8. Kapitel - Vergangenheit

30. November 1998

Stille.

Das war das erste, was sie bewusst registrierte, als sie wieder erwachte: eine betäubende, tödliche Stille, die sich über allem ausgebreitet hatte, so als hielte die ganze Welt den Atem an, und ein rötliches, flackerndes Licht, das von sehr weit herkam und durch ihre geschlossenen Lider drang. Ein leichter Schmerz an der linken Hüfte - wie ein blitzschnelles Schlaglicht erinnerte sie sich, sich einfach zu Boden geworfen zu haben, beide Arme über dem Kopf verschränkt, eine rein instinktive und völlig sinnlose Reaktion. Ein zweites Schlaglicht, fast schon rührend in seiner naiven Hilflosigkeit: ein alter Film aus den fünfziger Jahren, Bilder von Menschen, die sich in den Straßengraben warfen und Aktentaschen über den Kopf hielten, zum Schutz vor der Bombe. Lächerlich.

Wieso lebte sie noch?

Erst jetzt, als wäre diese Frage der Auslöser gewesen, erwachte sie wirklich. Der Schmerz in ihrer Hüfte verblaßte zu einem leisen Pochen, sie spürte, dass sie auf Glassplittern lag und aus einer kleinen Wunde im Gesicht blutete, die aber nicht weh tat. Irgendwo in ihrer Nähe stöhnte jemand.

Vorsichtig öffnete Charity die Augen. Sie war auf alles gefaßt - einen verwüsteten Tower, Flammen, verkohlte Leichen, den brodelnden Feuerpilz einer Bombe am Horizont - aber nichts von alledem war da.

Es war sehr dunkel.

Alle Lichter waren erloschen. Die einzige Helligkeit kam von den Flammen, die irgendwo draußen auf dem Flugfeld tobten und in deren Prasseln sich jetzt immer mehr Schreie und andere Geräusche mischten. Aber keine Zerstörung. Nicht die absolute Verheerung der Bombe.

Unsicher stand sie auf. Sie erinnerte sich nicht, das Bewusstsein verloren zu haben.

Der Sturz konnte es kaum gewesen sein, denn sie war nicht besonders hart aufgeschlagen; vielmehr schien irgend etwas in ihr einfach abgeschaltet zu haben, wie eine völlig überlastete Sicherung.

Das Stöhnen wurde lauter. Sie drehte sich herum, sah ein blasses, blutüberströmtes Gesicht neben sich und erkannte, dass der Mann nicht schwer verletzt war, wohl aber heftig blutete. Ohne einen besonderen Anlaß sah sie auf die Uhr. Die Quarzanzeige war erloschen, aber die Zahl im Datumsfenster war noch weitergesprungen - es musste kurz nach Mitternacht sein. Sie hatten einen weiteren Tag geschenkt bekommen.

Wieso funktionierte die Uhr nicht mehr? Irgendwie erschien ihr diese Frage plötzlich ungemein wichtig, das letzte Stück in einem gewaltigen Puzzlespiel, das alles erklären mochte.

Sie richtete sich vollends auf, sah sich nach Mike um und entdeckte ihn fast am anderen Ende des Kontrollraumes, wo er über einem stöhnenden Mann kniete und sich an ihm zu schaffen machte.

Gleich neben ihm lag eine zweite, vollkommen reglose Gestalt. Die Bombe hatte sie verfehlt, aber sie hatte trotzdem Opfer gefordert; nicht nur draußen auf dem Flugfeld.

Der Gedanke brachte einen zweiten, sehr viel schlimmeren mit sich. Sie war schon auf dem halben Wege zu Mike, blieb aber dann wieder stehen und sah nach Osten.

Die Stadt war verschwunden.

Wo das von Menschenhand geschaffene Sternendiadem New Yorks auf dem Horizont glänzen sollte, gähnte ein gewaltiger Abgrund aus Schwärze, als hätte sich die Nacht aufgetan und die Millionenstadt einfach verschlungen. Zum ersten Mal seit mehr als zweihundert Jahren herrschte an diesem Teil der nordamerikanischen Küste wieder die Nacht. Wie betäubt drehte sie sich herum und blickte auf das Flugfeld herab. Ein paar Feuer brannten, aber sonst war nichts zu hören und zu sehen.

Erst jetzt fiel ihr die Stille wirklich auf, vielleicht, weil sie allmählich ihren Grund begriff: Es war nicht das allumfassende Schweigen des Todes, sondern eine Stille, als wäre die Welt einfach abgeschaltet worden. Der gesamte Flughafen lag so still und gelähmt da wie die Riesenstadt im Osten, wie vielleicht dieses ganze Land, vielleicht die ganze Welt. Die Dimension dieses Gedankenganges war zu groß, als dass sie ihn sofort in voller Tragweite akzeptieren konnte.

»Alles in Ordnung mit Ihnen?«

Sie fuhr aus ihren Betrachtungen hoch, drehte sich um und lächelte, als sie Hardwell erkannte; dankbar, dass er sie in die Wirklichkeit zurückgeholt hatte.

Sie nickte.

»Sie bluten.«

»Ein Kratzer«, antwortete Charity abwertend. »Nichts gegen das, was uns hätte passieren können, oder?«

Ihre Worte schienen Hardwell zu irritieren. Er hatte es noch nicht begriffen. Er war ein intelligenter Mann, aber wie sie alle stand auch er noch unter dem Schock der Geschehnisse. Plötzlich verdüsterte sich sein Gesicht. Er fuhr herum und begann zu brüllen: »Verdammt, wo bleibt das Licht? Wieso schaltet niemand diese beschissene Notbeleuchtung ein?!«

»Weil sie nicht funktioniert, General«, antwortete eine Stimme aus der Dunkelheit heraus. Es war Niles. Der hochgewachsene Schwarze kam langsam auf Hardwell und sie zu. In der Dunkelheit waren sein Gesicht und seine Hände kaum zu sehen. Irgendwo zwei Handbreit über dem Kragen seines Hemdes blitzte das Weiß seiner Zähne.

»Der Generator ist im Eimer«, fügte er hinzu.

»Verdammt, dann soll ihn jemand reparieren«, fauchte Hardwell. »Wir ...« Er stockte, sah Niles verwirrt an und fragte: »Woher wollen Sie das wissen?«

»Warum schauen Sie sich nicht um, General?« gab Niles zurück. »Sehen Sie vielleicht irgendwo so etwas wie Licht?« Er lachte leise. »Wir haben die Trompeten von Jericho ein bisschen zu früh geblasen. Sie wollten uns nicht vernichten. Noch nicht.«

»Aber ...«

Plötzlich begann Niles zu schreien: »Verdammt, sind Sie so dämlich, oder tun Sie nur so, General? Diese Bomben waren nicht dazu gedacht, uns zu vernichten! Sie haben uns entwaffnet

»Niles!« sagte Charity scharf. Nicht, dass sie Niles nicht verstand. Seine Ruhe war so falsch und gespielt gewesen wie ihre eigene, und irgendwie musste wohl jeder auf seine Weise mit dem Unvorstellbaren zurechtkommen. Aber Schreien nutzte ihnen jetzt überhaupt nichts. Zu Hardwell gewandt, fuhr sie fort: »Lieutenant Niles hat recht, General. Ihr Notstromaggregat wird nicht funktionieren. Unsere Freunde vom Mars haben ihn gerade abgeschaltet.«

Hardwell wurde noch bleicher, als er ohnehin schon war. »Was soll das heißen?«

Das wusste er ganz genau, dachte Charity. Aber er wollte es einfach nicht wissen.

