Kapitel Acht Blut und Schrecken

Alles ging viel zu schnell den Bach runter.


Wir kamen in hellem Sonnenschein an unserem letzten Ziel an. Glückliches Lachen empfing uns. Wir standen mitten auf einer bevölkerten Hauptstraße, umgeben von Menschen, die hin- und hergingen, freundlich miteinander sprachen und uns dreien keine wie auch immer geartete Aufmerksamkeit schenkten. Was … seltsam war. Die Luft war heiß und trocken, die Leute, die vorbeikamen, wirbelten mit ihren Schritten dünne Staubwolken auf. Aber jeder schien guter Dinge und in Ferienstimmung zu sein. Walker, Honey und ich warteten eine Weile, falls Peter sich noch per Teleport zu uns gesellte, aber er kam nicht.

»Nun gut«, sagte Walker endlich. »Wo sind wir diesmal?«

Honey deutete auf ein großes Schild auf der anderen Straßenseite. Wir alle starrten schweigend darauf. Unter dem leuchtenden und fröhlichen Cartoon eines grauen Außerirdischen, der aus einer fliegenden Untertasse herausguckte, prangte der übergroße Gruß: WILLKOMMEN IN ROSWELL! DER UFO-STADT!

»Oh nein«, sagte Walker.

»Der Erste, der Formulierungen wie ›nicht von dieser Welt‹ oder ›in einer Galaxie weit entfernt‹ benutzt, fängt sich eine Tracht Prügel«, kündigte Honey an.

»Ach, kommt schon«, sagte ich. »Ist das alles? Wirklich? Der Höhepunkt und das Finale des großen Spiels? Das verdammte Roswell?! Das ist doch ein Witz! Hier gibt's kein Rätsel und hat's nie gegeben; nur ein großes Gerücht, das außer Kontrolle geriet. Meine Familie beobachtet außerirdische Besucher seit hunderten von Jahren, wenn hier wirklich was passiert wäre, dann wüsste ich das.«

»Irgendetwas muss es hier geben, was wir untersuchen müssen, sonst hätte Alexander King uns nicht hierhin geschickt«, sagte Honey leicht zweifelnd.

»Interessant«, sagte Walker. »Wir erscheinen hier aus dem Nichts, mitten in einem geschäftigen Shopping-Center, aber bisher hat niemand auch nur hingesehen. Also haben speziell diese Leute ihren Kopf woanders oder …«

»Oder was?«, fragte Honey.

»Wenn ich das verdammt noch mal wüsste«, sagte Walker. »Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, dass hier jemand ein Vermeidungsfeld aufgebaut hat.«

»Keiner wusste, das wir kommen«, sagte Honey.

»Alexander King wusste es«, entgegnete ich. »Vielleicht versucht er, uns zu helfen.«

»Er hat uns vorher nie geholfen«, sagte Walker. »Was könnte es hier in Roswell geben, dass der Autonome Agent endlich glaubt, wir benötigen seine Hilfe?«

»Roswell«, sagte ich angewidert. »Wenn meine Familie herausfindet, dass wir hier waren, dann lacht sie sich tot.«

»Ich nehme an, wir kennen alle die Basis der Legende?«, fragte Honey. »In 1947, direkt außerhalb der Kleinstadt Roswell, New Mexico, fand ein Farmer seltsame metallene Objekte über sein Feld verteilt. Er konnte sie nicht identifizieren, also verständigte er die Behörden. Am 8. Juli informierte der örtliche Luftstützpunkt die örtliche Tageszeitung, dass es sich um die Überreste einer abgestürzten fliegenden Untertasse handele. Die Radiostation vor Ort verlor keine Zeit, die Nachricht einer aufgeregten Öffentlichkeit zu präsentieren - und hier zog die Air Force die Bremse und legte den Rückwärtsgang ein. Sie schworen Stein und Bein, dass es sich nur um die Überreste eines Wetterballons gehandelt habe. Ende der Geschichte.«

»Außer«, sagte ich, um nicht außen vor gelassen zu werden, »dass dreißig Jahre später die Leute anfingen zu behaupten, das sei eine Vertuschung. Die Air Force gab zu, dass die Sache mit dem Wetterballon gelogen war, aber die Erklärungen, die sie seitdem vorgelegt haben, sind ebenso fehlerhaft. Alle haben wahrscheinlich nichts mit fliegenden Untertassen, dafür aber verdammt viel mehr mit der Tatsache zu tun, dass die 509te Bombenabteilung außerhalb von Roswell stationiert war: das einzige Bombenkommando, dass zu dieser Zeit autorisiert war, nukleare Sprengkörper zu zünden. Es überrascht wohl nicht, dass sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nicht auf sich ziehen wollten. Besonders, wenn sie mit Missionen beauftragt waren, von denen diese nichts wissen sollte.«

»Es ist interessant, wie sich die Legende über die Jahre immer wieder geändert hat und neu entstanden ist«, sagte Walker, »von abgestürzten UFOs und über die Mesa verteilten außerirdischen Leichen über Autopsiefilme von Aliens bis hin zu einem wirklich in die Hose gegangenen Ersten Kontakt. Die letzte Version, über die ich reden hörte, beinhaltete einen direkten Download eines außerirdischen Bewusstseins aus einer höheren Dimension. Absurd.«

»Aber sicher«, sagte ich. »Vollkommen absurd, so was.«

»Ich habe diesen Film über die Alien-Autopsie gesehen«, sagte Honey. »Ich habe noch nie in meinem Leben etwas angeschaut, was so klar eine Fälschung war.«

»Verständlich«, sagte ich. »Alien-Autopsien sehen ja auch überhaupt nicht so aus.«

Walker und Honey sahen mich einen langen Augenblick an.

»Machen wir weiter«, sagte Walker dann und drehte sich zu Honey. »Wenn jemand weiß, was hier vor sich geht, dann sind Sie das. Also - was geht hier vor?«

»Meines Wissens nach nicht das Allergeringste«, sagte Honey. »Obwohl ich zugeben muss, dass wenn etwas wirklich Wichtiges hier vor sich ginge, es eine weit höhere Geheimhaltungsstufe hätte, als die, zu der ich Zugang habe. Ich weiß, was ich wissen muss, aber ich muss nicht alles wissen. Auf der anderen Seite - du hast recht, Eddie, Leute wie wir … Wenn etwas hinter der Legende steckte, dann hätten wir wenigstens irgendwas gehört.«

»Warum sind wir dann hier?«, fragte ich. »Was sollen wir hier herausfinden?«

»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte Honey.

»Warum probieren Sie nicht das ausgesprochen beunruhigende Computer-Implantat in Ihrem Kopf und telefonieren nach Hause?«, fragte Walker. »Fragen Sie Ihre höheren Vorgesetzten in Langley, ob hier kürzlich irgendetwas von Interesse vorfiel.«

Für einen Moment wurde Honeys Gesicht ausdruckslos, dann runzelte sie besorgt die Stirn. »Das Signal wird gestört. Wieder mal. Ich komme nicht durch. Eddie?«

Ich versuchte, meine Familie durch meinen Torques zu erreichen, aber da war niemand.

»Du auch?«, fragte Honey. »Schon wieder abgeschnitten? Das sollte nicht möglich sein.«

»Kann kein Zufall sein«, sagte ich. »Irgendjemand will nicht, dass wir mit irgendjemandem außerhalb von Roswell reden. Jemand. Oder etwas.«

»Vielleicht hat das etwas damit zu tun, was hier passiert«, überlegte Honey. »Etwas von Bedeutung, etwas Wichtiges, und jemand will nicht, dass wir Verstärkung holen.«

»Der nächste Feldagent der Droods ist in Texas«, sagte ich. »Haben deine Leute noch einen in der Nähe, der nützlich wäre?«

»Nicht dass ich wüsste. Außerdem: Das wäre Sache des FBI, und die CIA und das Büro kamen noch nie besonders gut klar.«

»Warum versuchen wir es nicht mit Peters Handy?«, fragte Walker praktisch. »Sehen wir doch mal, ob nur Sie beide gestört sind oder ob das Problem allgemeiner ist.«

Ich versuchte es mit Peters Handy und bekam kein Netz. Wir gingen die Straße hinunter, bis wir ein öffentliches Telefon fanden, und versuchten es damit. Nichts als absolutes Schweigen, nicht einmal Statik. Ich hängte den Hörer wieder ein und wir sahen uns an.

»Ich bin bereit, gutes Geld darauf zu wetten, dass es in der ganzen Stadt so ist«, sagte Walker. »Jemand -ja, Eddie, oder etwas - hat sich große Mühe gegeben, Roswell vom Rest der Welt abzuschneiden. Also warum hat das noch niemand gemerkt? Warum regt sich keiner auf?«

»Sehen Sie sich um«, sagte Honey. »Roswell ist eine Touristenstadt. Die meisten dieser Leute sind Touristen. Vielleicht haben sie keine Ahnung, dass etwas Ungewöhnliches vor sich geht.«

»Und die Einheimischen?«, fragte Walker.

»Das macht es interessant«, sagte ich. »Sie könnten die Sache unter dem Hut halten, um die Touristen nicht zu verschrecken oder … Tatsache ist, ich habe kein ›oder‹. Irgendetwas passiert ganz definitiv hier und wir müssen das untersuchen.«

»Ich weiß nicht.« Honey sah sich um, ihr Gesicht sah kühl und nachdenklich aus. »Wenn all das nur eine Ablenkung ist? Der Autonome Agent hat uns hierher geschickt, um das Rätsel von Roswell zu lösen. Wenn wir ohne diese besondere Information zurückkommen, dann haben wir den Preis vielleicht verspielt. Und ich bin schon zu weit gekommen und habe zu viel durchgemacht, um jetzt noch zu verlieren.«

»Da hat sie recht«, sagte Walker widerstrebend. »Wir sind aus einem bestimmten Grund hier und nichts darf uns da in die Quere kommen. Alexander Kings gehortete Geheimnisse sind von großer Wichtigkeit für die Welt. Sie dürfen nicht in die falschen Hände fallen.«

»Er hat die Zeit und den Ort unserer Ankunft gewählt«, sagte ich. »Also muss das, was hier vor sich geht oder bald passieren wird, wichtig sein.« Und dann hielt ich abrupt inne, als die Puzzleteile an die richtige Stelle fielen. »Alles ist wichtig! Die ganzen fünf Orte, an denen wir waren! Erinnert ihr euch an die Fotos und Trophäen, die wir in Place Gloria gesehen haben? All die Szenen der wichtigsten Fälle des Autonomen Agenten? Wir sind die ganze Zeit in seinen Fußstapfen gegangen! Alles ist hier vor uns!«

Honey und Walker nickten schnell. »Also«, sagte Walker. »Wir erleben seine Triumphe noch einmal? Oder klären wir seine größten Versager auf? Geht es in diesem Spiel darum? Dass nur der Agent, der die Wahrheit da herausfindet, wo er selbst versagt hat, ihn ersetzen könnte und den Zugang zu seinen Schätzen bekommt?«

»Wir sollten uns umsehen«, meinte Honey. »Die Lage peilen. Rausfinden, was wirklich abgeht.« »Okay«, sagte ich. »Hey! Lass uns mal diesem bunt angemalten Familienwagen mit den vier Kindern und dem Hund drin folgen. Die sehen doch echt aus, als würden sie ein Rätsel erkennen, wenn sie eins sehen.«

»Du gehst mir manchmal echt auf die Eierstöcke, Eddie«, erwiderte Honey.


Roswell war eine Touristenfalle - was nicht wirklich überraschend war. Viel zu viele der Läden und Buden, an denen wir vorbeikamen, verkauften abstoßenden, überteuerten UFO-Kitsch an naive Touristen. Alles hing irgendwie mit dem einen oder anderen der kursierenden Roswell-Mythen zusammen. Und die glücklichen Familien, die die Straßen bevölkerten, ließen es sich gern gefallen. Ein Mann verkaufte einen Meter große Ballons, die wie gezeichnete, graue Aliens aussahen. Ein Mann und eine Frau in Reptilienkostümen verteilten Flugblätter, auf denen Weg mit David Icke! stand. Dem Mann also, der glaubte, die Menschheit werde von Wesen beherrscht, die Hybriden aus Menschen und Reptiloiden und obendrein kannibalistisch veranlagt waren. Offenbar wollten sie Werbung für ihr neues Buch machen. Eine riesige Statue, die sich vor uns auftürmte, stellte einen außerirdischen Grauen dar, der albern auf die Passanten herablächelte und sie mit dem Peace-Zeichen segnete. (Junge, da hatte aber jemand so richtig was falsch verstanden. Ich würde einem Grauen nur den Rücken zuwenden, wenn ich meine Rüstung trage.) Jemand hatte etwas auf den Sockel der Statue gesprüht: ET war ein Spitzel!

Eine Menge der Touristen trugen Star-Trek-Kostüme, Original-Serie und Next Generation. Ich konnte mir nicht helfen - aber ich hatte das Gefühl, dass es eine strikte Gewichtsgrenze für Leute geben sollte, die hautenge Kostüme tragen. Lycra sollte man nicht überdehnen.

Wir kamen auch an einem Restaurant vorbei, das die Form einer fliegenden Untertasse aufwies. Vor der Vordertür stand eine lebensgroße Replik von Robby, dem Roboter, der mit seiner Roboter-Stimme das Angebot des Tages aufsagte. Ein DVD-Laden hatte ein Plakat im Fenster, das stolz den baldigen Start des neuen Blockbuster-Remakes von »The Starlost« ankündigte, diesmal mit Harlan Ellison nicht nur als Erfinder, sondern auch als Regisseur sowie mit Lawrence Fishburne und Paris Hilton in den Hauptrollen. Noch verstörender war, dass viele der Läden auch auf die Schiene des kristallgesteuerten, engelanbetenden Blumenaromatherapie-Esoterik-Mists aufgesprungen waren. Natürlich mit Preisen, die jeden Rahmen sprengten. Manchmal denke ich, die Leute sollten zu einem IQ-Test verpflichtet werden, bevor man sie in solche Läden lässt.

Ich flüsterte Walker den einen oder anderen dieser Gedanken zu, er nickte nur und sagte: Engel! - in einem ziemlich grimmigen Ton. Ich fragte nicht nach. Ich glaubte nicht, dass ich das genauer wissen wollte.

Wir hielten endlich neben einem großen Schild der Roswell Industrie- und Handelskammer an, auf dem die Einladung: HEY, AUSSERIRDISCHE! KOMMT RUHIG RUNTER UND SEID NETT! HIER SEID IHR ALLEMAL WILLKOMMEN! Ich weiß nicht, wie Steven Spielberg das rechtfertigen will. Ich habe noch nie einen Alien getroffen, der bereit gewesen wäre, die Geheimnisse des Universums mit uns zu teilen. Meist sehen sie unsere Welt nur als eine Vorzugs-Immobilie an - wenn sie erst die unbequeme Spezies losgeworden sind, die sie gegenwärtig bewohnt. Und lassen Sie mich nur nicht von denen anfangen, die nur für den Sex-Tourismus kommen.

