Acht

Nachdem sie zwei Tage im Branwyn-System verbracht hat-len, blieben noch zwei weitere Tage bis zum Erreichen des Sprungpunkts. Währenddessen kümmerten sich die Syndiks weiter in aller Eile um ihren Rückzug. Es hatte keine er-kennbare Reaktion auf die übermittelte Nachricht über die Situation in Lakota gegeben, und Geary konnte somit nur hoffen, dass die Leute in diesem System sich die Hilferufe zu Herzen nehmen würden. »Und was erzählen Ihre Spione Neues?«, fragte Geary, während er sich in seinen Sessel fallen ließ.

Der virtuelle Captain Duellos schien auf diese Frage brüskiert zu reagieren. »Politiker haben Spione, ich habe Quellen, mein lieber Captain Geary.«

»Ich bitte um Entschuldigung.«

»Angenommen. Eigentlich kann ich nicht viel Neues berichten, aber ich dachte, Sie hätten vielleicht Lust auf ein Schwätzchen.«

»Da haben Sie völlig richtig gedacht. Danke. Und über was reden wir?«

»Über Druck.« Duellos vollführte eine Geste Richtung Sternendisplay. »Wenn wir Cavalos hinter uns bringen, dann ist diese Flotte nur noch fünf oder sechs Sprünge von einem Syndik-Grenzsystem entfernt, aus dem wir in Allianz-Gebiet zu-rückkehren können. Ein zufälliger Beobachter könnte zu dem Schluss kommen, dass Sie erleichtert sind, weil wir der Heimat bereits so nahe sind. Ich dagegen neige zu der Ansicht, dass Sie zunehmend nervöser werden, weil Sie jeden Moment mit dem großen Knall rechnen.«

Geary nickte. »Gut getippt. Mit jedem Schritt, den wir der Heimat näher kommen, wird die Frage umso eindringlicher, ob uns im letzten Moment noch eine Katastrophe in die Quere kommt. Ich rechne nach Cavalos übrigens mit sechs Sprüngen, da wir weiterhin Syndik-Systeme mit Hypernet-Portalen meiden müssen.«

»Stimmt.« Duellos betrachtete aus dem Augenwinkel die Darstellung der Sterne. »Die Syndiks müssen so verzweifelt sein wie noch nie zuvor. Sie werden alles mobilisieren, was sie noch aufzubieten haben, um Sie aufzuhalten.«

»Um uns aufzuhalten«, korrigierte Geary ihn.

»Richtig, auch wenn es nur natürlich ist, dass man so etwas Unpersönliches wie eine Flotte auf eine Person fixiert.«

»Das kann schon sein.« Geary verzog das Gesicht, während er das Display musterte. »Die Tatsache, dass die Syndiks ihre verbliebenen Kriegsschiffe zusammenziehen, um uns zu stoppen, dürfte eine Chance für die Allianz-Kriegsschiffe bedeuten, die zurückgelassen wurden, als sich diese Flotte auf den Weg ins Heimatsystem der Syndiks gemacht hat. Zumindest werden sie in der Lage sein, Verstärkung in das Grenzsystem zu schicken, das wir letztlich ansteuern werden. Allerdings haben wir keine Möglichkeit, unsere Leute im Allianz-Gebiet wissen zu lassen, was los ist oder wo wir uns befinden.«

»Zu schade, dass die Aliens es ihnen nicht verraten werden.

Aber wir können wohl dankbar sein, wenn sie den Syndiks nicht verraten, wo wir sind.«

»Oh ja.« Geary drückte die Handballen gegen seine Augen, da er fühlte, dass Kopfschmerzen im Anmarsch waren.

»Reden wir über andere Dinge.«


Duellos schien zu überlegen. »Wollen wir über persönliche Angelegenheiten reden?«

»Ihre oder meine?«, fragte Geary ironisch.

»Ihre.«

»Das hatte ich befürchtet. Was ist jetzt schon wieder?«

Duellos legte die Stirn in Falten und sah nach unten. »Sie und Tanya Desjani.«

»Nein, wir haben nichts miteinander, und daran wird sich auch nichts ändern.«

»In der Flotte wächst die Überzeugung, dass es doch so ist.

Jeder weiß, dass Co-Präsidentin Rione nicht mehr in Ihrem Quartier übernachtet und dass sie und Captain Desjani nur mit Mühe zivilisiert miteinander umgehen können.« Duellos machte eine beiläufige Geste. »Daraus wird gefolgert, dass die bessere Frau gewonnen hat. Natürlich sieht die Flotte in Tanya Desjani eine bessere Frau als in einer Politikerin.«

Geary schnaubte aufgebracht. »Sie ist eine wunderbare Frau, aber sie ist auch meine Untergebene. Sie kennen die Vorschriften so gut wie ich, und sie ist ebenfalls damit vertraut.«

»Sie könnten damit durchkommen, wie Sie wissen«, gab Duellos zu bedenken. »Sie sind ein Sonderfall. Sie sind Black Jack Geary.«

»Der fast mythische Held, der tun und lassen kann, was er möchte. Klingt schön, aber ich kann es mir nicht leisten, so von mir zu denken.« Er stand auf und begann, rastlos im Raum auf und ab zu gehen, obwohl er sich hundemüde fühlte.

»Wenn ich gegen diese Vorschrift verstoße, warum dann nicht gleich auch noch gegen ein paar mehr? Und wenn ich schon dabei bin, warum nehme ich dann nicht gleich Captain Badayas Angebot an und schwinge mich zum Diktator auf? Abgesehen davon«, fügte er schließlich an, »würde sich Tanya gar nicht darauf einlassen. Sie würde von sich aus nichts mit mir anfangen, und sie würde mich auch nicht zum Zug kommen lassen.«

»Da haben Sie vermutlich recht«, stimmte Duellos ihm zu.

»Aber dann müssen Sie auch noch kräftig daran arbeiten, dass Ihre Augen nicht diesen sehnsüchtigen Ausdruck annehmen, wenn Sie ihren Namen sagen.«

Geary wirbelte zu Duellos herum. »Ich hoffe, das war als Scherz gemeint. Oder stimmt das etwa?«

»Zumindest fällt es mir auf. Aber keine Sorge, das scheint nur aufzutreten, wenn Sie ›Tanya‹ sagen. Bei ›Captain Desjani‹ ist das nicht der Fall.« Duellos verzog die Mundwinkel. »Und es ist ja nicht so, als würde sie Sie nicht manchmal ganz genauso ansehen.«

Tatsächlich? »Ich schwöre Ihnen, wir haben nichts gemacht, was…«

Duellos hob seine Hand, um Gearys Redefluss zu stoppen.

»Das müssen Sie gar nicht. Ich zweifle nicht an dem, was Sie sagen. Jaylen Cresida und ich kennen Desjani gut genug, um zu wissen, dass sie sich mit ihren Gefühlen für Sie nicht nur schrecklich herumquält, sondern dass sie deswegen auch ein schlechtes Gewissen hat. Für einen vorgesetzten Offizier etwas zu empfinden, läuft allem zuwider, woran sie glaubt.« Mit einem Schulterzucken fügte er hinzu: »Jetzt glaubt sie natürlich an Sie.«

Vom eigenen schlechten Gewissen geplagt, rieb sich Geary mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich sollte die Dauntless verlassen. Ich habe kein Recht, sie in eine solche Situation zu bringen.«

»Wenn Sie die Dauntless verlassen, führt das zu gar nichts.

Wie sagte doch Captain Cresida zu mir: ›Wenn Tanya erst einmal ein Ziel erfasst hat, dann lässt sie nicht wieder los. Sie kann gar nicht anders.‹ Und damit hat Jaylen recht. Sie geraten nicht aus Tanyas Gesichtsfeld, wenn Sie auf ein anderes Schiff wechseln, und es könnte für sie sogar noch schlimmer sein, wenn Sie nicht mehr da sind. Abgesehen davon erfüllt es die Crew der Dauntless mit Stolz, Sie an Bord zu haben. Ich rate Ihnen, sie nicht zu verlassen.«

Geary nickte ihm zu, fragte sich jedoch, ob Duellos mit »sie« Tanya Desjani oder die Dauntless gemeint hatte. »Aber wenn die Flotte glaubt, zwischen uns läuft was…«

»Das glaubt die Flotte nicht. Jedenfalls nicht in dieser Weise. Auch wenn getuschelt wird, dass es sehr wohl so ist, glauben die meisten in der Flotte, dass Sie beide zwar ein inniges Verhältnis haben, dass Sie aber strikt dienstlich miteinander umgehen und den nötigen Abstand wahren.«

»Nicht mal das stimmt«, beteuerte Geary und ließ sich wieder in seinen Sessel sinken.

»Bei einer buchstabengetreuen Auslegung der Vorschrift haben Sie recht, aber eine unerfüllte Liebe ist immer auch von einer romantischen Aura umgeben, und ich glaube, dass Sie beide trotz Ihrer Gefühle die Regeln beachten, stärkt Ihre Position umso mehr. Es ist so wie in einer antiken Sage.« Duellos lächelte, als Geary ihm einen mürrischen Blick zuwarf. »Sie haben gefragt, und ich antworte Ihnen.«

»Enden diese Sagen nicht alle ziemlich tragisch?«

Wieder kam von Duellos ein Schulterzucken. »Die meisten schon. Aber das hier ist Ihre Sage, Sie schreiben daran, während wir hier sitzen.«

Aus irgendeinem Grund musste Geary darüber lachen. »Ich glaube, ich muss mal ein eindringliches Gespräch mit mir führen, was diesen Plot angeht.«

»Eine Sage wäre doch uninteressant, wenn den Figuren nicht irgendetwas Schlimmes zustoßen würde«, betonte Duellos.


»Ich habe nie gewollt, dass mein Leben interessant ist, und ich habe erst recht nicht gewollt, dass Desjanis Leben auf diese Weise interessant wird.«

»Sie schreibt ihre eigene Geschichte. Sie können ihr auf der Brücke Befehle erteilen, aber sie scheint mir nicht der Typ zu sein, der sich von irgendwem vorschreiben lässt, wie ihre persönliche Sage verlaufen soll.«

Dagegen war nichts einzuwenden. »Es ist ohnehin alles Spekulation. Wenden wir uns lieber wieder den unpersönlichen Angelegenheiten zu«, murrte Geary. »Ich hoffe, die Leute machen Tan-… Captain Desjani deswegen nicht das Leben schwer.«

»Falls doch, ist sie in der Lage, zurückzuschießen. Ich muss zugeben, mich hat Ihre offensichtliche Vorliebe für gefährliche Frauen erstaunt, aber das scheint ja auf Gegenseitigkeit zu beruhen.«

Da ihm nichts einfallen wollte, was er darauf erwidern konnte, wechselte Geary kurzerhand das Thema. »Ich wusste gar nicht, dass Sie und Oesida befreundet sind.«

»Waren wir ursprünglich auch nicht. Wir kannten uns kaum, aber seitdem Sie das Kommando übernommen haben, gab es für uns immer wieder Gelegenheiten für längere Unterhaltungen. Sie ist eine beeindruckende Frau. Ich weiß nicht, ob ihr Temperament für ein größeres, eigenständiges Kommando genügt, aber Jaylen Cresida ist eine brillante Wissen-schaftlerin. Da stellt man sich unwillkürlich die Frage, was wohl ohne diesen Krieg aus ihr geworden wäre.« Er schaute nachdenklich drein. »Meine Frau und ich haben zu Hause ein paar Freunde, mit denen wir sie bekanntmachen wollen.