Sie deutete in die Richtung, in der New York im Schwarz der Nacht versunken war. »Das da, General. Sie sehen es doch.«

Hardwells Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er endlich begriff. »Sie meinen ...«

»Ich meine«, unterbrach ihn Charity gereizt, »dass ganz genau das passiert ist, was Sie und Ihre Kollegen seit einem halben Jahrhundert befürchtet haben. Die elektromagnetische Schockwelle der Bomben hat ihre ganze schöne Kriegselektronik zerstört.« Ja, dachte sie müde, Niles hatte nur zu recht gehabt, und verdammt noch mal, sie hätten es wissen müssen. Die Fremden hatten sie entwaffnet, mit einem einzigen, gewaltigen Hieb, der höchstwahrscheinlich die ganze Welt getroffen hatte.

Jetzt, im nachhinein, gehörte nicht einmal besonders viel Phantasie dazu, sich auszurechnen, was passiert war: Die Bomben waren hoch genug gewesen, die Erdoberfläche durch ihre Explosion nicht in Mitleidenschaft zu ziehen, aber wahrscheinlich hatten sie alles vom Himmel gefegt, was sie in den vergangenen fünfzig Jahren jemals dort hinaufgeschossen hatten, Beckers heißgeliebte SDI-Stationen und ihre russischen Gegenstücke ebenso wie jeden verdammten Wetter- und Nachrichtensatelliten, und höchstwahrscheinlich auch die Orbitstadt, falls die Druckwelle ihr nicht einen Tritt verpasst und sie auf eine Reise ohne Wiederkehr in Richtung Alpha Centauri geschickt hatte.

Die wirkliche, verheerende Wirkung dieser ungeheuerlichen Explosion von über fünfhundert Wasserstoffbomben aber hatten die allermeisten Menschen wahrscheinlich noch gar nicht begriffen, so wenig wie Hardwell, der sie noch immer aus großen Augen anstarrte und vergeblich darauf wartete, dass sie weitersprach.

Wahrscheinlich saßen sie jetzt überall auf der Welt im Dunkeln - so wie die zehn Millionen Ahnungslosen drüben in New York - und warteten darauf, dass die Lichter wieder angingen.

Sie würden nicht wieder angehen. Der NEMP, das Schreckgespenst aller Nuklearstrategen, die ungeheuerliche elektromagnetische Schockwelle einer Atomexplosion, hatte ihn ein für allemal abgeschaltet. Charity hatte keine Ahnung, wie stark er gewesen war, aber sie war sehr sicher, dass er - begonnen mit dem Mikrochip in ihrer Armbanduhr bis hin zum Norad-Computer unter den Rockys - alles zerstört hatte, was auch nur entfernt nach Elektronik aussah. Und keiner von ihnen hatte bisher wirklich begriffen, was das bedeutete; sie selbst eingeschlossen.

»Dann... dann müssen wir die Generatoren reparieren«, stammelte Hardwell. »Wir haben Techniker hier, und ...«

»Sparen Sie sich die Mühe«, unterbrach ihn Charity leise. »Da ist nichts mehr zu reparieren, General.« Begriff er denn immer noch nicht, dass hier nicht einfach nur ein paar Sicherungen durchgebrannt waren?

»Schicken Sie Ihre Leute lieber in die Keller oder besser gleich in die Museen. Sie sollen nachsehen, ob irgendwo noch ein paar Röhrengeräte herumstehen. Vielleicht funktionieren sie noch.«

Hardwell schürzte kampflustig die Lippen, aber Charity drehte sich einfach um und ließ ihn stehen, um endgültig zu Mike hinüberzugehen. Niles schloss sich ihr an.

Mike war mit seiner Erste-Hilfe-Aktion fertig, als sie neben ihm anlangten. Der Mann, den er versorgt hatte, sah übel aus. Seine Stirn und seine rechte Schläfe waren eine einzige Wunde, und auf dem Radarpult, vor dem er lag, klebte überall Blut. Aber er versuchte aus eigener Kraft auf die Füße zu kommen, und irgendwie schaffte er es sogar, sich in den Sessel hochzustemmen.

»Er hat es immer noch nicht begriffen, wie?« Mike deutete mit einer Kopfbewegung auf Hardwell, der mit überschnappender Stimme nach irgend jemandem schrie, der sich gefälligst um dieses verdammte Licht kümmern sollte.

»Doch«, antwortete Charity. Für einen ganz kurzen Moment fühlte sie sich schwach und unsagbar allein, trotz der Nähe all dieser Menschen.

»Was tun wir?« fragte Niles. Mike sah ihn ratlos an. »Ich meine - bleiben wir hier?«

»Nein«, antwortete Charity spöttisch. »Wir warten auf den nächsten Bus und fahren zurück in die Stadt, was denn sonst?«

Niles' Blick war wie Eis, aber er erwiderte nichts, und Charity hatte das sichere Empfinden, dass es sehr klug von ihm war, so zu handeln. Sie war niemals unbeherrscht oder gar jähzornig gewesen, aber im Augenblick hatte sie das Gefühl, ihm schlicht weg an die Kehle springen zu müssen, wenn er nur noch ein einziges Wort sagte. Großer Gott - was sie tun sollten?! Was konnten sie tun?

Nichts, verdammt noch mal. Und die Frage war auch gar nicht, was sie tun würden, sondern vielmehr, was die anderen tun würden.

»Du willst zurück zu deiner Familie«, sagte Mike nach einer Weile. Er nickte, als Niles nicht antwortete. »Vielleicht wäre es das Klügste.«

»Zurück nach New York?« Der Gedanke, in diese große, finstere Stadt zurückzukehren, ließ Charity schaudern. Aber schließlich hatte sie ja auch nicht Frau und Kind dort zurückgelassen. »Und wie?«

»Zu Fuß, wenn es sein muss«, sagte Mike lakonisch. »Es ist weit, aber es hat ziemlich wenig Sinn, hier zu warten, nicht?«

Außerdem könnte es hier bald verdammt ungemütlich werden, dachte Charity.

Der NEMP hatte den Menschenstrom, der aus der City hierher unterwegs war, sicher ein wenig aufgehalten, aber sie würden kommen, jetzt, wo sie glauben mussten, noch einmal eine kurze Gnadenfrist bekommen zu haben, und nur die allerwenigsten von ihnen würden begreifen, dass all diese Flugzeuge und Hubschrauber auf dem Landefeld nie wieder aufsteigen würden.

»Wir sollten Hardwell warnen«, sagte Mike leise.

»Glaubst du, er weiß nicht, was passieren wird?« Charity schnaubte. »Der Mann ist kein Idiot.« Sie drehte sich um, sah aber nicht Hardwell an, sondern blickte an ihm vorbei auf den Flughafen hinaus, fast, als könne sie die gewaltige Menschenmenge bereits sehen, die irgendwann in einer oder zwei Stunden dort auftauchen würde, ein tobender Mob, der wahnsinnig vor Angst war und einfach nur fliehen wollte. Sie musste an Landers und Terhoven denken, der Bellingers Stelle in ihrer Crew eingenommen hatte. Sie war sehr sicher, dass die beiden tot waren. Ihre Maschine musste im gleichen Augenblick vom Himmel gestürzt sein wie alle anderen Fluggeräte.

