wickelte sich in die Schlaffelle. Er überlegte eben, was er am folgenden Morgen tun mußte, als eine warme Hand seine berührte und sämtliche technischen Überlegungen über den Haufen warf.
„Hier bin ich“, sagte Ijale leise.
„Ja“, antwortete Jason und räusperte sich, weil seine Stimme ihm nicht recht gehorchen wollte. „Aber das war eigentlich nicht der Grund für das Bad…“
„Du bist nicht zu alt. Was ist sonst daran schuld?“
„Ich möchte deine Notlage nicht ausnützen, verstehst du…“ Jason schwieg unsicher.
„Was soll das heißen? Du gehörst doch nicht zu denen, die keine Mädchen mögen!“ Ijale begann zu schluchzen.
Jason seufzte und streichelte tröstend ihre Schulter, bis das Mädchen eingeschlafen war.
Zum Frühstück gab es wieder nur krenoj, aber Jason fühlte sich zu wohl, um sich darüber aufzuregen. Er war sauber gewaschen und trug den frisch gewaschenen pyrranischen Schutzanzug. Ijale hatte sich von den Nachwirkungen des Bades noch immer nicht ganz erholt, aber mit der sauberen Haut und den gewaschenen Haaren wirkte sie tatsächlich hübsch. Jason überlegte, daß er ihr irgendwie andere Kleider verschaffen mußte, damit sie nicht wieder auf die schmutzigen Felle angewiesen war, die sie bisher getragen hatte.
Jasons fröhliche Stimmung hielt selbst dann noch an, als er zu seinem Arbeitsplatz begleitet wurde und dort Mikah vorfand, der ärgerlich mit seinen Ketten rasselte. Jason lächelte ihn fröhlich an und freute sich, als der andere ein mürrisches Gesicht zog.
„Für den hier ebenfalls Fußeisen“, befahl Jason. „So schnell wie möglich. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns.“ Er wandte sich der Maschine zu und rieb sich die Hände.
Das Gehäuse bestand aus dünnem Blech, das nicht viele Geheimnisse verbergen konnte. Jason kratzte die Farbe an den Ecken ab, aber dort waren nur einige Lötstellen sichtbar. Er untersuchte das Gehäuse sorgfältig und war schließlich davon überzeugt, daß seine erste Vermutung richtig gewesen war — es war doppelwandig und mit einer Flüssigkeit gefüllt. Wenn man die Wandung zerstörte, war man ein toter Mann. Das Gehäuse sollte nur die eigentliche Maschine verbergen und erfüllte keinen anderen Zweck. Und doch mußte es sich öffnen lassen, wenn die Dampfmaschine repariert werden sollte — oder etwa doch nicht? Es bedeckte fünf Seiten, aber wie stand es mit dem Boden?
„Jetzt denkst du allmählich, Jason“, sagte er zu sich selbst, als er sich auf die Knie niederließ, um den Boden zu untersuchen. Das Gehäuse schien auf die Grundplatte gelötet zu sein, aber zusätzlich mußten noch andere Befestigungsmittel vorhanden sein, denn es bewegte sich nicht, als Jason das Lötzinn abkratzte. Deshalb mußte die Antwort auf der Unterseite zu finden sein.
