Kapitel Zwei Lärm und Getümmel und nichts wie raus aus Dodge

Die Manifestation des Dämons hatte alle möglichen Alarme ausgelöst. Sirenen, aufblitzende Lichter, der ganze Krempel. Ich zögerte gerade lange genug, um mich zu vergewissern, dass es Mr. Presidents Gattin gut ging (sie war bewusstlos, von schwarzem ektoplasmatischem Schmodder überzogen, aber im Wesentlichen ging es ihr gut, der armen dummen Kuh), und dann knallte ich die Tür auf und stürmte auf den Korridor hinaus. Die Sirenen waren ohrenbetäubend, und die Lichter lieferten im Takt zu dem heiseren elektronischen Lärm das optische Schnellfeuer. Was ist bloß aus den wohltuend melodischen Alarmen mit Klingeln geworden? Mit Ambulanzen ist es genau dasselbe. Und mit Löschfahrzeugen. Ich mache mir über solche Sachen Gedanken. Manchmal bereitet mir das Sorgen. In dem Moment, als ich im Korridor erschien, öffneten sich versteckte Schießscharten in beiden Wänden und die Läufe von Hochleistungsgewehren fuhren heraus. Ich fing an zu rennen.

Sofort eröffneten sämtliche Gewehre das Feuer, und aus dieser Nähe verursachten der Donner der Schüsse und das blendende Mündungsfeuer körperliche Schmerzen. Das schwere Ausmaß des Feuers zersiebte die Wände hinter mir, als ich den Korridor hinunterraste. Meine Rüstung war immer noch in vollem Tarnkappenmodus, deshalb konnten die Gewehre mich nicht aufspüren. Soweit es die Überwachungskameras betraf, war der Flur leer, aber die Bedienungsleute wussten, dass da jemand sein musste, weil sie die Tür hatten aufgehen sehen. Also ballerten sie einfach aus allen Rohren und hofften das Beste. Die Gewehrläufe schwangen hin und her und hielten eine mörderische Feuerrate bei, doch selbst die gelegentlichen Glückstreffer prallten einfach von meiner Rüstung ab. Ich spürte sie nicht mal auftreffen.

Ich bog gerade rechtzeitig um die Ecke, um zu sehen, wie ein schweres Stahlgitter von der Decke herunterknallte und mir den Weg versperrte. Ich machte nicht langsamer und rammte das Gitter mit der Schulter, nur um jäh zum Stehen zu kommen, denn der schwere Stahl verbog sich zwar, hielt aber. Ich packte das Gitter mit beiden goldenen Händen und zerfetzte es, als ob es aus Brüsseler Spitze wäre. Der Stahl protestierte mit schrillem Kreischen, als er auseinandergerissen wurde. Ich zwängte mich durch die Öffnung und rannte den nächsten Korridor hinunter. Die Rüstung verleiht mir übernatürliche Stärke, wenn ich sie brauche. Fabelhaftes Zeug, dieses lebende Metall. Ich hatte die Gewehre und Sirenen hinter mir gelassen, aber dafür konnte ich jetzt schnelle Schritte und laute, wütende Stimmen hören, die sich von allen Seiten an mich heranarbeiteten. Zeit, mich in einem anderen Zimmer zu verstecken und das Zeter und Mordio an mir vorbeirauschen zu lassen.

Ich lief die Treppe zum nächsten Stockwerk hinunter, suchte mir aufs Geratewohl eine Tür aus, sprengte das Schloss mit dem Stoß einer gepanzerten Hand auf, schlüpfte in den verdunkelten Raum und schloss die Tür sorgfältig hinter mir. Es war angenehm ruhig in dem Raum, und ich stand ganz still in der Düsterkeit und hörte zu, wie eine ganze Horde von Leuten an der Tür vorbeirannte, zuerst aus der einen Richtung und dann aus der anderen. Es gab viel verwirrtes Geschrei, und ich lächelte hinter meiner goldenen Maske. Erste Regel eines guten Agenten: Lass die anderen immer im Unklaren. Jetzt brauchte ich nur noch zu warten, bis sich die Dinge ein wenig beruhigt hatten, und dann würde ich einfach vorsichtig hier raus- und in vollem Tarnkappenmodus an den Sicherheitskräften vorbeigehen, und sie würden überhaupt nicht merken, dass ich da war. Das Licht im Raum wurde angeknipst, und ich wirbelte überrascht herum. Der Patient des Zimmers saß kerzengerade in seinem Bett und starrte mich direkt an.

