VIERZEHNTES KAPITEL Die Flucht

Als Obsle und Yegey beide die Stadt verließen und Sloses Türhüter mir das Betreten des Hauses verweigerte, wußte ich, daß es Zeit wurde, mich meinen Feinden zuzuwenden, denn von meinen Freunden hatte ich nichts Gutes mehr zu erwarten. Also ging ich zu Kommissar Shusgis und erpreßte ihn. Da ich nicht genügend Bargeld besaß, um ihn zu kaufen, mußte ich mit meinem Ruf bezahlen. Bei den Treulosen ist der Name des Verräters so gut wie Geld. Ich erklärte ihm, daß ich als Agent der Adelspartei von Karhide nach Orgoreyn gekommen sei, weil diese Partei ein Attentat auf Tibe vorhabe, und daß man ihn mir als meinen Sarf-Kontaktmann genannt habe; wenn er sich weigere, mir die Informationen zu geben, die ich brauche, würde ich meinen Freunden in Erhenrang mitteilen, er sei ein Doppelagent, der für die Freihandelspartei arbeite, und mein Bericht würde natürlich prompt nach Mishnory und an den Sarf zurückgegeben werden. Dieser Idiot glaubte mir! Er konnte mir gar nicht schnell genug sagen, was ich von ihm hören wollte; er fragte mich sogar, ob ich die Maßnahme billige.

Von meinen Freunden Obsle, Yegey und den anderen drohte mir keine unmittelbare Gefahr. Sie hatten sich ihre Sicherheit erkauft, indem sie den Gesandten opferten, und verließen sich darauf, daß ich weder ihnen noch mir selber Schwierigkeiten machen würde. Bis ich zu Shusgis ging, hatte mich außer Gaum kein einziger von den Sarf-Leuten besonderer Aufmerksamkeit für wert befunden; jetzt allerdings würden sie mir hart auf den Fersen sein. Ich mußte alles erledigen, was zu erledigen war, und dann verschwinden. Da ich keine Möglichkeit hatte, mich direkt mit jemandem in Karhide in Verbindung zu setzen — die Post wurde gelesen, Funk und Telefon abgehört -, begab ich mich zum erstenmal in die königliche Botschaft, zu deren Angestellten Sardon rem ir Chenewich gehörte. Ich hatte ihn bei Hof gut gekannt, und er zeigte sich sofort bereit, Argaven eine Nachricht zu übermitteln, in der ich dem König mitteilte, was aus dem Gesandten geworden war, und wo er gefangen gehalten wurde. Ich konnte mich darauf verlassen, daß es Chenewich, einem geschickten und aufrichtigen Mann, gelingen würde, die Nachricht so zu übermitteln, daß sie nicht abgehört wurde, doch wie der König sie auffassen und was er damit anfangen würde, ahnte ich nicht. Auf jeden Fall wollte ich, daß Argaven für den Fall, daß Ais Sternenschiff durch die Wolken zu uns herabstoßen sollte, über die Entwicklung der Dinge informiert war; denn damals hegte ich immer noch die leise Hoffnung, er habe dem Schiff eine Nachricht zukommen lassen, bevor der Sarf ihn verhaften ließ.

Ich befand mich also jetzt in Gefahr, und falls mich jemand beim Betreten der Botschaft beobachtet hatte, sogar in unmittelbarer Gefahr. Deswegen ging ich von dort direkt zum Karawanenhafen auf der Südseite und verließ Mishnory noch am Mittag desselben Tages, Odstreth Susmy, genau so, wie ich gekommen war: Als Verlader auf einem Lastwagen. Meine alten Zulassungspapiere hatte ich mitgenommen — allerdings waren sie ein wenig verändert worden, damit sie meine neue Arbeit auswiesen. Dokumentenfälschung ist in Orgoreyn, wo die Papiere zweiundfünfzigmal am Tag kontrolliert werden, sehr riskant, aber trotz dieses Risikos keineswegs selten. Meine alten Kollegen von der Fischinsel hatten mir alle einschlägigen Tricks gezeigt. Daß ich einen falschen Namen tragen mußte, ärgerte mich, war aber die einzige Möglichkeit, mich zu retten und quer durch ganz Orgoreyn zur Küste des Westmeers zu gelangen.

Während die Karawane rumpelnd über die Kunderer-Brücke und aus Mishnory hinausrollte, waren meine Gedanken ununterbrochen da draußen im Westen. Der Herbst neigte sich jetzt dem Winter zu; ich mußte am Ziel sein, ehe die Straßen für den Verkehr geschlossen waren, und solange es noch einen Sinn hatte, ans Ziel zu gelangen. Als ich damals in der Verwaltung des Sinoth-Tals arbeitete, hatte ich drüben in Komsvashom eine Freiwilligenfarm gesehen und auch mit einigen Ex-Sträflingen von Farmen gesprochen. Was ich dabei gesehen und gehört hatte, lag mir jetzt schwer wie Blei auf der Seele. Der Gesandte, der so kälteempfindlich war, daß er sogar einen Mantel anzog, wenn die Temperatur Null Grad und darüber betrug, würde einen Winter in Pulefen nie überstehen. Die Notwendigkeit trieb mich zur Eile, die Karawane jedoch kam nur langsam vorwärts. Sie wanderte von einer Stadt zur anderen, einmal nach Norden, dann wieder nach Süden, entlud und belud und brauchte einen ganzen Halbmonat, bis sie in Ethwen, an der Mündung des Esagel-Flusses, eintraf.