„Hierher, Mikah!“ rief er. Der andere verließ widerwillig den wärmenden Ofen und kam heran. „Komm her und sieh dir dieses mittelalterliche Monstrum an, während wir sprechen, damit die anderen keinen Verdacht schöpfen. Willst du mit mir zusammenarbeiten?“
„Ich will nicht, Jason. Ich habe Angst, daß du mich durch deine Berührung beschmutzen wirst, wie du es schon bei anderen getan hast.“
„Na, sehr sauber bist du selbst nicht…“
„Ich spreche nicht von körperlicher Sauberkeit.“
„Aber ich. Du könntest ein Bad und eine Kopfwäsche gut gebrauchen. Deine Seelenverfassung interessiert mich nicht; damit kannst du dich selbst beschäftigen. Aber wenn du mir hilfst, werde ich eine Möglichkeit finden, in die Stadt zu fliehen, aus der diese Maschine kommt. Wenn es überhaupt einen Weg gibt, diesen Planeten zu verlassen, dann finden wir ihn in der Stadt.“
„Das weiß ich, aber ich zögere trotzdem.“
„Kleine Opfer zur rechten Zeit, dann kommt später die große Belohnung. Hast du die ganze Reise nicht deshalb unternommen, weil du mich der strafenden Gerechtigkeit zuführen wolltest? Das wird dir kaum gelingen, wenn du hier als Sklave verkommst.“
„Deine Argumente sind teuflisch — aber du hast recht. Ich werde dir helfen, damit wir fliehen können.“
„Ausgezeichnet. Dann können wir gleich anfangen. Du ziehst jetzt mit Narsisi los und besorgst mindestens drei kräftige Balken von der Art wie die, an denen die Ketten der Sklaven befestigt sind. Dann läßt du sie herbringen und nimmst ein paar Schaufeln mit.“
Die Sklaven durften die Balken nur bis an die Sichtblende schaffen, denn Edipon hatte ihnen den Zutritt streng untersagt, so daß Jason und Mikah die Balken selbst bis zu der Maschine zerren mußten. Die d’zertanoj, die nie körperliche Arbeit verrichteten, lachten nur, als Jason ihnen vorschlug, sie sollten mithelfen. Mikah und Jason rammten die Balken unter dem Gehäuse hindurch und hoben dann gemeinsam das Erdreich darunter aus, bis die Maschine nur noch auf den Balken über einer Grube ruhte. Dann kroch Jason in das Loch und untersuchte die Unterseite des Gehäuses. Sie war völlig glatt.
Als Jason auch hier systematisch die Farbe wegkratzte, entdeckte er, daß die Bodenplatte nur an einigen Stellen befestigt war. Er entfernte das Lötzinn mit der Messerspitze und nickte anerkennend. „Gar nicht dumm, diese Appsalaner“, murmelte er vor sich hin. Nachdem er die Bodenplatte an einer Seite freigelegt hatte, zog er vorsichtig daran und vergewisserte sich dabei, daß nichts damit verbunden war. Die Platte löste sich und polterte in die Grube. Die darunterliegende Fläche bestand aus glattem Metall.
„Für heute reicht es“, stellte Jason fest, als er aus der Grube kletterte und sich die Hände abwischte. Draußen war es schon fast dunkel. „Bevor wir mehr unternehmen, müssen wir gründlich nachdenken. Bisher haben wir Glück gehabt, aber so leicht kann die Sache wirklich nicht sein. Hoffentlich hast du deinen Koffer mitgebracht, Mikah, weil du ab heute bei mir einziehst.“
„Niemals! Diese Lasterhöhle…“
Jason sah ihn überlegen lächelnd an. „Du ziehst sofort ein, weil sonst unser Fluchtplan gefährdet ist. Und wenn du nicht mehr von meinen schwachen Punkten sprichst, erwähne ich deine auch nicht mehr. Los, komm mit.“
Das Leben mit Mikah Samon war nicht leicht. Mikah bestand darauf, daß Jason und Ijale ihm den Rücken zukehrten und sich bestimmt nicht umsahen, während er hinter einigen Fellen badete, die er aufgehängt hatte. Sie erfüllten seinen Wunsch, aber Jason revanchierte sich, indem er Ijale zum Lachen brachte, so daß Mikah annehmen mußte, sie lachten über ihn. Die Felle blieben hängen, denn Mikah richtete sich hinter ihnen zum Schlafen ein.
Am folgenden Morgen beschäftigte Jason sich wieder mit der Bodenplatte des Gehäuses, während die Wächter ihm angsterfüllt zusahen. Er hatte sich nachts eine Theorie zurechtgelegt, die er gleich in die Tat umsetzen wollte. Das Metall am Boden des Gehäuses war nicht so weich wie das Lötzinn, enthielt aber offensichtlich viel Blei. Was mochte sich dahinter verbergen? Jason zog in regelmäßigen Abständen tiefe Furchen in die Legierung, wozu er sein Messer benutzte. Nur an zwei Stellen stieß er auf Widerstand; beide lagen gleichweit von den Seiten und Enden des Gehäuses entfernt. Als Jason dort das Metall abschabte, fand er zwei merkwürdig geformte Bauteile, die fast zwanzig Zentimeter Durchmesser haben mußten.
