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Eine dunkle Erde erwartete ihn. Michael Wireman wußte, daß das dahinjagende Raumschiff sehr bald in richtiger Aussteighöhe sein würde. Er fragte sich, was die feindlichen Radarstationen wohl davon halten würden. Er schaute wieder durch die Luke: nichts als Dunkelheit und dicke Wolken. Er konnte nichts ausnehmen, keine Berge, keine Wälder, keine Spiegelung des Mondlichts auf Wasser.

Er drehte sich abrupt weg und schnallte das umfangreiche Bündel fester an den Rücken. Der Blick in die Leere war nicht angenehm für einen Mann, der sich bereitmachte, mit einer dreißig Kilogramm schweren Last und einem Düsenaggregat versehen, hinauszuspringen.

Er stellte den Höhenmesser auf seinem Handgelenk ein und hoffte, alles würde gut verlaufen. Auf Centauri, als Thomas Harmon den Vorschlag gemacht und sein Vater widerstrebend eingewilligt hatte, war er begeistert gewesen. Während des Trainings — seine Lehrer waren sicherlich Mitglieder der centaurischen Armee gewesen, hüteten sich jedoch, das zu sagen — hätte er Tüchtigkeit und Selbstvertrauen bewiesen. Aber jetzt war es so dunkel und bodenlos da draußen. Obwohl er sich danach sehnte, zur Erde zurückzukehren, dachte er nun an die hohen Bäume, an die spitzen Felsen, die auf ihn warteten.

Ein leichter Stoß von hinten. Er drehte sich um und sah in das lächelnde, weiße Gesicht Isaac Potters. Er fühlte sich gleich besser, als er den dicklichen kleinen Mann erblickte, den die eigene Last niederzudrücken schien. Angespornt von Michael Wiremans Eifer auf Cheiron hatte der Techniker gesagt: »Ich gehe, wohin die Gewehre gehen«, und dabei war es geblieben.

Das Raumschiff war voller Geräusche: die Reibung der Luft kreischte durch jede Platte, durch jede Stütze. Das Brummen der Motoren ließ Michael Wiremans Zähne vibrieren. Jeder Teil des Raumschiffes gab einen Ton von sich.

»Fertig?« überschrie Isaac Potter den Lärm.

Michael Wireman grinste zurück. Er glättete die Klappen des Sturzhelms über den Ohren und schnallte sie unter dem Kinn fest. Dann überprüfte er, ob sein Gewehr sicher am Bündel befestigt war.

Ein klingelndes Geräusch ertönte neben ihm. Er schaute auf die Leuchttafel neben der Luke. Das Wort »Fertigmachen« leuchtete auf. Er setzte sich hin, schlang die Arme um die Knie und legte den Kopf auf die Schenkel. Jetzt war keine Zeit für Unentschlossenheit. War er nicht in der richtigen Position, wenn der Pilot ihn hinausschleuderte, würde er wie eine zerbrochene Puppe durch die Luft wirbeln. Sie hatten das im Training gelernt und an einer Puppe demonstriert bekommen.

Das Wort »Schleudern« flammte auf. Das klingelnde Geräusch wurde immer lauter. Die Luke öffnete sich, und plötzlich waren er und Potter draußen.

Michael Wireman wußte nicht, ob er alles richtig gemacht hatte. Er schaute um sich und sah nichts als Dunkelheit. Die Ohren waren erfüllt vom Geräusch seines Atems unter der Sauerstoffmaske. Das Raumschiff war weg, zurückgeflogen in vertrauten Weltraum außerhalb dieses Sonnensystems.

Der Pilot, ein weiterer Centaurer mit verdächtig militärischem Charakter, hatte garantiert, sie innerhalb einer Meile vom Treffpunkt mit General Hammils Partisanen-Truppe abzusetzen. Er schien genau informiert gewesen zu sein.

Wireman schaute angestrengt in die Tiefe auf der Suche nach Baumwipfeln. Aber er sah nichts, obwohl sein Höhenmesser. nur noch dreißig Meter anzeigte. — Er brachte seine Beine in die richtige Lage, um den Stoß aufzufangen, und vergrub das Gesicht in den Armen.

Er schlug auf, und das Gewicht des Gepäcks warf ihn vornüber. Atemlos, aufgeschunden von Steinen und zerkratzt von Ästen, lag er am Boden. Er hörte, wie etwas Umfangreiches durch die Bäume in seine Nähe fiel, und dann Potters Aufprall. Ob sie jetzt dort waren, wo sie sein sollten, oder nicht, wenigstens er und der Centaurer waren beisammen und schwer bewaffnet.

Mühsam erhob er sich, riß die Maske herunter und sog die wunderbar dichte, feuchte und nach Föhren duftende Luft in tiefen Zungen ein. Der Wind umkoste sein Gesicht. Er kniete sich nieder und nahm eine Handvoll Erde auf.

Hier bin ich zu Hause, dachte er. Das ist meine Heimat.


* * *

Bis jetzt war noch niemand gekommen. Unter den Wurzeln eines großen Baumes hatten sie ihre Düsenaggregate und Sauerstoffmasken vergraben, die frisch aufgewühlte Erde mit Föhrennadeln bestreut, und nun standen sie wartend Rücken an Rücken in der Dunkelheit. Das war immer der schwächste Punkt im Plan gewesen. Würden sie mit General Hammils Armee keinen Kontakt aufnehmen können, so waren Leben und Mission verspielt. Aber niemand hatte eine bessere Lösung gefunden. Eine Landung des Raumschiffes wäre nie in Frage gekommen; schon der Eintritt in die Atmosphäre war riskant gewesen.

»Wenn wir noch lange hierbleiben«, sagte Michael Wireman über die Schulter, »haben wir eine feindliche Patrouille auf dem Hals.«

»Ja, aber wenn wir weggehen, wird Hammil uns nicht finden. Ich weiß wirklich nicht, was wir machen sollen.«

Michael Wireman hörte das Rauschen der Bäume, aber sonst nichts. »Warten wir noch zehn Minuten. Hören wir dann noch immer niemanden kommen, gehen wir ein Stück weiter. Hören wir aber jemanden, so müssen wir verdammt gut aufpassen, wer es ist.«

»Ich glaube, eine feindliche Patrouille würde wahrscheinlich per Hubschrauber kommen. Sie können nicht gut auf jedem Berg der Welt ständig Streifen stationiert haben.«

»Außer, sie erwarten uns.«

Als plötzlich geräuschlos eine Gestalt vor ihm auftauchte, erschrak er. »Freiheit«, krächzte der Fremde.

»Waffen«, flüsterte Michael Wireman mit erstickter Stimme.

»Gut«, sagte der große Mann mit noch immer heiserer Stimme. »Ich heiße Ladislas. Lassen Sie mich das Bündel tragen.« Mit klobigen Händen öffnete er geschickt die Riemen.

»Es — es freut mich, Sie getroffen zu haben«, sagte Michael Wireman beklommen.

»Gehen wir jetzt. Hände schütteln wir später«, ertönte eine fremde und entschlossene Stimme neben Potter. »Nun, kleiner Mann, ich werde Ihr Gepäck nehmen.« In der Dunkelheit konnte Michael Wireman nur Umrisse ausnehmen, aber die Gestalt schien noch etwas kleiner als Potter zu sein. »Ich heiße Newsted. Gehen wir.«

Schnell schritten sie zwischen den Bäumen aus. Ladislas ging voran, Newsted kam als letzter hinter Potter. Sie bewegten sich auf einer dicken Schicht von Föhrennadeln und verursachten beinahe kein Geräusch. Gelegentlich ließen Michael Wireman oder Potter einen Fuß nachschleifen. Weder Ladislas noch Newsted beanstandeten das, wenn es passierte, aber man sah ihnen den Ärger an.