In Ethwen jedoch hatte ich Glück. Beim Gespräch mit den Männern im Passantenhaus hörte ich von dem Pelzhandel am oberen Flußlauf, von den zugelassenen Trappern, die mit Schlitten oder Eisbooten den Fluß auf und ab und durch den Tarrenpeth-Wald beinahe bis an das Eis hinauf fuhren. Durch ihre Unterhaltung kam ich auf meinen Plan mit dem Fallenstellen. Weißfellpesthry gibt es im Kerm-Land wie auch im Gobrin-Hinterland; die Tiere halten sich vorzugsweise an Plätzen auf, die unter dem Eishauch des Gletschers liegen. Ich hatte sie in meiner Jugend in den Thore-Wäldern von Kerm gejagt; warum also sollte ich sie nicht jetzt einmal in den Thore-Wäldern von Pulefen fangen?

Diesen fernen West- und Nordregionen von Orgoreyn, in den weiten, unbewohnten Gebieten westlich des Sembensyen- Gebirges, kommen und gehen die Menschen mehr oder weniger frei, denn dort gibt es nicht genug Inspektoren, um sie allesamt zu überwachen. Dort hat sich auch in der neuen Epoche noch ein Rest der alten Freiheit halten können. Ethwen ist eine graue, auf den grauen Felsen der Esagel-Bucht errichtete Hafenstadt; ein regenschwerer Seewind bläst durch die Straßen, und die Bevölkerung besteht aus harten, aufrechten Seeleuten. Des Lobes voll erinnere ich mich an Ethwen, wo sich das Rad meines Schicksals wandte.

Ich kaufte Skier, Schneeschuhe, Fallen und Proviant, holte mir meine Jagdlizenz, meine Genehmigung, meinen Ausweis und so weiter vom Commensal-Büro und machte mich mit einer Gruppe von Jägern unter der Führung eines alten Mannes namens Mavriva zu Fuß am Ufer den Esagel entlang flußaufwärts auf den Weg. Der Fluß war noch nicht zugefroren und die Straßen waren noch befahrbar, denn an diesem Küstenhang regnete es sogar jetzt, im letzten Monat des Jahres, mehr, als es schneite. Die meisten Jäger warteten bis zum hohen Winter, um dann im Monat Thern mit dem Eisboot den Esagel hinaufzufahren, doch Mavriva wollte schon früh möglichst weit oben im Norden sein und die Pesthry fangen, sobald sie auf ihrer Wanderung in die Wälder herunterkamen. Mavriva kannte das Hinterland, die Nord-Sembensyens und die Feuerberge besser als alle anderen, und ich konnte in jenen Tagen, bei unserer Reise stromauf, viel lernen, was mir später sehr zustatten kam.

Bei einer Stadt namens Turuf trennte ich mich von der Gruppe, indem ich so tat, als sei ich krank. Die anderen zogen weiter nach Norden, während ich mich ganz allein nach Nordosten in die hohen Vorberge des Sembensyen schlug. Mehrere Tage verbrachte ich damit, die Gegend auszukundschaften; dann versteckte ich fast alles, was ich bei mir hatte, in einem abgelegenen Tal, ungefähr zwölf, dreizehn Meilen von Turuf entfernt, näherte mich, wieder aus südlicher Richtung, der Stadt von neuem, betrat sie jedoch diesmal und logierte in einem Passantenhaus. Unter dem Vorwand, eine Trapperausrüstung zu brauchen, kaufte ich zum zweitenmal Skier, Schneeschuhe und Proviant, sowie einen Pelzsack und Winterkleidung, einen Chabe-Ofen, ein Mehrschichtzelt und einen leichten Schlitten, den ich mit diesen Sachen beladen konnte. Nun hatte ich nichts mehr zu tun, als zu warten, daß sich der Regen in Schnee und der Matsch in Eis verwandelte — allerdings nicht sehr lange, denn für den Weg von Mishnory nach Turuf hatte ich über einen Monat gebraucht. An Arhad Thern war dann der Winter endgültig da, und auch der Schnee, auf den ich so sehr gewartet hatte, begann zu fallen.

