15

„Das werden sie noch bereuen — oh, das wird sie noch teuer zu stehen kommen!“ knurrte der Hertug. Er nahm einen Schluck Kognak, den Jason ihm angeboten hatte, und rieb sich die Nase, die heute noch röter als gewöhnlich war.

„Dann sind wir einer Meinung, denn so ähnlich hatte ich mir die Sache auch gedacht“, sagte Jason. Er lehnte sich in die Kissen zurück und betastete sein verwundetes Bein, das er mit ausgekochten Leinenstreifen verbunden hatte. Dann wandte er sich wieder seinen Plänen zu. „Am besten fangen wir den Krieg sofort an“, schlug er vor.

Der Hertug blinzelte. „Ist das nicht ein bißchen plötzlich? Ich meine, sind wir denn genügend darauf vorbereitet?“

„Sie haben deine Burg überfallen, deine Soldaten getötet, dein…“

„Tod den Trozelligoj!“ kreischte der Hertug und ließ sein Glas an der Wand zersplittern.

„Das klingt schon besser. Du darfst nicht vergessen, wie heimtückisch sie uns überfallen haben. Außerdem müssen wir den Krieg bald beginnen, sonst haben wir keine Chance mehr. Wenn die Trozelligoj sich schon solche Mühe geben, haben sie wirklich Sorgen. Und dann versuchen sie es vielleicht noch einmal — gemeinsam mit den anderen Clans. Alle haben Angst vor dir, Hertug, deshalb fangen wir lieber unseren Krieg an, bevor die anderen sich zusammenschließen. Jetzt können wir die Clans noch einzeln angreifen und nacheinander besiegen.“

„Aber es wäre doch besser, wenn wir mehr Soldaten hätten. Und ein bißchen mehr Zeit…“

„Uns bleiben noch zwei Tage — dann bin ich mit der Ausrüstung der Invasionsflotte fertig. In diesen zwei Tagen kannst du deine Reserven auf dem Land einberufen. Wir brauchen jeden entbehrlichen Mann, der Waffen tragen kann, wenn wir das Fort der Trozelligoj einnehmen wollen. Und mein Dampfkatapult wird die Arbeit tun.“

„Arbeitet es zufriedenstellend?“

„Ich habe noch keine Versuche damit anstellen können, garantiere aber, daß es funktioniert. Die Erprobung unter Einsatzbedingungen findet am besten dadurch statt, daß wir das Fort der Trozelligoj als Ziel benutzen. Ich arbeite morgen früh bei Tagesanbruch weiter, schlage aber vor, daß du deine Boten schon jetzt ausschickst, damit die Männer rechtzeitig eintreffen. Tod den Trozelligoj!“

„Tod!“ wiederholte der Hertug und verließ mit einem grimmigen Lächeln den Raum.

Jason arbeitete fast ununterbrochen. Wenn er einmal müde war, brauchte er nur an den verräterischen Mikah und die entführte Ijale zu denken, um wieder hellwach zu sein. Er wußte nicht, ob Ijale überhaupt noch lebte; seine Entführungstheorie beruhte auf der Tatsache, daß sie zu seinem Haushalt gehört hatte. Wegen Mikah machte er sich keine Sorgen, sondern wartete nur auf den Augenblick, an dem er ihn von Angesicht zu Angesicht sehen würde.

Da die Dampfmaschine und der Propeller bereits zu Versuchsfahrten auf einem größeren Schiff installiert worden waren, bereitete die weitere Ausrüstung des Schlachtschiffs keine Schwierigkeit mehr. Jason ließ die vorbereiteten Panzerplatten anschrauben und den Bug des Schiffes verstärken. Zuerst hatte er auch das Dampfkatapult an Bord des Schiffes bringen lassen wollen, aber dann entschied er sich doch für eine andere Methode. Das Katapult, der dazugehörige Kessel und die Geschosse wurden auf einen Ponton verladen.

Von allen Seiten kamen Perssonoj zusammen, die vor Wut über den heimtückischen Überfall der Trozelligoj förmlich schäumten. Trotz des Lärms, den sie veranstalteten, schlief Jason in der zweiten Nacht einige Stunden lang und ließ sich bei Tagesanbruch wecken. Die Flotte war bereits versammelt und stach nach einer zündenden Ansprache, die der Hertug hielt, mit Trompetengeschmetter in See.

Voran segelte — oder vielmehr dampfte — das Schlachtschiff Dreamnaught, auf dessen gepanzerter Brücke Jason und der Hertug standen. Dieses Schiff schleppte auch den Ponton mit dem Dampfkatapult. Die gesamte Stadt wußte, daß ein Kampf bevorstand, denn die Kanäle waren verlassen, während die Burg der Trozelligoj verteidigungsbereit war. Als die Schiffe sich noch außerhalb der normalen Pfeilschußweite befanden, gab Jason durch einen schrillen Pfiff mit dem Sicherheitsventil das Haltsignal.