Und wenn sie noch lebten - nun, dann waren sie Hunderte von Meilen entfernt. Keine Chance, hierher zu gelangen, selbst wenn sie es wollten. Die Welt war wieder größer geworden, in einer einzigen Sekunde. Sehr viel größer. Nein - es machte keinen besonderen Sinn mehr, auf sie zu warten.

»Gehen wir«, sagte sie.

Hardwell machte nicht einmal den Versuch, sie aufzuhalten.

Charity hatte sogar das Gefühl, dass er aus irgendeinem Grunde froh war, als sie zu ihm ging und ihm erklärte, sie, Mike und Niles wollten versuchen, in die Stadt zurückzugelangen.

Aber er lehnte es auch ab, sie zu begleiten, oder auch nur einem seiner Männer die Erlaubnis dazu zu geben. Immerhin bestand er darauf, sie von einem halben Dutzend seiner Männer bis zum Highway eskortieren zu lassen. Außerdem befahl er ihnen ihre Waffen mitzunehmen.

Eine Viertelstunde später verließen sie den Flughafen und wandten sich nach Osten. Sie sahen Hardwell niemals wieder.

Die Welt war im wortwörtlichen Sinne größer geworden - aus dem kaum fünf Minuten dauernden Flug nach La Guardia war ein fast achtstündiger Fußmarsch geworden, und Charity war längst mit ihren Kräften am Ende, lange bevor sie die Brücke erreicht hatten und die Wolkenkratzer Manhattans vor ihnen lagen.

Sie waren dem Highway gefolgt, was vielleicht nicht der kürzeste, auf jeden Fall aber der sicherste Weg war. Überall auf der Straße sahen sie liegengebliebene Autos und Menschen, die nicht wussten, wohin sie eigentlich fliehen sollten.

Erstaunlicherweise war es nicht zu einer allgemeinen Panik gekommen. An ein paar Stellen waren Brände ausgebrochen, und zwei- oder dreimal hatten sie Schüsse gehört. Die Stadt New York schien noch von einer tiefen Lähmung befallen zu sein. Sehr viele Menschen versuchten, die Stadt zu verlassen - es mussten Tausende sein, die ihnen im Laufe der Nacht entgegengekommen waren -, aber diese Massenflucht war nur eine Art hoffnungsloses Aufbäumen gegen das Schicksal. Der Atomschlag der Fremden hatte die Welt nicht vernichtet, er hatte sie paralysiert. Vielleicht für immer.

Es wurde hell, als sie sich der City näherten. Sie hatten den Highway schließlich doch verlassen, einfach um den Weg abzukürzen. Zwei der Soldaten, die Hardwell ihnen mitgegeben hatten, waren noch bei ihnen; sie hatten sich schlichtweg geweigert, zum Flughafen zurückzugehen, und weder Charity noch Mike oder Niles hatten irgendwelche Einwände gehabt, sie mitzunehmen. Und niemand konnte es ihnen verübeln, dass sie es vorzogen, am Leben zu bleiben.

Charity war müde. Ihr Rücken schmerzte vom langen ungewohnten Laufen, und das Gewehr über ihrer linken Schulter schien eine Tonne zu wiegen. Sie hatten die Waffen nicht gebraucht, aber ihr Gewicht hatte ihr zumindest ein trügerisches Gefühl von Sicherheit gegeben.

Sie blieb stehen, rieb fröstelnd die Hände aneinander und blies hinein, ohne das betäubende Kribbeln aus ihren Fingern vertreiben zu können. Die Kälte war grausam. Im Jahrhundert der Zentralheizungen und Klimaanlagen vergaß man manchmal, dass der November schon fast zum Winter gehörte, aber die vergangenen Stunden hatten ihnen diese Tatsache sehr nachhaltig ins Gedächtnis zurückgerufen.

Auch die Dunkelheit hatte ihr Fortkommen erschwert. Sie hatte vorher nicht gewusst, wie dunkel eine Nacht in einer Stadt sein konnte, in der sämtliche Lichter ausgefallen waren.

Jetzt begann es zu dämmern. Der Himmel im Osten färbte sich grau, und das Licht verschaffte ihr wenigstens die Illusion, dass die grausame Kälte ein wenig nachließ. Die Skyline Manhattans tauchte allmählich aus der Nacht auf, wie eine titanische Riesenhand mit zu vielen und zu eckigen Fingern, die irgendwie anklagend gegen den Himmel ausgestreckt zu sein schienen. Sie wirkten abgestorben, selbst jetzt noch, als sich das erste Licht auf den gläsernen Fassaden der Hausgiganten brach und diese entsetzliche Finsternis endgültig zu vertreiben begann.

So tot wie...

Ja - wie diese ganze Gegend, dachte Charity.

Erst jetzt fiel ihr die Totenstille auf. Keine Menschen mehr, keine Geräusche.

»Was ist los?« Mike sah sie fragend an. Charity zuckte mit den Achseln und warf ihm einen zugleich hilflosen wie warnenden Blick zu. Niles und die beiden Soldaten waren ebenfalls stehen geblieben.

Einer der Männer nahm seine M16 von der Schulter und entsicherte sie. Das metallische helle Klicken hallte unheimlich verzerrt von den Wänden der Straßenschlucht wider.

»Nichts«, antwortete Charity mit einiger Verspätung auf Mikes Frage. »Aber es ist zu still.«

»Irgend etwas stimmt hier nicht«, sagte der Soldat, der sein Gewehr entsichert hatte.

Charity nickte. Es überraschte sie nicht, nicht allein mit diesem mulmigen Gefühl zu sein; und sie war jetzt sehr sicher, dass es keine Einbildung war. Sie hatte oben im Sternenschiff, zusammen mit Soerensen ein ähnliches Gefühl gehabt.

Auch der zweite Soldat nahm jetzt seine Waffe von der Schulter, und einen Augenblick später folgten Niles, Mike und Charity seinem Beispiel. Sehr vorsichtig gingen sie weiter. Die Straße erweiterte sich vor ihnen zu einem ovalen, langgestreckten Platz. Alles, was weiter als zwanzig oder dreißig Schritte entfernt war, lag noch in Dunkelheit getaucht. Wieder, wenn auch diesmal nur für Sekunden, empfand Charity dieses sonderbare Gefühl. Dann gewöhnten sich ihre Augen an die veränderten Lichtverhältnisse, und sie sah, was sie bisher nur gespürt hatte.

Sie waren da.

Für drei, vier, fünf endlose Sekunden war dieser Gedanke alles, was sie denken konnte; eine bloße Feststellung, von einem lähmenden Schrecken begleitet: Sie waren da.

Es waren drei - zwei der gigantischen, käferartigen Kreaturen, die sie in der Videoaufzeichnung gesehen hatte, und noch ein drittes, irgendwie unförmiges Ungeheuer, sehr viel größer als die Käfer, das sich aber nicht weit genug aus dem Schutz der Dunkelheit hervorwagte, als dass Charity es genau erkennen konnte.