Am frühen Nachmittag kam ich an den elektrischen Zäunen der Pulefen-Farm vorbei, und alle Spuren, die ich hinterließ, waren sofort wieder vom Neuschnee bedeckt. Ich ließ den Schlitten tief im Wald östlich der Farm in einem Bachbett stehen und kehrte auf Schneeschuhen, nur mit einem Rucksack beladen, zur Straße zurück. Auf ihr näherte ich mich offen dem Haupttor der Farm. Am Eingang zeigte ich meine Papiere vor, die ich während der Wartezeit in Turuf abermals gefälscht hatte. Sie trugen jetzt einen ›blauen Stempel‹, der mich als Thener Benth, Sträfling auf Bewährung, auswies, und einen angehefteten Befehl, mich an oder vor Eps Thern auf der Dritten Freiwilligen-Farm der Pulefen-Commensalität zu zwei Jahren Wachdienst zu melden. Ein scharfäugiger Inspektor wäre beim Anblick der zerfetzten Papiere mißtrauisch geworden, hier oben jedoch gab es nur wenige scharfe Augen.

Nichts leichter, als in ein Gefängnis hineinzukommen. Jetzt war ich auch, was das Hinauskommen betraf, ein wenig ruhiger.

Der Oberaufseher schimpfte, daß ich erst einen Tag später gekommen war, als in meinem Befehl vorgeschrieben, und schickte mich zu den Baracken hinüber. Das Essen war schon vorbei, daher war es glücklicherweise zu spät, mir meine Dienstuniform zu verpassen und meine eigene, gute Kleidung zu konfiszieren. Eine Waffe gab man mir nicht, aber ich fand eine, als ich in der Küche herumlungerte und dem Koch einen Happen zu essen abzuschmeicheln versuchte. Er hatte sein Gewehr hinter den Backöfen an einem Nagel hängen. Ich stahl es ihm. Es war mit keiner tödlichen Einstellung ausgerüstet; das waren vermutlich die Gewehre der Wachen alle nicht. Hier auf den Farmen brachte man die Menschen nicht um: man ließ sie an Hunger, Kälte und Verzweiflung sterben.

Es gab hier dreißig bis vierzig Gefangenenaufseher und etwa hundertfünfzig bis -sechzig Sträflinge, die alle sehr elend aussahen, und von denen die meisten schon fest schliefen, obwohl die vierte Stunde gerade vorüber war. Ich bat einen jungen Wachmann, mich herumzuführen und mir die schlafenden Gefangenen zu zeigen. Als ich sie in dem grellen Licht des großen Schlafsaales sah, wollte ich schon jede Hoffnung aufgeben, am selben Abend noch handeln zu können, bevor ich einen Verdacht auf mich lenkte. Die Männer lagen alle, wie Babies im Mutterleib, tief in ihre Schlafsäcke vergraben, so daß sie für mich unsichtbar, nicht zu erkennen waren. Das heißt, alle, bis auf einen, der zu groß war, um sich im Sack zu verstecken: dunkles Gesicht, abgezehrt zum Skelett, ein Totenkopf, geschlossene, tief eingesunkene Augen, ein Wust von langem, strähnigem Haar klebte auf seiner Stirn.

Das Glück, das sich mir in Ethwen zugewandt hatte, drehte nun in meiner Hand die ganze Welt. Ich hatte schon immer eine ganz besondere Gabe gehabt: zu wissen, wann das große Rad auch dem leisesten Fingerdruck gehorcht — zu wissen und zu reagieren. Letztes Jahr in Erhenrang hatte ich diese Intuition verloren zu haben geglaubt, hatte gedacht, sie würde nie zu mir zurückkehren. Daher war es jetzt ein ganz besonders herrliches Gefühl, wieder diese schlafwandlerische Sicherheit zu spüren, zu wissen, daß ich mein Schicksal und das Geschick der Welt in dieser gefährlichen Stunde steuern konnte wie einen Bobschlitten bei einer Schußfahrt einen Steilhang hinab.

Da ich in meiner Rolle als ruheloser, neugieriger Dummkopf noch immer überall herumstreifte, teilte man mich zur Nachtwache ein. Um Mitternacht lag außer mir und dem anderen Nachtwachmann alles in tiefem Schlaf. Ich setzte mein tölpelhaftes Herumschnüffeln fort und wanderte von Zeit zu Zeit immer wieder an den Schlafbrettern entlang. In Gedanken arbeitete ich meinen Plan aus und begann dann, Willen und Körper für den Dothe-Zustand vorzubereiten, denn ohne die zusätzliche Kraft aus dem Dunkel würde meine eigene Kraft niemals ausreichen. Kurz vor Morgengrauen ging ich mit dem Gewehr des Kochs noch einmal in den Schlafsaal hinüber, gab Genly Ai einen Betäubungsstoß von einer Hundertstelsekunde ins Gehirn, legte ihn mir mitsamt seinem Sack über die Schulter und trug ihn in die Wachstube hinaus.»Was ist denn los?«fragte der andere Wachposten verschlafen.»Laß ihn in Ruhe!«