Einmal blieben sie stehen. Newsted flatterte wie ein Geist an Michael Wireman vorbei und berührte Ladislas’ Arm. Der Riese legte seinen Mund an Newsteds Ohr und flüsterte ihm offensichtlich etwas zu, obwohl Michael Wireman ihn aus einer Entfernung von nur einem viertel Meter nicht hören konnte. Newsted nickte, glitt zurück, berührte zuerst Michael Wiremans und dann Potters Schulter und ließ sie kehrtmachen. Zwei Minuten lang marschierten sie zurück. Newsted hielt sie wieder an und erklärte ihnen flüsternd: »Dort vorne sind Menschen. Wir wußten nicht, daß welche da sind, aber sie haben keine Ahnung von uns.« Sie umgingen die Stelle in einem weiten Halbkreis und erreichten dann ein kurzes, flaches Tal. Andere Menschen umgaben sie nun, verborgen vom buschigen Unterholz, welches das Tal überwucherte. Man konnte sie mehr fühlen als sehen. Ladislas stoppte sie, zog an etwas und hob eine Menge Gesträuch weg. Newsted stieß sie weiter. Ladislas legte das Buschwerk wieder auf seinen Platz zurück. Irgend jemand knipste eine Taschenlampe an, die auf einem Funkgerät stand, und Michael Wireman sah sich in einer Höhle einem Mann mit kugelrundem Kopf gegenüber, der einen Waffenrock mit Goldborten, eine dunkelblaue Reithose und polierte Stiefel trug.

Der Kopf war mit Haarstoppeln bedeckt, als hätte er ihn vor etwa fünf Tagen kahlgeschoren. Auch sein Kinn sah so aus. Das Gesicht war hübsch, wenn auch derb, die Augenbrauen hatten die Farbe gebleichten Strohs, die Augen waren eisblau. Über der Oberlippe wuchs ein rötlicher Bart. Er richtete eine automatische Pistole auf Michael Wiremans Gürtel, den Finger am Abzug.

»Wer sind Sie?« fragte er mit verdrossener Stimme.

»Michael Wireman. Das ist Isaac Potter.«

Der Mann nickte kurz. »Gut. Woher kommen Sie?«

»Von Cheiron, im Centaurus-System.«

»Und was haben Sie für mich?«

»Waffen. Sind Sie General Hammil?«

»Vorläufig selbst ernannt, ja. Mein offizieller Rang lautet: Leutnant Hammil, Reservearmee der Erde.«

Nun, da alle Formalitäten erledigt waren, legte Hammil seine Grimmigkeit ab und nahm eine irgendwie irreführende Herzlichkeit an. Lässig warf er die Pistole auf das Funkgerät. »Des Präsidenten eigener Sohn, wie?« fragte er. »Ich fühle mich geehrt!« Es war zweifelhaft, ob er sich wirklich so fühlte. »Nun, wir werden versuchen, es Ihnen so angenehm wie nur möglich zu machen.«

»Ich kam her, um zu kämpfen«, erwiderte Michael Wireman, ein wenig gereizt durch Hammils Haltung. Der Mann hatte gewußt, wer kommen würde. Michael Wireman hätte die Überlegenheit Hammils auch ohne diese kleine Szene anerkannt. Hammil war hier der Erfahrenere. Das einzige, was Michael Wireman erwartete, war die Möglichkeit, eine automatische Waffe zu tragen, sie einzusetzen, und erst dann eine verantwortungsvollere Position zu übernehmen, wenn er sie verdient hatte.

»Ja, natürlich«, meinte Hammil und schmunzelte ungemütlich. Ein nicht sehr sympathischer Mann, entschied Michael Wireman. »Haben Sie meine Bevollmächtigung gebracht?«

»Ich habe sie hier.« Michael Wireman nahm das Kuvert aus seinem Schutzanzug, und Hammil riß es ihm fast aus der Hand. Er brach es auf, zog das Pergament heraus, entfaltete es rasch und hielt es gegen das Licht. Mit gespreizten Beinen stand er da und schien einen Augenblick lang zu wachsen. Der Schatten, den er warf, war riesig. Michael Wireman erkannte, daß dieser Mann von Natur aus einen beherrschenden Charakter besaß. Man hatte den Eindruck, als wäre die Höhle zu klein für ihn, als müßten Boden und Felsen bersten und er zum Herrscher über die ganze Welt werden. Dann grinste er, seine schlechten Zähne enthüllend.

»General«, kicherte er. »General, bei Gott!« Mit dem dicken Zeigefinger fuhr er eine Zeile entlang. »Kommandierender General der Befreiungsarmee! Ha!« Er schnaufte zufrieden. »Dreißig Jahre kann es dauern, bis man befördert wird, aber dann zahlt es sich aus! Unterzeichnet und versiegelt vom Präsidenten im Exil und überreicht von seinem Sohn. Ladislas! Newsted! Schaut euch das an!«

Er warf ihnen das Pergament zu. Ausdruckslos schaute Newsted hin. »General, wirklich«, pflichtete er bei. Ladislas grunzte.

Hammil nahm das Blatt zurück, faltete es sorgfältig zusammen und steckte es in die Brusttasche seines Waffenrocks. »Schauen wir uns jetzt die Gewehre an.«

»Ich habe auch noch einen Brief für Sie«, sagte Michael Wireman. Er nahm ein weiteres, diesmal umfangreicheres Kuvert aus der Tasche. »Es enthält einen allgemeinen politischen Überblick und Befehle.«

Hammil schnitt Grimassen, nahm es und stopfte es in eine Seitentasche. »Danke«, sagte er kurz, »das werde ich später durchlesen.«

Isaac Potter hatte ein Bündel zerlegter Gewehre geöffnet. Er zog die Plane mit schnellem Griff zurück, wie ein Zauberer, der etwas Wunderbares enthüllt. Bestandteile automatischer Gewehre schimmerten im Licht. Gut verpackt lagen auch flache Stahlflaschen komprimierten Treibstoffs dabei. Während des Trainings hatte man Michael Wireman aufgeklärt, daß eine plötzliche komplette Entleerung einer der kleinen Viertelliterflaschen flüssigen Gases ausreiche, ein Ziegelgebäude etwa sechs Meter weit wegzublasen.

O ja, sie hatten Waffen auf Cheiron.

»Schauen Sie, General«, sagte Isaac Potter. »Fünfzig in diesem Bündel, fünfzig im andern. Wenn ich dem Raumschiff ein Signal gebe, werden Sie heute nacht oder morgen den Rest bekommen.« Er nahm zwei Hälften, steckte eine Flasche in den Kolben; ein leichter Druck, und das Gewehr war einsatzbereit. Er reichte es Hammil. »Die zusammengesetzte Waffe wiegt siebenhundert Gramm, inklusive Magazin und Treibstoff, ohne Munition. Jede Flasche reicht für fünfhundert Schuß, und Sie haben gesehen, wie schnell man sie austauschen kann.