Ein Fernsehteam machte eine Umfrage, hielt Passanten an und stellte alberne Fragen für den örtlichen Nachrichtensender. Das Haar der Redakteurin war toupiert und gesprayt, sodass es vom Kopf abstand wie ein Helm, und ihre Zähne waren blendend weiß. Es war das übliche Gerede, mit einer Menge schlechter Witze und Kalauern über illegale Aliens. Ich zog in Erwägung, sie zu fragen, ob sie etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört hatten, aber keiner vom Team sah so aus, als würde er eine wirkliche Nachricht erkennen, selbst wenn sie drüber stolperten.

Wir drei machten einen weiten Bogen um das Kamerateam und gingen weiter durch die Stadt. Die Leute fingen langsam an, uns zu bemerken, allerdings auf sehr komische Weise. Sie starrten uns an und sahen dann weg, um dann wieder ganz offen hinzusehen, wenn wir nicht hinguckten, als ob wir ihnen bekannt vorkämen, sie uns aber nicht einordnen konnten. Sie schienen nicht verwirrt oder beunruhigt, nur … fasziniert. Honey war irritiert.

»Ich bin CIA-Agentin«, sagte sie muffig in einer Stimme, die vielleicht ein wenig zu laut und weithin tragend war. »Man sollte mich nicht sehen dürfen!«

»Vielleicht glauben alle, Sie seien ein Topmodel«, meinte Walker großzügig.

»Das sind die Elbenlande«, erklärte ich. »Etwas von diesem Schein, ihrem Glamour, hat auf uns abgefärbt. Keine Sorge, das dauert nicht mehr lange.«

»Ich wollte schon immer glamourös sein«, sagte Walker und versuchte, nicht allzu scherzhaft zu klingen.

»Ich mag es nicht, so aufzufallen«, murmelte Honey.

»Entspann dich«, sagte ich. »Sie sehen nicht uns, sondern den Schein. Vielleicht glauben sie, wir seien Filmstars oder örtliche Berühmtheiten oder jemand, den sie in einer Dokusoap gesehen haben. Wenn jemand kommt und nach einem Autogramm fragt, dann wirf ihnen böse und hoheitsvolle Blicke zu und schieb sie weg, dann sind sie glücklich und verschwinden.«

»Warum haben Sie Peters Handy gestohlen?«, fragte Walker plötzlich.

Ich hatte mich das selbst schon gefragt. »Keine Ahnung«, gab ich zu. »Es war ein Impuls; gedacht, getan. Ich kann mir nicht helfen, ich frage mich schon die ganze Zeit, ob es Einfluss von außen war, der mir das zum Guten oder Bösen eingegeben hat. Ich kann allerdings nicht sagen, dass ich es bedaure. Ich vertraue Peter nicht. Er ist zu still, zu wachsam. Immer im Hintergrund und tut sein Bestes, um nicht hineingezogen zu werden. Und er weiß offenbar sehr viel mehr über unsere seltsame Welt, als jemand mit seinem mutmaßlichen Hintergrund wissen sollte.«

»Du glaubst also, er spielt uns etwas vor?«, fragte Honey. »Von seinem Großvater auf uns angesetzt, um für ihn zu berichten. Der Spion von innen.«

»Sagen wir … mir war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass Peter die einzigen Beweise von allem hatte, was wir entdeckt haben«, erwiderte ich.

»Und jetzt ist er nicht mehr da«, sagte Walker und sah mich nachdenklich an. »Ich wusste, dass ihr Droods gelegentlich sehr rücksichtslos sein könnt.«

»Hast du die Dateien des Handys geprüft?«, fragte Honey. »Nur um sicherzugehen, dass wirklich alle Beweise drauf sind, von denen Peter behauptet hat, er habe sie?«

»Noch nicht«, sagte ich. »Und ich muss mich fragen, ob er überhaupt irgendeinen Beweis von unserem Ausflug in die Anderen Lande aufgenommen hat. Ich bin nicht mal sicher, ob unsere Technologie an so einem Ort überhaupt funktioniert.«

»Das Boot hat funktioniert«, meinte Honey.

»Auch wahr.« Ich sah Honey an und dann Walker. »Hat einer von euch beiden gesehen, dass Peter das Handy am Hof der Feen verwendet hat?«

»Kann ich für mich nicht sagen«, meinte Honey. »Aber wir waren ja auch ziemlich beschäftigt.«

»Also haben wir vielleicht keinen Beweis dafür, dass die Elben etwas mit der USS Eldridge zu tun hatten?«, fragte Walker.

Ich wog das Handy in meiner Hand. »Nicht unbedingt …. Ich fühle mich nicht ganz wohl damit, in diesem Handy nach irgendwelchen Dateien zu suchen, ohne es vorher genau überprüft zu haben. Peter war der Enkel des Autonomen Agenten. Keine Ahnung, welche Sicherungen und Fallen er eingebaut hat, um seine Daten zu schützen.«

»Wir können ja immer noch zurück ins Elbenreich und fragen, ob sie uns für ein paar Fotos zur Verfügung stehen wollen«, meinte Honey.

»Besser nicht«, sagte Walker. »Ich mache mir mehr Sorgen um das, was Alexander King sagt, wenn wir keine handfesten Beweise zu unseren Geschichten abliefern.«

»Ich höre immer ›Wir‹, Bleichgesicht«, sagte Honey. »Es kann nur einen geben, schon vergessen? Der CIA hat mich nicht auf diese Mission gehen lassen, um die Beute mit irgendjemandem zu teilen.«

»Wir waren sechs, jetzt sind wir drei«, sagte ich. »Es würde nicht viel kosten, uns auf einen zu reduzieren. Verrat und Hinterhalt waren immer schon Teil des Spionagegeschäfts.«

»Manchmal buchstäblich«, sagte Honey. »Wo warst du denn Eddie, als Katt und Blue gestorben sind? Oder als mein Tauchboot sabotiert wurde und ich beinahe gestorben bin?«

»Ich habe dein Leben gerettet«, sagte ich.

»Gutes Alibi«, sagte Honey. »Wie könntest du besser erreichen, dass ich dir vertraue?«

»Wir könnten immer noch vier sein«, erinnerte Walker uns. »Peter könnte immer noch auftauchen.«

»Vielleicht«, meinte Honey. Sie sah mich für einen langen Moment an. »Pass gut auf das Handy auf, Eddie. Ich würde es hassen, wenn es … verloren ginge.«

»Richtig«, sagte Walker. »An einer Touristenfalle wie dieser hier dürften sich eine Menge Taschendiebe herumtreiben.«

Honey schnaubte laut. »Wenn ich in meinen Taschen eine andere Hand als meine eigene finde, dann werde ich deren Finger verknoten.«

Ich lächelte, vielleicht ein wenig selbstgefällig. »Keiner beklaut einen Drood und überlebt es, um damit anzugeben.«

»Der Blaue Elf hat euch einen Torques gestohlen«, bemerkte Walker. »Haben Sie ihn deshalb getötet?«

Ich wandte mich um, um ihn anzusehen, langsam und absichtlich, aber eins musste man ihm lassen: Er zuckte nicht mit der Wimper.

»Ist das eine Anschuldigung?«

»Noch nicht«, sagte Walker.

»Seid ihr sicher, dass sie ermordet wurden?«, fragte Honey. »Keine Möglichkeit, dass es vielleicht … Zufall war?«

»Ich glaube nicht an Zufälle«, sagte Walker. »Nicht, wenn es um Profis wie uns geht. Und besonders dann nicht, wenn man bedenkt, dass jemand mich in Tunguska umbringen wollte.«

»Das sagen Sie«, meinte ich.

»Nun, ja«, antwortete Walker.

»Wir haben hier noch eine Aufgabe, der wir uns annehmen müssen«, sagte Honey streng. »Und die fängt damit an, dass wir uns erst einmal darum kümmern, wie der Auftrag eigentlich lautet. Alles andere kann warten.«

»Ja«, sagte ich. »Es kann warten.«

»Fürs Erste«, erwiderte Walker.

»Männer …«, sagte Honey. »Warum holt ihr sie einfach nicht raus und wedelt damit voreinander herum?«


Wir gingen weiter durch die Stadt, nahmen den Anblick in uns auf und hofften auf einen Blick auf etwas von Bedeutung. Die Sonne schien hell an einem klaren blauen Himmel, an dem kein Wolkenfetzen zu sehen war und über den nicht der Hauch einer Brise wehte, die die zunehmend unangenehm heiße und trockene Luft hätte abmildern können. Und immer noch liefen überall Touristen herum, große, rotgesichtige und fröhliche Seelen in bunter Kleidung, die keine Sorge in der Welt hatten - oder irgendeinen Sinn für Gefahr, wie es aussah.

»Vielleicht irre ich mich«, sagte Walker leise. »Aber ich bin sicher, dass wir verfolgt werden.«

Wir hielten an und sahen in ein Schaufenster, das voller kleiner, knuddeliger Stoffaliens war und blickten uns dann unauffällig um, als ob wir überlegten, wohin wir als Nächstes gehen sollten. Ich ließ meinen Blick gelangweilt auf und ab schweifen, aber bei so vielen herumspazierenden Menschen war es schwer, etwas Ungewöhnliches auszumachen.

»Ich sehe niemanden«, sagte ich schließlich. »Und ich bin in der Regel ziemlich gut darin, irgendwelche Rattenschwänze auszumachen.«

»Ich verwalte die Nightside«, sagte Walker. »Da überlebt man nicht lange, wenn man nicht gute Überlebensinstinkte entwickelt. Irgendjemand ist da draußen, und er folgt uns wenigstens seit fünf, vielleicht sogar zehn Minuten.«

»Ich sehe niemanden«, sagte Honey. »Aber ich … fühle jemanden.«

Wir gingen den Weg zurück, den wir gekommen waren, betraten hier und da einen Laden, benutzten Vorder- und Hintereingänge, schlugen Haken hierhin und dorthin und verwendeten Schaufenster als Spiegel - all die üblichen Tricks, die einen Verfolger dazu bringen sollen, sich selbst zu verraten. Und trotz all dem war nicht der Schatten eines Menschen zu sehen, der irgendwo irgendetwas tat, das er nicht sollte. Aber jetzt bekam ich ebenfalls das prickelnde Gefühl im Nacken, dass man bekommt, wenn jemand Ungesehenes einen beobachtet. Irgendjemand war da, der jede unserer Bewegungen beschattete, jemand, der verdammt gut war bei dem, was er tat.

Ein Profi. Wie wir.

»Wer weiß denn, dass wir hier sind?«, fragte Honey schließlich. »Wer weiß, wer wir sind? Zum Teufel, selbst wir wussten nicht, dass wir hier sein würden, bis wir dann kamen!«

»Alexander King hat es gewusst«, sagte ich. »Er könnte arrangiert haben, das Gerücht zu verbreiten. Und wir waren ja nicht immer unauffällig. Es war klar, dass wir früher oder später die Aufmerksamkeit von Leuten oder Organisationen auf uns ziehen, selbst von bestimmten Personen mit Einfluss. Verdammt, das ist unheimlich. Ich spioniere Leute aus, ich werde nicht ausspioniert.«

»Benutzen Sie doch Ihre Sicht«, sagte Walker.

»Nein«, sagte ich sofort. »Wenn er so gut ist, wie er selbst glaubt, und er muss wirklich verdammt gut sein, wenn er sich vor mir verstecken kann, dann wird er in dem Moment Bescheid wissen, in dem ich mein Gesicht hebe. Und dann wird er sicher wissen, dass er entdeckt wurde.«

»Er muss das schon wissen, so, wie wir uns benommen haben«, sagte Honey.

»Nein«, sagte ich. »Er vermutet es, aber er weiß es nicht. Und solange er nicht sicher ist, haben wir die Oberhand.«

»Vielleicht«, meinte Walker. »Wer auch immer das ist, er muss denjenigen repräsentieren, der weiß, was hier vor sich geht - oder vor sich gehen wird. Gott, ich hasse Sätze wie diesen. Aber bedenken Sie: Wenn man in einer Kleinstadt irgendetwas Größeres plant und plötzlich fallen einem ein Drood, eine CIA-­Agentin und der Mann auf, der die Nightside beherrscht, die einfach so interessiert herumspazieren und ihre Nase in Dinge stecken - dann wollte man doch mehr darüber wissen, oder?«

»Soll er doch beobachten«, sagte ich. »Soll er uns folgen. Er kann nichts tun, ohne sich selbst zu verraten, und wenn er dumm genug ist, das zu tun, dann werde ich diesen Blödmann an die nächste Wand knallen und ihm ein paar dezidierte Fragen stellen.«

»Klingt nach einem guten Plan«, sagte Honey.


Unsere Aufmerksamkeit richtete sich auf eine kleine Gruppe Touristen, die sich vor einem Schaufenster versammelt hatten. Sie schienen mehr als nur ein wenig aufgeregt. Wir schlenderten hinüber, um uns zu ihnen zu gesellen und bemerkten, dass sie einen Nachrichtenkanal in einem Fernseher sahen, der im Schaufenster stand. Der Sprecher der Lokalnachrichten, ein kleiner Mann in einem zu großen Anzug, mit einer tiefen Stimme und einem deutlich zu sehenden Toupet, las zunehmend aufgeregt eine Geschichte von seinem Teleprompter ab.

»Viehverstümmelungen sind bekannt«, sagte er, und seine Stimme wurde vom Schaufenster nur wenig gedämpft. »Vieh, das ohne erkennbare Todesursache verendet aufgefunden wurde, Vieh mit Verletzungen und vielfachen Schnitten, die mit geradezu chirurgischer Präzision durchgeführt wurden. Es gibt viele Menschen und auch andere, die dieser Taten bereits beschuldigt wurden: Außerirdische, wahnsinnige Wissenschaftler, Regierungsbehörden, die mit allgegenwärtigen schwarzen Helikoptern auftauchen - selbst Teufelsanbeter oder extreme Vegetarier wurden bereits verdächtigt. Aber jetzt haben die Dinge hier in Roswell eine neue und verstörende Wendung genommen.«

Ich sah Honey an. »Schwarze Hubschrauber?«

»Hat nichts mit mir zu tun«, sagte sie. »Viehverstümmelungen sind so völlig unter unserem Niveau. Wir waren nie in irgendetwas verwickelt, das derart eklig und so offensichtlich ist.«

Sie brach ab, als einige Leute in der Menge ihr bedeuteten, still zu sein. Wir alle hörten wieder dem Nachrichtensprecher zu.