Was eigentlich nicht möglich sein sollte. Na gut, Mr. President hat mich gesehen, aber das auch nur, weil er einen Dämon in sich hatte. Zwei Mal in einer Nacht war noch nie da gewesen. Ich ging schnell zum Bett hinüber, hob warnend eine goldene Faust, und der Patient nahm die Hand vom Klingelknopf. Ich blieb abrupt stehen, denn endlich erkannte ich den Patienten. Hinter meiner goldenen Maske riss ich vor Erstaunen den Mund auf. Kein Wunder, dass er mich sehen konnte: Der Mann im Bett war der Karma-Katechet!

Der Karma-Katechet, eine lebende Legende, wusste alles, was es über magische Systeme, Rituale und Machtformen zu wissen gab. Er war die lebende Verkörperung jeder mystischen Quelle, jedes verbotenen Buches, jeder dunklen und geheimen Abhandlung darüber, wie man anderen Leuten schreckliche Dinge in sieben einfachen Schritten antut. Er war dafür bestimmt worden, als er noch in der Gebärmutter war, gestaltet von schrecklichen Willen, seine Funktion, seine Form und sein Fatum vorherbestimmt von mächtiger Zauberei und arkaner Mathematik. Er kannte es alles, von der Kabbala zum Necronomicon, vom Buch Judas zu den Hoheliedern des Herodes. Jeden Zauberspruch, jedes Arbeitsprinzip, jede Konzeption.

Meine Familie hatte jahrelang versucht, ihn in die Finger zu kriegen, aber seit Jahrzehnten hatte ihn keiner zu Gesicht bekommen. Er war von jeder Gruppe, die jemals von der Macht geträumt hatte, hin und her gereicht, geraubt und entführt und ausgetauscht worden, weil keine Gruppe allein ihn lange festhalten konnte. Das Problem war, er wusste zu viel, und man musste die richtigen Fragen kennen, um die Antworten zu kriegen, die man brauchte. Eine lebende Enzyklopädie erschreckenden Wissens, aber kein Inhaltsverzeichnis. Und jetzt war er in greifbarer Nähe! Wenn ich ihn nur mit mir zusammen hier rausschaffen könnte … Nein. Zu viel Schwierigkeiten. Seine besondere Natur würde zu Interferenzen mit dem Tarnkappenmodus meiner Rüstung führen. Mit ihm würde ich bemerkt werden, er würde mich langsamer machen … Nein, ich würde einfach weitersagen, dass er hier war, und der Familie die Entscheidung darüber überlassen, was als Nächstes getan werden sollte.

Ginge es nach mir, ich würde eine taktische Atomwaffe auf die Harley Street schmeißen, nur um sicher zu sein, dass es ihn erwischt. Es gibt so etwas wie zu viel Wissen. Der Karma-Katechet kennt hundert Wege, der Welt ein Ende zu bereiten oder die Realität selbst zu zerreißen. Die Familie würde jedoch einen Mord an einem derart kostbaren Vermögenswert niemals billigen. Sie wollten die Informationen, die in ihm steckten, genau wie alle anderen.