Dieses Modell wurde für Munition vom Kaliber 23,5 hergerichtet, da Sie sagten, dies sei die gängigste Type. Die angepaßten Magazine fassen fünfzig Kugeln dieser Größe, nachdem man Hülse und Treibladung entfernt hat. Das ist natürlich keine richtige automatische Waffe in dem Sinn, daß das Gewehr automatisch nachlädt und feuert. Es ist vielmehr ein ununterbrochen feuernder, durch flüssiges Gas angetriebener, mehrschüssiger Infanterie-Karabiner mit geringer Schußweite.«

»Schön«, brummte Hammil und wog sie in der Hand. Er deutete auf Newsteds Gewehr. »Schauen Sie, mit welchem Plunder wir ausgerüstet sind. Aber dieses hier ist leicht, sehr leicht.«

»Siebenhundert Gramm, General, und der Rückstoß wirkt sich nicht arg aus, da er während der Schußfolge relativ konstant ist. Sie werden sehen, es ist eine nützliche, genaue Waffe mit beträchtlicher Durchschlagskraft. Die Mündungsgeschwindigkeit ist sehr hoch.«

Isaac Potter, dachte Michael Wireman, ist wieder in seinem Element. Ich wünschte, mir ginge es ebenso.

»Gut«, meinte Hammil, »wir werden ja sehen. Es schaut einfach aus, und das muß es auch sein. Wir verstehen nicht viel von einer Reparatur, und Werkstätten gibt es hier nicht.«

»Seien Sie versichert, General; diese Waffen haben funktioniert, nachdem man sie einen Monat in Salzwasser gelegt und dann durch Schlamm gezogen hatte. Bis vor kurzem gehörten sie zur Standardausrüstung der C.S.O.-Infanterie.«

»Welche Art von Krieg haben die je geführt?« fragte Newsted mit trockener, brüchiger Stimme. Isaac Potter preßte die Lippen zusammen und antwortete nicht.

Das konnte Michael Wireman nicht dulden.

»Die C.S.O. hat hin und wieder gekämpft«, sagte er. »Wenn die Regierung vor zwanzig Jahren einen Fehler begangen hat, so hat ihn die jetzige erkannt. Diese Waffen wären ohne sie nicht hier. Ich glaube, das müßten wir bedenken.«

Eisiges Schweigen. Hammil sog an einem Zahn. Ladislas schaute Michael Wireman nur an, aber Newsteds Blick war matt und starr. »Müßten wir, wie?« sagte er. Michael Wireman war sich keiner Schuld bewußt, aber offensichtlich stimmte etwas nicht.

»Meine Herren, bitte«, sagte Potter nervös und heftig. »Ich muß betonen, daß die Centaurus-System Organisation nichts damit zu tun hat. Die Areban Automatic Weapons Company, eine private Firma, verfügt über ein Lager an überschüssigen Waffen, da die centaurische Armee mit einem neuen Typ beliefert werden muß. Als Bürger der C.S.O. muß ich Sie dringend bitten, das zur Kenntnis zu nehmen. Wir können es nicht riskieren, die Regierung in eine Krise hineinzustürzen.«

Er schaute auf Hammil. »Sollte die Regierung in eine unangenehme Lage gebracht werden, würde sie höchstwahrscheinlich das Raumschiff nicht mehr hinauslassen. Ohne dieses einzige Transportmittel gäbe es auch keine weiteren Waffenlieferungen, denn die Areban Company hat sich nur verpflichtet, die Ware f.o.b. zu liefern.«

Jedermanns Aufmerksamkeit hatte sich auf Potter gerichtet. Michael Wireman atmete auf. Waren das empfindliche Leute!

Anscheinend mußte er sich bemühen, sich so schnell wie möglich anzupassen, wollte er nicht einen Fehler um den andern machen, ohne es zu bemerken. Das hier waren doch Erdenmenschen wie er. Er mußte danach trachten, von ihnen akzeptiert zu werden.

»Gut«, sagte Hammil auf eine Weise, die nicht durchblicken ließ, ob er Potters Ausführungen anerkannte, oder ob er einfach das Thema wechselte. »Am Morgen, Potter, erwarte ich Sie zur Instruktion meiner Leute.«

»Ich könnte dabei helfen«, schlug Michael Wireman vor. »Ich bin gut geschult worden.«

»Oh, wirklich?« spöttelte Hammil.

»Ja«, betonte Michael Wireman mit einiger Schärfe. Er war stolz auf seine Leistungen während des Trainings und dementsprechend begierig, sie unter Beweis zu stellen.

Hammil hob eine Braue. »Nimm ihn morgen mit, Joe. Schau einmal, was er kann.«

Newsted nickte und lächelte eisig. Er sagte nichts.



* * *

Nichts als dunkler Nebel und Kälte. Newsted hatte für Michael Wireman im Freien einen Platz zum Schlafen ausgesucht, ihn hingebracht und alleingelassen. Er kauerte sich unter einem Busch zusammen, zog die Knie an, überkreuzte die Arme vor der Brust. Er sah aus wie eine Mumie. Die Kälte drang ihm bis ins Mark.

Er hörte jemanden kommen und drehte sich um. Das war entweder Newsted oder Potter.

»Michael?« Es war Potter.

»Ja?«

»Gott sei Dank, daß ich Sie gefunden habe«, sagte der Centaurer. »Wenn ich schon im Freien schlafen muß, dann lieber bei jemandem, dem das Ganze hier auch neu ist. Diese Leute geben sich keine große Mühe, uns heimisch fühlen zu lassen, nicht wahr?«

»Nein — nein.«

»Aber natürlich, sie sind auch überreizt und angespannt. Ich würde es an Ihrer Stelle nicht zu ernst nehmen.«

»Sie müssen sich nicht für sie entschuldigen«, gab Michael Wireman scharf zurück. Schließlich waren es ja seine Leute und nicht Potters.

»Tut mir leid, Michael. Ich wollte Ihnen noch für die Unterstützung vorhin danken.«

»Ich glaube, sie haben sich nicht fair benommen. Nun«, meinte er dann, um ein anderes Thema anzuschneiden, »morgen fangen wir an.«

»Ja«, sagte Potter.

Sie lagen in der Dunkelheit, und Michael Wireman hing seinen Gedanken nach.

Es schien ihm gut, daß er hier war. Vielleicht konnte er nicht viel tun, aber er konnte Hammil im Auge behalten und nötigenfalls, sollte dieser bewußt seine Macht für eigene Vorteile mißbrauchen, als Zeuge gegen ihn auftreten.

Er war überrascht, solche Gedanken zu haben. Wer hätte vermutet auf Cheiron, daß Hammil unwürdig wäre, die Erde zu befreien? Sicherlich nicht Michael Wireman. Thomas Harmon? Hatte Harmon genug über Hammil gewußt, um zu diesem Urteil zu gelangen?

Es schien ihm sehr unwahrscheinlich. Vielleicht hatte Harmon gespürt, daß etwas nicht in Ordnung war.

Er wußte ja so wenig von der Erde. Seine Mutter hatte sich an historische Details nicht erinnert. Aber Stunde um Stunde, in seiner Kindheit, hatte er ihren Erzählungen über heroische Erdenmenschen gelauscht: Über Karl den Großen, Cäsar, Napoleon, Washington und so die erhabene Vergangenheit der Erde in sich aufgenommen. Es war nicht sicher, wo und in welchem Land Karl der Große gelebt und gekämpft hatte. Er kannte ihn jedoch als streng, was Rechte und Pflichten betraf, die Grundsätze der Gerechtigkeit, und aufopfernd in der Liebe zu seinem Land — so wie alle berühmten Männer auf der Erde gewesen waren.