»Heute früh wurden sieben tote und verstümmelte Rinder auf der Ranch des bekannten Geschäftsmannes Jim Thomerson aufgefunden, die sich etwa zwanzig Meilen außerhalb von Roswell befindet«, sprach er weiter. »Bei jedem Rind fehlten wichtige Organe, die den Kadavern professionell entnommen worden waren. In der Nähe des verendeten Viehs wurden am Boden Brandspuren vorgefunden. Doch wie die örtlichen Polizeibehörden versicherten, deutet bisher kein Zeichen darauf hin, wie die Angreifer sich dem Tatort nähern oder sich wieder von ihm entfernen konnten. Man sollte glauben, das allein sei verstörend genug, aber die neueste Entwicklung ist nun, dass auch Jim Thomerson selbst tot und verstümmelt in der Nähe seines Viehs aufgefunden wurde. Seine Leiche wurde bereits zu weiteren Untersuchungen in die neue Leichenhalle gebracht, um dort forensisch untersucht zu werden.«

Der Nachrichtensprecher zwang sich ein Lächeln für die Kamera ab. »Sind unsere kleinen, grauen Freunde vielleicht diesmal zu weit gegangen? Wir hoffen, dass wir später in der Lage sein werden, Ihnen aktuelle Tatort-Bilder zeigen zu können. Wir müssen allerdings darauf hinweisen, dass diese Bilder sicher überaus anschaulich sein werden. Ihre Umsicht als Zuschauer wird hier gefragt sein.«

»Übersetzung: Versammelt euch alle um den Bildschirm, das wird klasse!«, meinte Honey. »Ja, weiß schon: schsch.«

Und dann wurde der Bildschirm schwarz. Die vier anderen Fernseher im Fenster, die andere Kanäle gezeigt hatten, allerdings ohne Ton, gingen ebenfalls aus. Die Menge war nervös, teilte sich in Paare und Familien auf und lief aufgeregt miteinander schwatzend auseinander. Walker, Honey und ich sahen einander an.

»Das war seltsam«, meinte Honey. »Alle Lokalsender beenden ihr Programm gleichzeitig? Wenn das nur ein technischer Fehler war, dann würden die Sender die üblichen Variationen von Bitte entschuldigten Sie die Störung, wir sind bald wieder auf Sendung zeigen, zusammen mit einer Menge vonDon't worry, Be happy-Musik. Nein, diese Übertragungen werden gestört, genau wie unsere. Was mit anderen Worten heißt, dass das eine Menge Energie kostet. Jemand will nicht, dass diese Nachrichten Roswell verlassen.«

»Also sind es nicht nur unsere Kommunikationswege, die torpediert wurden«, sagte ich. »Die ganze Stadt wurde von der Außenwelt abgeschnitten. Isoliert. Also, was auch immer passieren wird - oder auch schon angefangen hat, keiner wird davon erfahren, bis es vorbei und zu spät ist, um irgendwas zu unternehmen.«

»Selbst wenn das so ist - Viehverstümmelung?«, meinte Walker. »Das sind doch nur urbane Legenden, oder?«

»Nicht, wenn es um Menschen geht«, sagte ich. »Ich glaube, wir müssen annehmen, dass wir uns um dieses Rätsel kümmern sollen.«

»King wusste also, dass das passieren würde?«, fragte Walker.

»Wer sonst?«, fragte Honey zurück. »Der Mann hatte und hat die besten Verbindungen.«

»Der Leichnam des Farmers dürfte bereits in die Stadt gebracht worden sein«, sagte Walker. »Ich glaube, es steht uns gut an, wenn wir dieses neue Leichenschauhaus aufsuchen und selbst in Augenschein nehmen.«

»Ich liebe es, wenn Sie Worte wie ›gut anstehen‹ verwenden«, sagte ich. »Oh bitte, Walker, bringen Sie mir bei, so korrekt zu sprechen wie Sie, damit ich wie ein echter Agent klinge!«

»Seien Sie still, Eddie«, sagte Walker.

»Wir können gehen und einen Blick darauf werfen«, meinte Honey. »Und dann können Sie dafür sorgen, dass dieser arme Kerl sich auf seinem Seziertisch hinsetzt und uns erzählt, was passiert ist. Richtig, Walker?«

»Das war nur das eine Mal!«, sagte Walker. »Ich wünschte wirklich, alle würden aufhören, davon zu reden!«

»Irgendeine Idee, wo sich die örtliche Leichenhalle befinden könnte?«, fragte ich. »Man kann ja als Wildfremder nicht einfach hingehen und danach fragen. Dann wird man in der Regel schräg angeschaut.«

»Vielleicht sollten wir nach einem Gesetzeshüter Ausschau halten«, schlug Walker vor.

»Und nur vielleicht solltet ihr beiden mal versuchen, mit dem Rest der Menschheit im 21. Jahrhundert zu leben«, sagte Honey verächtlich. »Wir sind vor ein paar Blocks an einem Internet-Café vorbeigekommen.«

Es dauerte nicht lang und wir hatten die Homepage der Stadt, einen Stadtplan und die Adresse des Leichenschauhauses aufgerufen. Es war nicht sehr weit bis dahin. Walker und ich vermieden sorgfältig, einander anzusehen. Honey sah entschieden selbstgefällig aus, als sie uns voran aus dem Internet-Café herausging.

»Was ist los, Walker? Haben Sie in der Nightside keine Computer?«

»Natürlich«, sagte er steif. »Einige meiner besten Freunde sind künstliche Intelligenzen.«

»Irgendwie überrascht mich das nicht«, sagte Honey.

Die neue Leichenhalle war ein gleichmäßig und ruhig konzipiertes Gebäude; sehr modern, stilvoll und gar nicht bedrohlich. Honey bluffte uns mit einem gefälschten Ausweis der Homeland Security ins Institut, den sie zufällig bei sich hatte, und Walker und ich gaben uns große Mühe, hart und amerikanisch auszusehen. Keiner machte uns Ärger, die Einheimischen waren nur froh, dass jemand mit mehr Erfahrung aufgetaucht war und ihnen die Sache aus der Hand nahm. Ein örtlicher Deputy mit Übergewicht und einem Hut auf dem Kopf, der ihm viel zu klein war, brachte uns durch die Büros vorne in die Leichenhalle im hinteren Teil des Gebäudes. Die Menschen beobachteten uns mit großen Augen und beunruhigten, ängstlichen Mienen. Es war ein Ding, sich seine Brötchen damit zu verdienen, dass man außerirdischen Besuch vermarktete, ein anderes, wenn diese Außerirdischen auf einmal im Hinterhof in der Absicht auftauchten, mit Skalpellen und Kettensägen Doktor zu spielen. Der Sheriff wurde immer nervöser, je näher er der Leichenhalle kam. Er schwitzte ganz ordentlich, trotz der arktischen Klimatisierung und zuckte bei jedem plötzlichen Geräusch zusammen.

»Alle Kommunikationssysteme sind ausgefallen«, sagte er plötzlich. »Kriege kein Wort mehr raus oder rein. Wisst ihr da irgendwas drüber?«

»Tut mir leid«, sagte Honey in ihrer forschesten und professionellsten Stimme. »Informationen nur an die, die es wissen müssen. Sie wissen ja, wie das ist.«

»Oh, sicher, sicher.« Der Deputy entspannte sich tatsächlich ein wenig in der Gegenwart von jemandem, der so offenbar autoritär und kompetent war. »Gut, dass jemand da ist, der weiß, was er tut. Wir sind meist nur Teilzeitler. Der Sheriff hat seine Allergien und Doc Stern hat mit einem Autounfall auf der anderen Seite der Stadt zu tun. Das ist irgendwie diesmal mehr, als … als in der Jobbeschreibung stand.« Er sah Honey scharf an. »Wusstet ihr, was passieren würde? Seid ihr darum hier?«

»Es ist unser Job, solche Dinge zu wissen«, sagte Honey. »Gibt es in der Stadt irgendwelche Anzeichen von Panik? Haben es die Leute eilig, aus Roswell rauszukommen?«

»Nun, nein«, sagte der Deputy und runzelte heftig die Stirn. »Jeder hier hat erwartet, dass sich die Touris mit den Stadtleuten im Schlepptau in die Autos setzen und raus zum Tatort fahren, sobald die Nachricht gesendet worden war. Aber … alle bewahren die Ruhe. Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Ich würde hier abhauen, wenn ich auch nur irgendeinem halbwegs kompetenten Kerl alles überlassen könnte, aber … Es scheint mir gar nicht richtig zu sein, loszuziehen und den armen Jim Thomerson hier in der Leichenhalle liegen zu lassen. Das wär gar nicht … respektvoll. Hier, da ist es.«

Er zeigte uns eine große, verstärkte Stahltür mit einem Zahlenschloss. Mehr Sicherheit als ich erwartet hatte. Wir warteten alle ungeduldig, während der Deputy sehr konzentriert die sechsstellige Zahl eingab.

»Ich komme normalerweise nicht oft hier hinten hin«, sagte er. »Nur der Sheriff und der Doc gehen überhaupt hierher. Der Doc will kommen, sobald er kann. Wollen Sie, dass ich hierbleibe …?«

»Nein«, sagte Honey. »Gehen Sie wieder auf Ihren Posten, Deputy. Wir übernehmen ab hier. Und Deputy: Keiner kommt in diesen Raum, bis wir fertig sind. Niemand sagt irgendwem irgendwas. Verstanden?«

»Natürlich, Ma'am«, sagte der Deputy und eilte, ohne sich umzusehen, davon.

»Ein intelligenter junger Mann mit hohem Potenzial, denke ich«, sagte Walker.

Wir gingen in die Halle hinein und schlossen die Tür hinter uns. Sie war größer als erwartet, mit hellen Lichtern und makellos glatten Wänden.

»Das ist doch nicht normal für eine Kleinstadt«, sagte Honey. »Vielleicht zehnmal größer, als sie sein sollte. Das würde man eher von einer Großstadt erwarten. Ich frage mich, ob man vielleicht schon früher mit ungewöhnlichen Situationen fertig werden musste.«

»Diese Halle wurde absichtlich so gebaut«, sagte Walker. »Von jemandem, der Ärger erwartete.«

»Vielleicht ist hier früher schon etwas passiert«, meinte Honey.

»Und niemand hat es Ihnen gesagt!«, meinte Walker. »Schande über sie.«

»Lasst das jetzt«, sagte ich. »Seht euch das mal an! Sie haben eine von den verdammten Kühen hergebracht!«

Zwei der Seziertische waren am anderen Ende des Raums zusammengeschoben worden und eine Kuh lag darauf auf der Seite. Die vier Beine stakten steif über den Rand des Tischs. Wir alle versammelten uns um den Kadaver. Die Kuh war auf der Bauchseite der Länge nach aufgeschlitzt, von der Kehle bis zum Euter. Die Bauchseiten waren auseinandergezogen, zurückgeschlagen und befestigt, sodass man das gesamte Innere hatte … durchwühlen können. Einige Organe fehlten, andere waren aufgeschnitten oder es fehlten Stücke, wieder andere waren neu arrangiert worden. Große Löcher waren ohne erkennbaren Sinn durch die Haut und den Kopf gebohrt. Beide Augen waren verschwunden und die gesamte obere Zahnreihe ordentlich entfernt worden. Die Zunge war der Länge nach in zwei Hälften geteilt, aber an ihrer Stelle belassen worden. Ein steifes Bein war seziert worden, um die Nerven, ein anderes, um die Muskeln bloßzulegen.

»Interessant«, sagte Walker und lehnte sich vor, um einen näheren Blick auf alles zu werfen.

»Außerordentlich«, sagte Honey und beugte sich ebenfalls vor.

»Widerlich«, sagte ich und blieb hübsch zurück. »Ich will wissen, wie sie dieses Ding durch diese kleine Tür gekriegt haben.«

Wir alle sahen zurück auf die ausgesprochen mannshohe Tür, zuckten alle gleichzeitig mit den Achseln und wandten unsere Aufmerksamkeit wieder dem Rind zu.

»Die Arbeit sieht überaus professionell aus«, sagte Walker. »Es wurden in der Tat eher Skalpelle als Messer benutzt. Da sich keine Spuren von Beutetieren oder Aasfressern finden, wurde es erst vor Kurzem gemacht. Hier sind einige Brandspuren im inneren Gewebe. Vielleicht ein Laserbohrer? Aber nichts an diesen Maßnahmen ergibt einen Sinn. Das ist einfach nur ein Auseinandernehmen. Ich war sicher, dass man ein bestimmtes Ergebnis im Sinn hatte, aber ich will verdammt sein, wenn ich erahne, was das sein sollte.«

»Sie haben diese arme Kreatur praktisch in Streifen geschnitten«, sagte ich. »Aber warum hat man einige Organe entnommen und andere nur aufgeschnitten? Warum das Wesen aufschneiden, um die Organe neu zu sortieren?«

»Angenommen sie waren neugierig«, meinte Walker. »Vielleicht hatten sie noch nie eine Kuh gesehen.«

»Was?«, fragte Honey. »Sie sind mit ihrem schicken neuen Hyperraumantrieb hierhergekommen, konnten aber nicht unsere Computer anzapfen, um die Information zu bekommen, die sie brauchten?«

»Vielleicht machen sie sich gern die Hände schmutzig«, sagte Walker. »Natürlich immer vorausgesetzt, dass sie Hände haben.«

»Das scheint mir eher so, als hätten sie nach etwas gesucht«, sagte ich. »Und weil sie's in der Kuh nicht gefunden haben, haben sie sich diesen armen Bastard auf dem Tisch da drüben geschnappt.«

Wir alle gingen hinüber zu dem Mann mittleren Alters, der nackt und aufgeschnitten auf dem nächsten Seziertisch lag: Jim Thomerson, ein Farmer und allgemein bekannter Geschäftsmann, der einfach zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war und für diesen Fehler mit Blut und Schrecken bezahlt hatte. Wir beugten uns über ihn, um genauer in Augenschein zu nehmen, was man ihm Furchtbares angetan hatte. Seine Verletzungen waren ähnlich denen seines Rinds, aber dennoch viel verstörender - hatte man das doch einem Menschen angetan. Fehlende Organe, abgetrennte Glieder, verschobene Innereien. Seine leeren Augenhöhlen starrten anklagend zu uns hoch.

»Nach den Abwehrverletzungen auf seinen Händen und Armen zu urteilen, war er noch lebendig, als sie angefangen haben«, sagte Honey. »Hoffentlich nicht mehr für lange.«

»Warum jetzt?«, fragte Walker. »Warum fängt man jetzt an, Viehverstümmelungen an Menschen vorzunehmen? Was ist passiert?«

»Klare Antwort«, meinte ich. »Das sind neue Aliens. Eine Spezies, die neu auf die Erde gekommen ist und die Regeln nicht kennt. Ich werde ihnen eine gehörige Lektion erteilen müssen: dass man nicht einfach hier herummarodiert, wenn man das nicht zuerst mit den Droods abgeklärt und die verdammten Regeln auswendig gelernt hat. Jemand wird dafür bezahlen.«

»Aber selbst wenn«, sagte Walker. »Warum nur einige Organe entnehmen und -«

»Ich hab keine Ahnung!«, rief ich. Walker und Honey sahen mich schweigend an. Ich senkte meine Stimme. »Ich habe keine Ahnung. Sie denken nicht wie wir. Meine Familie verkehrt seit Jahrhunderten mit Aliens, und wir haben immer noch keinen Translator, der etwas taugt. Manchmal haben wir nicht mal die grundsätzlichen Konzepte gemeinsam.«

»Was machen Sie, wenn Sie mit einer Spezies nicht kommunizieren können?«, fragte Walker. »Wenn Sie sie nicht dazu bringen können, den Regeln zu folgen?«

»Sie töten«, sagte ich. »Und das tun wir, bis sie nicht mehr kommen. Was machen denn Sie in der Nightside?«

»Ungefähr das Gleiche«, sagte Walker.