Ich hätte ihn ja selbst umgebracht, und zum Teufel mit den Konsequenzen, aber … so schrecklich sah er gar nicht aus, von Nahem. Er war nur ein kleiner Mann mittleren Alters, dem schon die meisten Haare ausgegangen waren. Er hatte ein sanftes, freundliches Gesicht, ausdruckslose Augen und ein schüchternes Lächeln. Er trug einen altmodischen gestreiften Schlafanzug, dessen Jacke teilweise offen stand und ein Büschel weißer Brusthaare sehen ließ. Er wirkte müde und traurig und sehr verletzlich. Es war leicht, Mitleid für ihn zu empfinden; er hatte kein besonders tolles Leben gehabt, und kaum etwas davon hatte er sich selbst ausgesucht. Es war nicht seine Schuld, dass er ein lebendes Instrument des Jüngsten Tages war.

»Tun Sie mir nichts!«, sagte er und blickte mich mit fast kindlicher Unvoreingenommenheit an.

»Pst!«, sagte ich. »Sie halten einfach den Mund, und ich bin sofort wieder weg. Weswegen sind sie überhaupt hier drin?«

»Weil ich den Mund nicht halten kann«, antwortete er traurig. »Man hat mich konditioniert, umprogrammiert, meine Arbeitsparameter geändert, und alles ist schrecklich schiefgelaufen. Wenn mir jetzt jemand eine Frage stellt, muss ich sie beantworten, ob er das richtige Passwort kennt oder nicht. Ich bin zu einem Sicherheitsrisiko geworden.« Plötzlich weiteten sich seine Augen, und Angst spiegelte sich in seiner Miene wider. »Sie werden rauskriegen, dass ich mit Ihnen gesprochen habe! Sie werden denken, dass Sie mich gefragt haben, was kommen wird! Ich werde es Ihnen nicht sagen! Auf keinen Fall!«

Er biss die Zähne zusammen, und ich hörte ein deutliches Knirschen. Seine Muskeln zogen sich krampfhaft zusammen, sein Rücken wölbte sich vom Bett hoch, seine Augen quollen aus den Höhlen, und dann lag er schlaff und reglos da, und sein letzter Atemzug war ein kleiner, trauriger Seufzer. Ich fühlte nach einem Pulsschlag an seinem Hals, aber er war definitiv tot. Ein Giftzahn, um Gottes willen! Ich dachte, die wären in den Sechzigern aus der Mode gekommen! Ein Mann hatte sich gerade vor mir umgebracht, und ich hatte keine Ahnung, warum. Ich weiß nicht, was er glaubte, dass ich ihn fragen könnte. Der Gottlose fleucht, und niemand jagt ihn, und dergleichen.

Dann kam mir in den Sinn, dass eine ganze Menge Leute sich richtig darüber aufregen würden, dass so eine wertvolle Ressource wie der Karma-Katechet meinetwegen tot war. Vielleicht würde ich diesen speziellen Zwischenfall in meinem Missionsbericht lieber doch nicht erwähnen.

Ich horchte sorgfältig an der Tür: Die Sirenen heulten sich noch immer ihre kleinen elektronischen Herzen aus dem Leib, aber die wütenden Schritte schienen sich entfernt zu haben. Sachte öffnete ich die Tür und schlüpfte auf den Korridor hinaus. Weitere Gewehre stießen aus den Wänden und eröffneten augenblicklich das Feuer, als sie sahen, wie die Tür sich bewegte. Ich sprintete durch den Gang, wobei meine Rüstung mir übernatürliche Geschwindigkeit verlieh, und rannte lachend durch die Kugeln, als ob sie nichts als Regentropfen wären.