Beide Seiten könnte es erheblich schlechter erwischen.«

»Kann ich mir gut vorstellen«, meinte Geary. Lange Zeil hatte er es vermieden, sich intensiver mit den Personalakten seiner Schiffskommandanten zu beschäftigen, aber es war mehr als überfällig, dass er endlich mehr über die Menschen hinter den Posten herausfand. »Und abgesehen von meinem nicht existenten Liebesleben und Ihrem Wunsch, Captain Cresida zu verkuppeln…«

Duellos grinste flüchtig, dann lehnte er sich zurück, dachte kurz nach und machte einen unglücklichen Eindruck. »Ich komme nicht dahinter, was Captain Numos vorhat. Ganz sicher hat er seinen Arrest bis heute nicht akzeptiert. Aber die Mitteilungen, die er an seine Anhänger verschickt, verlassen so klammheimlich seine Zelle, dass nicht mal das Gerücht ihrer Existenz bis zu denjenigen vordringt, die bereit sind, die Information an mich weiterzugeben.«

»Und was ist mit Captain Faresa? Hat sich irgendetwas zu ihr zurückverfolgen lassen, bevor die Majestic zerstört wurde?«

»Es war nichts zu finden. Faresa ist immer Numos' Beispiel gefolgt, während Captain Falco gelegentlich unge-schickte Versuche unternahm, eine Nachricht nach draußen zu schmuggeln. Aber selbst wenn er noch lebte, könnte er jetzt nicht als Galionsfigur dienen.« Duellos legte die Stirn in tiefe Falten. »Ihre Feinde benötigen jemanden, den sie aufbauen können, einen Offizier, der angesehen genug ist, um als Alternative zu Ihnen akzeptiert zu werden. Bislang bin ich nicht dahintergekommen, wer das sein könnte, und das macht mir Sorgen.«

»Wir können doch sicher ein paar Kandidaten auflisten«, meinte Geary und war froh darüber, dass sich die Unterhaltung endlich nicht mehr um sein Privatleben drehte.

»Da bin ich mir nicht so sicher. Diese Galionsfigur, die Sie ersetzen soll, muss ja zumindest auch diejenigen ansprechen, die an Sie glauben. Das kann nur jemand sein, von dem nicht bekannt ist, dass er zu Ihren Widersachern gehört. Und er muss ein halbwegs brauchbarer Befehlshaber sein.«

Geary ging im Geist die Liste der Offiziere durch, die er kannte. »Also jemand, dem wir bislang vertraut haben?«

»Auf keinen Fall Tulev oder Cresida. Auch nicht Armus, obwohl wir ihm nicht trauen. Aber er ist wie eine stumpfe Waffe, er redet drauflos und handelt schnörkellos. Er könnte Sie nicht über einen längeren Zeitraum hinweg so gut täuschen. Badaya hat sich in letzter Zeit verstärkt zu Wort gemeldet, doch er ist Ihnen treu ergeben, solange er daran glaubt, dass Sie nach der Rückkehr ins Allianz-Gebiet die Macht an sich reißen werden.«

»Damit bleibt immer noch eine Menge möglicher Kandidaten übrig.«

»Richtig«, stimmte Duellos ihm zu. »Ich arbeite daran und kann nur hoffen, dass wir etwas erfahren, was uns weiter-hilft.«

»Danke. Und ich werde Co-Präsidentin Rione fragen, was ihre Spione herausfinden können.« Als er Duellos Reaktion bemerkte, fragte er: »Vertrauen Sie ihr nicht?«

»Oh, ich vertraue ihr, dass sie das tut, was für die Allianz das Beste ist. Allerdings bin ich mir nicht so sicher, ob das auch wirklich das Beste für die Allianz ist.«

Das war eine berechtigte Sorge. Geary nickte, dann auf einmal kam ihm etwas ins Gedächtnis. »Was ist mit Caligo auf der Brilliant und mit Kila auf Inspire?«

Duellos dachte über die Frage nach. »Darf ich fragen, wie Sie ausgerechnet auf diese beiden kommen?«

»Die Erkenntnis, dass keiner von ihnen bislang nennens-wert in Erscheinung getreten ist. Bei der letzten Konferenz hat Kila zum ersten Mal etwas zur Diskussion beigetragen. Und Caligo hat noch gar nichts gesagt.«


»Das liegt in Caligos Art«, erklärte Duellos. »Er und ich, wir beide haben noch nie viel geredet. Meistens sitzt er da und beobachtet das Geschehen. Er hält sich gern im Hintergrund.«

Duellos' nachdenkliche Miene nahm einen besorgten Zug an.

»Interessant, wenn man bedenkt, was für ein Typ von Offizier unserer Meinung nach infrage kommen dürfte.«

Unwillkürlich musste Geary das Gleiche denken. »Aber wie ist er so?«

»Ich habe nichts Schlechtes über ihn gehört, andererseits aber auch nicht viel Gutes«, betonte Duellos. »Er macht seine Arbeit und veranstaltet kein großes Theater, aber er hat die Vorgesetzten genügend beeindrucken können, um sich das Kommando über einen Schlachtkreuzer zu sichern.«

Unter anderen Umständen hätte sich das genau nach der Sorte Offizier angehört, wie Geary sie bevorzugte. Jetzt brachte ihn das ins Grübeln, und es ärgerte ihn, dass solche vage Andeutungen genügten, um ihn an der Loyalität eines Offiziers zweifeln zu lassen. »Und Kila?«

»Kila. Sie war bislang ungewöhnlich ruhig, wie mir gerade auffällt.« Duellos schaute etwas verlegen drein. »Bei ihr bin ich ein wenig voreingenommen. Wir beiden hatten mal was miteinander, als wir noch Ensigns waren. Das hat unsere Ausbildung aber nicht überlebt, und nachdem sich unsere Wege getrennt hatten, machte sie mir klar, dass wir in mehr als nur einer Hinsicht geschiedene Leute waren.«

»Oha«, machte Geary in mitfühlendem Tonfall.

»Letztlich war ich sogar sehr dankbar«, gab Duellos zurück.

»Sandra Kila ist ehrgeizig und aggressiv. Und dazu auch noch intelligent.«

»Klingt ein wenig nach Cresida.«

»Hmmm. Mehr nach Cresidas böser Zwillingsschwester.

Kila neigt dazu, bei ihren Vorgesetzten Eindruck zu schinden, aber von ihresgleichen und ihren Untergebenen wird sie nicht besonders gemocht, weil ihre aggressive Art zu schnell in Rücksichtslosigkeit umschlägt, auch wenn es um das Wettei-fern für einen Auftrag oder um das Abschneiden bei einer Bewertung geht.«

Das passte nicht. Geary schüttelte den Kopf. »Das hört sich nicht nach jemandem an, der still dasitzt und keine Anstalten macht, die Aufmerksamkeit des Flottenbefehlshabers auf sich zu lenken. So kann sie nicht punkten. Warum rückt sie sich bei Diskussionen nicht in den Mittelpunkt? Warum versucht sie nicht, sich bei mir beliebt zu machen? Was sie bei der letzten Konferenz von sich gegeben hat, wurde nicht mit Nachdruck vorgetragen, und es war eher dazu geeignet, mich unter Druck zu setzen. Das war nichts, womit sie mich hätte beeindrucken können.«

»Vielleicht verfolgt sie ja weitreichendere Absichten«, gab Duellos zu bedenken und fügte dann an: »Aber sie ist sehr unbeliebt bei den anderen Offizieren. Einigen von ihnen genügt der Ruf, der ihr vorauseilt, andere haben persönliche Erfahrungen mit ihr gemacht. In der Tierwelt würde man Kila als eine Tiermutter kennen, die ihre Jungen auffrisst.«

Geary zog eine Augenbraue hoch. »Sagten Sie nicht, Sie sind ein wenig voreingenommen?«

»Nur ein wenig«, bestätigte Duellos. »Aber mit meiner Meinung stehe ich nicht allein da. Kila würde man als Flottenkom-mandantin niemals akzeptieren, und sie ist klug genug, das selbst einzusehen.«

»Warum sollte ein so ehrgeiziger Offizier auf einmal einsehen, dass er an seine Grenzen gestoßen ist? Ich habe solche Offiziere gekannt. Die wollen bis an die Spitze kommen. Die nehmen sich nicht vor, es bloß bis zu einer bestimmten Höhe zu schaffen und sich damit zu begnügen. Sie merken nicht, dass sie sich oftmals mit ihren eigenen Taktiken den Weg ver-bauen, sodass sie letzten Endes nicht weiter aufsteigen können.«

»Ja, aber…« Duellos machte eine aufgebrachte Geste. »Das ist nicht mehr die Flotte, wie Sie sie kannten. Wenn Kila weiterhin Vorgesetzte hätte, die sie beeindrucken könnte, dann hätte sie Grund zu der Hoffnung, bis zur Kommandoebene befördert zu werden, auch wenn die, die unter ihr dienen, das nicht wollen. Wer bis ganz nach oben kommen will, für den ist es viel wichtiger, diplomatisches Geschick zu besitzen.«

»Meinen Sie nicht vielmehr politisches Geschick?«, fragte Geary sarkastisch.

»Sie müssen nicht ausfallend werden.« Einen Moment lang saß Duellos schweigend da, dann nickte er. »So sehr wir uns auch weigern, dieses Thema anzusprechen, haben Sie doch völlig recht. Admiral Bloch war ein viel besserer Politiker als Offizier, und das genügte, um befördert zu werden und schließlich das Kommando über diese Flotte zu erlangen. Der Flotte oder der Allianz hat er damit keinen Gefällen getan.

Vielleicht begegnen wir Leuten wie Co-Präsidentin Rione deshalb immer feindseliger, weil wir das Gefühl haben, bei ihrem Anblick in einen Spiegel zu schauen und das zu sehen, was aus uns geworden ist.«

»Rione ist nicht so schlecht«, widersprach Geary fast reflexartig. Duellos musterte ihn eine Zeit lang, bis Geary schließlich nickte. »Vielleicht ist sie das manchmal. Aber sie ist auf unserer Seite.«

»Hoffen wir, dass das so bleibt.«

Es wurde Zeit, das Thema zu wechseln. »Ist Ihnen eigentlich bekannt, ob Caligo oder Kila zu der Gruppe gehören, die Badayas Vorschlag unterstützt, mich zum Diktator zu machen?«


Duellos grübelte darüber eine Weile nach. »Bei Caligo hätte ich das eigentlich bejahen wollen, aber ich kann mich an keine einzige Situation erinnern, die das rechtfertigen würde. Kila… also, ich glaube einfach nicht, dass Kila glücklich darüber wäre, irgendeinen anderen Offizier als Diktator zu akzeptieren. Das hat weniger damit zu tun, dass sie eine gewählte Regierung unterstützen würde, das ist mehr eine Frage ihres eigenen Egos. Ich werde sehen, was sich herausfinden lässt. Sie klingen besorgt, wenn ich das so sagen darf.«

Geary atmete langsam aus. »Ich vermute, es war kein Unfall, der Casia und Yin das Leben kostete. Einer von beiden hätte sich dazu durchringen können, die Namen anderer Offiziere zu nennen, aber das wurde durch die Explosion des Shuttles vereitelt.« Duellos' Gesichtszüge waren einen Moment lang wie erstarrt, dann nickte er bedächtig. »Und wenn die Leute, die gegen mich eingestellt sind und die einen anderen Flottenkommandanten oder einen anderen Diktator haben möchten, zu einer solchen Maßnahme bereit sind, dann werden sie beim nächsten Mal vielleicht noch brutaler vorgehen.«

»Ich werde sehen, was ich in Erfahrung bringen kann. Sie haben in dieser Flotte mehr Freunde und Befürworter als je zuvor. Vielleicht kann uns einer von ihnen etwas verraten.«

»Ich habe so ein Gefühl, dass es meine Feinde sind, die uns etwas verraten müssten«, erwiderte Geary.