»Ich habe auch ein paar Erfahrungen mit Außerirdischen«, sagte Honey ein wenig eifersüchtig. »Nicht meine Abteilung, um genau zu sein, aber wenn die Kacke am Dampfen ist, helfen ja alle mit.«

»Was?«, fragte Walker.

»Es war ein Notfall!«, sagte Honey. »Und ich war die einzige Agentin mit Erfahrung vor Ort. Ich war in der Arktis und habe Area 52 nach etwas Wichtigem durchsucht, das aus Versehen dorthin gebracht worden war. (Ihr wärt überrascht, wenn ihr wüsstet, wie oft das passiert.) Da entkam etwas aus den Arrestzellen. Ich schwöre, solche Alarme habe ich noch nie gehört. Ich musste mich in einen absolut dichten Isolieranzug quälen und raus aufs Eis gehen, um ihm hinterherzujagen. Glücklicherweise kam es nicht weit. Das blöde Ding hat den Fehler gemacht, sich in einen Eisbären zu verlieben. Es brauchte Ewigkeiten, bis wir alle Stücke aufgesammelt hatten. Und wir mussten dem Bären den Magen auspumpen.«

»Aliens sind nicht unbedingt die Hellsten«, stimmte ich zu. »Nur weil sie schlau genug sind, um bessere Technikspielzeuge zu bauen, heißt das noch lange nicht, dass sie mehr gesunden Menschenverstand haben. Oder Selbstkontrolle. Vor ein paar Jahren ist mal irgendwas von da draußen mitten in einem Londoner Park abgestürzt und dann in den Abwasserkanälen verschwunden. Man hat mich hinbeordert und ich war auch bereit, da runterzugehen und das verdammte Ding wieder rauszuzerren, als von ganz oben befohlen wurde, es in Ruhe zu lassen. Anscheinend hielt unser Weltraum-Monsterchen den Abwasserdreck für einen Leckerbissen, ebenso wie all das Ungeziefer da unten. Also war unser erster Gedanke: Es ist das Resultat, das zählt! Und wir ließen es in Ruhe weiterfressen.

Ungefähr sechs Monate später wurde mir wieder Bescheid gegeben. Das Alien hatte allen Dreck gefressen, die gesamte Untergrund-Fauna und -Flora und ein halbes Dutzend Leute, die man geschickt hatte, um die Situation zu untersuchen. Und es hatte immer noch Hunger. Es schickte Auswüchse seines hässlichen protoplasmischen Selbst durch die Gullydeckel und durch die Abwasserrohre der Häuser, um alles zu attackieren, was da oben herumlief. Menschen verschwanden und wenn ich den Zustand bedenke, in dem sich ihre Toiletten und Waschbecken befanden, dann habe ich auch eine Ahnung, wie - auch wenn ich lieber nicht darüber nachdenke. Es war echt ein Stück Arbeit, das aus den Nachrichten rauszuhalten. Am Ende musste ein halbes Dutzend von uns Droods an verschiedenen Punkten in die Kanäle und dem Alien mit molekularen Flammenwerfern zu Leibe rücken. Wir haben uns einen Weg durch das gesamte Londoner Kanalsystem gebrannt, von einem Ende zum anderen, bis nichts mehr zum Verbrennen übrig war. Wir machen immer noch regelmäßig chemische Tests und nehmen DNA-Proben, für alle Fälle.

Hat mich Wochen gekostet, den Geruch wieder loszuwerden.«

Honey und ich sahen zu Walker, der lässig mit den Achseln zuckte. »Der Nightside sind unheimliche Begegnungen nicht fremd. Aliens kommen immer wieder durch unsere diversen Zeittaschen aus der Vergangenheit, der Zukunft und jeder Menge alternativer Dimensionen hereingerutscht. Letztes Jahr tauchten ein paar Marsianer in Dreibeinen auf, komplett mit Hitzestrahlen, Metallgreifern und giftigem schwarzem Rauch. Eklige, glitschige Dinger, die sich von menschlichem Blut ernährten und von der Eroberung einer anderen Erde kamen. Sie waren gierig auf neues Land, in dem sie sich ausbreiten konnten. Diese Narren. Wir haben die Metallbeine unter ihnen weggeschossen, sie aus ihren Cockpits gezerrt und gegessen.«

»Sie haben Marsianer gegessen?«, fragte Honey entgeistert und rümpfte ihre perfekte Nase.

»Deliziös«, bemerkte Walker. »Oh, natürlich haben wir sie vorher getötet. Aber für eine Weile waren frische Marsianer-Steaks der Renner in den besten Restaurants der Nightside. Einige von uns haben sehr gehofft, dass der Zeittunnel zu dieser bestimmten Erde sich wieder öffnet, bevor die Vorräte zur Neige gehen.«

»Ich weiß gar nicht, warum ich mit Ihnen überhaupt rede«, sagte Honey. »Sie sagen immer furchtbar verstörende Dinge.«

Walker grinste. »Das ist die Nightside.«

»Wartet mal«, sagte ich. »Ich glaube, mir fällt da grade etwas ein. Die Aliens sind in genau dem Moment von der Vieh- zur Menschverstümmelung übergegangen, als die Kommunikation in der Stadt ausfiel. Ich habe das gruselige Gefühl, dass diese neuen Aliens etwas richtig Widerliches planen. Menschenverstümmelung in großem Stil. Mit einer ganzen Stadt voller Leute …«

»Das wäre ein ganz schöner Sprung, Eddie, von einer toten Kuh und einem toten Farmer dorthin.«

»Aber was, wenn ich recht habe?«, fragte ich. »Ich arbeite schon lange genug als Agent der Droods, um ein Gespür für so etwas zu bekommen.«

»Sie haben recht, Eddie«, sagte Walker. »Nur außerirdische Technologie kann die Kommunikation einer ganzen Stadt so völlig ausfallen lassen, geschweige denn Honeys oder Ihre. Aber was können wir tun? Wir können mit der unterbrochenen Kommunikation niemanden in der Stadt alarmieren und selbst wenn wir das könnten - wozu wäre das gut?«

»Sie könnten verdammt noch mal entkommen!«, rief Honey. »Und wir auch. Genug Abstand zwischen uns und der Stadt schaffen, sodass unsere Kom-Systeme wieder funktionieren und wir könnten Verstärkung rufen.«

»Die Stadt verlassen?«, fragte ich. »Weglaufen und die Leute von Roswell ihrem Schicksal überlassen?

Bei lebendigem Leibe aufgeschnitten zu werden wie dieser arme Idiot da auf dem Tisch? Wenn wir wieder zurückkämen, wäre jeder hier in der Stadt tot!«

»Und was, wenn du nicht recht hast?«, fragte Honey. Ihr Gesicht war nur Zentimeter von meinem entfernt. »Stell dir die Massenpanik vor, wenn das jemand mitkriegt! Wie viele würden zertrampelt werden oder in Autounfällen sterben? Es gäbe hunderte und mehr Tote und Verletzte! Nur wegen einer - einer Vermutung!«

»Ich liege nicht falsch!«, sagte ich. »Und ich werde diese Leute nicht im Stich lassen! Das tut ein Drood nicht!«

»Habt ihr bemerkt, dass es hier dunkler wird?«, fragte Walker.

Honey und ich unterbrachen uns dabei, uns böse anzustarren, und sahen uns um. Das Neonlicht über uns brannte so grell wie eh und je, aber eine dunkle und schwere Düsternis drang von allen Seiten auf uns ein und verschluckte das Licht. Ein Blaustich löschte alle Farben in der Leichenhalle und gab allem ein seltsames und ungesundes Aussehen. Ich fühlte mich schwer, ausgelaugt, selbst meine Gedanken schienen langsamer zu fließen als normal. Der Torques brannte kalt an meinem Hals und versuchte, mich vor irgendetwas zu warnen.

Und dann brachen der Kadaver des Rinds und der Leichnam des Farmers in Flammen aus: grelle, bläuliche Flammen, die mit einer solchen Intensität brannten, dass wir zurückwichen und unsere Arme wegen der unerträglichen Hitze vor die Gesichter hielten. Doch die Flammen erloschen so schnell wie sie begonnen hatten. Die Umweltbedingungen in der Leichenhalle wurden umgehend wieder normal. Die Seziertische waren jetzt völlig leer. Nur ein paar Ascheflocken schwebten über ihnen in der Luft.

»Verdammt«, meinte Honey. »Jemand wollte wirklich keine Spuren hinterlassen.«

»Was impliziert, dass jemand uns beobachtet hat und wahrscheinlich immer noch beobachtet«, sagte Walker. »Drei unerwartete neue Faktoren, die das geplante Experiment gefährden.«

»Also war das eine Warnung an uns, dass wir uns nicht einmischen sollen«, sagte Honey.

Ich musste grinsen. »Die kennen uns wohl nicht sehr gut, was?«

Und dann fuhren wir alle herum, als wir feste, gleichmäßige Schritte im Korridor vor der Tür der Leichenhalle hörten. Sie kamen beständig näher, wurden lauter und schwerer, bis sie schließlich genau vor der geschlossenen Tür stoppten. Wir alle standen sehr still und lauschten. Das Schweigen wurde länger und länger. Bis schließlich Honey einen Satz in Richtung Tür machte, mit Walker und mir direkt hinter sich. Sie riss die Tür auf, wir stürzten auf den Flur - aber da war niemand. Der Korridor dehnte sich vor uns aus, ruhig; nein still. Und vollkommen leer.

»Das habt ihr doch auch gehört, oder?«, fragte Honey. »Er war doch genau vor der Tür!«

»Ich hab's gehört«, sagte ich.

»Ich hab euch gesagt, dass wir verfolgt werden«, sagte Walker.

»Das waren menschliche Schritte«, sagte Honey. »Nichts Außerirdisches. Also wo ist er hingegangen?«

»Ich sehe keinen anderen Ausgang«, meinte Walker.

»Könnte jemand in Roswell wissen, was hier vorgeht?«, fragte Honey. »Irgendein Verräter, der seine Mitmenschen für dreißig silbrige Stücke außerirdischer Technik verrät?«

»Es gibt noch andere Organisationen, die ein Interesse daran haben könnten, was hier passiert«, sagte Walker. »Black Air, die Vril-Gesellschaft, das Zarathustra-Protokoll - jeder von denen könnte zufällig über Hinweise gestolpert sein, aus denen sie schließen konnten, was hier passieren würde und daraufhin zuschlagen.«

»Nein«, lehnte ich kategorisch ab. »Keine Organisation auf diesem Planeten ist besser informiert als die Droods, wenn es um Aliens geht. Wenn jemand davon gewusst hat, dann meine Familie und damit auch ich.«

»Wirklich?«, fragte Honey. »Die Matriarchin erzählt dir also alles, ja?«

»Alles, was wichtig ist«, sagte ich.

»Naja«, sagte Honey. »Das würde ich an deiner Stelle auch sagen.«

»Kinder, Kinder«, murmelte Walker. »Wir müssen immer noch entscheiden, was wir tun wollen, solange wir noch Zeit haben.«

»Und davon haben wir weniger, als wir glauben«, sagte ich. Mein Torques war eiskalt. »Vorsicht, Leute. Da kommt was.«

Der Korridor vor uns änderte sich, wandelte sich, dehnte sich aus und sein anderes Ende verschwand in der Ferne. Die Art von Flur, den man bis ans Ende seiner Tage entlangreisen konnte, ohne je ein Ende zu erreichen. Die Art von Flur, die man endlos in Träumen entlangläuft, aus denen man in kaltem Schweiß gebadet aufwacht. Ein seltsames Glühen, intensiv und überwältigend, ersetzte das normale Licht im Korridor; ein Licht, das nicht für das Spektrum des menschlichen Auges geschaffen war. Selbst die Luft war anders, roch faulig, lag pelzig in meinem Mund und wurde so dünn, dass ich halb erstickte. Eine andere Art von Luft für eine andere Art von Wesen. Statik prickelte schmerzhaft auf meinem bloßen Arm und ich konnte etwas hören. Etwas, das von außen an den Wänden des Korridors kratzte und hereinzukommen versuchte.

»Ich erkenne das«, sagte Honey. Ihre Stimme war kratzig und angestrengt. Sie schien von weit her zu kommen. »Ich kenne das von Entführungsszenarios. Eine Invasion außerirdischer Elemente in unsere Welt. Die Aliens warten nicht ab, bis wir sie finden, sie kommen, um uns zu holen.«

»Lass sie kommen«, sagte ich und rüstete hoch. Sofort spürte ich mich viel besser, menschlicher, wieder ich selbst. »Bleibt dicht bei mir«, sagte ich zu Walker und Honey durch die gesichtslose Maske. »Die Nähe meiner Rüstung sollte euch helfen, den Verstand zu behalten, euch schützen und euch von den Wirkungen dieser alien-geschaffenen Umgebung zu isolieren.«

Ihre Mienen hellten sich auf, als sie dicht an mich herankamen; beide richteten sich auf, Kraft und Zuversicht waren wieder in ihren Gesichtern zu sehen.

»Ich kann sogar leichter atmen, jetzt, wo ich neben dir stehe«, sagte Honey. »Wie funktioniert das?«

»Verrätst du mir alle deine Geheimnisse?«, fragte ich, um den Fakt zu vertuschen, dass ich mir selbst darüber nicht im Klaren war. »Bleibt einfach dicht bei mir und haltet euch bereit, die Scheiße aus allem rauszuprügeln, das nicht einer von uns ist.«

»Guter Plan«, murmelte Walker.

»Keiner entführt einen Drood dahin, wohin er nicht will«, erklärte ich. »Oder seine Gefährten. Walker, warum stehen Sie hinter mir?«

»Weil ich nicht dumm bin«, antwortete Walker.

»Also, ich verstecke mich hinter niemandem«, sagte Honey herablassend.

»Ich wette, ich lebe länger als Sie«, erwiderte Walker.

Wilde Energien krachten jetzt den unmöglich langen Flur hinauf und hinab, brodelnd und heulend. Sie sprangen von Wand zu Wand, schnell wie Laserstrahlen, schalteten sich an und ab und hinterließen blasse grüne Spuren von Ionisation in der Luft. Bösartige Kräfte stießen nach vorn, um meine Rüstung anzugreifen. Ich hielt stand, Honey hielt sich an meinem goldenen Arm fest, Walker war direkt hinter mir. Die Energien wüteten zornig um uns herum, entluden sich mit blendenden Flammen und Blitzen, aber stoppten immer wieder plötzlich oder unterbrachen sich. Sie waren nicht in der Lage, meine Rüstung zu berühren oder auch nur in ihre Nähe zu kommen.

Als ob sie Angst davor hatten.

Blitze stiegen auf und fielen wieder herab, kamen von der einen und der anderen Seite, um einen Schwachpunkt in meiner Rüstung zu finden. Aber ich rührte mich nicht von der Stelle und plötzlich fielen die Energien wieder in sich zusammen, zogen sich in den Flur zurück und verblassten wie die Erinnerung an einen schlechten Traum. Ich konnte in der plötzlichen Stille Honeys und Walkers schweres Atmen hören. Ich bedeutete ihnen mit einer Geste, sich noch nicht von mir zu lösen. Das war noch nicht vorbei. Das konnte ich fühlen.