Ich erreichte das Ende des Korridors und sprang die Treppe zum nächsten Stockwerk hinunter, segelte in einem Satz von der obersten bis zur untersten Stufe durch die Luft. Meine gepanzerten Beine beugten sich bei der Landung, um den Aufprall zu absorbieren, und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Manchmal ist meine Arbeit so verdammt cool! Ich spurtete durch den nächsten Korridor und bewegte mich mittlerweile so schnell, dass den Gewehren in den Wänden keine Zeit zu reagieren blieb. Ich kam am Ende an - und dann vor der obersten Stufe der nächsten Treppe rutschend zum Stillstand: Eine ganze Kompanie schwer bewaffneter und gepanzerter Wachmänner war bereits auf halber Höhe der Treppe. Ich machte kehrt und rannte den Weg zurück, den ich gekommen war. Ich hätte mich durch sie durchkämpfen können. Sie hätten nicht gewusst, was sie traf, bis es zu spät gewesen wäre. Ich hätte sie alle töten können, ohne in Schweiß auszubrechen, aber so etwas mache ich nicht. Ich bin ein Agent, kein Mörder. Diese Wachen waren nicht die wirklich bösen Typen hier, sondern nur bezahlte Hilfskräfte. Wahrscheinlich wussten sie nicht einmal, was vor sich ging, oben auf den gesperrten Stockwerken. Wahrscheinlich dachten sie, Saint Baphomet sei nur eine weitere Klinik für reiche Exzentriker.

Ich töte schon, wenn ich muss. Aber meistens muss ich nicht. Also mache ich es nicht.

Ich fand die Aufzüge, brach die protestierenden Türen mit meinen gepanzerten Händen auf und sprang den leeren Schacht hinunter. Ich ließ mich fallen und hielt dabei mit einer goldenen Hand das Stahlkabel fest gepackt, um meinen Absprung zu steuern. Fette Funken vom Kabel erfüllten die Düsterkeit des Schachts wie Feuerwerk. Mit einem höllischen Krach traf ich auf dem Boden des Schachts auf und merkte rein gar nichts. Ich brach die Aufzugstüren auf, trat hinaus in die Eingangshalle … und da war Saint Baphomets Sicherheitschef und erwartete mich. Ich hatte gehofft, ich würde ihm nicht über den Weg laufen, seit ich seinen Namen in den Missionsinstruktionen gelesen hatte. Wir hatten Vergangenheit.

Ich gestattete mir ein paar innerliche Flüche. Keinen davon laut, versteht sich; das hätte als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden können, und die Droods sind niemals schwach. Es ist alles eine Frage der Haltung, wissen Sie noch?

Also entspannte ich mich ostentativ und nickte dem Sicherheitschef lässig zu. Ich wusste, wer er war, wer er sein musste, auch wenn sein Gesicht und sein Körper mir neu waren. Dies war mein alter Widersacher Archie Leech, der einen neuen Körper einlief, groß und muskulös und vollgepackt mit Waffen. Ich erkannte ihn nur an dem kandarianischen Amulett, das um seinen Hals hing: ein hässlicher Klumpen geschnitzten Steins, Relikt einer Rasse, die vor Jahrtausenden ausgelöscht worden war, und das auch ganz zu Recht. Er erlaubte Archie, seine Seele nach Belieben von einem Körper zum nächsten springen zu lassen. Es ging das Gerücht, dass er ständig ein Dutzend oder so in scheintotem Zustand auf Reserve hatte, nur für den Fall, dass der, den er gerade trug, zu viel Schaden davontragen sollte, um weitermachen zu können.

Archie war ein Körperusurpator, ein Serienseelenschänder, und es war ihm völlig schnuppe, was aus den Körpern wurde, wenn er sie wieder aufgab. Ich hatte in der Vergangenheit versucht, einige davon zu retten, aber es war nicht immer möglich. Ich hatte Archie früher schon getötet, wenn ich es unbedingt musste, aber es hatte nie angeschlagen. Ich weiß nicht, wie er ursprünglich einmal ausgesehen hatte. Es war ohne Weiteres möglich, dass nicht einmal er selbst sich noch daran erinnern konnte, nach so vielen Gesichtern. Er blickte mich finster an, denn dank seines verfluchten Amuletts konnte er mich deutlich sehen. Drei Mal in einer Nacht … ich fing an, mir ein kleines bisschen auffällig vorzukommen.