Sie war auch nicht sehr versessen darauf. Die angedeutete Bewegung und die schattenhaften, kantigen Umrisse, die sie sah, waren mehr als genug für ihren Geschmack. Die Tore der Hölle hatten sich geöffnet und spien ihre Ungeheuer aus.

»Jesus!« flüsterte Niles neben ihr. »Was in Gottes Namen ist das?«

Charity warf ihm einen raschen, mahnenden Blick zu, gleichzeitig wich sie ein paar Schritte in die Straße zurück und presste sich enger gegen die Wand. Sie betete, dass keines der Insektenmonster zufällig in ihre Richtung geblickt hatten.

Aus den Augenwinkeln sah sie eine weitere Bewegung in den Schatten auf der anderen Seite des Platzes: eine kleinere, schlanke Gestalt mit zu vielen Armen und einem Gesicht wie aus gehämmertem schwarzem Stahl trat neben einen der elefantengroßen Käfer und begann sich an ihm zu schaffen zu machen. Plötzlich hatte sie Angst. Ganz entsetzliche Angst.

Trotzdem funktionierte ein Teil ihres Verstandes noch mit der gewohnten Präzision, jener Teil, den sie in langen Jahren erbarmungslosen Trainings ausgebildet hatte und der ihr jetzt wie ein gefühlloser Computer erklärte, dass sie sich nicht nur in akuter Lebensgefahr befanden, sondern vielleicht auch eine einmalige Chance hatten. Wenn es ihnen gelang, diese drei Monster dort drüben auszuschalten; vielleicht sogar ihren Reiter lebend in die Hände zu bekommen...

Sie ließ sich selbst keine Zeit, eines der zahllosen Argumente zu überdenken, die dagegen sprachen, sondern sah fragend zu Mike hinüber. »Schnappen wir sie uns?«

Mike erblasste, aber er nickte trotzdem, und zu ihrer Erleichterung erkannte sie auch auf den Gesichtern der beiden Soldaten nur Angst, nicht dieses lähmende Entsetzen, das sie befürchtet hatte. Aber sie wussten ja auch nicht, was sie da vor sich hatten; anders als Mike und Niles sahen sie diese Ungeheuer zum ersten Mal. Wahrscheinlich waren sie einfach nur verwirrt.

Niles deutete auf die Häuser auf der anderen Seite des Platzes.

»Ich versuche es dort«, sagte er. »Vielleicht kann ich mich in ihren Rücken schleichen, ohne dass sie es bemerken.«

Charity nickte, hielt ihn aber zurück, als er loslaufen wollte.

»Wie verständigen wir uns?«

»Gar nicht«, knurrte Miles. »Ich warte, bis ihr anfangt zu schießen.«

»Okay. Nimm einen der Männer mit. Und passt auf - es können noch mehr Kakerlaken da sein.«

Niles nickte, winkte einen der Soldaten zu sich heran und deutete mit dem Lauf seines Gewehres nach oben. Charity begriff.

Offensichtlich hatte er vor, sich über die Dächer an die Insektenmonster heranzuarbeiten.

Sie zogen sich ein Stück weiter in den Schutz der Straße zurück, während Niles und sein Begleiter in einem Haus verschwanden.

Charity schätzte, dass sie mindestens fünf Minuten brauchen würden, um ihre Positionen einzunehmen. Sie sah auf die Uhr, entschloss sich, ihnen die doppelte Frist zu gewähren und verdrückte sich in einen Hauseingang. Mike folgte ihr, während der Soldat am Fußende der Treppe zurückblieb, das Gewehr im Anschlag.

»Seltsam«, sagte Mike plötzlich.

Charity sah ihn an. »Was?«

»Das da.« Mike deutete auf den Soldaten. »Das hier ist ein historischer Augenblick, nicht?« Er lachte spöttisch. »Der erste Kontakt zwischen Menschen und einer außerirdischen Lebensform. Und was tun wir? Wir schießen auf sie.«

»Es ist nicht der erste Kontakt«, widersprach Charity unwillig. Großer Gott, worauf wollte er hinaus? »Der erste Kontakt fand am Nordpol statt«, fügte sie hinzu. »Leider können wir die Überlebenden nicht mehr fragen, wie er genau ausgesehen hat!«

»Trotzdem ist es Wahnsinn«, beharrte Mike. »Wir sollten... wenigstens miteinander sprechen, statt aufeinander zu schießen.«

Charity erwiderte nichts, sondern starrte zum hundertsten Male auf ihre kaputte Uhr und ärgerte sich, dass sie es schon wieder vergessen hatte.

Sie versuchte einzuschätzen, wie lange Niles und der Soldat schon weg waren, und gestand sich mit einem leisen Gefühl von Erschrecken ein, dass sie es nicht konnte.

Und vielleicht hat auch er recht, wisperte eine dünne, aber sehr aufdringliche Stimme hinter ihrer Stirn. Wir waren es, die ihr Schiff dort oben im All quasi gekapert haben. Wir waren es, die Soldaten und Bomben zum Nordpol geschafft haben. Wir haben Raketen mit Atomsprengköpfen auf ihr Schiff gerichtet.

Plötzlich wurde irgendwo über ihr ein Fenster geöffnet, sehr vorsichtig, aber doch nicht so leise, dass sie es nicht gehört hätte. Sie sah auf und erblickte einen schlanken, schwarzen Arm, dann ein dunkles Gesicht, das auf die Straße hinunterblickte.

Charity erschrak, gleichzeitig packte sie Zorn. Niles schien es darauf angelegt zu haben, von den Außerirdischen entdeckt zu werden.

Immerhin war Niles umsichtig genug, nicht nach ihnen zu rufen, sondern ihnen nur mit Gesten zu verstehen zu geben, dass sie zu ihm kommen sollten. Charity presste ärgerlich die Lippen aufeinander.

Was zum Teufel tat er da? Sie hatte ihn auf dem halben Wege zum anderen Ende des Platzes gewähnt. Die Vorstellung, einen Angriff - ganz egal, gegen wen - zu führen und sich auf eine Rückendeckung zu verlassen, die es nicht gab, gefiel ihr nicht.

Trotzdem zögerte sie nur noch einen Moment, sich aus ihrer Deckung zu lösen und zusammen mit Mike und dem zweiten Soldaten zu der Tür zu laufen, in der Niles und sein Begleiter verschwunden waren. Für zwei, drei endlose Sekunden waren sie ohne Deckung. Aber sie hatten Glück: Alles blieb still.

Mike deutete mit dem Lauf seiner Maschinenpistole in den Hausflur hinein.

Hier drinnen herrschte noch Nacht, die das bisschen dunkelgrauer Dämmerung, das durch die Türritzen und das Fenster hereinsickerte, schon nach wenigen Schritten aufsog. Immerhin konnte sie weit genug sehen, um zu erkennen, dass sich der Flur vor ihnen teilte, einer führte weiter ins Gebäude hinein, der andere zu einer Treppe.

Dann hörte sie plötzlich Geräusche: Schritte und ein gedämpftes Flüstern.

Hintereinander stürmten sie die Treppe hinauf. Die Stimme, die sie gehört hatten, gehörte Niles - er kam ihnen entgegen, kaum dass sie das erste Stockwerk erreicht hatten.