Sie waren noch neun Stunden vom Sprungpunkt nach Wendig entfernt und an Bord der Dauntless war der Nachtzyklus zur Hälfte vorüber, als eine Nachricht einging, die mit einem Alarm verbunden war und Geary aus dem Schlaf riss. Er schlug mit der flachen Hand auf die Bestätigungstaste, dann wurde er stutzig, da er sah, dass die Nachricht von Commander Gaes vom Schweren Kreuzer Lorica kam. Warum sollte sie ihm eine Mitteilung senden, die mit höchster Priorität zugestellt wurde und die der höchsten Sicherheitsstufe unterlag?

Es gab kein Bild, nur Commander Gaes' Stimme war zu hören, sie klang angestrengt. »Antrieb Flottensprung in den Würmersystemen.« Dann war die Mitteilung auch schon beendet, und Geary legte die Stirn in Falten. Was zum Teufel sollte denn das heißen? Der Satz hörte sich an, als hätte jemand die einzelnen Wörter in der falschen Reihenfolge zusammen-gesetzt.

Was Sinn ergäbe, wenn jemand versuchte, die Software zu überlisten, die die Nachrichtenübermittlung der Flotte über-wachte und sie dabei nach bestimmten Wortkombinationen durchsuchte. Nichts und niemand sollte in der Lage sein, einen Blick in eine Nachricht mit der höchsten Geheim-haltungsstufe zu werfen, doch Geary vertraute den Sicher-heitssystemen längst nicht mehr so sehr wie noch vor ein paar Monaten.

Was gehörte eindeutig zusammen? Sprung und Antrieb.

Sprungantrieb. Sprungantriebssysteme.

Sprungantriebssysteme der Flotte. In Würmern? Dann auf einmal wurde ihm der Satz klar. »Würmer in den Sprungantriebssystemen der Flotte.«

Er rollte sich aus dem Bett, zog seine Uniform an und rief nach Desjani: »Captain, ich muss Sie und Ihren Offizier für die Systemsicherheit so schnell wie möglich sprechen!«

Keine zehn Minuten später durchschritt Desjani die Luke zu seinem Quartier, begleitet wurde sie von einem großen, schlanken Lieutenant Commander, dessen Blick die ganze Zeit über auf einen Punkt vor seiner Nase gerichtet zu sein schien, nicht auf die Welt um ihn herum.

Geary überzeugte sich davon, dass die Luke versiegelt war und die Sicherheitssysteme seines Quartiers arbeiteten, dann spielte er die Nachricht ab, die kurz zuvor eingegangen war.

Desjani hielt den Atem an. »Wer hat Ihnen das geschickt, Sir?«

»Das möchte ich momentan lieber nicht sagen. Können Sie bestätigen, ob daran etwas wahr ist?«

»An Bord der Dauntless? Ja, Sir«, versprach sie und wandte sich zu ihrem Offizier um. »Wie lange?«

Der Lieutenant Commander verzog die Mundwinkel, während seine Augen auf ein virtuelles Display gerichtet waren, das nur er sehen konnte. »Geben Sie mir eine halbe Stunde, Captain. Gehen wir davon aus, dass es sich um einen schädlichen Wurm handelt?«

»Solange sich nichts anderes ergibt, ja.«

Zwanzig Minuten später war Desjani zurück in Gearys Quartier, der Lieutenant Commander an ihrer Seite machte einen aufgewühlten Eindruck. »Ja, Sir. Er war da. Sehr gut versteckt.«

»Was hätte er bewirkt?«, wollte er wissen.

»Beim Sprung hätte er eine Serie von verheerenden Systemausfällen ausgelöst.« Der Lieutenant Commander wirkte in der fahlen Nachtbeleuchtung von Gearys Quartier noch blasser als zuvor. »Die Dauntless hätte den Sprungraum nicht wieder verlassen.«

Geary fragte sich, wie blass er selbst wohl aussah. »Wie ist es jemandem gelungen, so etwas einzuschleusen?«

»Derjenige muss unsere Sicherheitssysteme in- und auswen-dig kennen, Sir. Wer immer das war, er ist sehr gut darin. Es handelt sich um ein schönes Design für einen Wurm, der geschaffen wurde, so viel Schaden anzurichten.«

Geary sah zu Desjani, die den Eindruck machte, als überlege sie, wie viele Meter Seil sie benötigte, um jeden aufzuknüpfen, den sie im Verdacht hatte, ihr Schiff auf diese Weise in Gefahr zu bringen. Aber die Nachricht hatte besagt, dass die Flottensysteme befallen waren. Hatten die Unbekannten jedes Schiff sabotiert, um es zu zerstören, oder war er allein die Zielscheibe dieses Anschlags? Er würde ein besseres Ge-fühl für das Ausmaß der Bedrohung bekommen, wenn er sich bei den Offizieren erkundigte, die er als seine engsten Verbündeten ansah. »Captain Desjani, Sie und Ihr Sicherheitsoffizier müssen umgehend mit den Befehlshabern der Courageous, Leviathan und Furious Kontakt aufnehmen und dabei die höchste Sicherheitsstufe anwenden. Sagen Sie den Leuten, was Sie im Sprungantrieb der Dauntless gefunden haben, und fordern Sie sie auf, umgehend die eigenen Sprungsys-teme zu untersuchen. Und sie sollen mir sofort mitteilen, ob und was sie dabei entdeckt haben.«

»Ja, Sir.« Desjani salutierte zackig, dann zog sie sich mit ihrem Lieutenant Commander rasch zurück.

Eine halbe Stunde später saß Geary im Flottenbesprechungsraum und schaute in die wütenden und entschlossenen Gesichter von Desjani, Duellos, Tulev und Cresida, wobei die letz-teren drei im virtuellen Konferenzmodus anwesend waren. Der ungewöhnlich aufgewühlte Tulev ergriff als Erster das Wort.

»Ein Wurm, ganz genau. Wenn die Leviathan zum nächsten Sprung hätte ansetzen wollen, hätte der Wurm stattdessen das Sprungsystem abgeschaltet.«

Duellos nickte bestätigend. »Auf der Courageous ebenfalls.

Wir konnten keine zerstörerischen Komponenten finden, lediglich einen Wurm, der so aufgebaut ist, dass er das System abschaltet.«

Cresida sprach ungewöhnlich ruhig, so als versuche sie ganz bewusst, keine Aufregung zu verbreiten. »Auf der Furious findet sich eine ähnlich schädliche Software wie auf der Dauntless. Wenn wir gesprungen wären, hätte es für uns kein Zurück mehr aus dem Sprung gegeben.«

Desjanis Gesicht war vor Wut rot angelaufen. »Dann wollte der Verursacher also, dass zumindest die Dauntless und die Furious zerstört werden und dass einige Schiffe im System zurückbleiben, wenn die Flotte in den Sprungraum wechselt.«

»Diejenigen, die Captain Gearys Kommando ein Ende setzen wollen, haben mit diesem Akt ihren Kameraden in der Allianz-Flotte den Krieg erklärt«, stellte Duellos fest, dessen schroffer Tonfall in einem sonderbaren Widerspruch zu seiner zurückhaltenden Wortwahl stand. »Das hat nichts mehr mit politischem Taktieren zu tun, das ist Sabotage und Verrat!

Die Furious muss davon getroffen worden sein, weil bekannt ist, dass Captain Cresida Captain Gearys Linie bedingungslos unterstützt.«

»Und warum hat es Sie und Tulev dann nicht genauso erwischt?«, wollte Desjani wissen.

»Interessante Frage, auf die ich keine sichere Antwort weiß.

Ich kann nur spekulieren. Klar ist, dass Captain Cresida im-pulsiver handelt als Tulev und ich. Vielleicht haben die Saboteure geglaubt, sie würde aggressiv auf jeden reagieren, der versucht das Kommando über die Flotte zu übernehmen, wenn sie auch nur den Verdacht hegt, dass derjenige auch für die Zerstörung der Dauntless verantwortlich sein könnte.«

»Und damit liegen diejenigen auch völlig richtig! Wir müssen ein Exempel statuieren!«, forderte Cresida, die eine Hand bereits so hielt, als hätte sie eine Pistole in ihren Fingern.

»Wir werden ihnen auf die Spur kommen«, versprach Geary.

»Es wird nicht genügen, sie in eine Arrestzelle zu stecken«, beharrte Cresida. »Das hier ist viel schlimmer als das, was Casia und Yin getan haben. Man könnte ja noch argumentieren, dass Falco und Numos in gutem Glauben gehandelt haben.

Aber es kann in dieser Flotte nicht mehr als eine Handvoll Leute geben, die sich mit dem Gedanken anfreunden konnten, mindestens zwei unserer eigenen Schlachtkreuzer zu zerstören. Und das auch noch auf eine Art und Weise, die sie für alle Zeit im Sprungraum festsitzen lässt.«

Geary nickte und spürte, wie sich in ihm ebenfalls Wut regte. » Falls wir die Verantwortlichen eindeutig identifizieren können, werde ich sie erschießen lassen.« Ob es gelingen würde, sie zu identifizieren, stand auf einem ganz anderen Blatt, dennoch staunte Geary über sich selbst, mit welcher Gelassenheit er die Hinrichtung von Angehörigen seiner Flotte zusicherte. Aber wie Oesida bereits gesagt halte, handelte es sich um einen so heimtückischen Akt, dass das meiste Personal mit Abscheu und Entsetzen reagieren würde. Captain Casia hatte »nur« seine Kameraden enttäuscht, aber er war nicht auf die Idee gekommen, sie ermorden zu wollen. »Wie können wir die Verantwortlichen ausfindig machen?«

Alle saßen sie schweigend da und machten eine wütende oder bestürzte Miene.

Das Sicherheitssystem des Raums sprang an und meldete, dass jemand eintreten wolle. Geary sah nach, wer es war. »Co-Präsidentin ist hier. Hat sie jemand eingeweiht?« Die anderen Offiziere schüttelten den Kopf. Desjani schien etwas sagen zu wollen, schwieg dann jedoch. »Gibt es Einwände dagegen, sie eintreten zu lassen und ihr zu sagen, was vorgefallen ist? Wenn keiner von uns eine brauchbare Idee hat, wie wir den Saboteu-ren auf die Spur kommen, fällt ihr vielleicht etwas ein.« Abermals machte Desjani den Eindruck, sich äußern zu wollen, aber auch jetzt schwieg sie und schüttelte so wie die anderen den Kopf.