»Dieser Ort ist tabu für jedermann«, sagte Archie mit ausdrucksloser Stimme. »Sogar für die anmaßenden Droods.«

Ich musste lächeln hinter meiner goldenen Maske. »Nirgendwo ist tabu für uns, Archie. Das weißt du doch.«

»Was willst du hier, Drood? Sind nicht mal mehr Krankenhäuser sicher vor dir und deinesgleichen?«

»Das aus deinem Mund zu hören ist ja köstlich, Archie! Wann hat es dich je interessiert, ob du Unschuldige in Gefahr bringst? Droods gehen hin, wo wir hingehen müssen, um zu tun, was wir tun müssen. Hast dir ein neues Aussehen zugelegt, was, Archie? Machst einen auf groß und brutal und Anabolikamissbrauch. Normalerweise hast du sie doch gern jünger - und hübscher.«

Er zuckte die Schultern. »Ist ein bisschen lang im Arm, aber gut für schweres Heben. Und in letzter Zeit haben sie sich so schnell abgetragen.«

Ich machte einen bedächtigen Schritt nach vorn. Er rührte sich nicht vom Fleck. »Tritt zur Seite, Archie!«, sagte ich. »Mein Auftrag ist ausgeführt. Ist nicht nötig, dass das hier hässlich wird.«

»Du machst dir Gedanken um die Körper, die ich trage«, sagte er und lächelte mit seinem gestohlenen Mund. »Das war schon immer deine Schwäche.«

»Tritt zur Seite!«, sagte ich. »Oder ich werde dich beschädigen.«

»Nicht die geringste Chance. Ich wollte schon immer mal einen Drood töten.«

Er eröffnete das Feuer mit einer Maschinenpistole und bespritzte mich mit Kugeln. Sie prallten von meinem gepanzerten Gesicht und Brustkorb ab, und ich ging mitten in den Kugelregen hinein und schlug ihm die Waffe aus der Hand. Er hieb nach mir mit einem leuchtenden Messer, aber auch die Zaubersprüche, mit denen die Schneide verzaubert war, reichten nicht aus, um mehr als einen Funkenschauer hervorzurufen, als die Klinge über meine Kehle glitt. Ich griff nach dem Amulett um Archies Hals, aber im letzten Moment rutschte meine Hand zur Seite. Das Amulett hatte ernst zu nehmende Schutzzauber.

Archie schlug mir an den Kopf, und hinter dem Schlag steckte die ganze Kraft seines Körpers. Ich hörte die Knöchel brechen. Ich zuckte nicht einmal zusammen. Ich packte ihn an den Schultern und schleuderte ihn an die nächste Wand. Er knallte so hart dagegen, dass ihm schlagartig die Luft weg blieb und der Verputz Risse bekam. Ich schickte mich an, an ihm vorbeizugehen, in der Hoffnung, dass es vorüber wäre, doch er stand schwankend wieder auf, womit er die Reserven seines Körpers gefährlich beanspruchte, und hatte eine Hand voll Plastiksprengstoff. Er klatschte ihn gegen meine gepanzerte Brust, und das Zeug blieb hängen. Archie lachte heiser, als ich versuchte, das klebrige Zeug abzuziehen, aber es bewegte sich nicht von der Stelle. Archie hielt den Sprengzünder vor mir hoch und schwenkte ihn höhnisch.

An meiner Brust hing genug Sprengstoff, um den größten Teil dieses Stockwerks in die Luft zu jagen. Meine Rüstung würde es aushalten … aber der Detonationsradius würde beinah sicher die halbe Untermauerung Saint Baphomets kosten und sämtliche oberen Stockwerke herunterkrachen lassen. Hunderte von Toten, vielleicht mehr, die meisten davon wahrscheinlich Unschuldige. Archie war das egal; er würde einfach in einen anderen Körper springen. Hunderte konnten draufgehen, solange er sich damit brüsten konnte, einen Drood getötet zu haben. Ihm war es egal. Mir nicht.