Michael Wireman hoffte natürlich nicht, ein zweiter Karl der Große zu werden. Er fürchtete sich vor dem Tod und glaubte nicht, die moralische Widerstandsfähigkeit zu haben, bei körperlichem Schmerz lachen zu können. Diese Voraussetzungen für jeden wahren Führer hatte er einfach nicht geerbt. Als kleiner Bub hatte er die üblichen Kinderträume gehabt. Aber er war jetzt älter und sich vollkommen des Unterschieds bewußt, der zwischen ihm und jenen berühmten Männern bestand. Er wußte nicht, was er vom Leben wollte. Er war bereit, alles zu nehmen, was es ihm gab, da er doch nicht erwarten konnte, gleiche Belohnung zu erhalten wie Männer mit starker Persönlichkeit. Er war außerordentlich froh, wenigstens ein Gewehr im Kampf um die Befreiung der Erde tragen zu dürfen.

Obwohl er manchmal bedauerte, daß sein Vater nie Zeit gehabt hatte, ihm die Weltanschauungen führender Politiker auseinanderzusetzen, sah er doch ein, daß dies sein eigener Fehler war. Als Kind hätte er mehr Interesse dafür zeigen sollen. Jetzt vielleicht, durch persönliche Erfahrungen, würde er ein wenig in jene Atmosphäre hineinkommen. Unter Umständen könnte er sich dann mit seinem Vater besser verstehen.

»Diese Kälte!« klagte Isaac Potter mit klappernden Zähnen.

Michael Wireman hatte auch über Potter nachgedacht und fühlte sich nun versucht, eine waghalsige Bemerkung zu machen. »Ich dachte, ihr wäret abgehärteter, ihr vom C.S.O.-Geheimdienst«, sagte er.

»Wie? Was soll das?« Isaac Potter zitterte.

»Nichts, mein nervöser Freund, nichts.« Michael Wireman lächelte weise vor sich hin.

»Aufstehen!«

Das war Newsteds Stimme. Er selbst war nicht zu sehen, dafür spürte er dessen Schuhspitze im Kreuz. Steif und wund, gepackt von einem Schüttelfrost und naß bis auf die Haut, wachte Michael Wireman auf. Dicke grau-weiße Nebelschwaden zogen vorüber. Er zwang sich aufzustehen und tauchte aus dem Bodennebel empor. Klebrig und weiß, etwa einen halben Meter stark, schlängelte sich dieser den Abhang hinunter, drang in den Wald ein und bedeckte das Unterholz. Die flache Schale des Tales war gefüllt mit dem Zeug, welches über den Rand und den Berg hinunterfloß.

»Wo ist Potter?« murmelte er, das Gesicht mit den Handflächen reibend.

»Bei Hammil. Kommen Sie endlich!«

Fassungslos starrte Michael Wireman ins Tal hinunter. Phantastisches ging dort vor sich.

In der Schale brodelte es, als zapple eine Brut gefangener Kreaturen darin. Plötzlich schoß ein ausgestreckter Arm hervor und verschwand dann wieder, als er das gezückte Messer niedersausen ließ.

Jetzt sah er sie. Der Nebel dämpfte jedes Geräusch. Es war buchstäblich totenstill. Schatten tauchten am Talrand auf, warfen sich hinunter und verschwanden im Kampfgetümmel der Schale.

Newsted zog ihn weiter. »Sie haben es auf die Gewehre abgesehen. Ich brauche Sie. Kommen Sie, oder ich schwöre, Sie auf der Stelle zu töten.«

Der Mann packte ihn und stieß ihn in Richtung Höhle. Verschlafen, noch immer nicht fähig, alles zu erfassen, stolperte er über den unebenen Boden, fand sein Gleichgewicht wieder und begann zu laufen, Newsted hinterdrein.

»Nie werden wir sie aufhalten können«, fluchte Newsted. »Sie werden uns überrennen, und ich habe noch dazu Sie auf dem Hals!« Seine Stimme wurde zu einem Zischen.

»Töten Sie mich lieber nicht, ich rate es Ihnen.«

Michael Wireman lief geduckt mit pumpenden Armen, tränenden Augen, sausenden Ohren. Das rührte nicht mehr von Verschlafenheit her, sondern war der Anfang eines heftigen Fiebers. Jeder Muskel seines Körpers schmerzte.

Im Tal starben Menschen, kämpften mit Schatten und Gespenstern. Die wertvollen Gewehre waren in Gefahr. Hammil, Potter, die ganze Mission konnte vergebens sein, ehe sie noch begonnen hatte. Die Zukunft der Erde hing davon ab.

Bei der Höhle angekommen, grinste er erwartungsvoll. Potter schnallte gerade mit flinken Fingern ein Bündel einsatzbereiter Waffen auf Ladislas’ Rücken. Hammil stand ungeduldig neben dem andern. Er stieß es Newsted hin und schnauzte ihn an: »Endlich! Trödle nur jetzt nicht — ich erwarte euch morgen am Stützpunkt.«

Statt einer Antwort schaute Newsted ihn verächtlich an, nahm aber das Gepäck und warf es auf seinen Rücken. Er schaute über die Schulter. »Schnallen Sie es an, Wireman, aber rasch!«

Michael Wireman schaute von Newsted zu Hammil. »Bleiben wir nicht hier und kämpfen? Wir laufen einfach davon und lassen die Leute zurück?«

Hammil hatte sich bereits abgewandt, um Ladislas zu folgen, und antwortete nicht. Potter blieb einen Augenblick stehen: »Wir teilen uns in zwei Partien und treffen uns am Stützpunkt wieder. Die Gewehre, schließlich … Die Lage hier ist aussichtslos …«

Newsted kniff Michael Wireman fest ins Ohr. »Schnallen Sie dieses Bündel an!«


* * *

Als sie den Berg hinaufgeklettert und auf der Westseite wieder unten angekommen waren, blieb Newsted stehen. Er packte Michael Wiremans Arm mit stählernem Griff.

»Wireman«, sagte er kalt, »nun wird es ernst. Da oben in den Felsen hätten sogar Sie einen Angreifer entdecken können. Hier aber in den Wäldern hilft Ihnen nichts. Wir brauchen Sie aber, denn nur Sie können uns die Waffen erklären, sollte Potter es nicht schaffen. Tun Sie mir den Gefallen und geben Sie auf sich acht! Beobachten Sie mich. Gehen Sie, wo ich gehe. Langsam oder schnell, je nachdem, was ich tue. Machen Sie keine plötzliche Bewegung, überprüfen Sie den Geruch der Luft. Horchen Sie auf Geräusche, seien Sie aber noch vorsichtiger, wenn es ganz still ist. Nach jedem fünften Schritt schauen Sie die Bäume hinauf. Vergessen Sie das ja nicht und beobachten Sie mich. Beobachten Sie meine Ohren: sie werden zucken, wenn ich etwas höre. Ich mache keinen Spaß. Beobachten Sie meine Hände. Gebe ich Ihnen ein Zeichen, so handeln Sie danach, aber rasch. Was immer auch geschehen mag, versuchen Sie nicht, zu mir zu kriechen. Sagen Sie nie auch nur ein Wort zu mir. Wird auf uns geschossen, schießen Sie nicht zurück, außer Sie sind sicher, die Angreifer wissen ganz genau, wo Sie sich befinden. Sehen Sie, daß man auf mich schießt und Sie ignoriert oder verfehlt, dann mischen Sie sich nicht ein.« Newsteds Augen funkelten, und Michael Wireman verstand mühelos, daß es viel wahrscheinlicher umgekehrt sein könnte.