»Er ist tot.«

»Schon wieder einer? Bei Meshes Bauch! Es ist doch noch nicht mal richtig Winter.«Er drehte sich auf die Seite, um dem Gesandten, dessen Kopf auf meinem Rücken hing, ins Gesicht zu sehen.»Ach, der ist das — der Perverse! Beim Großen Auge, ich hatte nie an das geglaubt, was man sich so über die Karhider erzählte, bis ich den hier sah, dieses scheußliche Monstrum! Die ganze Woche hat er auf dem Bett gelegen und geseufzt und gestöhnt, aber daß er so schnell krepieren würde, hätte ich nicht gedacht. Na ja, leg ihn nach draußen; da kann er bleiben, bis es hell wird. Steh nicht da rum wie ein Verlader mit einem Sack voll Scheiße…«

Auf meinem Weg den Korridor entlang machte ich noch einmal beim Inspektorenbüro halt, und da ich ja selber der Wachposten war, hinderte mich niemand daran, einzutreten und mich umzusehen, bis ich den Wandschrank fand, in dem die Alarmsirenen und Schalter angebracht waren. Sie waren alle unbeschriftet, aber die Wachen hatte sie mit eingeritzten Buchstaben gekennzeichnet, damit sie sie nicht verwechselten, wenn einmal Eile geboten war. Ich interpretierte ein ›Z‹ als ›Zaun‹, legte den entsprechenden Schalter um, weil ich ja den Strom in dieser äußersten Befestigung der Farm abstellen mußte, und setzte meinen Weg fort, indem ich Ai nunmehr an den Schultern weiterschleifte. Als ich an dem diensthabenden Aufseher in der Wachstube am Ausgang der Baracke vorbeikam, tat ich so, als habe ich große Mühe, das tote Gewicht des Gesandten fortzubewegen; in Wirklichkeit hatte meine Dothe-Kraft inzwischen voll eingesetzt, aber der Mann durfte auf keinen Fall sehen, wie leicht es mir fiel, diesen Mann zu tragen, der größer als ich selber war. Ich sagte:»Ein toter Sträfling. Man hat mir befohlen, ihn aus dem Schlafsaal zu entfernen. Wo soll ich ihn hinbringen?«

»Keine Ahnung. Schaff ihn raus. Leg ihn unter ein Dach, damit der Schnee ihn nicht zudeckt und er im nächsten Frühjahr, wenn’s taut, nicht als stinkender Kadaver zum Vorschein kommt.

Es schneit peditia.« Er meinte damit einen Schneefall, den wir sove nennen — dicke, nasse Flocken, eine gute Nachricht für mich.»Wird gemacht«, erklärte ich und hievte meine Bürde zur Tür hinaus und um die Barackenecke herum, wo er uns nicht mehr sehen konnte. Dann legte ich mir Ai wieder über die Schulter, marschierte ein paar hundert Meter nach Nordosten, warf meine Bürde über den toten Zaun, kletterte selbst hinüber, hob Ai wieder auf und machte mich, so schnell es ging, auf den Weg zum Fluß. Ich war noch nicht weit gekommen, als eine Sirene zu heulen begann und die Flutlichter aufflammten. Der Schnee fiel zwar so dicht, daß er mich verbarg, doch leider nicht so dicht, daß er meine Spuren innerhalb von Minuten zugedeckt hätte. Trotzdem waren sie mir, als ich den Fluß erreichte, immer noch nicht auf der Spur. Auf dem trockenen Boden unter den Bäumen oder, wo es keinen trockenen Boden gab, im Wasser wandte ich mich nach Norden; der Fluß, ein schneller, kleiner Nebenfluß des Esagel, war noch nicht zugefroren. Die Morgendämmerung erleichterte die Sicht, und ich kam schneller voran. In meinem Dothe-Zustand war mir der Gesandte zwar eine lange, unbequeme, aber keine unerträglich schwere Last. Dem Fluß bis in den Wald hinein folgend, kam ich an die Schlucht, in der mein Schlitten wartete, schnallte den Gesandten auf den Schlitten, packte meine Sachen so über ihn und um ihn herum, daß er gut versteckt war, und spannte über alles zusammen eine Zeltplane. Dann zog ich mich um und aß von dem Proviant aus meinem Rucksack, denn schon nagte der große Hunger, den ein längerer Dothe-Zustand mitbringt, in meinem Magen. Als ich fertig war, brach ich auf und folgte der Hauptstraße durch den Wald. Nicht lange, und zwei Skiläufer hatten mich eingeholt.

Ich war jetzt genau wie ein Trapper ausgerüstet und gekleidet und erklärte ihnen, daß ich versuchte, Mavrivas Gruppe einzuholen, die in den letzten Tagen des Grende nach Norden gezogen war. Mavriva war den beiden bekannt, und nach einem Blick auf meine Trapperlizenz nahmen sie mir meine Geschichte ab. Sie glaubten nicht, daß sich der Flüchtling nach Norden gewandt hatte, denn nördlich von Pulefen gibt es nichts außer dem Wald und dem Großen Eis; vielleicht aber waren sie auch gar nicht so interessiert daran, entsprungene Sträflinge wiederzufinden. Warum auch? Sie liefen weiter und begegneten mir nach höchstens einer Stunde schon wieder auf dem Rückweg zur Farm. Einer der beiden war der Mann, mit dem ich Wache gehabt hatte. Anscheinend hatte er mein Gesicht nicht gesehen, obgleich er es die halbe Nacht hindurch vor der Nase gehabt hatte.