Und dann erschien das Alien. Kein Portal in der Raumzeit, keine Teleport-Effekte, es war einfach da, direkt vor uns, nicht mehr als drei Meter entfernt. Seine Erscheinung kam so plötzlich, dass Walker und Honey ein wenig zurückzuckten, und wenn ich nicht meine Rüstung getragen hätte, dann hätte ich das vielleicht auch getan.

»Das … ist ein wirklich richtig hässliches Teil«, sagte ich.

»Ich habe so etwas noch nie gesehen«, sagte Honey. »Walker? Haben Sie jemals so etwas gesehen?«

»Gott sei dank noch nicht. Eddie?«

»Nichts auch nur Annäherndes wie das da«, sagte ich. »Es ist ganz definitiv keine der dreiundfünfzig Alien-Arten, die derzeit von den Drood-Abkommen und -Verträgen abgedeckt sind.«

»Dreiundfünfzig?«, fragte Honey. »Es gibt dreiundfünfzig verschiedene Spezies von Aliens, die derzeit über unseren Planeten wandeln? Wann wolltest du uns anderen das sagen?«

»Dreiundfünfzig, von denen wir wissen«, sagte ich. »Die Droods wissen nicht alles, aber ihr dürft auf keinen Fall erzählen, dass ich das gesagt habe. Da sind immer ein paar Rassen, die kommen und gehen und mit denen wir kein wie auch immer geartetes Abkommen haben oder gar keine Kontrolle ausüben. Das Universum ist schweinegroß, und das Leben hat da draußen seltsame Formen angenommen.«

»Dreiundfünfzig …« meinte Honey.

»Von anderen Welten, anderen Erden, höheren und niederen Dimensionen«, sagte ich. »Das summiert sich. Droods schützen die Menschen vor allen auswärtigen Bedrohungen.«

»Okay, ich sorge für eine Gehaltserhöhung für dich«, sagte Honey. »Und was ist das

»Keine Ahnung«, sagte ich.

Wir betrachteten das Alien, während es höchstwahrscheinlich uns studierte. Es sah aus wie ein Haufen Schlangen, die man zusammengeknüllt hatte, oder Gummibänder, die halb miteinander verschmolzen waren. Jedes Band drehte und verdrehte sich, kochend und sich verknotend; sie glitten auf-, über- und umeinander herum. Sie bewegten sich pausenlos und hielten nie inne. Der Haufen war größer als ein Mensch und zweimal so breit, und obwohl seine Extremitäten ständig wechselten und sich änderten, blieben Größe und Masse immer gleich. Die Bänder schmolzen immer wieder und gingen ineinander über, während ständig neue Verlängerungen aus dem Rumpf schossen. Es hatte die Farbe einer Öllache auf verschmutztem Wasser, mit Anflügen von Tiefrot und Violett darunter, und es roch ziemlich schlecht. Wie etwas Totes, das man zu lange in der Sonne liegen gelassen hatte. Die Instabilität des Aliens war beunruhigend und schmerzhaft für menschliche Augen und den menschlichen Verstand. Wir sind nicht dazu geschaffen, mit so etwas zurechtzukommen. Wir sind noch nicht bereit.

Formen begannen sich an den Enden seiner langen, sich windenden Tentakel zu bilden. Etwas, das vielleicht ein sensorischer Apparat war - oder vielleicht organische Waffen. Und dann trat eine tropfende Ausbuchtung am Ende des sich windenden Haufens heraus und ließ ein halbes Dutzend menschlicher Augen entstehen. Unter den Augen bildete sich ein blassrosa Kegel, nass und schwabbelnd.

»Kommunikation«, sagte das Alien durch den Kegel in einer hohen, dünnen Stimme, die klang, als kratze Metall auf Metall. »Sprechen. Identifizieren.«

Und dann wartete es auf Antwort.

»Ich bin ein Drood«, sagte ich vorsichtig. »Ich habe die Autorität, zu anderen Spezies zu sprechen. Bindende Übereinkünfte zu schließen. Sprich zu mir. Erkläre, was du hier tust. Was du planst. Oder es werden Schritte unternommen, deine hässliche Spezies direkt von diesem Planeten zu entfernen.«

»Drood«, sagte das Alien. »Name. Funktion. Unbekannt für uns.«

»Vielleicht sollte ich's mal versuchen«, sagte Honey.

»Schsch«, machte ich.

»Du bist unerreichbar«, sagte das Alien. »Erklärung.«

»Warum hast du den Menschen verletzt, getötet und … untersucht?«, fragte ich. »Zu welchem Zweck? Erklärung.«

»Notwendigkeit«, sagte das Alien. »Kennen Drood nicht. Erkennen Drood-Autorität nicht an. Erkennen keine Autorität an. Wir sind. Wir existieren. Wir gehen, wohin wir müssen, um zu tun, was wir müssen. Wir dominieren unsere Umwelt. Alle Umwelten. Notwendigkeit zum Überleben. Für das Überleben aller Dinge.«

»Sagte es das, was ich denke?«, murmelte Walker.

»Wenn ich das mal wüsste«, sagte ich. »Wenigstens sieht es so aus, als hätten wir grundsätzliche Gemeinsamkeiten.« Ich wandte mich wieder an das Alien. »Was brachte euch auf diese besondere Welt? Was wollt ihr über unsere Spezies wissen? Erklärung.«

»Potenzial«, sagte das Alien. »Experiment. Lernen. Verwendung.«

»Experiment?«, fragte ich. »Warum das Tier und dann der Mensch? Erklärung.«

»Lernten, was zu lernen war von dem Tier«, sagte das Alien. »Begrenzt. Nutzlos für unsere Zwecke. Menschen sind interessanter. Mehr Potenzial. Das wird unser erstes Experiment mit eurer Art. In dieser Stadt, diesem Roswell. Bewahrt Ruhe. Wir sind hier, um zu helfen. Das ist zu eurem Besten. Notwendig. Sehen.«

Ein Bildschirm erschien und schwebte vor uns in der Luft. Und auf diesem Bildschirm zeigte uns das Alien, was es und seine Art tun würden. Was mit den Leuten von Roswell geschehen würde.


Szenen einer kleinen Stadt, die in Blut und Schrecken unterging.

Menschen rannten schreiend durch die Straßen, aber das rettete sie nicht. Sie flohen und versteckten sich, und einige schlugen sogar zurück, aber es kam nichts dabei heraus. Sie wurden seziert, aufgeschnitten, verletzt und von unsichtbaren Skalpellen in unsichtbaren Händen erforscht. Unsichtbare Kräfte, unkenntlich und unaufhaltsam, zerrissen die Leute.

Schnitte erschienen einfach in menschlichem Fleisch, Blut sprühte in die leere Luft. Die Schnitte weiteten sich, unsichtbare Hände tauchten tief in die lebenden Körper, um mit dem zu spielen, was sie dort vorfanden. Organe fielen aus den größer werdenden Löchern, Hände von Gelenken, Finger von Händen. Einige Körper fielen einfach auseinander, in Scheiben geschnitten. Männer und Frauen explodierten, zerrissene Stücke flogen durch die Luft, um von unsichtbaren Augen gesehen zu werden. Weggeworfene Innereien bedeckten die Straßen und Blut quoll aus den Gossen.

Das Schreien war das Schlimmste. Männer, Frauen und Kinder waren auf verschreckte, hilflose Tiere reduziert - um Hilfe flehend, die nicht kam.

Ich sah Familien die Straße herunterrennen, verfolgt vom Horror. Ein Mann fiel, die Beine direkt unterhalb der Knie abgeschnitten, und er versuchte, sich auf den blutenden Stümpfen weiter fortzubewegen. Bis etwas seinen Kopf von hinten öffnete und sein Gehirn in langen und blutigen Streifen herauszog. Eine Frau hing verzweifelt an einer offenen Tür, als etwas Unsichtbares sie verbissen an einem ausgestreckten Bein zog. Sie heulte wie ein wahnsinniges Tier, als ihre Rippen eine nach der anderen aus ihrem Brustkorb gezogen, kurz untersucht und dann auf die blutdurchtränkte Straße geworfen wurden. Und ich sah die Kinder …

Ich sah Lungen auf einem Haufen, eine auf der anderen, direkt neben einem Haufen Herzen, von denen einige noch schwach schlugen. Ein Mann saß allein da und weinte blutige Tränen aus seinen leeren Augenhöhlen. Eine Frau schrie sich die Seele aus dem Leib über dem, was von ihrer Tochter noch übrig war. Ich sah ganze Familien, von unsichtbaren chirurgischen Instrumenten reduziert auf ihre Einzelteile. Kalte, klinische Prozeduren, die immer weitergingen und immer weiter, bis schließlich das Schreien endete, weil keiner mehr lebte, der protestieren konnte.

Jeder in der Stadt Roswell war tot. Abgeschlachtet. Einfach nur so.


Der schwebende Bildschirm verschwand und nahm seine Ansichten von der Hölle auf Erden mit sich. Ich war so wütend, dass ich in meiner Rüstung zitterte. Meine Fäuste öffneten und schlossen sich hilflos. Honey hing an meinem Arm und machte kleine, schockierte Geräusche. Walker war weiter nach vorne gekommen und stand neben mir. Seine Augen waren voll kalter, gefährlicher Wut. Ich starrte das Alien vor mir an. Ich hatte noch nie in meinem Leben etwas so sehr gehasst.

»Warum?«, fragte ich.

»Ihr würdet das nicht verstehen«, sagte das Alien. »Könnt nicht. Ihr seid nur Menschen. Das begrenzt euch. Das ist notwendig. Du beanspruchst Autorität an diesem Ort, Drood, du bedrohst den Erfolg des Experiments. Geht. Alle. Geht fort aus Roswell, bevor wir in sechs Stunden beginnen. Sagt es allen. Erst ein Dorf, dann eine Stadt, dann die Welt. Wir werden mehr können, wenn wir mehr lernen. Wir werden euch und eure Welt neu erschaffen und wenn wir das getan haben, dann werdet ihr uns dafür danken.«

Ich machte einen Satz nach vorn in Richtung des Aliens, meine goldenen Fäuste mit schweren Dornen gespickt. Es verschwand, war in der nächsten Sekunde weg, und der Korridor wurde wieder normal. Keine fremden Lichter mehr, keine Energien, keine Raumzeitverwerfungen. Ich blieb stolpernd stehen und schrie in namenloser Wut auf. Ich wirbelte herum und schlug mit meiner goldenen Faust auf die nächste Wand ein. Ich schlug sie, weil ich irgendetwas schlagen musste, wollte ich nicht verrückt werden. Ich schlug wieder und wieder auf die Wand ein, und der Putz brach und die Ziegel krachten. Und dann zwang ich mich, innezuhalten, den Ärger zu unterdrücken und niederzuringen. Ich musste ihn für später aufheben. Ich rüstete ab und stand schwer atmend vor der ruinierten Wand. Walker und Honey kamen vorsichtig auf mich zu. Honey legte eine Hand auf mein Gesicht und wischte meine Tränen weg. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass ich weinte.

»Wir müssen die örtlichen Behörden warnen«, sagte Walker.

»Sie würden nicht auf uns hören«, sagte ich. Mein Hals tat weh, meine Stimme raspelte heiser. Ich hatte das Alien die ganze Zeit während der Präsentation angeschrien und auch das nicht gemerkt. »Würdet ihr ohne Beweise so etwas glauben? Und selbst wenn wir sie dazu brächten, das zu glauben, was würde das nützen? Ich glaube nicht, dass die Aliens sie in Ruhe ließen, und niemand hier hat irgendetwas, das man gegen unsichtbare Kräfte und Skalpelle tun könnte. Nein, wir müssen das erledigen. Wir stehen zwischen den Stadtleuten und den Aliens. Wir sind die Einzigen, die sie noch haben.«

»Aber was ist mit dem Spiel? Was ist mit Alexander Kings Preis?«

»Wie können Sie jetzt an so etwas denken?«, fragte Walker. »Nach allem, was wir gerade gesehen haben!«

»Es ist mein Job, ruhig und bei der Sache zu bleiben. Mich auf das größere Ganze zu konzentrieren, auf das, worauf es wirklich ankommt«, sagte Honey, und ihre Stimme klang absolut sachlich. »Was wir gesehen haben, was die Aliens tun wollen - dazu sind wir nicht hier. Ich habe eine Pflicht nicht nur den Leuten dieser Kleinstadt, sondern dem ganzen Volk gegenüber. Ihr habt das Ding gehört: Nach Roswell die Großstädte und dann die ganze Welt. Ich weiß nicht, was sie aufhalten könnte und ihr auch nicht. Aber vielleicht weiß Alexander King etwas. Vielleicht ist etwas in seinen gehorteten Geheimnissen, womit man das erledigt bekäme.«

»Das ist doch gar nicht der Grund, aus dem Sie die Geheimnisse wollen«, sagte Walker. »Sie wollen das Spiel gewinnen.«

»Wir wurden hierher geschickt, um das alte Roswell-Rätsel zu lösen, nicht dieses neue«, sagte Honey. »King kann einfach nichts davon gewusst haben. Also ist das irrelevant.«

»Du hast Angst«, sagte ich. »Angst vor dem, was du gesehen hast. Du kannst mit so etwas Großem, Wichtigem nicht umgehen, also versteckst du dich hinter den Regeln eines blöden, kleinen Spiels, damit es keine Rolle mehr spielt. Später ist auch noch Zeit für Wettbewerbe.«

»Tut mir leid«, sagte Honey. »Ich habe meine Befehle. Die Geheimnisse des Autonomen Agenten müssen in die Hände der richtigen Leute fallen.«

»Und meine Pflicht ist, dass Leute wie Sie niemals ihre Hände auf diesen Preis legen können«, sagte Walker. »Man kann euch nicht damit vertrauen.«

»Aber Ihnen kann man vertrauen?«, fragte Honey. »Kleiner Diktator einer kleinen Welt?«

»Mehr als Ihnen«, sagte Walker. Er sah mich an, kühl und gesammelt wie immer. »Es tut mir leid, Eddie. Der Wettbewerb muss zuerst kommen. Wir können uns von … kleineren Ereignissen nicht ablenken lassen, so verstörend sie auch sein mögen.«

»Wir sollten nicht vorschnell zu irgendwelchen Entschlüssen kommen«, sagte ich sorgfältig und hielt meinen Zorn in Schach. »Seid nicht so schnell mit dem Urteil, dass die Aliens nicht das sind, wofür wir hergeschickt wurden. Warum könnten diese Aliens nicht die Antwort auf das Roswell-Rätsel sein? Die Teleport-Armbänder haben uns aus einem ganz bestimmten Grund hier und jetzt abgesetzt. Also, lasst uns die Aliens aufhalten, die Stadt retten und Beweise davon zurück zu Alexander King bringen, damit wir den Preis beanspruchen können. Scheiß auf Es kann nur einen geben. Wir können die Informationen teilen.«

»Nein«, sagte Honey. Man musste zugeben, dass sie ehrliches Bedauern in der Stimme hatte. »Das Rätsel von Roswell lautet: Was ist hier 1947 abgestürzt? Und das hat nichts mit Viehverstümmelung zu tun. Das hat erst viel später angefangen. Und keines der ursprünglichen Aliens sah auch nur annähernd so aus wie das Ding, das wir gerade gesehen haben.«

»Warum sind diese neuen Aliens dann hier?«, fragte ich. »Warum sollten sie aus allen Kleinstädten der Welt ausgerechnet Roswell ausgesucht haben?«

»Vielleicht, weil Roswell so starke Alien-Verbindungen hat«, sagte Walker. »Um das, was hier passiert, dem Rest der Welt … sichtbarer zu machen. Eine Alien-Gräueltat in dieser Stadt würde in der ganzen Welt bekannt.«

»Wir sind nicht hier, um Helden zu sein«, sagte Honey. »Wir sind hier, um Agenten zu sein. Die Antwort auf eine bestimmte Frage zu finden. Das kommt zuerst. Das ist der Job. Und Eddie, ich glaube nicht, dass meine Vorgesetzten in Langley damit einverstanden wären, Kings Geheimnisse mit jemand anderem zu teilen. Das würden sie vielleicht sogar Verrat nennen. Also, ich werde tun, was ich tun muss. Ich kenne meine Pflicht.«

»Das tue ich ebenfalls«, sagte Walker. »Man kann Ihnen mit Kings Geheimnissen nicht vertrauen, Honey. Oder Ihren Meistern. Ich bin nicht sicher, dass irgendjemand das kann. Also werde ich das Spiel gewinnen, die Geheimnisse nehmen und sie tief in der Nightside vergraben, wo keiner sie je finden wird.«

»Und die Leute von Roswell?«, fragte ich.