Geary gab der Luke den Befehl, Rione eintreten zu lassen, und sah sie hereinkommen. Ihr Blick erfasste die kleine Gruppe, während sie sich auf einen freien Platz setzte. »Was ist passiert?«, wollte sie wissen, gleichzeitig sah sie Geary an, der an ihren Augen die unausgesprochene Frage ablesen konnte:

Warum wurde ich nicht dazugerufen?

Niemand sonst wollte eine Antwort geben, also brachte Geary Rione auf den neuesten Stand der Dinge und sah ihre Reaktion auf diese Neuigkeit. Ihre Augen wurden nur minimal größer, ihre Haut rötete sich geringfügig, sodass Gearv sich fragte, ob die anderen, die nicht daran gewöhnt waren, Riones Reaktionen zu lesen, davon überhaupt Notiz nahmen oder ob sie glaubten, sie habe die erschreckende Neuigkeit völlig regungslos hingenommen.

Als er fertig war, atmete Rione tief durch, schloss die Augen und erklärte: »Sagen Sie es allen.«

»Was?« Es war Cresida, der diese ungläubige Reaktion über die Lippen kam, doch sie hätte auch von jedem anderen der Anwesenden stammen können.

Rione riss die Augen auf und sah einen Captain nach dem anderen an. »Ich weiß, wie das Militär denkt. Das ist bislang noch ein Geheimnis, und Sie alle glauben, es muss auch weiterhin ein Geheimnis bleiben, was Sie am besten dadurch erreichen, dass Sie niemanden sonst einweihen. Aber das ist nicht das, was Sie hier erreichen wollen.«

»Sie meinen, wir sollen die Saboteure wissen lassen, dass uns bekannt ist, was sie getan haben?«, fragte Cresida.

»In acht Stunden werden sie es sowieso herausfinden, wenn der nächste Sprung ansteht! Entweder Sie verschieben den Sprung ohne Angabe von Gründen, dann werden die Saboteure auch merken, dass Sie etwas wissen, und Sie werden mit allen anderen Schwierigkeiten kriegen. Oder Sie lassen alle Schiffe wissen, dass sich schädliche Software an Bord befindet, damit wir den Sprung gefahrlos unternehmen können.«

Rione sah die anderen an. »Sagen Sie allen, was vorgefallen ist.

In der Politik und im Militär wahren wir Geheimnisse, weil wir nicht wollen, dass die Leute Fragen stellen. In diesem Fall aber benötigen wir Informationen, um die Verantwortlichen zu finden. Wenn die Leute erst einmal wissen, was vorgefallen ist, dann werden viele von ihnen die Augen offenhalten und Fragen stellen, um herauszufinden, wer die Schuldigen sind.«

Ihre Gesichtszüge verhärteten sich weiter. »Sagen Sie es allen. Dann werden Tausende von Matrosen und Offizieren versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen. Jeder von ihnen wird angestrengt nachdenken, ob er irgendetwas gesehen oder gehört hat, das damit in Zusammenhang stehen könnte. Sie werden Ausschau halten, ob es weitere Fälle von Sabotage gibt, und wer weiß, vielleicht ist das ja auch der Fall.

Unsere Gegner in dieser Flotte haben sich einen kapitalen Fehler geleistet, weil sie durch ihre Tat fast alle gegen sich auf-bringen und jeden darauf aufmerksam machen, welche Gefahr von ihnen ausgeht.«

Duellos setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Und wenn unsere Gegner das Ganze einfach so drehen, dass die Bedrohung in Wahrheit gar nicht existiert und wir uns das nur aus den Fingern saugen?«

»Je länger Sie es verschweigen, umso mehr Leute werden den Verdacht hegen, dass es so sein könnte.« Rione schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Sagen Sie es Ihnen jetzt!

Lassen Sie die Leute spüren, wie entsetzt, schockiert und em-pört Sie sind! Tun Sie, was Sie auch tun würden, wenn die Syndiks diese Würmer eingeschleust hätten.«

Tulev nickte zustimmend. »Wir sollten eine Alarmmeldung an alle Schiffe senden. Wir sollten eine komplette Säuberung aller Rechner anordnen, um sicherzustellen, dass in unseren automatischen Systemen nicht noch mehr lauert.«

»Und«, fügte Rione an, »bringen Sie auch noch mal den Verlust des Shuttles bei Lakota ins Gespräch. Diesen sonderbaren Zufall, bei dem zwei Offiziere ums Leben kamen, die die Namen ihrer Komplizen hätten ausplaudern können. Dann wird kaum noch einer glauben wollen, dass dieser Unfall nicht das Werk der gleichen Leute war, die jetzt versucht haben, ganze Kriegsschiffe zu zerstören.«

Duellos, Cresida und Desjani nickten zustimmend, dann wandte sich Geary an Desjani: »Lassen Sie von Ihrem Sicherheitsoffizier bitte eine Alarmmeldung erstellen, die alles enthält, was wir über diese Würmer wissen. Die Dauntless und die Furious sind vielleicht nicht die einzigen Schiffe, die durch den Wurm zerstört werden sollten. Lassen Sie mich die Meldung sehen, wenn Sie sie fertiggestellt haben, und dann senden wir sie mit höchster Priorität aus.«

»Jawohl, Sir.«

»Ihnen allen danke ich für Ihre Beiträge und dafür, dass Sie über die Angelegenheit Stillschweigen wahren, bis wir entschieden haben, wie wir vorgehen werden. Halten Sie auf Ihren Schiffen Ausschau nach Hinweisen darauf, wer das getan hat und wie es ihm gelingen konnte.«

Die anderen Offiziere lösten sich in nichts auf, als sie die Software-Verbindung unterbrachen, bis nur noch Rione, Desjani und Geary anwesend waren. Rione stand auf und richtete ihren Blick so ausschließlich auf Geary, als halte sich außer ihnen beiden niemand im Raum auf. »Ich kann Ihnen helfen, wenn Sie mich lassen.« Dann verließ sie den Raum fast genauso schnell wie diejenigen, die nur virtuell zugegen gewesen waren.


Geary sah irritiert zu Desjani, die entgegen ihrer Gewohnheit nicht aufgesprungen war, um seinen Befehl so schnell wie möglich auszuführen. »Was ist?«, fragte er.

Sie zögerte, dann schaute sie in eine andere Ecke, während sie leise sagte: »Mein Sicherheitsoffizier hat noch etwas anderes entdeckt.«

»Noch ein Wurm?« Es wunderte ihn, dass Desjani das nicht sofort gesagt hatte.

»Nein. Eine nichtautorisierte Veränderung der Sicherheitseinstellungen.« Sie atmete tief durch. »Für die Luke zu meinem Quartier. Die Sicherheitseinstellungen wurden so verändert, dass Co-Präsidentin Victoria Rione Zugang zu meinem Quartier hat.«

Einen Moment lang konnte Geary nur vor sich hin starren, da er zu verstehen versuchte, was das zu bedeuten hatte.

»Warum sollte sie das machen? Sie hat keinen Zugang mehr zu meinem Quartier…«

»Wirklich nicht?«

Nach kurzem Zögern rief er ein Display auf. »Meine Einstellungen sind ebenfalls vor Kurzem wieder verändert worden… um Victoria Rione abermals ungehinderten Zutritt zu meinem Quartier zu erlauben.« Unwillkürlich musste er an Riones Worte denken, an ihr Eingeständnis, dass sie Geary töten würde, wenn es nötig sein sollte, die Allianz zu beschützen. Aber warum jetzt? »Sie hat das gemacht? Sie hat diese Einstellungen verändert?«

»Das können wir nicht beweisen«, räumte Desjani widerwillig ein. »Aber warum sollte es jemand anderes tun?«

»Warum sollte sie Ihr Quartier betreten wollen?«

Desjani biss sich auf die Lippe, ihr Gesicht wurde rot, vielleicht vor Wut, vielleicht vor Verlegenheit, womöglich aber auch aus beiden Gründen zugleich. Mit erzwungener Ruhe entgegnete sie: »Wir wissen beide, dass sie mich als Rivalin ansieht.«

»Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass…«

»Ich habe keine Ahnung, wozu Co-Präsidentin Rione fähig ist, Sir.«

Was sollte er darauf erwidern, wenn Rione erklärt hatte, aus den richtigen Gründen auch zu morden? Aber da war es um sehr gewichtige Dinge gegangen, die das Schicksal der gesamten Allianz betrafen Und wenn sie sich immer noch mit dieser Absicht trug, warum hatte sie dann darauf bestanden, dass er die Sicherheitseinstellungen für sein Quartier veränderte?

Geary dachte angestrengt nach und versuchte, seine Gefühle für Rione von allem zu trennen, was er über sie wusste. »Ich weiß, sie hat unter dem Abkühlen unserer Beziehung gelitten, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Co-Präsidentin Rione plant, Sie als Rivalin aus dem Weg zu räumen. Sie war bereit, mich zu verlassen, Tanya.«

»Wie zuvorkommend von ihr«, murmelte Desjani, die aus ihrer Verärgerung nun keinen Hehl machte.

Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, Gewissheit zu erlangen. Dann fiel ihm ein, dass diese Möglichkeit sehr wohl existierte. »Ich werde sie fragen, ob sie bereit ist, in einem der Verhörräume alle Fragen zu beantworten.«

Desjani schreckte hoch. »Sie wollen einem gewählten Vertreter der Allianz befehlen, sich vom Geheimdienstpersonal des Militärs verhören zu lassen?«

»Nein, ich werde sie darum bitten«, stellte er klar und stand auf, während er einen gallebitteren Geschmack in seiner Kehle verspürte. »Sollte sie verrückt genug sein, einen Mord zu planen, dann wird sie mir bei dieser Bitte an die Gurgel gehen. Erklärt sie sich aber einverstanden, kann sie sich von jedem Verdacht befreien.« Desjani schien von dieser Idee gar nicht angetan zu sein. »Ich glaube nicht, dass sie eine Gefahr für mich darstellt.« Jedenfalls nicht im Moment. »Oder für diese Flotte.«

»Bei allem Respekt, Sir, aber Sie können es sich nicht leisten, sich von unangebrachter Loyalität oder noch verbliebenen persönlichen Gefühlen beeinflussen zu lassen, wenn es darum geht, die Gefahr zu beurteilen, die von einer einzelnen Person für Sie oder für die gesamte Flotte ausgeht.«

Er verspürte jetzt auch eine gewisse Verärgerung, doch dazu hatte er eigentlich gar kein Recht, schließlich hatte er sich aus freien Stücken mit Rione eingelassen. »Meine Loyalität gegenüber Rione ist nicht annähernd so stark wie mein Pflichtgefühl gegenüber dieser Flotte und gegenüber der Allianz.