»Gut«, sagte Newsted, »werden Sie das alles behalten?«

Zwei Stunden später bewegten sie sich durch einen Wald hoher Kiefern, deren Baumstämme aus einer dicken Schicht schlüpfriger Nadeln hervorbrachen. Es gab kein Gebüsch, keine Deckung außer den Baumstämmen. Diese aber hatten unten keine Äste und standen ziemlich weit auseinander. Michael Wireman, der Newsted in einer Entfernung von etwa sieben Metern folgte, sah, daß dieser nach langer Pause wieder schnell ausschritt. Newsted war augenscheinlich nervös, schwang in den Hüften und schielte nach allen Seiten.

Michael Wireman glaubte verstanden zu haben, daß die Stille ihm nicht behagte. Weit weg ertönte das Rattatata eines Spechts. Aber in der Nähe war kein Geräusch zu vernehmen.

Newsted bedeutete ihm unauffällig stehenzubleiben. Dann bewegte er sich langsam weiter, während Michael Wireman wie erstarrt dastand.

Der Schuß, als er kam, klang dumpf. Das Geschoß streifte Newsteds linken Arm, warf ihn zu Boden und schlug dann in eine Kiefer ein. Newsted lag einen Augenblick lang zuckend am Boden, schüttelte heftig den Kopf und war dann plötzlich mit einem Sprung beim nächsten Baum.

Wieder war es ganz ruhig geworden. Michael Wireman hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Er stand noch genau am selben Fleck, geduckt, sein C.S.O.-Gewehr schußbereit. Er sah nichts als den Busch unmittelbar vor sich, den lichten Wald hinter sich und Newsted an den Baum gelehnt. Er bemühte sich, die Schußlinie festzustellen: begann mit der Kugel im Baum, nahm als nächsten Punkt Newsteds Oberarm und zog diese Linie dann bis hinaus zu den Baumästen. Obwohl er das Versteck, aus welchem der Schuß gefeuert worden war, nicht entdecken konnte, stand doch ziemlich sicher fest, daß niemand ihn sehen oder gesehen haben konnte.

Hätte sich irgend etwas Neues ereignet, wäre Michael Wireman wahrscheinlich geblieben, wo er war. So aber rührte sich nichts. Es schien, daß nur wenige Angreifer da waren, die auf den Widerstand auch nur eines einzigen Verwundeten achtgeben mußten.

Michael Wireman fand das logisch. Ein größerer Trupp hätte sie beide entdeckt, sie umzingelt und aus mehreren Richtungen beschossen. Das war aber nicht der Fall.

Ratata! Wieder vom Specht. Eine Blutlache bildete sich um Newsteds linken Arm und floß von dort über die braunen, glänzenden Nadeln. Ein einladender Spalt zwischen zwei Büschen zu seiner Rechten setzte Michael Wireman in Bewegung. Er öffnete den Mund weit, atmete leise und tief ein und tat den ersten Schritt.

Das war das schwierigste gewesen. Mit der übertriebenen Vorsicht eines Amateurs kroch er weiter. Oft hielt er inne, um sich zu vergewissern, daß niemand ihn sehen konnte. Waren seine Überlegungen falsch gewesen, waren viele Feinde zwischen den Bäumen versteckt, so mußte er sterben, das wußte er.

Die Vorsicht, die Anspannung, die Erwartung eines Kampfes, das alles wühlte in ihm.

Plötzlich stieß er auf sie. Zwei Männer bewegten sich hinter Bäumen, die starren Blicke auf Newsteds Bündel gerichtet, das offen dalag. Im selben Augenblick hatte ihn einer gehört. Michael Wireman sah, wie ihn das Entsetzen packte. Er gab einen erstickten Schrei von sich und rollte zur Seite.

Hätte er nicht zum Gewehr gegriffen, vielleicht wäre er am Leben geblieben. So aber schloß sich Michael Wiremans Faust um den C.S.O.-Gewehrkolben. Krampfhaft betätigte er den Abzug und sprühte sein Feuer über sie und den Boden und beobachtete das Aufspritzen der Kiefernadeln.

Einen Augenblick später fand ihn Newsted über die beiden Männer gebeugt. Es waren schmutzige, zerlumpte, bärtige Kerle. Er schaute zu Michael Wireman und lachte leise auf. »Was haben Sie gedacht, vor wem wir davonlaufen?« fragte er. »Vor den Feinden?«

»Ja«, antwortete Michael Wireman, »das hatte ich geglaubt.«


* * *

Im Halbdunkel kauerte Michael Wireman neben dem Bächlein im Tal zwischen den zwei Bergen. Der Rücken schmerzte ihn so, daß er sich nicht hinlegen konnte. Am Boden neben ihm lag das Gepäck, wo er es fallengelassen hatte. Sein Kopf brummte, und heißer Schweiß stand ihm auf der Stirn.

Newsted, der am Ufer saß und die Armschlinge mit der rechten Hand und den Zähnen verknüpfte, schaute ihn von der Seite an.

»Passen Sie auf«, sagte er, »die Feinde kommen nie herauf in diese Berge. Sie wären doch dumm. Noch nie hat viel dabei herausgeschaut, irreguläre, weit verstreute Truppen zu bekämpfen. Sie lassen uns in Ruhe … Und wir sie.«

»Das ist ja sehr interessant«, murmelte Michael Wireman. »Da bleibt euch also genug Zeit, untereinander zu kämpfen.«

»Meist geht es ums Essen«, antwortete Newsted schroff.

»Und wie löst ihr das?«

Newsted schnalzte mit der Zunge. »Nun, die Bergbauern in der Umgebung hier zahlen eben doppelt Steuern.«

Nach Sonnenuntergang war es wieder bitter kalt geworden.

»Machen wir ein kleines Feuer?« fragte Michael Wireman.

»Ja, wenn Sie unbedingt sterben wollen.«

Gegen seinen Willen entschlüpfte Michael Wireman ein gepreßtes Kichern.

»Bis zum Gipfel des nächsten Berges müssen wir morgen kommen, dann sind wir auf Hammils Territorium. Dort können wir uns aufwärmen«, meinte Newsted.

»Hammil«, sagte Michael Wireman und schnitt Grimassen.

Newsted gab ein Geräusch von sich, das wie Lachen klang. »Hammil ist ein Clown. Hätte er mich und Ladislas nicht, käme er überhaupt nicht zurecht. Ich erzählte ihm, daß wir gestern beinah in fremde Hände gelaufen wären. Wissen Sie, was er antwortete? Er sagte, niemand würde einen Angriff wagen, weil er jetzt die Gewehre hätte. Weshalb, um Himmels willen, glaubte er, daß sie angreifen würden? Wieso glaubte er, niemand würde vermuten, daß er keine Munition hat? Jeder kennt doch Hammil … Da vereinbart er ein Rendezvous zwanzig Meilen vom Lager entfernt, damit niemand draufkommt, wo es liegt. Aber er läßt die Munition zu Hause, weil er nicht riskieren will, sich diese unterwegs abjagen zu lassen. Dann verliert er die Männer, die die Gewehre hätten tragen sollen, so daß wir zwei uns mit einem Bündel abplagen müssen und Ladislas mit dem andern. Ich werde angeschossen. Und warum das Ganze? Neunhundert Gewehre sollen noch geliefert werden, und man wird sie über dem Lager abwerfen müssen. Aber das macht Hammil nichts aus. Er hat ja bereits hundert Gewehre für den Fall, daß der Feind uns bombardiert. Hundert Gewehre gegen Flugzeuge!«

Newsted spuckte auf den Boden. »Wissen Sie, was diese Gewehre für ihn bedeuten?« sagte er. »Etwas so Großartiges ist ihm bisher nicht untergekommen, und natürlich läuft er nun wie ein verrücktes Huhn umher. Jetzt ist seine große Chance gekommen. Bald wird er stolzieren, König der Berge sein und dieses verdammte Pergament schwenken. Sein Traum wird Wirklichkeit! Erwarten Sie, daß er unter solchen Umständen vernünftig handelt?« Newsted hatte sich in beißenden Zorn hineingeredet. Eine alte Wunde schien da aufgebrochen zu sein.