„Warum greifen wir nicht an?“ erkundigte sich der Hertug verwundert.

„Weil wir bereits weit genug heran sind, ohne daß sie uns von den Mauern herab erreichen können. Siehst du?“ Riesige Eisenpfeile versanken dreißig Meter vor den Schiffen harmlos im Wasser.

Jetilo-Pfeile…“ Der Hertug schüttelte sich. „Sie können ein halbes Dutzend Männer auf einmal durchbohren.“

„Diesmal nicht. Ich werde dir zeigen, wie man einen wissenschaftlich einwandfreien Krieg führt.“

Die riesigen Pfeile erwiesen sich als ebenso wirkungslos wie das laute Geschrei der Soldaten auf den Wällen der Festung. Jason kletterte auf den Ponton herab und ließ Anker werfen, nachdem er sich überzeugt hatte, daß das Katapult auf die Burg wies. Während der Dampfdruck anstieg, richtete er den Mauerbrecher ein.

Das Katapult war so einfach wie möglich konstruiert und bestand eigentlich nur aus einem Zylinder, dessen Kolben auf einen Hebel mit unterschiedlich langen Armen wirkte. Wenn der Kolben durch Dampfdruck nach vorn bewegt wurde, bewegte sich der lange Hebelarm, bis er von der gepolsterten Auffangvorrichtung angehalten wurde. In diesem Augenblick flog das Geschoß davon, das in einer Halterung ruhte.

Jason überprüfte die Anlage ein letztesmal, während seine Helfer einen großen Stein in die Halterung legten. Dann trat er wieder an das Abschußventil und hob warnend die Hand. „Alles zurück! Es geht los!“ Er riß den Hebel nach unten.

Der Kolben bewegte sich nach vorn, der lange Arm wurde nach oben gerissen und knallte gegen die Auffangvorrichtung — und der Stein verschwand als immer kleiner werdender Punkt in der Ferne. Die Perssonoj brüllten begeistert Beifall, aber dann schwiegen sie betroffen, als das Geschoß mindestens fünfzig Meter über den Zinnen der feindlichen Festung dahinzischte und irgendwo verschwand. Jetzt klatschten die Trozelligoj ihrerseits höhnisch Beifall.

„Nur ein Probeschuß“, erklärte Jason ungerührt. „Wenn ich die Erhöhung verringere, fällt das Ding mitten in ihren Hof.“

Beim nächsten Schuß riefen nur die Trozelligoj Beifall, denn das Geschoß stieg fast senkrecht in die Höhe und fiel dann mitten in eines der angreifenden Boote, das mitsamt der Mannschaft wie ein Stein unterging.

„Deine Teufelsmaschine gefällt mir nicht recht“, sagte der Hertug. Er war auf den Ponton gekommen, um die Abschüsse zu verfolgen.

„Im praktischen Einsatz gibt es immer solche Probleme“, antwortete Jason leicht betroffen. „Warte nur, bis ich noch einmal geschossen habe.“ Er wollte die komplizierten Flugbahnen doch lieber aufgeben und sich auf einfachere beschränken, denn die Maschine war viel wirkungsvoller, als er gedacht hatte. Nun verringerte er die Erhöhung, bis er sicher war, daß der Stein die Halterung fast parallel zur Wasseroberfläche verlassen würde.

„Erst der dritte Schuß zählt“, sagte er mit einer Überzeugung, die er keineswegs empfand, und drückte den Daumen der linken Hand, während er den Hebel nach unten zog. Diesmal zischte der Stein in gerader Linie davon und prallte knapp unterhalb der Zinnen auf den Wall der Festung. Die Trozelligoj jubelten nicht mehr, als sie sahen, welchen Schaden dieses eine Geschoß angerichtet hatte.

„Sie haben Angst!“ kreischte der Hertug aufgeregt. „Angreifen!“

„Noch nicht“, erklärte Jason ihm geduldig. „Du hast noch nicht begriffen, wozu Belagerungsgeschütze dienen. Wir fügen dem Feind so großen Schaden wie möglich zu, damit er nachher weniger Widerstand leistet.“ Er veränderte die Einstellung geringfügig. „Und wir benutzen andere Munition, damit sie sich nicht zu sicher fühlen.“

Als die Steine bereits große Löcher in die Wälle gerissen hatten, ging Jason zu Brandgeschossen über, die sofort eine Feuersbrunst auslösten. Erst dann unternahmen die verzweifelten Trozelligoj ihren ersten Ausfall. Jason hatte darauf gewartet und reagierte sofort, als das große Tor sich öffnete.