»Verdammt, Niles - was fällt dir ein?« empfing ihn Charity. »Du solltest lange schon -«

»Sie sind alle tot«, unterbrach sie Niles.

Charity erstarrte. Neben ihr atmete Mike scharf ein, wie unter einem kurzen, jähen Schmerz. Entsetzt starrte sie Niles an. »Wer ist tot?« fragte sie, obwohl sie die Antwort längst wusste.

Niles' Stimme zitterte deutlich, als er antwortete. »Alle, Laird. Alle, die hier...

...hier gelebt haben. Sie ...«

Charity ging an ihm vorbei und stieß mit einem Fußtritt die Tür vor sich auf. Dahinter lag eine kleine schäbige Wohnung, die nur aus einem einzigen Zimmer bestand.

Hier war es heller als draußen auf dem Flur, so dass Charity die grausige Szene in allen entsetzlichen Einzelheiten erkennen konnte.

Es waren vier - ein Mann, eine Frau und zwei Kinder. Die beiden Mädchen lagen unter dem leblosen Körper ihrer Mutter begraben, als hätte sie noch sterbend versucht, sie mit ihrem eigenen Leib vor dem zu schützen, was sie umgebracht hatte.

Der Mann lag ein Stück abseits, mit dem Gesicht nach unten und in sonderbar verkrümmter Haltung, die ausgestreckte rechte Hand um ein Stuhlbein gekrallt. Er war der einzige, der nicht aussah, als schliefe er bloß.

»Es ist überall dasselbe«, sagte Niles hinter ihr. »Überall im ... im Haus. Es müssen Dutzende sein.«

Charity ging zögernd weiter, blickte einen Moment auf die tote Frau und die beiden Mädchen hinab und kniete dann neben dem Leichnam des Mannes nieder.

Obwohl - oder vielleicht gerade weil? - man ihm als einzigen ansah, dass er auf gewaltsame Weise ums Leben gekommen war, brachte sie es einfach nicht über sich, die Leichen der beiden Kinder oder der Frau zu berühren.

Sie gab Mike ein Zeichen, an der Tür aufzupassen, legte die Maschinenpistole aus der Hand und versuchte, den Leichnam auf den Rücken zu drehen. Er war erstaunlich schwer, und selbst, als sie es geschafft hatte, seine Hand von dem Stuhlbein zu lösen, bereitete es ihr erhebliche Mühe, ihn auf den Rücken zu wälzen.

Sein Gesicht war schlaff, ohne irgendeine Spur von Schrecken oder Schmerz, so, als wäre er einfach nur eingeschlafen, nein, nicht einmal das: so, dachte sie entsetzt, als hätte man ihn einfach abgeschaltet, wie eine Maschine, die nur zufällig aus Fleisch und Blut bestand.

Sie unterdrückte ihren Widerwillen, beugte sich tiefer über den Toten und untersuchte ihn auf Verletzungen hin.

Sie fand nichts. Keine Wunden, mit Ausnahme eines Kratzers an der Stirn, den er sich beim Sturz zugezogen haben mochte, nichts, was ihr irgendwie verriet, wie dieser Mann ums Leben gekommen war.

Schaudernd richtete sie sich auf und beugte sich nun doch über die tote Frau. Sie versuchte fast krampfhaft, die beiden toten Mädchen nicht anzusehen, konnte aber nicht vermeiden, dass ihr Blick das Gesicht des älteren Kindes streifte. Es war so schlaff wie das seines toten Vaters, die Züge hatten denselben, leeren Ausdruck.

Als sie den Arm der toten Frau anhob, rollte der Leichnam von den beiden kleineren Körpern herunter, mit einem sonderbaren, sehr unangenehmen Geräusch.

Fast, dachte sie, und allein bei dem bloßen Gedanken zog sich ihr Magen zu einem einzigen Schmerz zusammen, fast, als gäbe es in diesem ganzen toten Körper keinen einzigen Knochen mehr, der nicht zehnmal gebrochen worden ist.

Aber auch der Körper der Frau wies keine erkennbaren Verletzungen auf.

Mit einer hastigen Bewegung stand Charity auf, bückte sich nach ihrer Waffe und wandte sich zu Niles um.

»Sieht es ... überall so aus?«

Niles nickte.

Mike deutete auf die Tür, die Charity aufgetreten hatte. »Sie war abgeschlossen«, sagte er. »Von innen. Du weißt, was das bedeutet?«

Charity nickte. Was immer diese Leute umgebracht hatte, es war nicht durch die Tür oder die Fenster hereingekommen, sondern hatte sie laut- und warnungslos und wahrscheinlich sehr schnell getötet, irgendeine entsetzliche Art von... von Strahlenwaffe vielleicht, die dieses Haus und wahrscheinlich auch die angrenzenden Gebäude getroffen und alles Leben ausgelöscht hatte. Welcher Natur diese entsetzliche Waffe auch immer war, dachte sie bitter, ihre Wirkung hätte die Erfinder der Neutronenbombe in schiere Verzückung versetzt. Die Wohnung war nicht im mindesten in Mitleidenschaft gezogen worden; nicht einmal ein einziges Glas war zerbrochen.

Aber sie war sehr sicher, dass es in diesem Haus kein Leben mehr gab.

Plötzlich hatte sie gar keine Angst mehr. Alles, was sie noch spürte, war Zorn. Ein so kalter, entschlossener Zorn, dass sie sich fast ein wenig davor fürchtete.

»Gehen wir«, sagte sie.

Draußen war es mittlerweile ein wenig heller geworden, ansonsten hatte sich nichts verändert. Die beiden elefantengroßen Käfer hockten noch immer reglos da, erstarrt wie schrecklich große, schrecklich hässliche Statuen, und auch das dritte Riesenwesen hatte sich nicht bewegt.

Charitys Aufmerksamkeit galt dem vierten, fast-humanoiden Lebewesen, das sich zwischen den drei chitingepanzerten Giganten bewegte. Es war eindeutig eine Kreatur der Art, wie sie sie auf dem Videoband gesehen hatten. Die Gestalt war ein gutes Stück größer als ein Mensch, aber so dürr, dass sich Charity unwillkürlich fragte, wieso es nicht beim ersten Windzug, der es traf, einfach in der Mitte durchbrach. Die vier Arme, die in beständiger Bewegung waren, verliehen diesem Wesen geradezu groteske Züge. Die Bewegungen erinnerten an eine Spinne, sie waren flink und abrupt und sehr zielbewusst. Wahrscheinlich war das Wesen höllisch schnell, wenn es sein musste.

Charity hatte nicht vor, ihm die Chance zu geben, diese Vermutung unter Beweis zu stellen.

Ruhig visierte sie den Kopf der Kreatur an, senkte den Lauf der MP um eine Winzigkeit, drückte ganz automatisch auf den Auslöser der Zielsuchautomatik und fluchte lautlos in sich hinein, als der kleine rubinrote Laserpunkt nicht kam.

Die Entfernung war nicht besonders groß - zwanzig, allenfalls fünfundzwanzig Meter, aber eine MP war keine Waffe, mit der man besonders präzise schießen konnte, und wahrscheinlich würde sie keinen zweiten Schuss haben, wenn der erste nicht traf. Und sie hatte Mike und den anderen ausdrücklich verboten, auf dieses Wesen zu schießen. Sie brauchten es lebend.