»Hammil hat nur zweimal in seinem Leben etwas geleistet: er hat das Funkgerät beschafft und Kontakt mit euch aufgenommen, und vor dreißig Jahren ist ihm durch Zufall irgend etwas gelungen. Sonst war er auf jedem Gebiet eine Niete. Das einzige, was er tun konnte, war, sich als Reserveleutnant zu verpflichten. Und nun schauen Sie, wie weit er es gebracht hat.

Was wäre passiert, hätte ich das Funkgerät beschafft, euch gerufen und gesagt: ›Hallo, hier ist Joe Newsted. Ich möchte die Erde befreien. Werft mir einige Gewehre herunter.‹ Wissen Sie, was geschehen wäre? Ein C.S.O.-Geheimagent hätte in den alten Aufzeichnungen der früheren Regierung gewühlt, welche der Feind irgendwo aufgestapelt hat, und meine Polizeiakten gefunden, genauso wie er Hammils alte Militärakten ausgegraben hat. Und ich hätte auf meine Gewehre pfeifen können. Aber Hammil — Hammil, nun, der nicht einen Finger rührte, als der Feind kam, und seine Kompanie übergab, ohne auch nur einen Schuß gefeuert zu haben, der bekommt seine tausend Gewehre.« Newsted schmollte. »Er ist ein Pavian, ein behaarter, posierender Pavian. Er hat nur eines: er ist dumm genug, seinen eigenen Vorgaukelungen zu glauben. Er glaubt wirklich, vom Schicksal zum großen Führer der Menschheit bestimmt zu sein.«

Schwankend unter seiner Last hörte Michael Wireman hinter sich Newsteds Flüche. Irgendwie gelang es ihm, Hammils Lager auf dem nächsten Berg zu erreichen. Schmutzige, zerlumpte Männer kamen ihnen entgegen. Fliegen belästigten ihn. Dann fiel er bewußtlos vornüber.


* * *

»Potter?«

»Ja. Michael, geht es Ihnen schon besser?«

»Danke. Hat das Raumschiff die restlichen Gewehre abgeworfen?«

»Vergangene Nacht.«

»Glauben Sie, daß es richtig war, sie Hammil zu geben, trotz allem?«

Kurze Pause. »Ja«, meinte er dann, »ich denke schon.«

»Nun, als man Ihnen auf Cheiron Anweisungen gab, hat man nicht gewußt, daß Hammils wunderbare Armee so aussieht. Alles schien so einfach zu sein: die Leute mit Waffen auszurüsten, ihn einen Anfang machen zu lassen und dann Unterstützung herbeizuholen. Jetzt stellt sich heraus, daß Sie eine ganze Menge Überredungskunst werden anwenden müssen, damit jemals ein Feind von diesen Gewehren getötet wird. Hammil wird sich nicht rühren. Er wird die anderen Banden dieser Berge terrorisieren und Räuberhauptmann werden, aber er bekäme einen Herzanfall, müßte er gegen die Feinde marschieren.«

Wieder eine kurze Pause, dann sagte Potter sanft: »Sie irren sich, Michael. Hammil wird gegen die Feinde vorgehen.«

»Hammil käme nie zurecht, hätte er nicht Newsted«, antwortete Michael Wireman, zum erstenmal ein wenig gerührt.

»Aber er hat Newsted«, sagte Potter, »und Ladislas. Die werden ihn antreiben.«

»Warum sollten sie das auch?«

»Weil …« Potter seufzte. »Weil sie die Welt beherrschen wollen. Sie glauben, daß Hammil, hat er erst einmal den Feind aus dem Land getrieben, Diktator auf Erden wird. Hammil meint das übrigens auch. Aber Newsted und Ladislas, gemeinsam oder jeder für sich, werden Hammil dirigieren. Darum wird Hammil, der ein Prahlhans ist, gegen den Feind marschieren. Deshalb wird Newsted, der ein Dieb ist, ihn ermutigen. Deshalb ist Ladislas, Professor für Staatswissenschaften, zufrieden, dreißig Kilogramm schwere Bündel die Berge hinaufzuschleppen und Hammils Stiefel zu putzen. Und deshalb werden Sie, ganz gleichgültig, wie tüchtig Sie sind, niemals von diesen Leuten akzeptiert werden.«

Michael Wireman sagte nichts. Nach einer Weile drehte er sich um und fiel in eine Art Halbschlaf.

In den darauffolgenden drei Tagen war Michael Wireman so weit genesen, daß er sogar Potter bei der Instruktion der Leute helfen konnte. Das war ziemlich einfach, und sie lernten rasch. Hammil beobachtete ihre Fortschritte ungeduldig, aber nicht einmal er konnte sich beklagen.


* * *

Newsted und Ladislas lagen am Boden, Ladislas gleichgültig zu den Sternen aufblickend, Newsted bequem ausgestreckt. Hammil hatte sie von den andern weggeholt. Er strahlte vor Freude über den zu erwartenden Triumph.

Michael Wireman, der unauffällig hinter Potter getreten war, saß nun im Schatten des plumpen, kleinen Centaurers und verfolgte schweigend die Szene.

»Ich habe mich entschlossen, den ersten Schritt gegen die Eindringlinge zu unternehmen«, sagte er großartig, ein Auge auf Potter gerichtet.

»Wenn du meinst, daß wir hinuntergehen und den feindlichen Kommandoposten am Highway erledigen, warum sagst du das nicht gleich?« Newsted nahm Hammil den Wind aus den Segeln. Ladislas grunzte zufrieden.

»Etwas mehr Höflichkeit, wenn ich bitten darf, Newsted!« schnauzte Hammil ihn an.

»Meine Herren«, mischte Potter sich ein, »es freut mich, daß General Hammil innerhalb so kurzer Zeit einen Plan ausarbeiten konnte. Das ist sehr ermutigend.«

»Gehen wir morgen?« brummte Ladislas.

Hammil hatte sich wieder gefaßt. »Sehr gut. Dann sind wir uns also einig. Morgen früh werde ich eine Kampftruppe gegen den feindlichen Kommandoposten anführen.«

Er wird ihn anführen? dachte Michael Wireman. Das hätte er nicht von Hammil erwartet, sondern eher, daß er Ladislas oder Newsted schicken würde. »Ich möchte auch dabei sein«, meldete er sich.

Hammil spähte in seine Richtung. »Was machen Sie da?«

»Niemand sagte, daß ich nicht zur Mannschaft gehöre«, antwortete Michael Wireman, »und so kam ich mit. Was soll das Ganze? Glauben Sie, ich würde Ihre Geheimnisse an den Feind weitergeben? Kann ich nun mitkommen? Ich möchte Sie unter Beschuß sehen, Hammil, nur einmal möchte ich das sehen.«

Hammils Augen wurden zu Schlitzen, dann lächelte er hämisch. »Sie sind mehr als willkommen, Wireman.«

»Danke.« Michael Wireman sonnte sich in diesem Gefühl nachlässiger Respektlosigkeit. »Und ich werde mich nicht töten lassen. Diesen Gefallen tue ich Ihnen nicht.« Er schwieg und würdigte Hammil keines weiteren Blicks. Potter seufzte leise.