„Feuer einstellen“, befahl er. „Achtet gefälligst auf den Druck im Kessel. Ich bringe jeden Überlebenden um, wenn ihr den Kessel in die Luft fliegen laßt.“ Er sprang in das wartende Boot. „Zum Schlachtschiff!“ wies er die Ruderer an. Das Boot schwankte, als der Hertug ebenfalls in das Boot sprang.

„Der Hertug führt!“ rief er und hätte fast einen der Ruderer enthauptet, als er sein Schwert schwang.

„Einverstanden“, meinte Jason, „aber Vorsicht mit dem Schwert und Kopf nach unten, wenn die Schießerei anfängt.“

Als Jason die Brücke der Dreamnaught erreicht hatte, sah er das größte Schiff der Trozelligoj langsam durch das Tor auf sich zufahren. „Volldampf voraus!“ befahl er durch das Sprachrohr zum Maschinenraum.

Die Schiffe steuerten aufeinander zu, bis Jason plötzlich den Kurs änderte und sich dem Gegner von der Backbordseite näherte. Dann erzitterte das Schiff, als der verstärkte Bug sich in das morsche Holz des anderen bohrte. Das feindliche Schiff wies sofort eine schwere Schlagseite auf und war damit manövrierunfähig, während die Dreamnaught sich mit voller Kraft achteraus entfernte.

Bis Jason sein Schiff wieder in die vorherige Position gebracht hatte, war der Gegner bereits gesunken. „Kurs auf die Überlebenden“, befahl der Hertug, aber Jason überhörte die Aufforderung.

„Hier unten ist Wasser“, sagte ein Mann, der seinen Kopf durch eine Luke steckte. „Es läuft uns über die Füße.“

„Die Nähte haben sich ein wenig geöffnet“, sagte Jason. „Was hast du sonst erwartet. Deshalb habe ich die Pumpen und zehn Sklaven an Bord bringen lassen. Los, an die Arbeit mit ihnen!“

„Heute ist ein großer Tag für uns“, meinte der Hertug strahlend. „Die Kerle bereuen sicher schon, daß sie uns überfallen haben.“

„Sie werden es noch mehr bereuen“, versprach Jason ihm. „Jetzt schießen wir die Festung sturmreif. Wissen deine Leute, was sie zu tun haben?“

„Ich habe sie selbst eingewiesen“, versicherte ihm der Hertug. „Alle warten nur noch auf das Signal. Wann soll ich es geben?“

„Bald. Du bleibst hier auf der Brücke mit der Hand an der Sirene, während ich noch ein paar Schüsse abgebe.“

Jason ließ sich zu dem Ponton rudern und setzte die Beschießung fort. Noch einige Brandbomben, dann wandte er sich dem Tor zu, das den Eingang vom Kanal aus verschloß.

Vier Schüsse genügten, um die massiven Balken zu zerschmettern. Der Weg war frei. Jason warf die Arme in die Höhe und sprang in das Boot. Als die Sirene ertönte, setzten sich die Boote der Perssonoj in Bewegung.

Weil er zu wenig Vertrauen zu den anderen hatte, mußte Jason sämtliche Positionen selbst übernehmen und war also nicht nur Feldherr, Admiral, Kanonier, Richtschütze und Kapitän, sondern auch alles andere, wozu die Perssonoj nicht geeignet waren. Allmählich taten ihm schon die Füße weh, aber er tröstete sich mit dem Gedanken, daß er seinen Teil bereits getan hatte. Der Weg war frei — und der eigentliche Kampf war nicht seine Sache.

Die kleineren Boote, die gerudert werden mußten, hatten bereits einen beträchtlichen Vorsprung, aber die dampfgetriebene Dreamnaught holte sie rasch wieder ein. Die Boote wichen nach beiden Seiten aus, so daß eine Gasse entstand, durch die das Schlachtschiff mit voller Kraft voraus auf die Überreste des Tores zudampfte. Der gepanzerte Bug zersplitterte die restlichen Balken und riß die Flügel aus den Angeln, dann wirbelte die Schraube bereits das Wasser des Hafenbeckens auf. Die Perssonoj stürmten an Land, wo sie von den Trozelligoj erwartet wurden, so daß eine Minute später ein heftiger Kampf im Gange war.

Jason griff nach der Flasche für Notfälle, die er in einer gepolsterten Halterung aufbewahrte, und nahm einen kräftigen Schluck daraus. Dann goß er sich ein Glas voll und beobachtete den Kampf von der sicheren Brücke aus.