Trotzdem - sie musste es riskieren. Langsam, Millimeter für Millimeter, senkte sie den Lauf der MP weiter. Das Zentrum des winzigen Fadenkreuzes vor ihrem rechten Auge glitt am schimmernden Chitinpanzer des Sternenwesens herab, verharrte einen Moment auf seiner Hüfte und pendelte sich dann auf das ein, was sie für sein rechtes Knie hielt. Ihre Finger berührte den Abzug, fand den Druckpunkt und verharrte noch einmal. Sie war nervös.

Ihre Hände zitterten.

Aber sie wusste, dass es nicht besser werden würde, wenn sie wartete. Im Gegenteil.

Sie drückte ab.

Der peitschende Knall beendete die trügerische Ruhe schlagartig, die sich über dem Platz ausgebreitet hatte, und plötzlich geschah alles gleichzeitig und zehnmal schneller, als Charity sich in ihren schlimmsten Befürchtungen ausgemalt hatte. Von den Dächern der gegenüberliegenden Häuser herab begannen Mike und die beiden Soldaten zu schießen, und zwei Meter neben ihr stieß Niles' Waffe eine grelle Feuerzunge aus, aber sie zwang sich, alles andere zu ignorieren und das Zielfernrohr wieder auf den Vierarmigen zu richten.

Ihr Schuss hatte getroffen. Das Wesen war zu Boden gestürzt und umklammerte mit zwei seiner vier Hände sein zerschossenes Bein.

Aber es war keineswegs ausgeschaltet. Unter seiner grotesken Maske drangen hohe, pfeifende Töne hervor, und in seinen beiden übrigen Händen lagen plötzlich zwei der kleinen Metallstäbe, die Charity von der Videoaufnahme her kannte.

Sie fluchte, zielte erneut und drückte ab, aber diesmal traf sie nicht. Einen halben Meter neben dem Insektenwesen schlugen Funken aus dem Asphalt der Straßendecke, im gleichen Augenblick jagte etwas über Charitys Kopf und riss ein faustgroßes Stück aus der Wand hinter ihr. Verletzt oder nicht, das Wesen da unten schoss verdammt gut. Sehr viel besser als sie.

Auf dem Platz tönte ein schriller, durch und durch unmenschlicher Schrei, ein Kreischen wie von zerbrechendem Stahl, und als Charity vorsichtig den Kopf über den Rand ihrer Deckung hob, sah sie, dass einer der Riesenkäfer zusammengebrochen war.

Mike und die beiden Soldaten konzentrierten ihr Feuer jetzt auf das andere Insektenungeheuer, während Niles mit verbissenem Gesicht Schuss auf Schuss auf das dritte Ungeheuer abgab, das ziellos im Kreis herumrannte.

Charity sah, dass er fast jedesmal traf, aber sie sah auch, dass die allermeisten seiner Geschosse einfach von der Panzerung der außerirdischen Bestie abprallten.

Trotzdem dauerte es nur noch Sekunden. Der zweite Riesenkäfer brach zusammen, und schließlich zersplitterte auch die Panzerung des letzten Monsters im konzentrierten Feuer der vier Maschinenpistolen. Charitys MP blieb die ganze Zeit hindurch auf den Vierarmigen gerichtet. Aber sie schoss nicht. Die beiden oberen Hände des Außerirdischen umklammerten noch immer seine beiden Waffen, er schien jedoch begriffen zu haben, dass sein nächster Schuss sein letzter war.

Niles hörte erst auf zu feuern, als ihm die Munition ausging. Mit grimmigem Gesichtsausdruck schob er ein frisches Magazin in die Waffe, richtete sich vollends hinter dem Fenster auf und nahm den Vierarmigen ins Visier. Er feuerte, ehe Charity auch nur begriff, was er vorhatte.

»Wenn er das nicht begriffen hat, ist ihm nicht zu helfen«, sagte er. »Geh. Ich halte ihn in Schach.«

Sie nickte, schwang sich mit einer fließenden Bewegung über das Fensterbrett und sprang die drei Meter bis zur Straße hinunter. Für einen Moment war sie hilflos, als sie das Gleichgewicht verlor und sich abrollen musste, um nicht vom Schwung ihrer eigenen Bewegung von den Füßen gerissen zu werden, aber Niles drohend aus dem Fenster zielende Waffe tat ihre Wirkung: der gepanzerte Kopf des Außerirdischen drehte sich zwar wie ein schrecklicher schwarzer Roboterschädel und folgte ihrer Bewegung, aber er schoss nicht.

Zu leicht, dachte Charity. Das war einfach zu leicht! Seit ihrem ersten Schuss auf den Außerirdischen war nicht einmal eine Minute vergangen. Charity konnte nicht glauben, dass es so einfach sein sollte, mit einem Angreifer fertig zu werden, der eine ganze Welt gelähmt hatte.

Vorsichtig näherte sie sich der schwarzbraun gepanzerten Gestalt, wobei sie einen respektvollen Bogen um einen der toten Riesenkäfer schlug, der wie ein umgestürzter Lastwagen auf der Straße lag.

Er ist tatsächlich so groß wie ein LKW, dachte sie ungläubig.

Plötzlich war sie Hardwell sehr dankbar dafür, dass er darauf bestanden hatte, ihnen die Waffen mitzugeben. Mit der kleinen Pistole, die zu ihrer normalen Uniform gehörte, hätte sie nicht viel gegen diese zwölfbeinigen Monster ausrichten können.

Der Vierarmige begann sich zu regen, als sie näher kam, sehr langsam, fast übervorsichtig, als wisse er ganz genau, dass eine zu hastige Bewegung sein Ende bedeutete. Die beiden klobigen Silberstäbe glitten aus seinen Händen und polterten zu Boden.

Charity umkreiste ihn, stieß die Waffen mit der Fußspitze davon und setzte die Mündung der MP direkt auf seinen Brustpanzer. Die Bewegungen des Wesens hörten abrupt auf. Nur die Augen hinter den schmalen Sehschlitzen seiner Maske glitzerten Hasserfüllt.

»Okay, Freund«, sagte Charity laut. »Ich weiß nicht, ob du mich verstehst, aber wenn, dann tust du besser nichts, was mich nervös machen könnte. Ich will dich nicht umbringen, aber ich habe auch keine besondere Lust, von dir umgebracht zu werden.«

Sie bezweifelte, dass das Wesen die Worte verstand, aber es begriff sehr wohl die Bedeutung der Waffe, die auf seine schmale Brust zielte. Charity wartete noch eine Sekunde, dann hob sie den linken Arm und winkte Niles, zu ihr herunterzukommen.

Sie widerstand der Versuchung, den Blick zum Dach zu heben und nach Mike und den beiden Soldaten zu sehen. Irgendwie hatte sie das sehr sichere Gefühl, dass es besser war, diesen spinnengliedrigen Alien nicht eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Zu leicht. Viel zu leicht.

Niles sprang auf die Straße herunter und im gleichen Augenblick griff der Fremde an.

Charity hatte sein Gesicht und seine Hände keinen Moment aus den Augen gelassen, aber es war kein Mensch, den sie niederhielt, und sie hatte - so absurd es klang - einfach vergessen, dass er mehr als zwei Hände besaß. Sein oberes Armpaar rührte sich nicht, aber seine dritte Hand schlug mit der Gewalt eines Dreschflegels gegen den Lauf ihrer MP und schmetterte ihr die Waffe einfach aus der Hand, während seine vierte Klaue sich um ihr Fußgelenk schloss.