»Wir haben später noch Zeit für Rache«, sagte Walker.

»Meine Pflicht ist es, die Menschen vor äußeren Bedrohungen zu schützen«, sagte ich. »Alle Leute, überall. Zum Teufel mit all den Spielen, Geheimnissen und der Politik. Die Menschen kommen immer zuerst. Geht mir aus den Augen, beide. Geht euer tolles Spiel spielen. Und wenn das hier vorbei ist, ich die Aliens aufgehalten und die Stadt gerettet habe - dann werde ich kommen und euch finden und euch euren kostbaren Preis wieder abnehmen.«

»Du musst tun, was du tun musst«, sagte Honey. »Und ich werde tun, was ich tun muss. Ich hoffe, du besiegst die Aliens, Eddie, das tue ich wirklich.«

»Ja«, sagte Walker. »Es tut mir leid, dass es so enden muss, Eddie. Aber wir alle müssen unsere Pflicht auf unsere Art erfüllen. Viel Glück.«

Und plötzlich gingen wir alle unsere eigenen Wege.


Ich ging langsam durch die bevölkerten Straßen von Roswell, ein Einzelner mitten in einer nichtsahnenden Menge - und alle waren totes Fleisch. Solange, bis ich einen Plan entwickelt hatte, um sie zu retten. Es war schwer, ihnen nicht in die glücklichen, unschuldigen Gesichter zu starren. Wie konnten sie nicht wissen, in was für einer großen Gefahr sie schwebten? Konnten sie die Spannung in der Luft nicht fühlen, die ersten Echos des Schreckens, der immer näher kam; so nah, dass sie beinahe nur die Hand ausstrecken mussten, um ihn anzufassen? Natürlich wussten sie nichts, sie lebten in ihrer eigenen Welt und ich in meiner - und es war mein Job, sie nie erfahren zu lassen, dass meine Welt überhaupt existierte.

Fünfeinhalb Stunden jetzt, und die Zeit lief …

Ich schritt nun entschlossener voran, auch wenn ich noch kein Ziel hatte. Ich hatte nur den Drang, vorwärtszukommen, damit ich mich wenigstens so fühlte, als täte ich etwas. Ich konzentrierte mich erst auf die eine, dann eine andere Idee und runzelte beim Denken so heftig die Stirn, dass die Leute sich beeilten, mir aus dem Weg zu gehen. Ich hätte Roswell einfach verlassen können. Ein Auto herbeirufen und was das Zeug hielt aus der Stadt rasen, bis ich aus dem Alien-Kommunikations-Blackout raus war. Nach meiner Familie schreien und um Verstärkung und Unterstützung bitten. Wenn man nur genug Droods an einem Ort zusammenbringt, dann geht der Feind in Flammen auf. Natürlich konnte man nicht sagen, wie lange das dauern würde; alles könnte schon vorbei sein, wenn ich wieder zurückkam. Und dann gäbe es nichts weiter zu tun, als die Sache unter Verschluss zu halten und sicherzustellen, dass die Aliens ihre blutigen Experimente nirgendwo anders durchführten. Wie Walker gesagt hatte: Zeit für Rache ist immer. Aber wer wusste schon, worauf ich außerhalb der Stadt treffen würde. Die Aliens könnten mich an den Stadtgrenzen einfach aufhalten und gefangen nehmen, und dann wäre keiner mehr übrig, um sich zwischen die Bewohner und die Außerirdischen zu stellen.

Das konnte ich nicht riskieren.

Nein. Meine einzige realistische Chance war die, die Operationsbasis der Aliens zu finden und auszuschalten, noch bevor sie mit irgendetwas begannen. Ein Mann gegen eine unbekannte Anzahl von Aliens und eine unbekannte Menge von außerirdischer Technologie. Für jeden anderen wäre das Selbstmord gewesen, doch ich war ein Drood, mit einer Droodschen Rüstung und dem entsprechenden Training. Und die Aliens würden schon rausfinden, was das bedeutete. Also würde ich es von der Seite anpacken. Wenn die Aliens also die Kommunikation behinderten, die aus Roswell heraus- und in die Stadt hineinging - dann ergab es Sinn, dass das Störsignal von einer Apparatur innerhalb der Stadt kam. Und ein Störsignal von der Stärke musste ganz schön energiereich sein und seine speziellen Spuren im örtlichen elektromagnetischen Spektrum hinterlassen. Natürlich geschützt vor der Entdeckung durch irdische Technologie.

Aber nicht vor mir.

Ich konzentrierte mich entschlossen auf meinen Torques, lockte und zwang ihn dazu, etwas ganz Neues zu versuchen. Bis er schließlich einen langen, dünnen Faden produzierte, der meinen Hals hinauf zu meinen Augen kroch und dort eine schicke neue Sonnenbrille formte. Ein absolut minimalistischer Gebrauch meiner Rüstung und hoffentlich nicht ausreichend, um irgendein Alien-Alarmsystem zu aktivieren. Ich konzentrierte mich auf meine Sicht, durch die goldene seltsame Materie vor meinen Augen hindurch, und sah die Stadt Roswell jetzt wirklich sehr klar. Teilweise - ich hatte meine Rüstung noch nie nur teilweise benutzt. Ich machte mir eine gedankliche Notiz, mit meiner Familie darüber zu reden, wenn ich zurückkam. Vorausgesetzt, ich kam überhaupt zurück, natürlich.

Meine verstärkte Sicht zeigte mir ein völlig neues Roswell. Dunkle Gestalten trieben durch die Straßen wie bewegte Schattenfetzen; hier und da berührten sie flüchtig Menschen, die sofort durch das vage Gefühl einer Bedrohung oder Unbehagen gestört wurden. Derartige elementare Geister werden immer von Standorten mit potenzieller spiritueller Zerstörung angezogen. Sie ernähren sich wie Geier von den grimmigeren und negativen Emotionen. Auf der anderen Seite standen auch Lichtwesen herum und beobachteten die Stadt. Sie bestanden aus schillerndem Licht und Energie, die sich menschliche Gestalt gegeben hatten, beinahe abstrakte menschliche Wesen. Ihre Erscheinung hier war gleichzeitig ein gutes und auch ein schlechtes Zeichen. Es bedeutete, dass etwas extrem Gefährliches hier passieren würde, bei dem viele Leben auf dem Spiel standen; es hieß aber auch, dass sie einen Agenten des Guten erwarteten, der für seine Seite kämpfen würde. Ich halte die Lichtwesen für eine Art grundsätzlich gutherziger und übernatürlicher Sportfans. Es gab auch Geister und halbdurchsichtige Erinnerungen von vergangenen Ereignissen, zusammen mit andersdimensionalen Entitäten und Wanderern, die einfach nur auf der Durchreise waren. Keiner von ihnen spielte eine Rolle. Ich sah mich langsam um und surfte dabei durch die verschiedenen Informationsquellen, die den örtlichen Äther durchdrangen, und schon fiel es mir auf. Eine seltsame außerirdische Energie, die von einem Ort direkt in der Stadtmitte aus sendete.

Ich hatte sie gefunden.

Ich ging auf die Quelle des außerirdischen Signals zu. Mir begegneten immer weniger Menschen, je näher ich ihm kam. Ich hatte sogar das Gefühl, dass die paar Leute, die noch auf der Straße waren, flüchteten. Ich hielt einige an und fragte, wovor sie flohen … und war nicht überrascht, dass sie mir das nicht sagen konnten. Sie wussten es nicht. Sie wussten nur, dass sie nicht dort sein sollten. Die Quelle selbst stellte sich als etwas heraus, das sehr wie ein riesiger über zehn Meter hoher und beinahe so breiter Termitenhügel aussah, der in einem verlassenen Hinterhof aus der Erde gebrochen war. Hier war niemand mehr, die umgebenden Straßen waren still und leer. Ich untersuchte den außerirdischen Hügel aus dem Schatten einer Seitengasse, meine verstärkte Sicht gab mir dabei alle Informationen, mit denen ich umgehen konnte. Der Hügel selbst war eine seltsame Mischung aus Technologie und organischen Materialien. Er war sowohl gewachsen als auch gebaut, seine immensen Flanken wogten langsam, klebrig und schwitzend, als ob er von flüchtigen Träumen beunruhigt würde. Es gab dunkle Eingangslöcher überall, die kein erkennbares Muster ergaben. Die trockene und gebrochene Erde um die Basis des Hügels herum ließ die Schlussfolgerung zu, dass er von unten nach oben geschoben worden war und dass unter der Oberfläche des Hinterhofs noch sehr viel mehr davon war. Was ich sah, war wahrscheinlich nur die Spitze einer Alien-Pyramide. Ich sah für eine ganze Weile nur hin, aber nichts kam heraus oder ging hinein.

Abgesehen von dem Störsignal sendete der Hügel auch ein starkes Vermeidungsfeld. Mehr als nur die üblichenGuck mich nicht an, hier gibt es nichts zu sehen, bitte gehen Sie weiter-Suggestionen; das war Bewusstseinsmanipulation, ein Feld, das stark genug war, dass Leute nicht einmal über den Alienhügel nachdachten oder irgendetwas Besonderes damit verbanden. Kein Wunder, dass alle in Roswell so unnatürlich ruhig und gelassen zu sein schienen: Das Alien-Signal tat alles, außer ihnen das Gehirn zu entfernen, um sicherzugehen, dass sie für das große Experiment auch ja an Ort und Stelle blieben. Vermutlich würde das Signal abgeschaltet, sobald der Aderlass begann, damit die Aliens das volle Spektrum menschlicher Reaktionen darauf, was man ihnen antat, beobachten konnten.

Meine Sicht drang ohne weiteres durch das Vermeidungsfeld, aber ich wusste, ich konnte das nicht allzu lang riskieren, ohne entdeckt zu werden. Es musste alle möglichen Beobachtungsvorrichtungen innerhalb des Hügels geben. Ich merkte mir soviel Informationen wie ich mit schnellen Blicken aufschnappen konnte, jederzeit bereit, meine Sicht beim ersten Anzeichen, dass ich entdeckt wurde, herunterzufahren. Ich konnte keine Alarmsysteme oder Annäherungsfelder oder Fallen entdecken - nur den Hügel, der sich im Hinterhof breitmachte; krank, arrogant und gelassen, wie ein Abszess in der Welt. Seiner eigenen Stärke und Überlegenheit der menschlichen Rasse gegenüber so sicher, dass sich für ihn gar nicht die Notwendigkeit ergab, sich zu schützen.

Idioten.

Ich sah auf die Uhr. Vierdreiviertel Stunden, und die Zeit lief.

Ich bekam auf einmal das Gefühl, dass ich beobachtet würde. Zuerst dachte ich, es sei der Hügel, dass irgendein außerirdisches Gerät endlich auf die Gegenwart meines Torques reagiert und sich auf mich eingeschossen hatte. Aber es fühlte sich eher so an, als sei es eine Person, weniger ein Etwas, die mich von hinten betrachtete. Dass dieser Jemand sich an mich herangeschlichen hatte, während ich mich auf den Hügel konzentriert hatte. Walker war überzeugt gewesen, dass uns jemand durch die Straßen von Roswell folgte - und wir hatten nie herausgefunden, wer das war. Gab es vielleicht eine unbekannte dritte Partei, die hier in Roswell arbeitete? Jemand mit eigenen Plänen? Wer auch immer das war, es fühlte sich so an, als sei er mir jetzt sehr nah. Ich ließ meine Hand beiläufig an den Griff meines Revolvercolts gleiten, nahm einen langsamen, tiefen Atemzug und wirbelte dann mit der Waffe in der Hand schnell herum.

Vor mir stand Walker, in gebührendem Abstand, und lehnte sich lässig auf seinen zusammengerollten Regenschirm.

»Hallo, Eddie, da bin ich wieder. Ich stehe schon eine ganze Weile hier und warte darauf, dass Sie mich bemerken.«

»Ich war beschäftigt«, sagte ich. »Damit, mich auf den Alien-Hügel zu konzentrieren.«

»Natürlich waren Sie das. Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Waffe tragen.«

»Es gibt eine Menge Dinge, die Sie von mir nicht wissen«, erwiderte ich und steckte den Revolvercolt wieder weg. »Sogar ein Drood hat immer gern ein oder zwei Asse im Ärmel. Und ich mag Asse, die ›Peng‹ machen. Wie sind Sie hierhergekommen?«

Walker lächelte andeutungsweise. »Ich habe meine Methoden.«

»Sie sind mir gefolgt, nicht wahr? Und ich war so damit beschäftigt, das Alien-Signal zu finden, dass ich Sie nicht einmal bemerkt habe.«

»So war es gar nicht.« Walker kam vor und stellte sich neben mich. Er schürzte beim Anblick des Alien-­Hügels die Lippen. »Ein hässliches Ding. Nein, ich habe einfach ein Gefühl für solche Sachen und das hat mich hergebracht. Wie ein schlechter Geruch. Ich hatte so das Gefühl, als folge man mir.« Er sah schnell über seine Schulter, doch die Straße war so still und leer wie vorher. Walker schnüffelte. »Wer auch immer es ist, ich habe nicht einmal aus den Augenwinkeln einen Blick auf ihn werfen können, und vor mir kann man sich wirklich nur sehr schwer verstecken.«

»Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass da ein anderer Agent ist«, sagte ich. »Einer von unserem Kaliber, mit einem eigenen Interesse an dem, was hier passiert.«

»Sollen sie's beobachten«, meinte Walker. »Wir haben zu tun.«

Ich hob eine Augenbraue. »Also haben Sie sich doch entschlossen, meiner Ansicht zu folgen? Was ist mit Ihrer Pflicht, Alexander Kings Preis zu gewinnen, damit die anderen ihn nicht bekommen?«

Er wich meinem Blick nicht aus. »Ich habe zu meiner Zeit einfach zu viele Leute sterben sehen. Ich kann einfach nicht wegsehen und das wieder passieren lassen. Sie hatten recht, Eddie, wir können Honey und ihren kleingeistigen Vorgesetzten den Preis immer noch wieder abnehmen und teilen - was auch immer sich dahinter verbergen mag. Immerhin sind wir Profis.«

Wir wechselten ein kurzes Lächeln. Einer plötzlichen Eingebung folgend streckte ich die Hand aus und er schüttelte sie ernsthaft.