„Mikah, komm herunter und sieh dir diese Dinger an. Was sind sie deiner Meinung nach?“
Mikah fuhr sich mit der Hand durch den Bart und runzelte die Stirn. „Sie sind noch nicht ganz freigelegt. Ich weiß nicht bestimmt…“
„Ich will nicht wissen, was du sicher weißt — du sollst mir nur sagen, woran sie dich erinnern.“
„Hm — natürlich an große Muttern, die auf noch größeren Schrauben sitzen. Aber sie sind so riesig, daß ich…“
„Das müssen sie auch sein, wenn sie das gesamte Gehäuse auf der Bodenplatte halten sollen. Ich glaube, daß wir das Geheimnis der Maschine bald enträtselt haben werden — deshalb müssen wir jetzt besonders vorsichtig sein. Ich kann einfach nicht glauben, daß die Lösung so einfach sein soll. Zunächst muß ich eine Schablone der Mutter aus Holz schnitzen, nach der ich einen Schraubenschlüssel anfertigen lassen kann. Während ich in der Werkstatt zu tun habe, bleibst du hier und entfernst das Metall von der Mutter und den Gewindegängen der Schraube. Wir haben noch einige Zeit, aber früher oder später müssen wir doch einmal an der Mutter herumdrehen. Und das Senfgas ist nicht so leicht zu vergessen.“
Die Herstellung des entsprechenden Schraubenschlüssels erwies sich als so schwierig, daß schließlich sämtliche in der Raffinerie beschäftigten d’zertanoj sich darüber fast in die Haare gerieten. Einer von ihnen war ein leidlicher Schmied; er richtete ein kurzes Gebet an die Götter und schob eine Eisenstange in die Holzkohle, während Jason den Blasebalg bediente, bis das Eisen weißglühend geworden war. Unter zahlreichen Hammerschlägen und Flüchen entstand schließlich ein Maulschlüssel, dessen Kröpfung ausreichte, um die versenkten Muttern zu erreichen. Jason überzeugte sich davon, daß die Maulweite etwas geringer als das auf der Schablone angegebene Maß war. Dann nahm er das Werkzeug mit zu seinem Arbeitsplatz hinaus, feilte noch etwas daran herum und härtete es.
Edipon mußte erfahren haben, wie die Arbeit fortschritt, denn er wartete in der Nähe der Maschine, als Jason mit dem Schraubenschlüssel zurückkam.
„Ich bin in der Grube gewesen“, kündigte er an, „und habe die Muttern gesehen, die in Metall verborgen waren.
Wer hätte das vermutet! Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie man ein Metall in einem anderen verstecken kann. Wie geht das vor sich?“
„Ganz einfach. Der Maschinenständer wurde in eine Gußform gestellt, die mit flüssigem Metall gefüllt wurde. Es muß einen wesentlich niedrigeren Schmelzpunkt als der Stahl der Maschine haben, damit kein Schaden entsteht. In der Stadt wissen die Menschen eben mehr von der Metallurgie. Außerdem haben sie vermutlich mit eurer Unwissenheit gerechnet.“
„Unwissenheit! Du beleidigst…“
„Ich nehme alles zurück. Die Kerle in der Stadt wollten euch hereinlegen, aber da sie es nicht geschafft haben, sind offensichtlich sie die Dummen. Bist du jetzt zufrieden?“
„Was hast du nun vor?“
„Ich löse die Muttern. Vermutlich läßt sich dann das Gehäuse ohne weiteres abnehmen.“
„Das ist zu gefährlich für dich. Vielleicht warten dort noch andere Gefahren. Ich werde einen starken Sklaven schicken, der die Muttern löst, während wir aus sicherer Entfernung zusehen. Sein Tod spielt keine Rolle.“
„Es freut mich, daß du so um meine Gesundheit besorgt bist, aber leider kann ich das freundliche Angebot nicht annehmen. Ich habe mir über das gleiche Thema Gedanken gemacht und bin zu dem Schluß gekommen, daß niemand mir diese Arbeit abnehmen kann. Irgendwie ist die Sache zu einfach, deshalb erweckt sie mein Mißtrauen. Ich werde die Muttern selbst lösen und dabei sehr vorsichtig sein — aber das kann nur ich allein. Deshalb schlage ich vor, daß du dich mit den Truppen an einen sicheren Ort zurückziehst.“
Der Vorschlag wurde sofort in die Tat umgesetzt, so daß Jason schon wenige Minuten später allein neben der Maschine stand. Er spuckte sich in die Hände, unterdrückte ein leichtes Zittern und stieg in die Grube hinab. Der Schraubenschlüssel paßte gut über die Mutter; Jason faßte ihn mit beiden Händen an, stemmte sich mit einem Bein gegen die Wand der Grube und begann zu drehen.