Ein entsetzlicher Ruck brachte sie aus dem Gleichgewicht und warf sie nach hinten, und fast im gleichen Augenblick war das Wesen über ihr, mit der Schnelligkeit einer übergroßen Spinne - und ihrer Kraft. Charity keuchte vor Schrecken und Schmerz, als sie spürte, wie übermenschlich stark diese so lächerlich dürren Gliedmaßen waren. Ihre Arme wurden zur Seite gedrückt wie die eines Kindes, das mit einem Erwachsenen kämpft, und fast gleichzeitig schloss sich das zweite Handpaar des Außerirdischen um ihre Kehle.

Ein einzelner Schuss krachte, und ein unsichtbarer Hammerschlag schien den Brustpanzer des Fremden zu treffen.

Splitter von schwarzem Chitin überschütteten Charity, dann kippte das groteske Wesen in einer fast gemächlichen Bewegung zur Seite und glitt von ihr herab.

Charity richtete sich benommen auf, tastete nach ihrem Hals und verzog die Lippen, als sie die blutigen Kratzer fühlte, die schon die erste, fast flüchtige Berührung der schrecklichen Krallen in ihre Haut gerissen hatten. Eine halbe Sekunde später...

»Alles in Ordnung?« fragte Niles.

Sie nickte, warf ihm einen dankbaren Blick zu und beugte sich über den toten Außerirdischen. Trotz aller Erleichterung war sie enttäuscht - sie hätte viel darum gegeben, dieses Wesen lebend in die Hände zu bekommen. Es wäre so wichtig gewesen!

»Tut mir wirklich leid, Laird«, sagte Niles. »Aber ich hatte keine andere Wahl.«

Das entspricht sogar der Wahrheit, dachte Charity. Ein paar Sekunden später, und das Wesen hätte ihr das Genick gebrochen. Sie hatte kein Recht, zornig auf Niles zu sein. Es spielte keine Rolle, ob er das, was er getan hatte, wollte oder nicht. Immerhin hatte er ihr das Leben gerettet.

Mühsam plagte sie sich, beugte sich über den Außerirdischen und betrachtete ihn genauer. Niles' Schuss hatte seinen Brustpanzer zerfetzt und ein fast tellergroßes Loch in das Rückenteil seiner sonderbaren Rüstung gerissen, aber sie entdeckte erstaunlich wenig Blut.

Mit zitternden Händen versuchte sie, die glatte schwarze Maske zu lösen, die das Gesicht des Außerirdischen verbarg. Es gelang ihr, denn sie war nur mit einer primitiven Klammer am Rest des glänzenden Helmes verbunden. Darunter kam ein schmales, trotz aller Fremdartigkeit beinahe menschliches Gesicht zum Vorschein.

Die Natur schien auf dem Heimatplaneten dieses Wesens in groben Zügen die gleiche Entwicklung eingeschlagen zu haben wie auf der Erde; die Kreatur hatte zwei Augen, eine Art flacher Nase und einen breiten, fast lippenlosen Mund, der im Tode offenstand und eine Doppelreihe sehr kleiner, stumpfer Zähne zeigte. Mattglänzendes braunes Fell bedeckte das Gesicht des Fremden.

Auch seine Augen wirkten beinahe menschlich. Mit Ausnahme seiner sechs Gliedmaßen war dieses Wesen wirklich fast humanoid zu nennen.

Dann nahm Charity die Waffe des Fremden zur Hand. Sie war sehr schwer, und es war eigentlich nur ein plumper Metallstab mit einem kompliziert aussehenden Verschluss an der einen und einem pennygroßen runden Loch an der anderen Seite. Charity spürte ein rasches Vibrieren, als sie das silberglänzende Metall berührte, und sie glaubte einen Laut zu hören, ein Summen, das sehr beunruhigend auf sie wirkte.

Niles trat nervös zur Seite, als sie die Mündung der Waffe versehentlich in seine Richtung hielt. Charity lächelte entschuldigend, legte den Silberstab behutsam wieder aus der Hand und richtete sich auf.

»Wir nehmen den ganzen Kram mit«, sagte sie. »Die Waffen und den Leichnam.« Sie sah sich angespannt um. »Ich möchte nur wissen, was sie hier gewollt haben.«

Mike und die beiden Soldaten kamen zurück. Mikes Gesicht verdüsterte sich, als er näher kam und die allmählich größer werdende Blutlache sah, in der der Fremde lag.

»Ist er tot?«

Charity nickte.

»Verdammt«, sagte Mike. »Wir hätten ihn lebend gebraucht.«

»Niles hatte keine andere Wahl«, sagte Charity hastig. »Dieses Ding war dabei, mir den Kopf abzureißen.« Sie schnitt ihm jede Antwort, die er hätte geben können, mit einer befehlenden Handbewegung ab und deutete auf das Haus, aus dem er und die beiden anderen gekommen waren. »Irgend etwas Besonderes da drinnen?« fragte sie.

Mike schüttelte den Kopf. »Nur Tote«, sagte er. »Und ...«

Und um ein Haar wären dies die letzten Worte seines Lebens gewesen. Hinter ihm, auf der anderen Seite des Platzes öffnete sich eine Tür, und ein riesiges Wesen mit vier Armen trat aus dem Haus heraus. Charity schrie auf, riss ihre Waffe in die Höhe und versetzte Mike gleichzeitig einen Stoß, der ihn haltlos zur Seite taumeln und auf die Knie herabfallen ließ.

Charity und der Fremde schossen gleichzeitig. Das Krachen ihrer Maschinenpistole verschluckte den dumpferen, leiseren Knall der Waffe des anderen, aber einen halben Schritt vor ihr, genau dort, wo Mike vor einer Sekunde noch gestanden hatte, prallte ein sonderbares Geschoss mit entsetzlicher Wucht gegen den Boden und spritzte auseinander.

Charity ließ sich zur Seite kippen und hielt den Abzug dabei durchgedrückt. Eine MP-Salve raste auf den Fremden zu, jagte funkensprühend über die Wand neben ihm - und verwandelte seinen Panzer in eine Wolke schwarzer Splitter.

Mit einem schrillen, schmerzhaft hohen Schrei stürzte das Wesen nach hinten und verschwand wieder in dem Haus, aus dem es gekommen war.

Und trotzdem hatte es getroffen.

Der Soldat, der unmittelbar neben Mike gestanden hatte, wankte plötzlich. Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck unerträglichen Schmerzes. Er ließ die Waffe fallen, machte einen halben taumelnden Schritt und hob die Hände an die Brust. Dann brach er lautlos zusammen. Sein Rücken war eine einzige, riesige Wunde.

Charity wartete nicht, bis Mike wieder auf die Füße gekommen war, sondern rannte los. Sie hatte recht gehabt, dachte sie verzweifelt! Es war zu leicht gewesen - und sie hatten sich wie blinde Anfänger benommen.