»Gut zu wissen, dass jemand hier ist, um Schmiere zu stehen, während ich in diesem Hügel bin.«

»Zur Hölle damit«, sagte Walker leichthin. »Sie können für mich Schmiere stehen - ist diese Sonnenbrille das, was ich denke? Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so etwas mit Ihrer Rüstung machen können.«

»Sehen Sie?«, meinte ich. »In meiner Nähe kann man immer etwas lernen.«

»Ganz sicher hat es mich einiges gelehrt«, stimmte Walker zu. »Kann Ihre Sicht den besten Weg hineinfinden? Die Zeit läuft uns davon.«

Ich sah zu dem Hügel hin. »Es gibt keine erkennbaren Verteidigungen, keine Kraftfelder, Annäherungsminen, Energiewaffen. Kein chemisches oder biologisches Agens. Nichts kann uns abhalten, hineinzugehen. Sie haben allerdings ein sehr starkes Vermeidungsfeld, vielleicht verlassen sie sich darauf.« Ich sah Walker an. »Warum hat das Feld keine Wirkung auf Sie? Sie sollten nicht einmal in der Lage sein, den Hügel zu bemerken.«

»Es gibt eine Menge Dinge, die Sie von mir nicht wissen«, meinte Walker.

Ich musste lächeln. »Keine der Öffnungen scheint benutzter oder wichtiger zu sein als die anderen. Also können wir uns nach Belieben eine an der Basis aussuchen und einfach hineingehen. Und hoffen, dass meine Sicht uns dorthin bringen kann, wo wir gebraucht werden.«

»Sie sind kein Freund von genauer Planung, nicht wahr?«, fragte Walker. »Dann mal los.«

»Ja«, sagte ich. »Lassen Sie uns in die Unterwelt gehen und diesen Alien-Arschlöchern zeigen, wie die Hölle auf Erden wirklich aussieht.«


In dem Moment, in dem ich durch den halbkreisförmigen Eingang in den Hügel selbst hineinging, hörten die Dinge auf, Sinn zu ergeben. Der Eingang wurde zum Tunnel, plötzlich groß genug, um eine U-Bahn zu fassen. Ein schimmerndes Licht erleuchtete ihn. Der Tunnel fiel steil ab, von mir fort. Die Wände waren klebrig und feucht, ihre Oberfläche ging langsam in den Boden über und verschwand darin. Seltsame Auswüchse erblühten in der Wand und fielen wieder in sich zusammen; undefinierbare Formen, die Maschinen oder Organe oder etwas ganz anderes waren, für das die Menschheit keine Namen hatte. Die Luft war dick und roch faulig, aber sie war immer noch atembar.

Ich ging weiter durch den Tunnel, Walker unmittelbar neben mir. Ich war froh, ihn dabeizuhaben, jemanden, auf den man sich verlassen konnte. Als Drood-Agent hatte ich mehr als nur meinen Teil von so einem seltsamen Mist gesehen, aber dieser Ort hier jagte mir echt Angst ein. Alle paar Meter öffneten sich neue Durchgänge oder Öffnungen in der Wand und es wurde schnell klar, dass wir uns in einer Art Labyrinth oder Bienenstock befanden. Ich ging dennoch weiter und folgte dabei meiner Sicht, direkt ins dunkle, schlagende Herz dieses Hügels. Ich konnte seine Präsenz weit unten spüren, wie das Monster, das in jedem Labyrinth auf die Helden wartet.

Das Monster, das viel öfter gewinnt, als das Märchen gemeinhin verrät.

Soweit zumindest war alles bekannt, aber als Walker und ich weiter hinabstiegen, wurden die Umstände immer fremdartiger, seltsamer und leicht verstörend. Es wurde schwer, Entfernungen abzuschätzen, die Dinge schienen sich plötzlich nach vorn zu bewegen und dann zurückzukehren, sich endlos nach vorn zu strecken und dann zu verschwinden oder hinter einem wieder aufzutauchen. Da waren Dinge in der gewölbten Decke, die auf mich herunterstarrten und mir langsam mit Blicken folgten, wenn ich vorbeiging. Die Aliens wussten, dass wir hier waren, aber ich sah immer noch keinen, nirgendwo. Gelegentlich erweiterten sich die Tunnels zu großen Kammern, deren Form gar keinen Sinn ergab; die selbst unter dem Schutz meiner goldenen Sonnenbrille in meinen Augen schmerzten, wenn ich zu lange darauf sah. Ich wusste nicht, wie Walker damit fertig wurde. Kaum hatten wir den Eingang passiert, sprachen wir nicht einmal mehr miteinander, so als gehöre menschliche Sprache einfach nicht hierher.

Es gab in den Kammern Objekte, die ich nicht direkt ansehen konnte: Formen ohne Bedeutung, Formen ohne Funktion. Schatten huschten über den Boden und änderten ihre Gestalt wie Öl auf Wasser und reagierten auch dann nicht, als ich durch sie hindurchging. Die Schwerkraft fluktuierte so stark, dass ich manchmal auf und ab schaukelte wie ein Ballon an einem Faden. Manchmal war alles, was ich tun konnte, einfach weiterzutrotten, als trüge ich wie weiland Sindbad der Seefahrer den Alten Mann der Meere auf dem Rücken, den dieser erst losgeworden war, als er den Alten mit Wein abgefüllt hatte. Mein Richtungssinn schwankte hin und her, ohne meinen Torques und meine Sicht wäre ich in Minuten verloren gewesen. Ich wusste nicht immer genau, wohin ich ging, aber ich wusste immer, wo ich abbiegen und welche Öffnung ich nehmen musste. Der Boden fiel immer noch ab und brachte mich in das unterirdische Herz des Hügels. Zu dem Ort, an dem all die üblen Dinge entschieden wurden. So viel wusste ich immerhin, selbst wenn ich nicht immer den Mann neben mir erkannte.

Das Atmen wurde schwerer, das Denken auch. Aber jedes Mal, wenn meine Gedanken abzudriften drohten, musste ich nur wieder an die Vision denken, die mir der Alien in der Leichenhalle gezeigt hatte, und eine kalte Wut blies mir die Spinnweben von meinen Gedanken. Dann war ich wieder in der Lage, klar zu denken. Ich war hier, um den Aliens Blut und Schrecken zu bringen und niemand war in der Lage, das zu stoppen.

Nicht einmal ich selbst.

Ein Alien schoss aus einem Seitentunnel heraus und blieb dann abrupt stehen, um uns den Weg zu versperren: ein großer Haufen von sich windenden Schlangen, sich drehenden Tentakeln und dicken Fäden, die schmolzen und sich miteinander verknoteten. Ich hielt an, erstarrte zur Salzsäule und sah das Alien ohne zu blinzeln an. Walker stand neben mir. Das Alien machte keine Anstalten, sich zu bewegen oder nach seinen Sicherheitsleuten zu rufen. Ich spannte mich an und erwartete halb die unsichtbaren Skalpelle, doch dann konzentrierte ich mich darauf, wie man das Ding wohl töten konnte. Ich wollte meine Rüstung noch nicht vollständig aufrufen, da die Präsenz von so viel seltsamer Materie eine ganze Menge Alarmsysteme hätte auslösen können. Ich hatte zwar meinen Revolvercolt, aber selbst die Menge verschiedener Kugeln, die er abfeuern konnte, hätte wohl auf diesen Haufen siedender Schläuche kaum einen Effekt gehabt.

»Erlauben Sie«, sagte Walker. Seine Worte waren nur ein Hauch in meinem Ohr.

Er packte seinen Regenschirm fester, zerrte und drehte und zog dann aus der versteckten Scheide eine lange, dünne Stahlklinge. Er schritt zielbewusst nach vorn und zerschnitt und zerhackte das Alien mit kalter, strenger Wildheit in hundert Stücke. Die Stahlklinge schnitt durch die sich windenden Schläuche, als wären sie Butter, schlitzte und öffnete sie beinahe ohne Widerstand. Das Alien schien eher überrascht als irgendetwas sonst zu sein. Es machte keinen Versuch, sich zu verteidigen, sondern glitt langsam wieder in den Tunnel. Walker folgte ihm und schnitt es weiter mit bösartiger Präzision auf, unermüdlich hob und senkte sich sein Arm. Kein Blut flog durch die Luft, nur ein klarer, dicker Schleim tropfte aus den abgetrennten Enden der zuckenden Tentakel, die sich schwach auf dem Tunnelboden wanden. Schon bald bewegte sich das Alien nicht mehr, weil nicht mehr genug da war, es zusammenzuhalten. Walker schlug noch darauf ein, bis es kein Stück mehr gab, das größer als ein paar Zentimeter gewesen wäre, damit beendete er die Sache. Selbst in diesem Stadium waren keine Anzeichen eines Organs in dem Alien zu sehen. Nur die endlos langen Schläuche.

Walker hielt inne und senkte sein Schwert. Er stand über den Überresten des Außerirdischen und ließ seinen Blick langsam über die auf dem Boden verteilten Stücke gleiten. Er atmete schwer, aber eher aus Emotionalität als vor Erschöpfung. Er richtete sich auf, schüttelte ein paar Tropfen der klaren Flüssigkeit von seiner Schwertspitze und steckte es dann ordentlich wieder in den Stock seines Schirms.

»Ein Schwert?«, sagte ich schließlich. »Versteckt in einem Regenschirm?«

»Zeigen Sie nur keine Ignoranz!«, sagte Walker. Sein Atem ging schon wieder normal. »Das ist eine alte Tradition in der britischen Spionage. Erwähnen Sie es Ihrem Waffenmeister gegenüber. Er wird sich daran erinnern.«

»Warum hat der Tod dieses Aliens keinen Alarm ausgelöst?«, fragte ich und sah mich böse in dem schmerzhaft grellen Licht um.

»Vielleicht haben sie keine so grundsätzliche Antwort erwartet«, sagte Walker. »Es gibt den Ausdruck ›überentwickelt‹.«

»Und was, wenn noch mehr Aliens auftauchen?«

»Lassen Sie sie kommen«, erwiderte Walker. »Mir ist sehr danach, noch mehr Aliens zu töten. Ich möchte ihre Körper unter meinen Füßen zertreten und in ihrem Blut tanzen.«

»Gut«, sagte ich. »Das will ich auch.«


Die Operationszentrale stellte sich als eine Wabe aus miteinander verbundenen Tunneln, Höhlen und etwas heraus, das möglicherweise andersdimensionale Räume waren. Es gab Öffnungen und Eingänge, die die Form änderten, sobald man darauf zuging, Tunnel, die im Kreis verliefen, wenn man sich nicht stark genug auf seine Richtung konzentrierte, sowie schwebende Bildschirme, die an- und ausgingen und blitzartig Ausblicke auf beunruhigend unirdische Welten zeigten. Es wurde immer schwerer, sich über irgendetwas sicher zu sein. Allein in diesem außerirdischen Hügel zu stecken zersetzte mein Denken und füllte meinen Kopf mit plötzlichen Ideen und Impulsen, die keinen Sinn ergaben. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Meine innere Uhr funktionierte nicht. Aber ich musste daran glauben, dass immer noch Zeit war, die Aliens aufzuhalten, oder alles war umsonst gewesen.

Ich ging in eine Kammer hinein, die wie alle anderen aussah, und stoppte sofort wieder. Walker hielt neben mir an und fluchte leise. Wir waren nicht die einzigen Menschen in diesem Hügel. Die Aliens hatten Männer, Frauen und sogar Kinder aus Roswell entführt und mit ihnen experimentiert: um Informationen zu erhalten oder aus Neugier oder als Vorbereitung für die Experimente, die sie planten. Oder vielleicht auch nur, weil sie das konnten. Für irgendeinen außerirdischen Zweck, von dem ich nicht hoffen konnte, ihn jemals zu verstehen oder zu vergeben.

Etwa vierzig Männer, Frauen und Kinder lagen über den klebrigen Boden des großen, offenen Gewölbes verteilt. Noch mehr ragten aus den Wänden, halb eingesunken und von der schwitzig feuchten Oberfläche halb verschlungen. Es gab keine Käfige, keine Gitter, keine Kraftfelder. An diesen Menschen hatte man einfach ein wenig … herumexperimentiert und sie dann achtlos hierher geworfen, egal, ob lebendig oder tot. Viele waren tot, ihre gebrochenen und entstellten Körper waren nicht in der Lage gewesen, die schrecklichen Dinge auszuhalten, die man mit ihnen angestellt hatte.

Doch die meisten waren nicht so glücklich gewesen. Sie lebten noch, waren bei Bewusstsein und litten.

Ihre Körper waren bei lebendigem Leib seziert worden. Geöffnet und verändert, für chirurgische Experimente missbraucht. Nicht die brutalen Verstümmelungen, die ich an dem Farmer in der Leichenhalle gesehen, oder jene, die ich in der Zukunftsvision des Aliens erblickt hatte. Das meiste hier war mit einer bestimmten Absicht geschehen, selbst wenn diese nicht erkennbar war. Diese Leute waren geöffnet worden, die Organe entnommen und dann wieder an anderen Stellen eingesetzt worden, wo sie auf andere Weise arbeiten mussten. Einige Organe waren durch außerirdische Prothesen ersetzt worden, pulsierende, organische Maschinen, die sich selbst um Nieren und Lungen und Gedärme schlangen.

Ich ging langsam in die Kammer hinein, ein Traum, ein Albtraum, aus dem ich dringend erwachen wollte. Ein Mann lag auf dem Rücken, aufgeschlitzt vom Schritt bis zur Kehle, die Wundränder mit Stahlklammern festgetackert, sodass man sehen konnte, dass man ihn mit zusätzlichen menschlichen Organen vollgestopft hatte. Es gab noch andere wie ihn, mit mehreren Lungen, einem halben Dutzend Nieren, die man miteinander verbunden hatte, oder kilometerlangen zusätzlichen Därmen, die auf der ganzen Länge des Torsos aus der Haut hinaus- und wieder hineinführten. Andere waren ausgeweidet, mit nichts mehr darin als ein paar Fäden des außerirdischen Gewebes, das unbekannte außerirdische Funktionen erfüllte.

Die Kinder waren am schlimmsten. Ich konnte sie nicht ansehen.