Als ich ganz sicher sein konnte, daß sie verschwunden waren, bog ich von der Straße ab, schlug einen großen Bogen durch den Wald und die Vorberge östlich um die Farm und kam am Ende des Tages schließlich von Osten, aus der Wildnis in das verborgene Tal oberhalb Turuf, wo ich meine gesamte Ersatzausrüstung versteckt hatte. Es war sehr mühsam, den Schlitten, der mehr wog als ich selbst, durch dieses unwegsame Gelände zu ziehen, aber der Schnee lag hoch und wurde allmählich fester, und ich war im Dothe-Zustand. Ich mußte auch darin bleiben, denn läßt man die Dothe-Kraft einmal absinken, ist man zu nichts mehr fähig. Bis jetzt hatte ich den Dothe-Zustand noch nie länger als eine Stunde aufrechterhalten müssen, wußte aber, daß einige der alten Männer einen ganzen Tag und eine Nacht oder sogar noch länger in voller Kraft bleiben können, und die Tatsache, daß ich durch die augenblicklichen Umstände ebenfalls dazu gezwungen war, erwies sich als eine gute Übung für mich. Im Dothe-Zustand macht man sich nie große Sorgen, und wenn ich überhaupt beunruhigt war, dann nur über den Gesandten, der schon vor langer Zeit aus der leichten Benommenheit hätte erwachen müssen, in die ich ihn mit dem Schuß aus dem Gewehr versetzt hatte. Aber er hatte sich überhaupt nicht gerührt, und ich konnte mich aus Zeitmangel nicht um ihn kümmern. War er vielleicht physisch so anders als wir, daß das, was bei uns höchstens eine kurzzeitige Bewußtlosigkeit auslöst, für ihn den Tod bedeutete? Wenn man das Rad mit seinen Händen drehen kann, muß man sehr sorgfältig auf seine Worte achten: Zweimal schon hatte ich ihn als tot bezeichnet, und außerdem hatte ich ihn getragen, wie man Tote trägt. Da mußte mir ja der Gedanke kommen, daß es ein Toter war, den ich über die Berge zog, und daß mein Glück und sein Leben trotz aller Mühen verschwendet waren. Bei dieser Vorstellung begann ich zu schwitzen und zu fluchen, bis es mir schien, als rinne die Dothe-Kraft aus mir heraus wie Wasser aus einem zerbrochenen Krug. Aber ich marschierte hartnäckig weiter, und meine Kraft verließ mich erst, als ich das Versteck in den Vorbergen erreicht, das Zelt aufgestellt und alles für Ai getan hatte, was in meiner Macht stand. Ich öffnete eine Dose mit Würfeln aus konzentrierter Nahrung, verschlang die meisten davon selbst, konnte jedoch auch ihm ein paar als Suppe einflößen, denn er sah aus, als ob er kurz vor dem Verhungern wäre. Seine Arme und seine Brust waren mit Geschwüren bedeckt, die durch den schmierigen Schlafsack, in dem er lag, offen gehalten wurden. Als ich die Wunden gesäubert hatte und er, soweit es Winter und Wildnis erlaubten, warm und sicher in dem neuen Pelzsack lag, konnte ich weiter nichts für ihn tun. Die Nacht war gekommen, und ich wurde von der noch schwereren Dunkelheit überfallen, dem Preis, den ich für die freiwillige Zuhilfenahme meiner gesamten Körperkräfte zu zahlen hatte. Ihn und mich selbst mußte ich nun dieser Dunkelheit anvertrauen.

Wir schliefen. Es schneite. Es muß die ganze Nacht, den Tag und die nächste Nacht meines thangen-Schlafes hindurch geschneit haben — kein Blizzard, aber der erste große Schneefall des Winters. Als ich mich endlich aufrappelte, um einen Blick hinauszuwerfen, sah ich, daß unser Zelt schon fast zur Hälfe unter Schnee begraben war. Sonnenlicht und bläuliche Schatten belebten den weißen Schnee. Weit oben im Osten störte ein grauer Schleier das strahlende Blau des Himmels: der Rauch des Udenushreke, des Gipfels der Feuerberge, der uns am nächsten lag. Rings um die kleine Pyramide unseres Zeltes lag nur unberührter Schnee: in Wällen, Hügeln, Buckeln, Hängen — Weiß in Weiß.