Und es gibt keine verbliebenen persönlichen Gefühle mehr.«

Auch wenn Desjani kein Wort sagte, schien sie nicht seiner Meinung zu sein. »Sie können mir ruhig glauben, dass ich in der Lage bin, das einzuschätzen.«

»Jawohl, Sir.«

»Ich werde dieser Sache nachgehen. Ich stelle nicht Ihre Feststellung oder Ihre Beurteilung infrage.«

»Jawohl, Sir.«

»Verdammt, Tanya…«

»Jawohl, Sir. Es ist Ihre Entscheidung.«

Er zog verschiedene Antworten in Erwägung, doch die meisten davon wären ungerecht oder schlicht fehl am Platz gewesen. »Danke.«

»Dann werde ich mich jetzt um meine Befehle kümmern, Sir. Ich werde Ihnen sobald wie möglich die erbetene Mitteilung zur Genehmigung vorlegen, Sir.«

Am liebsten hätte er sie angebrüllt, doch sie betrug sich völlig makellos. »Danke«, wiederholte er nur, ließ sich aber seine Verärgerung anmerken. Als Desjani den Raum verließ und dabei den Rücken durchdrückte, musste Geary einen Moment lang darüber nachdenken, wie ungerecht es war, dass er mit einer Frau Beziehungsprobleme hatte, mit der ihn nicht mal eine Beziehung verband.

Victoria Rione ging ihm nicht an die Gurgel, aber sie schien darüber nachzudenken. »Haben Sie eine Ahnung, was Sie da von mir verlangen?« Schon lange hatte er von ihr nicht mehr diesen frostigen Tonfall zu hören bekommen. »Glauben Sie tatsächlich, ich würde diese Flotte in Gefahr bringen, indem ich gemeinsame Sache mit den Leuten mache, die diese Würmer eingeschleust haben?«

»Warum haben Sie uneingeschränkten Zugang zu Captain Desjanis Quartier?«, fragte Geary ohne Umschweife. »Die Einstellungen wurden ohne Captain Desjanis Wissen verändert.«

»Ich habe keine Ahnung!« Rione schien kurz vor einem Wutausbruch zu stehen. »Vielleicht hat sie…«

»Die Einstellungen zu meinem Quartier wurden ebenfalls so verändert, dass Sie freien Zugang haben.«

Ihre nächsten Worte blieben ihr im Hals stecken, und sie konnte ihn einen Moment lang nur anstarren. »Belastend, verdammt belastend. Glauben Sie tatsächlich, ich bin so dumm, etwas so Offensichtliches zu unternehmen, Captain Geary?«

»Nein«, erwiderte er. »Ich habe auch darüber nachgedacht, und wenn Sie die Einstellungen verändert hätten, wären Sie sicher schlau genug gewesen, sich gleichzeitig eine falsche Identität zuzulegen, unter der Sie sich Zutritt verschaffen würden. Sie sind zu intelligent, als dass Sie sich so massiv belasten würden. Aber ich möchte den unwiderlegbaren Beweis liefern, dass Sie damit nichts zu tun haben.«


Eine Weile sah sie ihn an, dann endlich antwortete sie.

»Weil die anderen Flottenoffiziere bereit sind, von mir nur Schlechtes zu denken, einer Politikerin.«

»Ich fürchte ja. Und deshalb wurde das mit Sicherheit auch HO arrangiert, damit Sie als politische Vertreterin der Allianz in Misskredit geraten und ich nicht länger Ihre Ratschläge einholen kann.«

Schließlich entspannte sie sich ein wenig und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Sehr gut. Ich konnte Ihnen ja doch das ein oder andere beibringen. Aber wollen Sie tatsächlich das Geheimdienstpersonal in diese Sache einbe-ziehen?«

»Ja. Diese Leute müssen bestätigen können, dass Sie die Wahrheit sagen, und ich benötige deren Hilfe bei unseren momentanen Problemen. Verräter und Aliens. Beide Gruppen nehmen diese Flotte stärker unter Beschuss, und das heißt, dass einige andere Leute erfahren, womit wir es zu tun haben.«

Rione überlegte einen Moment lang, dann nickte sie und machte sich auf den Weg in die Geheimdienstabteilung, während Geary Bescheid gab, um das Personal zu informieren.

Als sie die Hochsicherheitsschleuse erreichten, die in die Abteilung führte, wartete Lieutenant Iger bereits auf sie. Seine Uniform verriet, dass er sich in aller Eile angezogen hatte, und seine Miene ließ Sorge erkennen, da er wusste, es musste etwas Schwerwiegendes vorliegen, wenn seine Dienste so früh am Morgen in Anspruch genommen wurden. Als Geary und Rione sich ihm näherten, kam Desjani mit ihrem Lieutenant Commander aus der anderen Richtung zu ihm geeilt. Sie überreichte Geary eine Datentafel, ihr Gesicht war so ausdruckslos wie das von Rione.

Er las die Meldung durch, dann ergänzte er sie um einen Befehl: Alles weist daraufhin, dass diese Sabotage von jemandem in dieser Flotte verübt wurde. Sämtliches Personal, das irgendetwas über diese Vorgänge weiß, sollte sich umgehend mit dem Flaggschiff in Verbindung setzen. Es ist von großer Wichtigkeit, diejenigen aufzuspüren, die die Zerstörung von mindestens zwei Schiffen dieser Flotte und den Tod ihrer Besatzungsmitglieder geplant hatten, bevor sie erneut versuchen können, der Allianz und ihren Kameraden Schaden zuzufügen.

Desjani las den Zusatz durch und stimmte ihm mit einem stummen Nicken zu. Geary zögerte kurz, dann ließ er auch Lieutenant Iger die Mitteilung lesen, der mit Entsetzen auf den Inhalt reagierte. Schließlich tippte Geary die Bestätigungstaste, damit wurde die Nachricht gesendet. In wenigen Momenten würden die Befehlshaber aller Schiffe dieser Flotte von einer sehr unangenehmen Neuigkeit aus dem Schlaf gerissen werden. Geary fragte sich, wie viele von ihnen mit Bestürzung reagieren würden, weil ihr Sabotageakt doch noch vereitelt worden war. »Vielen Dank, Captain Desjani.«

»Jawohl, Sir.« Ihr Blick wanderte kurz zu Rione, kehrte dann aber zurück zu Geary. »Gibt es sonst noch etwas, Sir?«

Ja! Hören Sie endlich auf, sich so kühl und förmlich zu verhalten! »Wir werden in wenigen Stunden eine Flottenkonferenz abhalten.«

»Jawohl, Sir.« Sie salutierte knapp und zog sich dann mit ihrem Sicherheitsoffizier zurück.

Geary drehte sich zu Rione um und warf ihr einen finsteren Blick zu, da sie ihre Belustigung über Desjanis stocksteifes Verhalten nicht ganz unterdrücken konnte. »Lieutenant Iger, wir benötigen einen Verhörraum.«

Iger überwand den ersten Schreck und machte eine überraschte Miene. »Sie haben schon einen Verdächtigen, Sir?«

»Wir haben jemanden, den man wahrscheinlich zum Ver-dächtigen stempeln möchte, Lieutenant. Ich glaube nicht, dass sie etwas damit zu tun hat, aber es wurden Beweise platziert, die diesen Schluss zulassen könnten. Deshalb hat sie sich bereit erklärt, in einer kontrollierten Verhöreinrichtung alle Fragen zu beantworten.«

Lieutenant Iger nickte, war aber immer noch erkennbar verwirrt, und als sein Blick dann zu Rione wanderte, überkam ihn völlige Ratlosigkeit. »M-madam Co-Präsidentin?«

»Bringen wir's hinter uns«, befahl sie.

Der von der Situation sichtlich überforderte Iger führte sie in den Geheimdienstbereich; es ging durch weitere Hoch-sicherheitsschleusen, an denen Wachposten standen, die die sonderbare Prozession mit sichtlichem Unbehagen verfolg-ten. Ein Chief Petty Officer kam zu Iger und fragte, ob er Hilfe benötige, wurde aber sofort wieder weggeschickt.

Iger verriegelte hinter der Gruppe die Luke, die in den Verhörraum führte, dann sah er Rione nervös an. »Madam Co-Präsidentin, wenn Sie bitte durch die Schleuse gehen und sich auf den roten Stuhl setzen würden.«

Sie nickte herablassend und stolzierte voran, während Iger Geary in den benachbarten Beobachtungsraum führte. Eine Wand bestand aus einem von dieser Seite transparenten Material, das einen ungehinderten Blick auf Rione erlaubte, die sich hinsetzte und auf die von ihrer Seite kahl aussehende Fläche starrte. Iger betätigte verschiedene Kontrollen und aktivierte damit die Geräte, die nicht nur Riones äußerliche Reaktionen aufzeichneten, sondern unter anderem auch Hirnscans durchführten, um feststellen zu können, ob die Person im Verhörraum die Wahrheit sagte oder eine Lüge erzählte.

Iger sah Geary an. »Ahm… Sir, wer…?«

»Ich stelle die Fragen.«


Der Lieutenant tippte auf eine andere Taste und nickte Geary zu.

Der sammelte sich kurz, dann sprach er mit klarer, deutlicher Stimme, da er wusste, dass seine Worte im Verhörraum wiederholt wurden. »Co-Präsidentin Victoria Rione, war Ihnen zuvor etwas von den Würmern bekannt, die in den Sprung-systemen der Dauntless und anderer Schiffe der Allianz-Flotte gefunden wurden?«

»Nein.« Das eine Wort wurde ihm entgegengeschleudert wie eine ganze Kartätschensalve.

Die Anzeigen vor Geary leuchteten grün auf.

»Ist Ihnen irgendetwas über schädliche Software auf Schiffen der Allianz-Flotte bekannt?«

»Jetzt ja«, gab sie frostig zurück.

Geary verzog den Mund. Er musste seine Fragen sorgfältiger formulieren. »Bevor ich Ihnen davon erzählt habe, war Ihnen da irgendetwas darüber bekannt, dass Veränderungen an den Sicherheitseinstellungen zu meinem Quartier oder Captain Desjanis Quartier vorgenommen worden waren?«

»Nein.«

»Haben Sie irgendetwas mit diesen Veränderungen zu tun?«

»Nein.«

»Haben Sie irgendwelche Maßnahmen ergriffen, durch die einem Schiff der Allianz-Flotte Schaden zugefügt werden kann?«

»Nein.«

»Ist Ihnen bekannt, ob sonst jemand solche Maßnahmen ergriffen hat oder plant?«

»Nicht mit Sicherheit. Ich habe nur gewisse Personen im Verdacht.«

Geary legte eine Pause ein und überlegte, was er noch fragen sollte, schließlich schaute er Lieutenant Iger an. Der nickte, fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen, doch dann fragte er im ruhigen, neutralen Tonfall eines Verhörspezialisten: »Co-Präsidentin Rione, würden Sie die zuständigen Stellen benachrichtigen, wenn Sie den Verdacht hätten, dass jemand der Allianz oder einem Schiff oder einer Person in dieser Flotte Schaden zufügen will?«

»Ja, das würde ich.«

»Würden Sie diesem Schiff Schaden zufügen oder zulassen, dass ihm Schaden zugefügt wird?«

»Nein.«

»Würden Sie jemandem auf diesem Schiff Schaden zufügen oder zulassen, dass ihm Schaden zugefügt wird?«

»Das hängt davon ab, ob ich Grund zu der Annahme hätte, dass deijenige gegen die Interessen der Allianz verstößt.«

Alle Anzeigen leuchteten nach wie vor grün. Wieder tippte Iger auf verschiedene Tasten, dann sagte er zu Geary: »Sir, alle Anzeigen belegen, dass sie in jeder Hinsicht die Wahrheit sagt.