Die Kampftruppe bestand aus zehn Mann, dazu kamen noch Hammil, Ladislas, Potter und Michael Wireman. Newsted hatte das Kommando über das Lager erhalten.

Hammil war übermütig und aufgeregt auf ihrem Marsch den Berg hinunter, Richtung Highway. Mit hochgeworfenem Kopf, von Zeit zu Zeit selbstzufrieden lächelnd, trottete er ungeduldig dahin. Die Möglichkeit eines Angriffs rivalisierender Banden schien er ganz vergessen zu haben. Oder vielleicht glaubte er, an diesem schicksalsschweren Tag könne nichts schiefgehen.

»Schauen Sie ihn an«, sagte Michael Wireman zu Potter. »Hätte nie gedacht, ihn so eifrig zu sehen.«

Ladislas, der neben Potter ging, brummte: »Auf diesen Kommandoposten hat er es schon lange abgesehen.«

»Eine Art privater Kampf also«, bemerkte Michael Wireman.

Potter zuckte die Achseln. »Mir ist das gleichgültig, solange ich sehe, wie diese Leute gegen Feinde vorgehen.«

»Mir auch«, meinte Michael Wireman.

Plötzlich ging Ladislas vor, berührte Hammils Schulter und erinnerte ihn an etwas. Hammil nickte und schwenkte zur Linken ab. Ladislas kam zurück und marschierte an Michael Wiremans Seite weiter.

»Wir gehen nun parallel zum Highway bis zur Kreuzung, an der der Kommandoposten steht.« Mit keinem Wort erwähnte er, daß Hammil sie geradewegs hinunter und wahrscheinlich entlang der offenen Straße geführt hätte, wäre er nicht dazwischengetreten.

»Wie geht es Ihrem Vater, Junge?« fragte er.

»Als ich ihn verließ, ging es ihm gut«, antwortete Michael Wireman. »Warum — kannten Sie ihn?«

»Ich war sein Gegner bei den letzten Wahlen.« Danach schwieg er wieder.

»Was Professor Danko Ihnen nicht gesagt hat«, ergänzte Potter, »ist, daß er nur mit fünfzehn Stimmen Abstand verlor.«

Michael Wireman sah seinen Vater vor sich: im billigen Anzug, vorgebeugt, mit einem Topf voll Gips die Sprünge der Wand ausbessernd. »Verloren, wie?« sagte er und schaute Ladislas Danko an. »Ich wünschte, Sie hätten gewonnen.«

Der Kommandoposten war ein einfaches Blockhaus an der T-förmigen Kreuzung zweier Straßen und offensichtlich nur dazu da, ambitionierte Bergsteiger zurückzuhalten. Das Blockhaus war weiß gestrichen und von Blumen umgeben. Der Pfad, der von der Haustür zum Highway führte, teilte sich in der Mitte und umschloß eine rund angelegte Felsengruppe, aus der sich ein Fahnenmast erhob. Die feindliche Fahne schwang in der warmen Brise ruhelos hin und her. Auf der gerodeten Fläche vor dem Haus war sorgfältig Gras gesät, dieses zweifellos immer gut gegossen und zu einem wunderbaren Rasen herangezogen worden. Eine ungepanzerte Limousine parkte neben dem Blockhaus; auf dem emaillierten Schild stand: Pennsylvania State Police. Alles in allem machte es den Eindruck einer militärischen Einrichtung in Zeiten absoluten Friedens, und Michael Wireman konnte sich sehr gut einen Herrn Kommissar vorstellen, der sich mehr Sorgen um den Zustand seines Rasens machte als um die Bereitschaft seiner Waffen.

Hammil und Ladislas verteilten die Leute im Halbkreis.

Die Vorstellung, das offene Gelände zwischen ihnen und dem Haus durchqueren zu müssen, schien Hammil nicht zu berühren. Vielleicht zählte Feigheit nicht zu seinen unangenehmen Eigenschaften, oder vielleicht hatte es ihm dieses Blockhaus wirklich so sehr angetan. Er richtete sich einen Augenblick lang auf, nur wenige Meter im Gebüsch, und überblickte seine Leute. Dann nickte er Ladislas zu, der zwei Finger in den Mund steckte und durchdringend pfiff.

Sie brachen aus dem Unterholz hervor, warfen sich flach auf den Boden und feuerten.

Es war ein arger Schlag für Michael Wireman, zu sehen, wie schnell die leichte automatische Kanone ihre Läufe durch die Schießscharten steckte und zurückschoß.

Die feindlichen Geschosse fuhren zwischen die Männer gegenüber Michael Wireman und rissen den Boden zwischen ihnen auf. Sie waren verstreut und schwer zu treffen, aber trotzdem überlebten einige diesen Kampf nicht. Dann erfolgte ein Krachen. Eine rostfarbene Rauchwolke verbreitete sich. Einer von Hammils Leuten war weg und mit ihm seine selbstgemachte Bombe.

Es sah aus, als würden sie nie siegen. Dann aber ergoß sich das Feuer aus C.S.O.-Gewehren in die Schießscharten, und kein Schütze wäre gegen diesen Flammenschwall aufgekommen. Ein weiterer von Hammils Leuten sprang hoch, lief im Zickzack vor, schwang den Arm und warf einen mit Schießpulver vollgestopften Leinensack gegen die Wand des Blockhauses. Gleichzeitig mit dem Aufprall hatte das Feuer das Pulver erreicht; es gab einen Knall, und ein breiter Spalt klaffte in der Mauer.

Hammil brüllte: »Vorwärts!« und alle liefen vor, gedeckt durch die Bresche in der Verteidigung des Kommandopostens. Sie zwängten sich verzweifelt durch das Mauerloch, verloren nochmals zwei Männer, aber sonst nahmen sie das Blockhaus ohne weitere Schwierigkeiten.

Was früher nett und sauber gewesen sein mußte, war jetzt staubig, als hätte jahrelang niemand drinnen gewohnt. Sogar der tote feindliche Soldat sah aus, als wäre nie Leben in ihm gewesen. Zuviel Staub lag auf ihm. Kleinkalibrige Patronen bedeckten den Boden, die Wände hatten Sprünge.

Hammil kam gerade ins Zimmer zurück. Er stieß einen feindlichen Offizier vor sich her. Michael Wireman schaute die beiden neugierig an.

Der Fremde war groß, schlank, mit eingefallenen Wangen und hohen Backenknochen. Er hatte eine sandfarbene Haut, gekräuseltes braunes Haar, braune Augen und ein spitzes Kinn. Er ging schnell genug, um Hammils Stößen nach Möglichkeit auszuweichen, ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, daß er es deshalb tat. Im Zimmer blieb er stehen und drehte sich um.

Hammil, die Hände in die Hüften gestemmt, grinste ihn an. »Kennen Sie mich?« bellte er mit vor Aufregung schriller Stimme.

»Sie sind Franz Hammil«, antwortete der andere ruhig. »Ich erinnere mich an Sie.«

Hammils Grinsen verstärkte sich. »Und woher kennen Sie mich?«

»Ich bearbeitete Ihren Klassifizierungs-Test vor acht Jahren.«

»Sie glaubten wohl, mich nie wieder zu sehen?«

»Das war mir ganz gleichgültig.«

Hammil schlug ihn. Der Offizier schien es erwartet zu haben. Er zuckte nicht zurück.

Potter und Ladislas kamen leise ins Zimmer und stellten sich neben Michael Wireman. »Was ist da los?« flüsterte Potter.

»Irgend etwas wegen eines Klassifizierungs-Tests, ich weiß auch nichts Genaues.« Michael Wireman zitterte vor Wut.