Da ich mich noch in der Erholungsphase befand, fühlte ich mich sehr schwach und benommen, raffte mich aber immer wieder auf, um Ai, so oft es ging, ein paar Löffel Suppe einzuflößen; und am Abend dieses Tages erwachte er endlich wieder zum Leben, wenn auch nicht ganz zu klarem Bewußtsein. Er schreckte hoch und stieß einen lauten Entsetzensschrei aus. Als ich an seiner Seite niederkniete, versuchte er mit aller Kraft, sich gegen mich zu wehren, und fiel, da die Anstrengung zu groß für ihn war, erneut in Ohnmacht. In dieser Nacht begann er im Schlaf zu sprechen, allerdings in einer mir fremden Sprache. Es war sehr sonderbar, dort, in dem dunklen Schweigen der weiten Wildnis, zu hören, wie er Worte in einer Sprache murmelte, die er auf einer fremden Welt gelernt haben mußte. Der nächste Tag war sehr anstrengend für mich, denn jedesmal, wenn ich nach ihm sah, hielt er mich, wie ich glaube, für einen der Aufseher der Farm und fürchtete, ich werde ihm irgendeine Droge verabreichen. Er stammelte und lallte auf Orgota und Karhidisch durcheinander, flehte mich an, ›es nicht zu tun‹, und kämpfte mit einer Kraft, wie sie nur panische Angst verleiht, gegen mich an. So ging es nun immer wieder, und da ich im thangen-Zustand und daher schwach war an Leib und Willen, schien es, als wäre ich nicht in der Lage, für ihn zu sorgen. An diesem Tag hatte ich den Eindruck, daß man ihn nicht nur mit Drogen betäubt, sondern auch eine Gehirnwäsche an ihm vorgenommen hatte, die ihn entweder wahnsinnig oder blöde gemacht zu haben schien. Da wünschte ich, er wäre auf dem Schlitten im Thore-Wald gestorben, oder ich hätte kein Glück gehabt, sondern wäre beim Verlassen von Mishnory verhaftet und selbst auf eine Farm verbannt worden, um dort mein Schicksal zu erwarten.

Als ich aus dem Schlaf erwachte, sah ich, daß er mich anstarrte.

»Estraven?«fragte er mit schwacher, verwunderter Stimme.

Mir schwoll das Herz. Jetzt konnte ich ihn beruhigen und ihn versorgen. In dieser Nacht schliefen wir beide gut.

Am nächsten Tag ging es ihm sehr viel besser, so daß er sich zum Essen sogar aufsetzen konnte. Die Wunden an seinem Körper heilten. Ich fragte ihn, woher sie kämen.

»Das weiß ich nicht. Ich glaube, sie sind eine Folge der Drogen. Man hat mir immer wieder Injektionen gegeben…«

»Gegen Kemmer?«Das hatte ich von Männern gehört, die von einer Freiwilligen-Farm entlassen oder geflohen waren.

»Ja. Aber auch andere. Keine Ahnung, was das für Spritzen waren, vermutlich irgendwelche Wahrheitsdrogen. Die haben mich krank gemacht, aber man hat sie mir immer weiter gegeben. Was wollten die eigentlich herausfinden? Was hätte ich ihnen sagen können?«

»Vermutlich hat man eher versucht, Sie zu domestizieren, als Sie zu verhören.«

»Zu domestizieren?«

»Sie durch erzwungene Sucht nach einem der Orgrevy- Derivate gefügig zu machen. Diese Praktiken sind auch in Karhide nicht unbekannt. Vielleicht hat man Sie und die anderen aber auch zu Experimenten benutzt. Ich habe gehört, daß man an den Gefangenen auf den Farmen Drogen und Methoden ausprobiert, die das Gehirn verändern sollen. Bisher habe ich es nie geglaubt, wenn man mir so etwas erzählte. Jetzt glaube ich es.«

»Gibt es in Karhide auch solche Farmen?«

»In Karhide? Nein«, antwortete ich.

Er rieb sich nervös die Stirn.»In Mishnory würde man mir auf diese Frage vermutlich auch antworten, daß es in Orgoreyn so etwas nicht gibt.«

»Im Gegenteil — man würde sich damit vor Ihnen brüsten und Ihnen Tonbänder und Fotos von Freiwilligenfarmen vorführen wo Anomale resozialisiert werden und Restgruppen von Eingeborenenstämmen Zuflucht finden. Man würde Ihnen die Erste Distrikt-Freiwilligen-Farm gleich außerhalb von Mishnory zeigen — in jeder Hinsicht ein Ausstellungsstück. Wenn Sie vermuten, daß wir in Karhide Farmen haben, dann überschätzen Sie uns aber sehr, Mr. Ai. Wir sind kein fortschrittliches Land.«

Er blieb lange ganz still liegen und starrte auf den glühenden Chabe-Ofen, den ich so eingestellt hatte, daß er eine erstickende Hitze ausstrahlte. Dann sah er mich wieder an.

»Ich weiß, daß Sie es mir schon heute morgen gesagt haben, aber da war ich, glaube ich, noch etwas benommen. Wo sind wir, und wie sind wir hierhergekommen?«

Ich sagte es ihm zum zweitenmal.