Und hielt sofort wieder inne. Mikah hatte in mühseliger Arbeit drei Gewindegänge der Schraube freigelegt, die unterhalb der Mutter hervorragten. Irgendwie wirkten sie verdächtig, obwohl Jason im Augenblick nicht hätte sagen können, was seinen Verdacht erregt hatte. Aber Vorsicht war auch hier der bessere Teil der Weisheit.
„Mikah!“ rief er, mußte aber noch zweimal rufen, bevor sein Assistent sich blicken ließ. „Mikah, du rennst jetzt in die Werkstatt und holst mir eine Schraube mit der dazugehörigen Mutter — die Größe spielt kein Rolle, jede ist recht.“
Jason wärmte sich die Hände an dem Ofen, bis Mikah zurückkam und die ölige Schraube brachte, um sofort wieder zu verschwinden. Dann kletterte er wieder in die Grube, verglich beide Schrauben miteinander und stieß einen leisen Pfiff aus. Das Gewinde der Schrauben an der Maschine war linksgängig geschnitten.
Auf allen Planeten hatten sich bestimmte Veränderungen durchgesetzt, aber etwas hatten sie alle gemeinsam — die Rechtsgewinde. Jason hatte noch nie darüber nachgedacht, aber jetzt fiel ihm diese Gemeinsamkeit auf, als er über seine Erfahrungen auf verschiedenen Planeten nachdachte. Schrauben wurden für Holzverbindungen gebraucht, Bolzen paßten in Gewindebohrungen, und Muttern paßten auf Schraubenbolzen, wenn sie im Uhrzeigersinn gedreht wurden. Jede entgegengesetzte Drehung löste sie. Auch die Schrauben und Muttern der d’zertanoj machten keine Ausnahme von dieser Regel. Aber die Muttern an der Maschine waren anders konstruiert — sie mußten im Uhrzeigersinn gedreht werden, wenn man sie lösen wollte.
Jason ließ die Schraube fallen, griff nach dem Schraubenschlüssel und setzte ihn an. Dann begann er in die Richtung zu drehen, die ihm eigentlich falsch erschien. Die Mutter löste sich langsam von der Schraube, bis sie mit dem unteren Ende des Bolzens abschloß. Dann ließ sie sich leichter drehen und fiel schon kurze Zeit später in die Grube. Jason warf den Schraubenschlüssel hinterher und kletterte rasch aus der Grube. Dann blieb er stehen und sog vorsichtig die Luft ein, um bei dem geringsten Anzeichen von Gas fliehen zu können. Er roch nichts.
Die zweite Mutter ließ sich ebenso leicht lösen und schien ebenfalls harmlos. Jason steckte einen scharfen Meißel an die Stelle zwischen das Gehäuse und die Grundplatte, wo er das Lötzinn entfernt hatte. Als er den Meißel nach unten drückte, bewegte sich das Gehäuse leicht und wurde nur noch von seinem eigenen Gewicht unten gehalten.
Jason kletterte aus der Grube und winkte den anderen zu, die in sicherer Entfernung hockten. „Kommt zurück — die Arbeit ist schon fast getan.“
Die Männer stiegen nacheinander in die Grube hinab, bestaunten die riesigen Schraubenbolzen und nickten beifällig mit dem Kopf, als Jason den Meißel nach unten drückte, um zu beweisen, daß das Gehäuse sich bewegen ließ.