Sie… nun, sie ist nicht glücklich darüber, aber sich selbst gegenüber ist sie ehrlich, und alle ihre Antworten sind kurz und direkt.«

Geary musterte die Auswertungen. Alles bestätigte Igers Worte, auch wenn »nicht glücklich« eine sehr schmeichel-hafte Umschreibung für die Wut war, die die Geräte von ihr empfangen hatten. Er fragte sich, wem diese Wut in erster Linie galt: ihm, Desjani oder dem Feind? Jetzt habe ich Rione dort, wo ich erfahren könnte, was jede ihrer Antworten zu bedeuten hat. Wie sehr hattest du dich gefühlsmäßig auf mich eingelassen? Wie fühlst du dich jetzt? Würdest du eine Attacke auf Tanya Desjani rechtfertigen, indem du erklärst, du hältst sie für eine Gefahr? Aber diese Fragen konnte er nicht stellen. Selbst wenn Lieutenant Iger nicht anwesend gewesen wäre, hätte er damit die unausgesprochene Abmachung gebrochen, die Rione dazu hatte bewegen können, überhaupt erst einen Verhörraum zu betreten. »Danke, Lieutenant. Holen wir Madam Co-Präsidentin da raus. In ein paar Stunden Findet eine Konferenz der befehlshabenden Offiziere dieser Flotte statt. Ich möchte, dass Sie dabei sind.«

»Ja, Sir.« Iger schien zutiefst verblüfft zu sein. Derartige Konferenzen hatten sich im Lauf der letzten hundert Jahre zu politischen Hinterzimmertreffen entwickelt, bei denen Abma-chungen ausgehandelt wurden und ältere Offiziere sich den Rückhalt durch jüngere Offiziere zu sichern versuchten. Ein-fachere Flottenangehörige hatte man davon ausgeschlossen, damit die nicht erführen, welche Art politischen Taktierens sich dort abspielte.

»Sie haben sich angesehen, was ich Ihnen zur Begutach-tung überlassen halte? Über das, was sich auf der anderen Seite des Syndik-Gebiets befindet?«

»Ja, Sir.« Wieder machte Iger einen sorgenvollen Eindruck.

»Wer sind die? Wer hält sich da auf der anderen Seite des Syndik-Territoriums auf, Sir?«

»Ich habe keine Ahnung, Lieutenant. Die höchste Syndik-Führungsebene weiß darüber Bescheid. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass diese Aliens aktiv Maßnahmen gegen diese Flotte ergriffen haben?«

»Ja, Sir«, bestätigte Iger. »Sie müssen dafür verantwortlich sein, dass die große Syndik-Flotte nach Lakota umgelenkt wurde. Aber aus welchem Grund?«

»Mit Gewissheit lässt sich das nicht sagen, aber wir können mutmaßen, dass sie die Menschheit mit diesem Krieg auf Trab halten wollen, und vermutlich befürchten sie, wir könnten mit dem Hypernet-Schliissel der Syndiks heimkehren und einen entscheidenden strategischen Vorteil erlangen. Aber das ist letztlich nur geraten.« Iger nickte unzufrieden. »Darüber werden wir bei der Konferenz allerdings nicht reden, und ich möchte auch nicht, dass Sie irgendwen davon in Kenntnis setzen. Aber ich möchte, dass Sie darüber genauso nachdenken wie über alles, was Ihnen auf den Geheimdienstkanälen unterkommt, das uns mit mehr Informationen über diese Bedrohung versorgen könnte.«

»Verstehe, Sir.«

Als Rione zu ihnen zurückkehrte, führte der Lieutenant sie und Geary wieder in den Korridor, wo die gedämpfte Nachtbeleuchtung sie daran erinnerte, dass der offizielle Schiffstag erst in einigen Stunden beginnen würde.

Rione wartete, bis sie beide allein waren, dann fragte sie so leise, dass Geary sie kaum hörte: »Und wer hat mir was anhängen wollen?«

»Wenn wir das wüssten, hätten wir denjenigen, der die Würmer eingeschleust hat.«

»Nicht zwangsläufig. Das können zwei voneinander völlig unabhängige Aktionen sein. Ich weiß, was Sie gedacht haben, aber ich bin auf diesem Schiff nicht die einzige Frau, die aus Eifersucht heraus handeln könnte.«

Er benötigte einen Moment, ehe ihm klar wurde, was Rione meinte. »Captain Desjani würde so etwas nicht tun.«

»Ich bin froh, dass Sie davon so überzeugt sind.«

Geary warf ihr einen wütenden Blick zu. »Tanya Desjani ist ein sehr direkt agierender Mensch. Wenn sie Ihnen wehtun wollte, würde sie Ihnen auflauern und Sie zusammenschlagen.

Sie würde Ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten.

Sie sind lange genug auf diesem Schiff, um das selbst zu wissen.«

Rione erwiderte seinen Blick auf die gleiche wütende Weise, dann sah sie zur Seite. »Ja. Sie ist nicht von der Art, die einen hinterrücks anfällt.«


»Ich habe im Moment wirklich genug andere Probleme, ohne dass Sie beide sich gegenseitig anfeinden.«

»Werden Sie ihr das sagen?«

Zum ersten Mal wurde Geary bewusst, dass Rione schon vor langer Zeit aufgehört hatte, Tanya Desjanis Namen zu benutzen, wenn sie über sie sprach. »Das habe ich gemacht, und ich werde es wieder machen. Ich brauche Sie beide.«

Rione zog eine Augenbraue hoch und meinte in sarkasti-schem Tonfall: »Sie brauchen uns beide? Etwa schon heute Nacht? Ich bin schockiert.«

»Sie wissen, was ich meine.«

»Ich weiß, was Sie zu glauben meinen«, konterte sie lässig.

»Meine Loyalität gilt der Allianz, Captain Geary. Ich werde alles tun, was diese Loyalität von mir erfordert. Im Augenblick bedeutet das, Ihnen nach Kräften zur Seite zu stehen. Weder Sie noch sie müssen mich fürchten, solange Sie nicht anfangen, gegen die Interessen der Allianz zu verstoßen. Sie wissen, ich sage die Wahrheit.«

Das wusste er, seit eine leicht abweichende Version dieser Aussage im Verhörraum als wahr eingestuft worden war.

»Danke. Ich weiß, das ist nicht leicht.«

»Ich hoffe, Sie beziehen sich damit auf die Situation der Flotte.«

Er musterte sie und fragte sich, ob er zugeben sollte, dass er damit auch persönliche Themen meinte.

Ihre Augen loderten, als sie ihn wieder ansah. »Wagen Sie es ja nicht, mich zu bemitleiden. Ich habe Sie verlassen.« Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte davon.

Die Stimmung im Konferenzraum war diesmal anders. Die Anspannung rührte nicht von politischem Taktieren oder von Sorgen wegen der Syndiks her. Diese Anspannung war nach innen gerichtet, wobei jeder virtuell anwesende Commander die anderen mit Argwohn betrachtete, als hätte er die Hoffnung, einen deutlichen Hinweis darauf zu entdecken, wer die Flotte zu sabotieren versuchte. Die Blicke wanderten aber auch zu Lieutenant Iger, der sich sichtlich unbehaglich fühlte, und zu Victoria Rione, die so wortlos und starr dasaß wie eine Statue.

Geary erhob sich, und sofort sahen ihn alle an. »Sie kennen den Grund für diese Konferenz. Ich habe die Berichte von Ihren Schiffen und damit die Bestätigung erhalten, dass jedes von ihnen in den Sprungantriebssystemen einen Wurm auf-weist. Der Großteil dieser Würmer hätte Ihre Schiffe einfach nur daran gehindert, den nächsten Sprung auszuführen, sodass die Systeme für eine Weile hätten abgeschaltet werden müssen, bis die schädliche Software neutralisiert worden wäre. Auf drei Schiffen — den Schlachtkreuzern Dauntless, Furious und Illustrious — allerdings fanden sich Würmer, die den Antrieb erst nach dem Sprung lahmgelegt hätten, womit die Schiffe für alle Zeit im Sprungraum gestrandet wären.«

Er ließ eine kurze Pause folgen, um seine Worte wirken zu lassen.

»Jemand hatte vor, mir das Kommando über diese Flotte zu entziehen, indem er das Flaggschiff vernichten und dessen Crew umbringen wollte. Und dieser Jemand hat auch versucht, die Furious und die Illustrious zu zerstören.« Er sah zu Captain Badaya, dessen Gesicht vor Wut wie versteinert war.

»Der Saboteur kannte die täglich wechselnden Sicherheits-codes für die Systemfilter, und er verfügte über eine Zugriffs-möglichkeit, die ihm erlaubte, die schädliche Software in jedes Schiff dieser Flotte einzuschleusen. Das heißt, es muss das Werk von Personen sein, die die Uniform der Allianz tragen. Hier geht es nicht um Meinungsverschiedenheiten, auch nicht um das Handeln einer Person, die der Allianz gegenüber loyal ist, sondern es geht um Verrat. Wer immer das getan hat, ist ein Verräter und ein Feigling. Ist irgendjemand auf Informationen gestoßen, die uns helfen könnten, diese Verräter zu entlarven?«

Er ließ seinen Blick über den langen virtuellen Tisch wandern und sah jedem der anwesenden Offiziere in die Augen.

Fast wäre er länger bei Commander Gaes hängen geblieben, erinnerte sich aber noch rechtzeitig daran, das nicht zu tun.

Sie hatte sich als eine äußerst wichtige Informantin entpuppt, und er konnte es sich nicht leisten, ihr Leben in Gefahr zu bringen. Die Lorica war eines der Schiffe gewesen, die Captain Falco gefolgt waren, und diejenigen, die hinter dem Sabotageakt steckten, hielten Gaes wohl immer noch für rebellisch genug, um sie in ihren Plan einzubeziehen. Oder aber Gaes hatte nach wie vor ausreichende Kontakte zu den Verschwörern, um ihnen auf die Schliche zu kommen.

Captain Caligo und Captain Kila war nichts anzumerken außer den gleichen Gefühlsregungen, die alle anderen auch zeigten.

Es war schlicht unmöglich zu sagen, ob eines der Gesichter eher Schuldgefühle anstelle von Wut oder Angst erkennen ließ. Geary deutete auf Iger. »Lieutenant Iger ist der hoch-rangigste Geheimdienstoffizier an Bord der Dauntless, er hat einige Informationen für Sie, die Co-Präsidentin Rione betreffen.«

Der Befehlshaber der Schiffe der Callas-Republik und der Rift-Föderation sahen entsetzt zu Rione, doch die kam ihnen weit genug entgegen, um mit einem beschwichtigenden Lächeln zu reagieren.

Lieutenant Iger meldete sich in dem Tonfall zu Wort, mit dem er Besprechungen führte: »Ich wurde auf nicht autorisierte Veränderungen in der Sicherheitssoftware an Bord der Dauntless aufmerksam gemacht, die Co-Präsidentin Rione be-lasteten.«

»Warum sitzt sie dann hier?«, ging Captain Armus von der Colossus dazwischen. »Sie sollte…«

»Lassen Sie Lieutenant Iger ausreden«, unterbrach Geary ihn in frostigem Tonfall.