»Sie sind also… einfach mit mir auf- und davongegangen?«

»Mr. Ai, Sie und jeder andere Gefangene, oder auch alle Gefangenen zusammen, hätten jederzeit einfach auf- und davongehen können. Wenn Sie nicht ausgehungert, erschöpft, demoralisiert und durch die Drogen abgestumpft gewesen wären; und wenn Sie Winterkleidung gehabt hätten — und eine Zufluchtsstätte… Da liegt der Haken. Wo hätten Sie hingehen sollen? In eine Stadt? Sie haben keine Papiere, also aussichtslos. In die Wildnis? Kein Unterschlupf, also Ihr Ende. Im Sommer wird man die Pulefen-Farm vermutlich mit mehr Wachen besetzen. Im Winter dagegen überläßt man dem Winter selbst die Bewachung.«

Er hörte kaum zu.»Sie könnten mich doch nicht einmal zehn Meter weit tragen, Estraven. Wie konnten Sie mich da auf dem Buckel im Dunkeln mehrere Meilen weit im Laufschritt querfeldein schleppen…«

»Ich war im Dothe-Zustand.«

Er zögerte.»Freiwillig?«

»Ja.«

»Sie… Sie gehören zu den Handdarata?«

»Ich bin in der Handdara aufgewachsen und war zwei Jahre lang Einwohner der Festung Rotherer. Im Kerm-Land gehören die meisten Mitglieder der Inneren Herde zu den Handdarata.«

»Ich dachte immer, daß eine Dothe-Phase, daß dieser extreme Energieverbrauch notwendigerweise eine Art Kollaps nach sich zieht…«

»Das stimmt. Wir nennen es thangen, den dunklen Schlaf. Diese Phase dauert länger als die Dothe-Periode, und wenn man in die Erholungsphase eingetreten ist, wäre es überaus gefährlich, sich dagegen zu wehren. Ich habe zwei ganze Nächte durchgeschlafen. Auch jetzt bin ich noch im Thangen- Zustand und könnte keinen Hügel hinaufklettern. Dazu kommt ein starkes Hungergefühl; ich habe den größten Teil der Rationen gegessen, die mich über die ganze nächste Woche bringen sollten.«

»Nun gut«, sagte er widerwillig.»Ich glaube Ihnen. Was bleibt mir anderes übrig, als Ihnen zu glauben? Hier bin ich, da sind Sie… aber ich begreife es nicht. Ich begreife nicht, warum Sie das alles für mich getan haben!«

Da ging mein Temperament mit mir durch, und ich mußte intensiv auf das Eismesser blicken, das dicht neben meiner Hand lag. Es war mir nicht möglich, ihn anzusehen oder ihm zu antworten, bevor ich meiner Wut Herr geworden war. Zum Glück war noch immer nicht viel Energie in mich zurückgekehrt, und ich sagte mir stumm, daß er ein Unwissender sei, ein Fremder, den man mißbraucht und verschreckt hatte. Auf diese Weise zu einer gerechteren Beurteilung seiner Worte gekommen, sagte ich schließlich:»Weil ich das Gefühl habe, daß es zum Teil meine Schuld ist, daß Sie nach Orgoreyn und dadurch auf die Pulefen-Farm gekommen sind. Und jetzt versuche ich, meinen Fehler gutzumachen.«