Die Schlacht war eigentlich bereits von Anfang an entschieden gewesen. Die Verteidiger waren unterlegen und demoralisiert. Sie konnten nur langsam zurückweichen, als die Perssonoj von allen Seiten in den Hof eindrangen. Bald darauf hatte sich der Kampf in das Innere der Festung verlagert — jetzt mußte Jason seine Aufgabe erfüllen.

Er trank das Glas aus, nahm einen Schild in die linke Hand und griff nach dem Morgenstern, der sich bereits als nützlich erwiesen hatte. Irgendwo hinter diesen Mauern wurde Ijale gefangengehalten, und Jason wollte sie befreien, bevor ihr ein Leid geschah. Er fühlte sich ihr gegenüber verpflichtet, denn schließlich hatte er sie aus ihrem gewohnten Leben herausgerissen. Er sprang ans Ufer.

In der Eingangshalle wurde nicht mehr gekämpft, aber aus den Gängen erschollen überall laute Schreie, mit denen sich die Verteidiger zu verständigen versuchten. Jason überlegte kurz und wich in einen leeren Gang aus, weil er sich mehr davon versprach, wenn er die Verteidiger umging, um hinter ihren Linien weiterzusuchen. Er rannte weiter und stieß fast mit einem unbewaffneten Sklaven zusammen, der vor Angst kein Wort herausbrachte, als Jason ihn nach Ijale fragte.

Lautes Geschrei und klirrende Waffen wiesen ihm schließlich den Weg zu dem großen Saal, in dem noch erbittert gekämpft wurde.

Jason sah eine kleine Gruppe von Männern hinter der Linie der feindlichen Soldaten stehen. Sie waren besser gekleidet und mit Juwelen behangen — also vermutlich Angehörige der herrschenden Familie. Von ihrem erhöhten Standort auf einer Plattform hatten sie einen guten Überblick über das Kampfgeschehen. Einer von ihnen zeigte auf Jason und sprach hastig mit den anderen, die daraufhin zur Seite wichen.

Jason erkannte, daß zwischen ihnen Ijale stand — gefesselt und geknebelt —, und daß einer der Männer ihr sein Schwert auf die Brust gesetzt hatte. Die Bedeutung dieser Szene war klar genug: Jeder Angriff bringt ihr den Tod. Die Trozelligoj schienen zu vermuten, daß Jason dem Mädchen genügend Zuneigung entgegenbrachte, um den Angriff einstellen zu lassen. Sie hatten den Tod vor Augen, deshalb war ihnen jedes Mittel recht.

Jason reagierte mit einem Schrei und stürzte vorwärts. Er wußte, daß es jetzt keinen Kompromiß mehr geben konnte; der Hertug und die Perssonoj waren vernünftigen Argumenten nicht mehr zugängig. Also mußte er Ijale retten!

Die Trozelligoj wurden beiseite geschleudert, als Jason sich zwischen ihre Reihen warf. Er schlug wie ein Wilder mit dem Morgenstern um sich und wehrte die Schwerter ab, die auf ihn niedersausten. Als er die erste Reihe hinter sich hatte, stellte er sich nicht zum Kampf, sondern lief weiter. Hinter ihm griffen die Perssonoj an, um Jasons selbstmörderischen Durchbruch für sich auszunützen.

Auf der Plattform stand noch ein anderer Mann, den Jason erst jetzt erkannte, als er näher herankam. Es war Mikah, der Verräter! Er stand neben Ijale, die ermordet werden würde, weil Jason sie unmöglich rechtzeitig erreichen konnte. Das Schwert senkte sich schon, um ihr Herz zu durchbohren.

Dann sah Jason zu seinem Erstaunen, daß Mikah einen Schritt vortrat, den Mann mit dem Schwert von hinten an den Schultern packte und zu Boden riß. Mehr konnte er nicht sehen, denn in diesem Augenblick wurde er von allen Seiten gleichzeitig angegriffen und mußte sich verzweifelt seiner Haut wehren.

Aber seine Chancen standen zu schlecht — fünf, sechs zu eins —, denn die Angreifer hatten nichts mehr zu verlieren. Andererseits brauchte er nicht zu siegen, wenn er sie nur an dem Mord hindern konnte, bis die Perssonoj heran waren. Sie kamen bereits näher; Jason hörte sie jubeln, als die Verteidiger zurückwichen.

Dann gewannen die Gegner die Oberhand und erdrückten Jason fast. Er schlug einen zu Boden und wandte sich um, weil er von hinten angefallen wurde. Da — der Alte, der Anführer der Trozelligoj… mit blitzenden Augen… das lange Schwert… der Stoß.

„Stirb, Dämon! Stirb, Mörder!“ kreischte der Trozelligo und stieß zu.

Die lange Klinge drang oberhalb des Gürtels in Jasons Körper ein und trat am Rücken wieder aus.

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