Iger führ fort, als wäre er in seinen Ausführungen nie ge-stört worden. »Co-Präsidentin Rione erklärte sich freiwillig bereit, in einer Verhörzelle der Klasse sechs befragt zu werden. Ihr wurden mehrere Fragen gestellt, um herauszufinden, ob sie mit diesen oder anderen Softwareveränderungen etwas zu tun hat. Ihre Antworten, mit denen sie jegliches Wissen oder irgendeine Beteiligung verneinte, waren wahr-heitsgemäß.«

Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann meldete sich der Commander der Warspite zu Wort. »Klasse sechs? Gibt es eine Möglichkeit, eine Klasse sechs zu täuschen oder in die Irre zu führen?«

»Spezielles Training kann einen in die Lage versetzen, aus-weichende Antworten zu geben, Sir, aber mein Personal und ich, wir sind alle darauf geschult, die Anwendung solcher Techniken zu erkennen«, gab Lieutenant Iger zurück. »Es mag uns vielleicht nicht gelingen, eine Person dazu zu bringen, das zu sagen, was wir hören wollen, aber wir erkennen es, wenn diese Person der eigentlichen Frage ausweicht, damit die Antwort nicht als Lüge registriert wird. Co-Präsidentin Rione hat auf keine derartigen Methoden zurückgegriffen.

Ihre Antworten waren direkt und eindeutig.«

»Und was bedeutet das? Dass jemand versucht hat, Senato-rin Rione etwas anzuhängen?«


»Diesen Schluss würde ich daraus ziehen. Ja, Sir.«

»Das ist ebenfalls Verrat.« Der Befehlshaber der Warspile lehnte sich kopfschüttelnd zurück.

Geary beugte sich ein Stück weit vor und redete lauter als ge-wöhnlich: »Ich weiß, dass einige Offiziere dieser Flotte schon vom ersten Tag an nicht damit einverstanden waren, dass ich das Kommando übernehme. Mir ist bekannt, dass man Ge-rüchte über mich ausgestreut und versucht hat, Widerstand gegen mich aufzubauen. Aber das hier hat nichts mehr mit unterschiedlichen Ansichten darüber zu tun, wer diese Flotte befehligen soll. Jemand hat versucht, drei große Kriegsschiffe zu zerstören. Schiffe, auf denen Ihre Freunde und Kameraden dienen. Schiffe, die an Ihrer Seite in die Schlacht gezogen sind.

Mich kümmert nicht, wie lautstark Sie sich in der Vergangenheit womöglich gegen mich ausgesprochen haben, und mir ist auch egal, was Sie in der Vergangenheit unternommen haben, um mich aus dem Weg zu räumen. Hier geht es nicht um mich.

Wer immer das getan hat, wollte auch die Flotte treffen, und auch Schiffe, auf denen ich mich nicht aufhalte. Wenn einer von Ihnen in jedweder Form diese Verschwörer aktiv oder passiv unterstützt hat, dann sollte er jetzt noch einmal gründlich darüber nachdenken, wem seine Loyalität gilt. Ich verspreche vor Ihnen allen, dass jeder, der sich mit Informationen über diese heimtückische Sabotage an mich wendet, keine dis-ziplinarischen Folgen zu erwarten hat, solange er nicht aktiv an der Entwicklung und Einschleusung dieser Würmer mitgear-beitet hat oder solange ihm nicht bekannt war, in welcher Weise sie zum Einsatz kommen sollten.«

Wieder folgte Schweigen, allerdings hatte er auch nicht damit gerechnet, dass irgendjemand aufspringen, anklagend den Finger erheben und rufen würde: »Captain X hat's getan!« Das wäre in einem Roman eine nette Wendung gewesen, doch in der Realität fand sich nicht immer so schnell eine Lösung.

Schließlich äußerte sich Captain Badaya. »Jemand ist so skrupellos, dass er kein Problem damit hat, Allianz-Personal zu töten und Allianz-Schiffe zu zerstören. Bevor wir Lakota verließen, wurde ein Shuttle bei einem angeblichen Unfall vernichtet.« Er sah sich am Tisch um. »Ein sehr außergewöhnlicher Unfall, der aber glaubwürdig war, da es keinen Hinweis auf irgendwelche Manipulationen gab. Captain Casia und Captain Yin kamen in diesem Shuttle ums Leben, und jetzt vermute ich, dass sie sterben mussten, weil jemand fürchtete, sie könnten die Namen derjenigen nennen, die gegen Captain Geary arbeiten. Jeder, der in diese Sache verstrickt ist, sollte sich vor Augen halten, dass die Hintermänner dieser Verschwörung bereit sind, jede Schwachstelle in ihren Reihen dauerhaft auszumerzen. Wer überführt wird, der wird damit rechnen müssen, dass der Flottenkommandant ihn hinrichten lässt. Wenn Sie schweigen, laufen Sie Gefahr, von Ihren Mitverschwörern aus dem Weg geräumt zu werden. Sie haben nur eine Chance: Geben Sie sich zu erkennen«, schloss Badaya und ließ seinen zornigen Blick über den Tisch schweifen.

»Warum würde jemand so etwas machen?«, fragte der befehlshabende Offizier der Intrepid. »Jeder weiß, ein paar Leute sind nicht glücklich darüber, dass Captain Geary das Kommando hat. Ich selbst hatte auch meine Zweifel, aber er hat bewiesen, wozu er fähig ist. Die meisten Zweifler sind so wie ich längst sehr zufrieden damit, dass er uns anführt.«

»Damit könnten Sie den Grund für diese Vorgehensweise genannt haben«, gab Captain Duellos zurück. »Die Verschwörer haben die Hoffnung aufgegeben, die Captains dieser Flotte noch davon überzeugen zu können, dass sie Captain Geary absetzen sollen. Ihre einzige Chance, ihr Ziel zu erreichen, besteht jetzt darin, Captain Geary zu eliminieren.«

»Aber jeder, der auch nur dem Verdacht unterliegt, ihn und die Besatzungen von drei Kriegsschiffen ermordet zu haben…«

»Überlegen Sie, was passiert wäre, hätte man diese Würmer nicht entdeckt. Die Dauntless, die Furious und die Illustrious wären in den Sprungraum gewechselt, als sei alles in bester Ordnung. Die übrigen Schiffe hätten festgestellt, dass die Würmer den Antrieb lahmgelegt haben, und sobald die Systeme wieder arbeiteten, wären sie ebenfalls gesprungen. Das hätte uns einige Stunden gekostet, und wir wären der Ansicht gewesen, dass die Würmer, die unsere Systeme befallen hatten, bei den drei Schiffen keine Wirkung gezeigt haben. Bei der Ankunft in Wendig hätten wir dann festgestellt, dass die drei Schiffe nicht wie erwartet bereits dort sind. Niemand hätte jemals eine Spur von ihnen gefunden, und damit hätte es keinen Beweis gegeben, dass ihre Sprungantriebe mit einem anderen Wurm infiziert worden waren.«

Commander Neeson nickte, seine Miene war wie versteinert. »Kein Hinweis auf eine vorsätzliche Zerstörung der drei Kriegsschiffe. Sehr raffiniert. Das Verschwinden von drei Schiffen, und mit ihnen Captain Geary, hätte bei uns allen Trauer ausgelöst, aber letztlich hätten wir einen neuen Flottenbefehlshaber bestimmt. Ich frage, wer das wohl geworden wäre.«

»Wie wäre es mit Captain Numos?«, warf Armus ein.

Geary schüttelte den Kopf. »In Anbetracht der Schwere dieser versuchten Sabotage habe ich bereits angeordnet, dass Captain Numos verhört wird, ob er uns etwas über die Hintermänner sagen kann. Ich vermute aber, dass er uns keine Hilfe sein wird.«


»Wieso nicht?«, fragte Badaya.

»Weil sich an Bord der Orion nicht der gleiche Wurm fand wie auf der Dauntless, der Furious und der Illustrious. Numos hätte nicht den Hauch einer Chance, als Flottenkommandant akzeptiert zu werden. Falls Numos aber etwas über die Draht-zieher wüsste, hätte ihn das in die Lage versetzt, diese Leute zu erpressen, und deshalb hätten sie versucht, ihn möglichst schnell aus dem Weg zu räumen.«

Rione sah Geary überrascht an, nickte dann aber und lächelte zufrieden — so wie ein Lehrer, der erkannte, dass sein Schüler ihm wider Erwarten doch zugehört und von ihm gelernt hatte.

»Dann glauben Sie tatsächlich, er steht nicht mit den Leuten in Verbindung, die diese Würmer eingeschleust haben?«, hakte der Captain der Warspite nach.

»Ich glaube, diese Leute wären womöglich bereit gewesen, Numos zu benutzen«, erläuterte Geary. »Aber sie hätten ihm nicht über den Weg getraut.« Wieder ließ er seinen Blick über den virtuellen Konferenztisch wandern. »Jedes Schiff säubert derzeit weiter seine Systeme, bis wir sicher sein können, dass nicht noch mehr Gefährliches dort verborgen ist. Wenn auf allen Schiften grünes Licht gegeben wird, springen wir nach Wendig. Bis dahin empfehle ich noch einmal eindringlich jedem, der irgendetwas weiß, sich mit mir in Verbindung zu setzen oder sich an einen Vorgesetzten zu wenden, dem er vertrauen kann. Die Syndiks sind unsere Feinde, nicht wir selbst.

Einige Leute in dieser Flotte haben das offenbar vergessen und stehen damit auf der gleichen Seite wie die Syndiks.«

Captain Badaya nickte nachdrücklich. »Captain Geary wird bei jeder Entscheidung den Rückhalt dieser Flotte haben.«

Auf Duellos' Gesicht zeichnete sich ein betrübter Ausdruck ab, er sagte jedoch nichts.


Geary wiederum wusste, dass er die mächtige Gruppe hinter Badaya nicht vor den Kopf stoßen konnte, solange ihm aus der Flotte heraus eine derartige Gefahr drohte. »Mögen wir so handeln, dass unsere Vorfahren uns ihre Gunst schenken«, erklärte er ausweichend. »Wenn wir uns dem Zeitpunkt für den Sprung nach Wendig nähern, werde ich alle Schiffe da-rüber informieren, ob der Sprung wie geplant stattfindet.«

In rascher Folge lösten sich die Bilder der Offiziere in Luft auf. Lieutenant Iger zog sich hastig zurück, gefolgt von Co-Präsidentin Rione, die hoch erhobenen Hauptes den Raum verließ. Auch Captain Desjani ging nach draußen, wobei ihr Blick an Riones Rücken klebte.

Eine Person blieb jedoch zurück, die ihm so wenig vertraut war, dass er erst einen Blick auf die Daten werfen musste. Lieutenant Commander Moltri, befehlshabender Offizier des Zerstörers Taru. »Ja, Commander?«, fragte Geary.

Moltri schluckte und wandte den Blick ab. »Sir, ich glaube, ich weiß, wie die Würmer über die Flotte verteilt wurden und wie es ihnen möglich war, die Sicherheitssysteme zu umgehen.«

»Hatten Sie etwas damit zu tun?« Es kostete Geary Mühe, Ruhe zu bewahren. Moltri wirkte nicht nur verängstigt, sondern auch auf das Äußerste peinlich berührt, was erst einmal keinen Sinn ergab.

Lieutenant Commander Moltri schüttelte hastig den Kopf.