»Aber Sie hatten doch mit meiner Refse nach Orgoreyn überhaupt nichts zu tun!«

»Mr. Ai, wir sehen dieselben Ereignisse mit verschiedenen Augen, während ich irrtümlich angenommen hatte, daß wir sie auf die gleiche Art sähen. Kehren wir zum vergangenen Frühjahr zurück. Damals, ungefähr einen Halbmonat vor dem Tag der Schlußstein-Zeremonie, begann ich König Argaven zu empfehlen, er möge warten, er möge über Sie und Ihre Mission vorläufig noch nicht entscheiden. Die Audienz war allerdings schon festgelegt, daher schien es mir am besten, sie stattfinden zu lassen, ohne jedoch ein Resultat davon zu erwarten. Ich dachte immer, daß Sie diese Gedankengänge verstehen würden, doch leider hatte ich mich darin getäuscht. Ich setzte eben zuviel voraus; ich wollte Sie nicht beleidigen, indem ich Ihnen einen Rat gab; ich dachte, Sie würden begreifen, welche Gefahr darin lag, daß Pemmer Harge rem ir Tibe auf einmal in die Kyorremy aufstieg. Wenn Tibe einen plausiblen Grund gefunden hätte, Sie zu fürchten, hätte er Sie beschuldigt, einer Partei zu dienen, und Argaven, der sich stark von Furcht leiten läßt, hätte Sie vermutlich ermorden lassen. Aus diesem Grund wollte ich, daß Sie unten, das heißt, in Sicherheit blieben, solange Tibe hoch oben und an der Macht war. Zufällig ging ich gleichzeitig mit Ihnen unter. Daß ich gestürzt wurde, war unvermeidlich, ich hätte jedoch nicht gedacht, daß es noch in derselben Nacht geschah, als wir unser Gespräch führten. Doch niemand bleibt lange Argavens Premierminister. Nachdem ich den Ausweisungsbefehl erhalten hatte, konnte ich mich nicht mit Ihnen in Verbindung setzen, ohne Sie ebenfalls in Ungnade und damit in Lebensgefahr zu bringen. Ich kam nach Orgoreyn. Ich versuchte Ihnen den Vorschlag zu machen, ebenfalls nach Orgoreyn zu kommen. Ich drängte die Männer der dreiunddreißig Commensalen, denen ich am wenigsten mißtraute, Ihnen die Einreise zu gestatten; ohne deren Grund hätten Sie die nämlich niemals bekommen. Sie sahen in Ihnen eine Möglichkeit, an die Macht zu gelangen, eine Möglichkeit, die sich verschärfende Rivalität mit Karhide aus der Welt zu schaffen und den freien Handel wieder einzuführen, vielleicht sogar die Zwangsjacke des Sarf abzustreifen. Ich bestärkte sie in dieser Ansicht, aber sie sind übervorsichtig und haben Angst, die Initiative zu ergreifen. Statt Sie der Öffentlichkeit vorzustellen, versteckten sie Sie, verloren dadurch ihre Chance und verkauften Sie an den Sarf, um ihre eigene Haut zu retten. Ich hatte mich zu sehr auf diese Männer verlassen, und darum trifft mich allein die Schuld.«

»Aber zu welchem Zweck all diese Intrigen, all dieses Verstecken, Machtstreben und Komplotte schmieden — wozu das alles. Estraven? Was wollten Sie damit erreichen?«

»Ich wollte dasselbe erreichen wie Sie: ein Bündnis meiner Welt mit Ihren Welten. Was dachten Sie sonst?«

Über den glühenden Ofen hinweg starrten wir einander an wie zwei Holzpuppen.

»Sie meinen, selbst wenn es Orgoreyn wäre, das dieses Bündnis eingeht…?«

»Selbst wenn es Orgoreyn wäre. Karhide wäre in kurzer Zeit nachgefolgt. Meinen Sie denn, ich würde shifgrethor spielen, wenn soviel für uns, für alle meine Mitmenschen, auf dem Spiele steht? Was spielt es schon für eine Rolle, welches Land zuerst erwacht, wenn wir nur überhaupt erwachen?«

»Zum Teufel noch mal, wie kann ich Ihnen glauben, was Sie mir da erzählen!«platzte er los. Seine große, körperliche Schwäche verlieh seiner Empörung einen weinerlichen Ton.»Wenn all das stimmt, dann hätten Sie mir das doch schon weit eher erklären können, im letzten Frühling; Sie hätten uns beiden die Reise nach Pulefen erspart. Ihre Bemühungen in meinem Interesse…«

»Sind fehlgeschlagen. Und ich habe Sie in Elend, Schande und Gefahr gestürzt. Ich weiß. Doch wenn ich versucht hätte, Ihretwegen Tibe zu bekämpfen, dann wären Sie jetzt nicht hier, sondern in einem Grab in Erhenrang. Statt dessen gibt es jetzt sowohl in Karhide als auch in Orgoreyn einige Leute, die Ihre Geschichte glauben, weil sie auf mich gehört haben. Mag sein, daß sie Ihnen nicht helfen können. Wie Sie schon sagten, war es mein größter Fehler, daß ich mich Ihnen gegenüber nicht offen erklärt habe. Ich bin nicht daran gewöhnt. Ich bin nicht daran gewöhnt, Ratschläge zu geben oder zu nehmen, genau wie ich eine Schuld weder anderen gebe noch akzeptiere.«

»Ich will nicht ungerecht sein, Estraven…«

»Und doch sind Sie es. Sonderbar. Ich bin der einzige Mensch von ganz Gethen, der Ihnen volles Vertrauen geschenkt hat, und gleichzeitig bin ich der einzige Mensch von ganz Gethen, dem Sie Ihr Vertrauen nicht schenken wollten.«

Er barg den Kopf in seinen Händen. Nach einer Weile sagte er:»Es tut mir leid, Estraven.«Das war Entschuldigung und Geständnis zugleich.

»Tatsache ist, daß Sie nicht daran glauben können oder wollen, daß ich an Sie glaube.«Ich erhob mich, denn meine Beine waren verkrampft, und ich merkte, daß ich vor Zorn und Müdigkeit zitterte.»Lehren Sie mich Ihre Gedankensprache«, fuhr ich fort, bemüht, einen leichten Ton anzuschlagen und ohne Erbitterung zu sprechen.»Diese Sprache, in der es keine Lüge gibt. Lehren Sie mich, sie zu sprechen, und dann fragen Sie mich, warum ich getan habe, was ich tat.«

»Das tue ich gern, Estraven.«

Загрузка...