„Jetzt müssen wir es nur noch abnehmen“, erklärte Jason Edipon. „Ich bin allerdings davon überzeugt, daß wir gar nicht vorsichtig genug sein können, bis wir endgültig wissen welchen Zweck das Linksgewinde erfüllen sollte. Deshalb werden wir das Gehäuse nicht einfach abheben, sondern ein anderes Verfahren anwenden. Gibt es hier große Eisblöcke, Edipon? Jetzt ist es doch Winter, nicht wahr?“
„Eis? Winter?“ murmelte Edipon, der sich nicht so rasch auf das neue Thema umstellen konnte. Er rieb sich die Nasenspitze. „Natürlich ist jetzt Winter. Eis… die Bergseen müssen jetzt zugefroren sein; das sind sie um diese Jahreszeit immer. Aber wozu brauchst du Eis?“
„Wenn ich es habe, zeige ich es dir. Ich brauche Blöcke, die ich aufstapeln kann. Dann wird nämlich nicht das Gehäuse abgehoben, sondern die Maschine abgesenkt!“
Als die Sklaven das Eis herbeischleppten, hatte Jason bereits eine massive Balkenkonstruktion um das Gehäuse herum errichtet. Von allen Seiten ragten Keile in den Spalt zwischen Bodenplatte und Gehäuse, die es tragen würden, wenn die Maschine nach unten sank. Jason stapelte die Eisblöcke unter der Maschine auf und zog dann die Stützbalken heraus. Wenn das Eis schmolz, mußte die Maschine langsam in die Grube herabsinken.
Aber das Wetter blieb kalt, so daß die Eisblöcke erst zu schmelzen begannen, als Jason einige Ölöfen am Rande der Grube aufstellen ließ. Nun verbreiterte sich der Spalt zwischen Gehäuse und Bodenplatte allmählich, aber der Vorgang nahm fast zwei Tage in Anspruch. Mikah und Jason überwachten ihn, und als die d’zertanoj am Morgen des nächsten Tages zurückkehrten, stand die Maschine in einer Wasserlache am Boden der Grube. Das Gehäuse war leer.
„Die Maschinenbauer in Appsala sind nicht dumm, aber diesmal haben sie sich verrechnet“, sagte Jason und rieb sich müde die rotgeränderten Augen. „Siehst du den Glasbehälter über der Maschine, Edipon?“ Er wies auf einen Glasballon, der mit einer grünlichen Flüssigkeit gefüllt und mit gepolsterten Klammern befestigt war. „Das war die Falle. Die beiden Schrauben waren mit einer Stange verbunden, die den Behälter zerdrückt hätte, wenn ich die Muttern aus Versehen angezogen statt gelockert hätte. Dreimal darfst du raten, was dann passiert wäre!“
„Das Giftgas…“
„Genau. Und das doppelwandige Gehäuse ist ebenfalls damit gefüllt. Ich schlage vor, daß du beides — den Glasbehälter und das Gehäuse — irgendwo in der Wüste vergraben läßt. Wahrscheinlich ist jetzt nichts mehr zu befürchten, aber ich werde trotzdem vorsichtig weiterarbeiten.“
„Kannst du sie reparieren? Weißt du, was ihr fehlt?“ Edipon zitterte vor Freude.
„Nicht so hastig. Ich habe mir das Ding noch gar nicht richtig angesehen, bin aber trotzdem überzeugt, daß die Reparatur ebenso leicht ist, als wollte ich krenoj von einem Blinden stehlen. Die Maschine ist so primitiv und unwirtschaftlich wie eure Raffinerie. Wenn ihr ein Zehntel der Energie, die ihr für eure Geheimniskrämerei aufwendet, für Forschung und Weiterentwicklung nutzbar machen würdet, könntet ihr alle in Düsenflugzeugen durch die Gegend rasen.“
„Ich vergebe dir deine Beleidigungen, weil du uns einen großen Dienst erwiesen hast. Du wirst die Dampfmaschinen reparieren!“
Jason gähnte ungeniert. „Für mich bricht erst einmal eine Nacht an. Ich muß den verlorenen Schlaf nachholen. Sieh zu, ob du deine Söhne dazu überreden kannst, das Wasser auszuschöpfen, bevor die Maschine völlig verrostet. Wenn ich ausgeschlafen habe, werde ich mich mit dem Monstrum befassen.“