»Nein, Sir. Nicht… nicht wissentlich.« Er kniff die Augen zu, um sich zu beruhigen, dann richtete er den Blick auf Geary und erklärte mit fester Stimme: »Es existieren… gewisse Programme, die jenen Leuten geschickt werden, die… die daran interessiert sind. Wegen der Art dieser Programme müssen sie über Wege verschickt werden, auf denen sie die Sicherheitsüberprüfungen der Flotte umgehen. Es gibt innerhalb der Flotte ein ganzes Subnetzwerk, das solche Programme unbe-merkt verteilt.«

Moltri zog seine Datentafel heraus, tippte mit zitternden Fingern einige Befehle ein und machte eine grimmige Miene.

»Ich habe Ihnen soeben ein Muster geschickt, Sir. Ihr Sicherheitspersonal wird dadurch in die Lage versetzt werden, die Übertragungsmethode zu identifizieren. Ich schwöre Ihnen, Sir, ich hatte keine Ahnung, dass sich jemand dieser Methode bedienen würde, um einen gefährlichen Wurm zu verbreiten, allerdings glaube ich, dass es genau so gelaufen ist.«

»Vielen Dank, Commander Moltri«, erklärte Geary. »Ich werde mir das ansehen. Es könnte sein, dass Sie der Flotte einen großen Dienst erwiesen haben.«

Der Mann biss die Zähne zusammen, als hätte er Schmerzen. »Sir, ich möchte Sie bitten, nicht zu enthüllen, dass ich etwas mit dem zu tun habe, was ich Ihnen geschickt habe. Ich bin darauf nicht stolz, ganz und gar nicht. Ich habe nie irgend-jemandem wehgetan, das schwöre ich.«

»Ich verstehe.«

»Ich weiß, das wird disziplinarische Folgen haben, Sir. Aber lassen Sie bitte nicht alle Details in meine Akte einfließen.«

Geary, der sich zunehmend über Moltris Unbehagen und Aussagen wunderte, erwiderte mit ruhiger Stimme: »Wenn es nicht angemessen ist, dann wird das auch nicht der Fall sein.

Vielen Dank, Commander.«

Moltris Abbild verschwand, als ob der Mann auf der Flucht wäre. Geary warf einen Blick auf seine eingegangenen Nachrichten und fand, was Moltri ihm geschickt hatte. Er rief das Programm auf, und als die Bilder angezeigt wurden, drehte sich ihm fast der Magen um. Kein Wunder, dass Moltri und die anderen, die sich für so etwas interessierten, diese Dinge im Verborgenen verschickten. Hastig beendete er das Programm und rief Captain Desjani und ihren Sicherheitsoffizier zu sich.

Desjani war noch nicht weit gekommen und kehrte nach wenigen Augenblicken in den Konferenzraum zurück. Der Offizier benötigte dagegen ein paar Minuten, und als er zu ihnen stieß, drückte Geary ihm seine Dateneinheit in die Hand. »Sehen Sie sich das an.«

Der Mann war zuerst entsetzt, dann angewidert, und erklärte schließlich resigniert: »Die finden immer neue Wege, um das Zeug zu verbreiten, Sir. Kann ich das an meine Adresse weiterleiten?« Geary nickte. »Ich sollte in der Lage sein, an-hand dieser Nachricht das Subnetz ausfindig zu machen und zu überwachen, über das sie ursprünglich verschickt wurde.«

»Werden Sie auch herausfinden können, ob so die Würmer verbreitet worden sind?«

»Wir werden das wohl nicht beweisen können, Sir, wenn das ein Subnetz von der Art ist, wie ich es schon früher gesehen habe. Aber ich würde darauf wetten, dass die Würmer darüber verteilt wurden. Dieses Subnetz dürfte so aufgebaut sein, dass es mit jedem Schiff der Flotte verbunden ist.«

»Auf jedem Schiff der Flotte gibt es jemanden, dem so was gefällt?«, fragte Geary verdutzt.

»Nein, Sir«, korrigierte der Sicherheitsoffizier ihn hastig.

»Subnetze, die für die Übertragung von solchem Material gedacht sind, werden so entworfen, dass man keine Fingerab-drücke hinterlässt, wenn man diese Dinge hoch- oder runter-lädt. Sie verbreiten sich von selbst zu jedem Kommunikations-knotenpunkt im Netz, also zu jedem Schiff. Wer auf einem Schiff davon weiß, der kann darauf zugreifen, aber es ist so gut wie unmöglich, jemanden zu identifizieren, der darauf zu-gegriffen hat. Und noch unmöglicher ist es, das betreffende Schiff zu bestimmen.«


Ihm war klar, was das bedeutete. »Also bestehen höchstens minimale Chancen, herauszufinden, wer den Wurm in dieses Subnetz geschleust hat.«

Der Sicherheitsoffizier zuckte hilflos mit den Schultern.

»»Minimal« ist in diesem Fall schon eine sehr optimistische Wortwahl, Sir. Wir können dieses Subnetz ab sofort überwachen, da wir seine Charakteristika identifiziert haben, und das heißt wiederum, für diesen Zweck kann es nicht noch einmal benutzt werden.«

»Es überwachen? Schalten Sie es ab. Können wir davon ausgehen, dass nicht noch andere Subnetze aktiv sind?«, wollte Desjani wissen.

Diese Frage schien den Sicherheitsoffizier zu verblüffen.

»Wir wissen, dass andere Netze existieren, Captain. Das Netz, das die Flotte untereinander verbindet, ist von inoffiziellen Subnetzen durchzogen, die alles regeln, was nicht offiziell genehmigt ist, beispielsweise Glücksspiele.«

»Warum wurden die nicht alle abgeschaltet?«, hakte Desjani nach.

»Weil meine Leute für die Sicherheit zuständig sind, aber nicht zur Durchsetzung von Gesetzen, Captain. Solange wir wissen, wo sich die Subnetze befinden, können wir sie überwachen und wissen dadurch, was die Leute damit anfangen.

Schalten wir eines ab, wird es irgendwo wieder auftauchen, und bis wir es wiedergefunden haben, wissen wir nicht, was sich in diesem Netz abspielt. So wie bei diesem Netz. Hätten wir davon gewusst, wären wir auf den Wurm gestoßen, sobald er in das Netz, eingespeist wurde. Vermutlich hat der Täter genau deshalb dieses Subnetz gewählt.« Der Lieutenant Commander hielt Gearys Dateneinheit hoch. »Aber Sie haben mir gesagt, ich soll dieses Netz abschalten, und das werde ich auch machen. Die Leute, denen so was hier gefällt, werden einen Ersatz schaffen müssen, und so etwas dauert eine Weile.«

Geary dachte über den moralischen Zwiespalt nach zuzulassen, dass solches Material in der Flotte kursierte, damit sie in der Lage waren, viel ernsteren Missbrauch zu entdecken und zum Absender zurückzuverfolgen, oder aber das Subnetz abschalten zu lassen und damit zu riskieren, dass dessen Nachfolger ebenfalls für Sabotagezwecke herhalten musste. »Wie lange wird das dauern?«

»Ein Ersatz-Subnetz, Sir? Unter den gegenwärtigen Bedingungen?« Der Sicherheitsoffizier starrte einen Moment lang in die Ferne. »Einen halben Tag.«

»Einen halben Tag?« Geary warf Desjani einen bestürzten Blick zu. Angesichts des Risikos, dass die Flotte durch einen neuen Wurm abermals in Gefahr geriet, blieb ihm gar keine andere Wahl. »Schalten Sie es nicht ab, aber sorgen Sie dafür, dass es überwacht wird.«

Captain Desjani gab ihrem Offizier ein Zeichen. »Machen Sie sich an die Arbeit. Aber zuerst geben Sie mir das da.« Der Mann zögerte und sah zu Geary, der nach einem Moment der Unentschlossenheit schließlich widerwillig sein Einverständnis gab.

»Das hier?« Desjani öffnete die Datei auf Gearys Dateneinheit, betrachtete die Darstellungen mit regungsloser Miene und schaltete das Gerät schließlich ab. »Ist das echt, was da zu sehen ist?«

Der Sicherheitsoffizier schüttelte den Kopf. »Üblicherweise nicht. Es ist schon übel genug, dass so etwas überhaupt produziert wird, aber wenn die das mit echten Menschen machen würden, dann könnten sich die Produzenten schon darauf gefasst machen, bis in alle Ewigkeit hinter Gittern zu sitzen. Man benutzt dafür sehr realistische, vom Computer erzeugte Bilder.«


»Aber das sieht aus wie echt«, wandte Geary ein, der sich unrein fühlte, weil er sich das Material angesehen hatte.

»Stimmt, Sir. Aber… das ist ja auch der Sinn der Sache.«

»Danke. Kümmern Sie sich darum.« Ein Schaudern lief ihm über den Rücken, nachdem der Offizier gegangen war.

Desjani machte eine Miene, als habe sie etwas geschluckt, das widerwärtig schmeckte. »Ich weiß, warum Sie einverstanden waren, das Subnetz nicht abzuschalten, aber ich weiß auch, wie Sie sich jetzt fühlen müssen. Woher haben Sie das Material?«

»Von jemandem, dem ich dem äußeren Eindruck nach niemals zugetraut hätte, dass ihm so etwas gefallen könnte.«

»Wer immer das auch war, er sollte dringend einer umfas-senden psychologischen Untersuchung unterzogen werden.«

»Allerdings.« Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Kann ich eine solche Untersuchung vertraulich anordnen?«

Sie nickte. »Das ja, allerdings wüsste ich nicht, warum Sie jemanden schützen wollen, der so etwas verbreitet. Allein der Besitz stellt schon einen schweren Verstoß gegen die Regeln dar.«

»Weil diese Person bereit war, mir das hier über sich selbst zu enthüllen, damit ich die Flotte schützen kann«, erklärte Geary.

Desjani verzog den Mund. »Das kann nicht einfach gewesen sein. Ich werde Sie nicht fragen, wer das war.«

»Haben Sie schon mal so etwas gesehen?«

»Gehört habe ich davon«, antwortete sie kopfschüttelnd, »aber gesehen habe ich es noch nie.«

»Ich auch nicht.« Geary rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Entschuldigen Sie mich bitte, Tanya. Ich muss mich mit den Flottenpsychologen und einem Flottenoffizier in Verbindung setzen, danach muss ich duschen gehen. Lassen Sie mich wissen, was Ihr Sicherheitsoffizier herausgefunden hat.«

»Jawohl, Sir.« An der Tür blieb Desjani stehen und drehte sich zu ihm um. »Ich möchte mich entschuldigen, weil ich Ihnen nicht zugetraut habe, Co-Präsidentin Rione neutral zu beurteilen, Sir.«

»Schon gut, Captain Desjani. Es kann nie schaden, wenn da jemand ist, der meine Entscheidungen in Zweifel zieht. Und wenigstens sagen Sie ihren Namen.«

»Wie bitte, Sir?«

»Ach, nichts. Geben Sie mir bitte Bescheid, wenn alle Systeme der Dauntless gesäubert worden sind.«

Drei Stunden später waren sämtliche Systeme der Flotte dreifach nach schädlicher Software gescannt und von Sicher-heitsoffizieren für sauber erklärt worden, denen bewusst war, dass etliche Menschenleben davon abhingen, dass sie ihre Arbeit gründlich erledigten. Geary befahl den Sprung nach Wendig, und obwohl sich sein Magen verkrampfte, als die Dauntless in den Sprungraum wechselte, verlief alles problemlos.

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