Sie erreichte das Haus, setzte mit einem gewaltigen Sprung über die Leiche des Vierarmigen hinweg, der die Tür blockierte, und kam mit einer Rolle wieder auf die Füße. Etwas Dunkles, Glitzerndes floh vor ihr in die Dämmerung, dann hörte sie klackende, rasend schnelle Schritte. Sie rannte los, blieb noch einmal stehen, verschwendete fünf, sechs kostbare Sekunden damit, das Magazin ihrer Waffe zu wechseln, und lief weiter, im gleichen Augenblick, in dem Mike und die beiden anderen hinter ihr ins Haus stürmten.

Sie hörte Schritte des Fremden noch immer, obwohl sie sich rasend schnell entfernten; ihre Sinne schienen mit übernatürlicher Schärfe zu arbeiten. Hastig befahl sie Mike zu sich heran und gab Niles und dem anderen Soldaten einen Wink. »Nach links - versucht ihn zu umgehen. Und passt auf. Es können noch mehr da sein!«

Die Bemerkung war vermutlich überflüssig. Nach dem, was dem unglückseligen Trooper passiert war, würde Niles wahrscheinlich ohnehin erst schießen und dann nachsehen, was er getroffen hatte.

Charity hoffte nur, dass es keiner von ihnen war.

Sie stürmten weiter.

Die Schritte des Spinnenarmigen waren jetzt nicht mehr zu hören, aber sie hatte sich die Richtung gut eingeprägt, aus der sie gekommen waren.

Und das Haus war nicht besonders groß - entweder, das Wesen hatte es durch eine Hintertür verlassen, oder...

Es hatte nicht. Charity stürmte durch eine offenstehende Tür, warf sich automatisch zur Seite - und erstarrte.

Hinter der Tür musste eine der gleichen, ärmlichen Wohnungen gelegen haben, wie sie sie oben gefunden hatten, aber jetzt erstreckte sich vor ihr ein wahres Trümmerfeld. Die Wände zu den Nachbarwohnungen waren verschwunden, so sauber herausgeschnitten wie mit einem großen Messer. Von der Decke rieselte der Putz. Ein fremdartiger, scharfer Geruch hing in der Luft.

Von dem vierarmigen Fremden war nichts mehr zu sehen.

Dafür entdeckte sie etwas anderes.

In der Mitte des Raumes stand ein riesiger, dünner Ring aus silberfarbigem Material.

Und in seinem Inneren erkannte sie dasselbe Wogen und Wabern, das den Ring im Inneren des Sternenschiffes erfüllt hatte.

»Verdammt, was ist das?« flüsterte Mike. Seine Stimme bebte.

Charity zuckte stumm die Achseln, machte einen Schritt auf den scheinbar schwerelos in der Luft hängenden Kreis aus Metall und lebendiger Schwärze zu und blieb wieder stehen. Es war, als wäre sie in einen Strom unsichtbarer elektrischer Energie getreten, der ihre Haut prickeln und jedes einzelne Härchen auf ihrem Körper sich aufstellen ließ. Sie versuchte vergeblich, den Schild aus Schwärze mit Blicken zu durchdringen.

»Jetzt wissen wir wenigstens, woher diese Biester so plötzlich gekommen sind«, murmelte Mike. Nervös sah er Charity an.

»Wir sollten verschwinden. Ich habe das Gefühl, unser Freund kommt gleich zurück. Aber bestimmt nicht allein.«

Charity nickte, wandte sich aber noch nicht um, sondern hob statt dessen ihre Waffe und jagte einen einzelnen Schuss durch das Innere des Materiesenders.

Das Ergebnis enttäuschte sie. Die Kugel durchschlug die Wand aus wabernder Finsternis ohne sichtbaren Widerstand und bohrte sich in die rückwärtige Wand des Zimmers. Sie runzelte die Stirn, drehte sich herum und sah den Soldaten an.

Ihr Blick blieb an der Granate haften, die er am Gürtel trug.

»Geben Sie mir das Ding«, befahl sie.

Der Mann gehorchte, während Mike sie gleichermaßen fragend wie missbilligend anblickte. »Was hast du vor?« fragte er. »Willst du das Ding in die Luft sprengen?« Er klang nicht sehr begeistert.

Charity antwortete nicht, sondern scheuchte ihn und die beiden anderen mit einer befehlenden Handbewegung zurück, ehe sie sich wieder dem Ring zuwandte.

Sie war nicht sicher - aber für einen Moment glaubte sie, dass das Wogen und Wabern darin stärker geworden sei.

»Verschwindet«, sagte sie. »Wartet draußen auf mich.«

Mike wollte widersprechen, doch ihr Blick brachte ihn zum Verstummen. Wortlos drehte er sich herum und beeilte sich, Niles und dem Soldaten zu folgen, die keine Sekunde gezögert hatten, Charitys Befehl nachzukommen.

Auch Charity zog sich aus dem Raum zurück, blieb aber in der Tür stehen und ging in die Hocke. Vorsichtig wechselte sie die MP von der rechten in die linke Hand, zog mit den Zähnen den Sicherungsring der Granate heraus und konzentrierte all ihre Aufmerksamkeit darauf, den Zündhebel niederzuhalten. Dann wartete sie.

Ihre Geduld wurde nicht lange strapaziert. Sie hatte sich nicht getäuscht - das Gleiten und Wogen im Inneren des Ringes hatte sich verändert. Sie hatte jetzt eher den Eindruck, in einen unendlich langen, von nichts anderem als Schwärze erfüllten Korridor zu blicken. Sie betete, dass ihre Vermutung richtig war, nämlich die, dass der Spinnengliedrige die Tür zum Sternenschiff hinter sich zugeworfen hatte, als er vor ihr floh, und nicht etwa, dass dieses Tor nur in einer Richtung funktionierte. Für einen Moment war sie noch einmal versucht, auf die wispernde Stimme hinter ihrer Stirn zu hören, die ihr riet, wegzulaufen, solange sie es noch konnte. Aber dann dachte sie wieder an die beiden toten Kinder, die sie gesehen hatte, und blieb.

Und es wäre wahrscheinlich ohnehin zu spät gewesen. In der Schwärze entstanden jetzt Dinge, die dunkel, aber nicht schwarz waren und ganz und gar nicht körperlos. Ein gigantischer Insektenschädel mit fürchterlichen Mandibeln bildete sich, faustgroße, regenbogenfarbig schimmernde Facettenaugen starrten aus einem Gewirr hart glänzender Gliedmaßen auf sie herab - und Charity warf die Granate.

Sie beschrieb einen perfekten, beinahe langsamen Bogen, verfehlte den riesigen Insektenschädel um eine Handbreit und verschwand in der lebendigen Schwärze des Transmittertores.

Sie rannte los, ehe die drei Sekunden vorbei waren, die der chemische Zünder ihr noch gewährte. Als sie den Hausflur erreichte, erscholl hinter ihr ein dumpfes, sonderbar weiches Krachen. Das Haus begann zu zittern. Eine zweite, etwas heftigere Explosion erfolgte, als sie durch die Tür stürmte, und plötzlich sah sie den Widerschein eines unerträglich hellen, weißen Lichtes, das sich hinter ihr aus dem Nichts heraus in die Eingeweide des Hauses fraß.

Das Gebäude brach in einer Wolke aus Rauch und Flammen und wirbelnden Trümmerstücken zusammen, noch ehe sie Mike und die anderen erreicht hatte.

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