»Oh.« Das kam von Ladislas. »Er hat seinen Mann gefunden.«

Sowohl Hammil als auch sein Gegenüber widmeten einander ungeteilte Aufmerksamkeit.

»Sie kontrollierten meinen Klassifizierungs-Test«, kreischte Hammil. »Sie kontrollierten ihn, kaum aus der Militärschule entlassen. Sie bearbeiteten Klassifizierungs-Tests früherer Offiziere mit doppelt, was heißt doppelt, zehnmal mehr Erfahrung als Sie!«

»Ja, das tat ich. Ich erinnere mich, daß Sie für vollkommen unfähig befunden wurden, ein Kommando zu übernehmen.«

Niemand zeigte sich überrascht, als Hammil ihn ein zweites Mal schlug.

»Sie taten es. Sie taten es, und sind Sie noch immer derselben Meinung?«

»Niemandem steht eine Beurteilung dieser Tests zu, aber ich sage trotzdem, daß sie sich als richtig erwiesen haben.«

Hammil schlug ihn wieder, und gleichzeitig fand Ladislas es für notwendig. Michael Wireman das Gewehr aus der Hand zu nehmen.

»Sie haben wohl angenommen, daß ich nicht weiß, wo Sie sind, nicht wahr? Sie wähnten sich in Sicherheit!«

»Ich wußte, wo Sie waren, und sehe keinen Grund, warum es nicht auch umgekehrt sein könnte.«

Vielleicht begann Hammil zu verstehen, daß der Feind ihn absichtlich reizte. Hammil starrte ihn an. »Machen Sie sich lustig über mich?«

»Ein wenig.«

Ein Schauer durchlief Hammils Körper. Er wurde feuerrot. »Bringt ihn ‘raus!« schrie er.


* * *

Sie hatten ihre Toten begraben und die zerlegte Kanone samt vorgefundener Munition auf den Rücken einiger Männer verstaut.

»Welche Bewandtnis hat es mit diesen Klassifizierungstests?« fragte Michael Wireman. »Was ist das?«

Potter antwortete: »Das administrative System des Feindes sieht vor, jeden auf Eignung zu testen. Die Leute werden dann dementsprechend eingeteilt, jeder verrichtet Arbeiten, die ihm am meisten liegen. Ein Mensch, der eine Arbeit hat, die ihn freut, wird zufrieden sein. Eine zufriedene Bevölkerung wird nicht rebellieren. Hammil verlangte einen Test auf militärische Eignung. Dem Gesetz nach steht es jedem frei, sich auf irgendeine Eignung testen zu lassen. Das Ergebnis kennen Sie ja.«

»Ja. Er versuchte also, Offizier der feindlichen Armee zu werden.«

»Und entsprach nicht«, setzte Ladislas fort. »Deshalb flüchtete er in die Berge.«

Plötzlich summte etwas am Himmel. Michael Wireman schaute hinauf. Flugzeug, dachte er, und überlegte, ob der Feind wohl Möglichkeiten habe, den Boden von derartiger Höhe aus genau zu beobachten.

Einen Augenblick lang sah man das Flugzeug als glänzenden Punkt in den Wolken, im nächsten war es schon unter ihnen. Golden, speerförmig, pfeifend raste das feindliche Flugzeug auf sie zu.

Sie liefen in allen Richtungen auseinander: einige in die Wälder und damit in Sicherheit; einige in das Blockhaus, dessen Dach durch eine Serie von Treffern explodierte.

Michael Wireman, durchs Gebüsch kriechend, sah eine Anzahl von Raketen über den Rasen schlittern, die zuerst wie Wachposten dastanden und dann explodierten. Er wußte, daß eine gegen Personen gerichtete Rakete vorher explodieren müßte. Andernfalls wäre der Sprengkopf schon zu tief im Boden, um den gewünschten Schaden anrichten zu können. Vielleicht waren das panzerdurchdringende Geschosse, für ein ganz anderes Ziel bestimmt. Für das Raumschiff vielleicht …

Isaac Potter kroch übers Gras, die Hände gegen den Bauch gepreßt. Michael Wireman eilte auf ihn zu. Er lief sehr schnell, aber Hammil hatte ihn, aus größerer Entfernung, schon früher erreicht. Er fingerte an der Brusttasche seines Waffenrocks, versuchte den Knopf zu öffnen, riß ihn schließlich ab und zog als erstes Stück Papier seine Beförderung heraus. Ungeduldig warf er sie beiseite. Das nächste war ein gefaltetes Dokument. Er öffnete es, legte es über die Knie und durchsuchte seine Taschen nach einem Schreibzeug.

Isaac Potter lag am Rücken und versuchte angestrengt zu sprechen. Sein Mund öffnete und schloß sich einige Male.

»Nicht Geheimdienst«, brachte er endlich hervor. »Abteilung für äußere Angelegenheiten. Diplomatisches Korps.«

Hammil hatte etwas gefunden. Er nahm das Dokument und drückte den Bleistift in Potters rechte Hand. »Unterzeichnen Sie«, drängte er mit beunruhigter Stimme. »Unterzeichnen Sie. Im Falle eines Erfolgs wollten Sie das doch tun.«

Potters Körper zuckte. »Erfolg, ja. Aber in Zukunft halten Sie Ausschau nach Flugzeugen, wie?« Er unterschrieb sehr sorgfältig. Dann reichte er Michael Wireman den Bleistift. Etwas, was kein körperlicher Schmerz war, überlief seine Züge. »Unterzeichnen Sie ebenfalls. Zeuge.«

Ohne sich viel Gedanken zu machen, unterzeichnete Michael Wireman das Dokument. Potter gab es Hammil zurück. »Nun suchen Sie Ladislas. Sie benötigen zwei gute, ehrbare Zeugen. Des Präsidenten Sohn, des Präsidenten Gegner. Gehen Sie, Mann. Wir sind fertig.«

Hammil nickte mit leuchtenden Augen.

Potter sammelte sich. »Was … ich da unterschrieb … ist ein Vertrag. Zwischen der Centaurus-System Organisation und Franz Hammil, dem vorläufigen Präsidenten der Erde. Gegenseitiger Beistand. Er schützt uns vor allen Versuchen, die rechtmäßige centaurische Regierung zu stürzen, und wir erweisen ihm ähnliche Dienste. Wir haben — Ihre Leute vollkommen übergangen, Michael. Ein wenig zu intelligent für uns. Mit Hammil können wir fertigwerden. Schauen Sie, wir könnten der Erde nicht vollständige Unabhängigkeit zugestehen. Wäre ein zu großes Risiko. Wir müssen jetzt dauernd Leute und Stützpunkte hier haben.«

»Potter …«

»Politik, Michael. Müssen eine Generation voraus planen, müssen unsere Freiheit sicherstellen.«

Nachdem Isaac Potter das gesagt hatte, starb er.

Michael Wireman spürte Ladislas’ Hand auf der Schulter. »Wir werden ihn mitnehmen«, sagte er. »Ihn oben am Berg begraben. Jeden Augenblick kann der Feind mit gepanzerten Fahrzeugen hier sein.«

Michael Wireman schaute um sich. Außer Ladislas war niemand mehr da. Hammil hatte die Leute zurückgezogen und Potter dort gelassen, wo er gestorben war.

Michael Wireman atmete tief ein und dann noch einmal. Er nahm Ladislas’ Hand von der Schulter, streifte das Gewehr ab und ging weg, über den Rasen und den Highway hinunter, dem Feind entgegen, mit erhobenen Händen.

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