Ich packte Archie noch einmal an den Schultern und zog ihn zu mir heran, knallte seine Brust gegen meine, und der Plastiksprengstoff wurde zwischen uns zerquetscht. Er wehrte sich heftig, aber ich hielt ihn mühelos mit einem goldenen Arm fest. Er schrie in kleinlicher Wut auf, als ihm aufging, was ich vorhatte, und dann schloss sich meine freie Hand über seiner und aktivierte den Sprengzünder.

Meine Maske verdunkelte sich kurz, um meine Augen und meine Ohren vor der Grelle der Explosion und der Druckwelle zu schützen, und als ich wieder sehen und hören konnte, war ich von Rauch und Trümmern und kleinen blutigen Klumpen dessen umgeben, was Archie Leechs gestohlener Körper gewesen war. Meine Rüstung und sein Körper hatten den größten Teil der Explosion absorbiert, und die Wände um mich herum sahen vernarbt, aber immer noch stabil aus. Das Hospiz würde stehen bleiben. Archie war natürlich hin; seine Seele wehte zu seinem nächsten Schlupfloch, zusammen mit dem Amulett. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass ich sie beide wiedersehen würde, eines Tages.

Noch einmal erscholl das Geräusch einer verdammten Menge rennender Füße, die sich schnell von oben näherten. Die Sicherheitskräfte hier waren äußerst beharrlich, das musste man ihnen lassen. Ich nahm die tragbare Tür aus meiner Tasche und klatschte sie auf den Boden, wo sie augenblicklich zu einer netten neuen Falltür wurde. Ich öffnete sie, ließ mich durchfallen bis ins Kellergeschoss und zog dann die tragbare Tür von dem ab, was jetzt meine Decke war. Sollten sie ruhig die Trümmer nach meiner Leiche durchwühlen, während ich gelassen meinen Weg die Hintertreppe hoch machte und direkt an ihnen vorbei zum nächsten Ausgang ging.

Dieser erwies sich als die Hintertür, und ich schlüpfte lautlos auf den Platz dahinter hinaus, wo Dr. Dees Hund aus der Hölle mir auflauerte. Der Lärm und das Getümmel im Haus nebenan hatten offensichtlich seine Aufmerksamkeit erregt. Er knurrte stetig, wie lang anhaltendes Donnergrollen, nah und bedrohlich, und sein gewaltiger Rachen öffnete sich und entblößte dabei mehr Zähne, als schlechterdings möglich schien. Er funkelte die Tür an, die sich gerade vor ihm geöffnet hatte, konnte mich aber nach wie vor nicht sehen oder hören oder riechen … Also hielt ich die Tür auf und ließ den Dämonenhund geradewegs an mir vorbei- und weiter ins Hospiz hineinstürmen. Wo zweifelsohne den Sicherheitskräften etwas einfallen würde, um ihn zu beschäftigen. Ich tue mein Möglichstes, aber manchmal bin ich wirklich keine sehr nette Person. Leise schloss ich die Tür hinter dem Dämonenhund und schlenderte fort.

Ich schaltete meine Rüstung aus, und im Nu war sie wieder nur ein goldenes Halsband um meinen Hals. Und ich war wieder nur ein Mann mit den Grenzen eines Mannes. Manchmal ist das eine Erleichterung. Ich verließ die Seitengasse und trat ohne Eile auf die Harley Street hinaus. Die gleichen Leute gingen auf und ab, ohne eine Vorstellung davon, dass hinter ihren Rücken gerade die gesamte Weltgeschichte verändert worden war. Keiner von ihnen schenkte mir Beachtung. Ich war wieder mein altes, anonymes Ich. Niemand sieht je das Gesicht eines Droods, nur ab und zu die goldene Rüstung. Es reicht, dass die Welt beschützt wird; sie müssen nicht noch wissen, von wem.

Möglicherweise wären sie mit einigen unserer Methoden nicht einverstanden.

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