»Du lieber Gott«, sagte Walker. »Was … was ist das, Eddie? Spielen die Aliens mit ihnen?«

»Ich glaube … sie versuchen, uns aufzuwerten«, sagte ich. »Aus ihrer Sicht. Uns besser zu machen. Mehr wie sie.«

»Geht es darum?«, meinte Walker. »sie verbessern uns … zwangsweise?«

»Alles zu unserem Besten«, erwiderte ich und erkannte meine eigene Stimme nicht. »Das sagte das Alien. Erinnern Sie sich?«

»Was sollen wir tun?«, fragte Walker. »Was können wir tun? Ich meine, wir können sie hier nicht so zurücklassen.«

»Nein, können wir nicht. Das wäre … unmenschlich.«

Ich rüstete auf und nahm meine Schlachtgestalt ein, die mit den rasiermesserscharfen Klingen. Und dann trat ich zwischen die leidenden Menschen und schenkte ihnen den einzigen Trost, den ich ihnen geben konnte. Ich tötete sie. Alle. Ich sauste in der großen Kammer hin und her, schnitt Kehlen auf, trat auf Köpfe, tötete die Männer, Frauen und Kinder so schnell und gnädig, wie ich konnte. Ich schlug Köpfe ab und zerstach außerirdische Organe wieder und wieder, bis sie aufhörten, sich zu bewegen. Ich schnitt und hackte und stach; ich tat, was immer ich tun musste, um diese Obszönität zu stoppen. Es war nicht leicht: Die Aliens hatten dafür gesorgt, dass ihre verbesserten Menschen schwer zu töten waren.

Einige von ihnen hatten immer noch Stimmen. Ich glaube, einige sprachen mich an, aber ich lasse die Erinnerung an das, was sie sagten, nicht zu.

Ich ging schreiend und heulend durch diese Kammer, zerrte die Körper aus der Wand, riss sie mit brutaler Kraft auseinander, schrie Beschimpfungen und Gebete. Blut sprühte über meine Rüstung und rann in dicken dunkelroten Strömen daran herunter. Ich tötete alle, und als es vorbei war, als ich die einzige Gnade verteilt hatte, die ich geben konnte, rüstete ich ab und stand zitternd und weinend mitten in dem Leichenhaufen. Drood-Agenten sind darauf trainiert, mit dem Schrecken umzugehen, Taten und Entscheidungen zu überleben, die kein anderer aushalten konnte, aber es gibt Grenzen. Es muss Grenzen geben, oder wir wären nicht mehr menschlich.

Walker hatte sich wohlweislich zurückgehalten. Er kam jetzt vor, trat vorsichtig zwischen Blut und Innereien, legte die Arme um mich und hielt mich fest, während ich weinte. Für einen Moment fühlte es sich an, als wäre mein Vater bei mir und ich war etwas getröstet. Nach einer Weile fand ich die Kraft, mich wieder aufrecht hinzustellen und Walker ließ mich auf der Stelle los und trat zurück. Er sah schweigend zu, wie ich mir die Tränen aus dem Gesicht wischte und einen tiefen, ruhigen Atemzug nahm.

»Zur Hölle mit ihnen«, sagte ich, und meine Stimme war kalt. Eiskalt. »Zur Hölle mit diesen Aliens dafür, dass sie mich gezwungen haben, das zu tun.«

»Ja«, sagte Walker.

»Die Aliens müssen sterben«, sagte ich. »Alle müssen sie sterben. Keine Verträge oder Abkommen. Keine Gnade. Ich muss ein Exempel statuieren. Dass keiner mit so etwas davonkommt.«

»Ich habe nichts anderes erwartet«, sagte Walker.


Das Operationszentrum war nicht weit entfernt. Meine Sicht führte mich direkt dorthin. Nur eine weitere Höhle, vielleicht etwas größer als die anderen. Die feuchten, gewölbten Wände waren beinahe unter daraus herausragenden außerirdischen Maschinen und einigen Dingen, die wenigstens halb lebendig aussahen, begraben; voller metallener Antennen und Lichtern wie starrenden Augen. Lange, silbrige Auswüchse hingen von der hohen Decke, sich windend, drehend und zuckend, vielleicht aufgrund einer nicht spürbaren Brise oder vielleicht nur, weil sie nicht erkennbare Gedanken und Impulse übertrugen. Und da waren auch die Aliens, ganze Haufen von ihnen, die an irgendwelchen Aufgaben arbeiteten, die man nicht erkennen konnte, während sie über den glatten Boden rutschten wie Knäuel verknoteter Seile. Sie bedienten die unnatürliche Technik mit Gliedern oder Manipulatoren, die speziell für den jeweiligen Zweck ausgeformt waren. Sensorische Organe waren ausgebildet worden, die die Form von Augen angenommen hatten oder die von etwas Blühendem oder gerippte, saugende Mündungen.

Sie alle hielten im selben Moment inne, dann rollten drei von ihnen zusammen, verschmolzen und verdrehten sich zu einem einzigen, riesigen Haufen von über zweieinhalb Metern Höhe. Hunderte von tropfenden Tentakeln, die man aufeinander gestapelt hatte. Verstörend menschlich aussehende Augenbälle formten sich am Ende von zuckenden Auswüchsen, alle auf mich und Walker gerichtet. Eine grell pinkfarbene Sprechtrompete bildete sich unter den Augen und pulsierte rhythmisch in dunkelrot.

»Willkommen«, sagte es. »Seid unbesorgt. Ihr werdet nicht getötet, ihr seid nützlich. Für uns von Nutzen. Ihr habt beeindruckende Fähigkeiten gezeigt. Euer Wert wird unserem hinzugefügt und wenn ihr euch verbessert habt, werden wir euch in eure Welt hinausschicken, um uns den Weg zu bereiten. Ihr sollt unsere Stimme sein, unsere Botschafter und Propheten.«

»Da würde ich kein Geld drauf wetten«, sagte ich.

»Ihre Sprache hat sich verbessert«, sagte Walker.

»Übung macht den Meister«, erwiderte ich.

Teile des großen Aliens langten jetzt zu den semiorganischen Maschinen hinüber, die aus dem Boden ragten. Die Augenbälle starrten uns immer noch direkt an. Cremig weiße Augenbälle ohne Adern und mit rein schwarzer Iris.

»Ich habe eure schiefgegangenen Experimente entsorgt«, sagte ich. »Die Leute, die ihr ruiniert und weggeworfen habt. Sie sind alle tot.«

»Es waren Fehlschläge«, sagte das Alien. »Ohne weiteren Nutzen für uns. Ihr werdet von Nutzen für uns sein. Es gibt viel, was wir mit euch tun können.«

»Eher würde ich sterben«, sagte Walker. »Allerdings wäre es besser, wenn ihr zuerst stürbt.«

»Ich repräsentiere die Droods«, sagte ich und hob meine Stimme, sodass alle sie hören konnten. »Keine Alienspezies, die diesen Planeten besucht, geht irgendwohin oder tut auf dieser Welt etwas, ohne dass wir zustimmen. Wir existieren, um die Menschheit vor Dingen wie euch zu beschützen. Ihr hättet zuerst zu uns kommen sollen. Wir hätten etwas arrangieren können. All das verhindern.«

»Nein«, sagte das Alien. »Das ist notwendig. Ihr seid klein, begrenzt, nicht in der Lage, zu verstehen, was das Beste für euch ist. Das wissen wir. Wir sind erfahren darin, Spezies zu ändern und zu verbessern.«

»Das habt ihr schon einmal getan?«, sagte Walker. »Auf anderen Welten?«

»Auf vielen anderen Welten«, sagte das Alien. »Ihr müsst geändert werden, eure Spezies ist ineffizient. Sie wird die Zukunft, die kommt, nicht überleben. Ihr geht verschwenderisch mit eurem Potenzial um, aber das kann verbessert werden. Erneuert. Ihr dürft nicht versuchen, das zu verhindern. Das verschwendet Zeit, Energie und Ressourcen. Wir tun hier etwas Wichtiges. Ihr werdet es uns später danken. Das ist unsere Arbeit. Unsere Verantwortung. Unsere Freude. Wir verbessern Dinge.«

»Nicht hier«, sagte ich. »Nicht uns. Wir entscheiden unser Schicksal selbst. Das Experiment das ihr plant, ist eine Abscheulichkeit und wir werden nicht erlauben, dass es durchgeführt wird.«

»Ihr könnt es nicht mehr aufhalten«, sagte das Alien. »Es ist bereits in der Durchführung. Menschen. Ihr denkt so klein. So kleinlich. Selbst eure Sprache ist kaum ausreichend zur Kommunikation. Ihr seht uns nicht einmal deutlich. Wir sind nicht das, worauf ihr seht. Dieser Körper. Ihr sprecht mit einem Auswuchs. Ihr seid gefangen in eurem Körper.«

»Der Hügel!«, sagte Walker. »Der ganze verdammte Hügel ist das Alien. Ein einziger, massiver Organismus. Das ändert die Dinge.«

»Ja«, sagte ich. »Ich nehme nicht an, dass Sie Sprengstoff dabeihaben?«

»Nichts, das ausreichend wäre.«

»Ihr werdet erneuert«, wiederholte der Alien-Sprecher. »Verbessert, Sprecher für unsere Sache. Ihr werdet die anderen davon überzeugen zu tun, was nötig ist. Konflikt ist Verschwendung. Ihr werdet die Ergebnisse unseres Experiments sehen, die größeren Dinge, die wir aus denen machen werden, die überleben. Ihr werdet eurer Welt befehlen zu kooperieren und dass alles zum Besten ist.«

»Wir werden nie für euch arbeiten«, sagte Walker. »Niemand auf dieser Welt wird etwas anderes tun, als euch bis zum letzten Atemzug zu bekämpfen.«

»Ihr werdet uns nicht bekämpfen«, antwortete das Alien. »Ab einem bestimmten Punkt werdet ihr das nicht mehr wollen. Ihr werdet etwas Größeres. Und es beginnt jetzt.«

Dutzende von Aliens erschienen in der Kammer: sie wuchsen aus dem Boden, glitten aus den Wänden und fielen von der Decke. Sie blockierten alle Eingänge in das Gewölbe. Mehr und immer mehr von ihnen - zu viele, um sie zu zählen - umgaben Walker und mich, als wir uns schnell Rücken an Rücken aufstellten. Er hielt wieder sein Schwert in der Hand. Ich rief meine Rüstung hoch und nahm wieder meine waffenstrotzende Schlachtgestalt an. Diese Form aufrechtzuerhalten war anstrengend, aber ich war zu zornig, um mich darum zu kümmern. Die Aliens füllten das Gewölbe um uns herum. Sie waren überall, reichten von Wand zu Wand, Haufen von schleimigen Seilen, die sich ineinander verschlangen.

»Schlechte Chancen«, sagte Walker. Seine Stimme war ruhig und kühl wie immer.

»Ich habe schon Schlimmeres gesehen«, sagte ich.

»Wirklich?«

»Wirklich. Allerdings hatte ich da Verstärkung.«

»Großartig«, sagte Walker. »Wie viel Kraft haben diese Energiewaffen, die da aus Ihrer Rüstung kommen?«

»Die Klingen sind scharf genug, um selbst lauten Krach zu zerschnippeln«, sagte ich. »Alles andere ist nur Show.«

»Keine Energiewaffen?«

»Nein. Normalerweise brauche ich die nicht.«

»Nun«, sagte Walker. »Wenn uns also nichts anderes übrig bleibt, als zu sterben, dann sollten wir gut sterben. Und so viele Feinde mit in die Hölle nehmen, wie uns möglich ist. Raus hier, Eddie.«

»Was?«

»Ich werde ihre Aufmerksamkeit so lange ablenken, bis Sie es an die Oberfläche schaffen. Keine Sorge, Sie sind nicht der Einzige, der noch ein paar Asse im Ärmel hat. Sie hauen hier ab und tun alles, was nötig ist, um sie aufzuhalten. Ich werde Ihnen Zeit verschaffen. Gehen Sie, Eddie. Es kommt jetzt auf Sie an.«

»Ich kann Sie nicht hier lassen! Nicht mit denen, sie werden-«

»Nein, werden sie nicht. Ich werde sie dazu bringen, mich vorher umzubringen.«

»Ich kann Sie aber nicht allein lassen.«

»Sie müssen, Eddie. Es ist das Menschlichste, was sie tun können.«

Ich sah ihn an und versuchte, zu entscheiden, was das Beste war, als ein gleißender Energieblitz aus einem Eingang krachte und einen ganzen Haufen Aliens entzündete. Sie explodierten und lange, brennende Taue flogen durch die Luft. Weitere Energieblitze schossen durch die Höhle und warfen Aliens beiseite, als Honey Lake mit ihrer schimmernden Kristallwaffe angerannt kam. Sie lachte fröhlich, ein heller und herrlich gesunder Ton an diesem höllischen Ort, wie eine Walküre, die hinunter zur Hel reitet, um ihre Helden zu retten. Sie feuerte wieder und wieder, und zerfetzte Tentakelstücke flogen hierhin und dorthin, als sie sich einen Weg zu uns bahnte.

»Kopf hoch, Jungs!«, schrie sie fröhlich. »Die Kavallerie ist hier!«

Ich jubelte vor Freude und Erleichterung auf und tauchte durch die nächsten Aliens hindurch, hackte sie auseinander und trat die Stücke beiseite, damit ich an das nächste herankam. Meine goldenen Klingen fuhren durch sie hindurch, als wären sie aus Papier. Ich watete durch den Aliensplatter wie ein Verhungernder, der zu einem Bankett geladen wird. Eine kalte und bösartige Wut brannte in mir, nicht nur über das, was sie getan hatten oder planten, sondern über das, was zu tun sie mich gezwungen hatten. Ich tötete und tötete, und es war doch nie genug. Walker schwang sein Schwert, tödlich und elegant, Honey feuerte ihre Waffe ab und bald hatten wir das Gewölbe von lebenden Aliens befreit.

Aber mehr der Körper glitten aus der Wand, stiegen aus dem Boden auf und fielen von der Decke, wieder waren die Eingänge blockiert und die Kammer voll. Weil das Alien der Hügel war und wir nur das zerstörten, was entstanden war, um uns anzugreifen. Das Alien lenkte uns ab, hielt uns beschäftigt, während die Zeit bis zum großen Experiment ablief, das in den Straßen von Roswell ablaufen sollte. Ich musste das Alien selbst aufhalten, nicht nur seine Extremitäten. Also rief ich wieder meine Sicht, schaute durch die Maske und zwang mich, mich auf das Einzige zu konzentrieren, worauf es ankam. Das dunkle und geheime Herz des Alien-Hügels, das eine Zentrum, ohne das es nicht leben konnte. Ich sah mich um und sah schreckliche Dinge, die in den Wänden und unter dem Boden der Kammer versteckt waren, bis ich es endlich sah. Es war tief unter mir, etwas, das blitzte und brannte wie eine dunkle Sonne: lebende Energie, die die Quelle für das außerirdische Fleisch bildete.

Ich schrie Honey zu, den Boden mit ihrer Energiewaffe dort aufzusprengen, wohin ich zeigte. Sie nickte kurz und traf die Stelle mit allem, was sie hatte. Der Boden bebte unter unseren Füßen, gezwungen, sich unter dem Einschlag der unfassbaren Energien der Kristallwaffe zu öffnen. Sie gruben sich tiefer und tiefer in das außerirdische Gewebe, bis ich schließlich freien Blick auf das Herz selbst hatte. Es war in dickes, schützendes Aliengewebe gehüllt, das darum kämpfte, sich selbst zu erneuern, als Honeys Waffe es fortbrannte. Ich formte eine lange, schlanke und sehr tödliche Klinge aus meiner goldenen rechten Hand und stach tief in das Herz des Aliens hinein.

Es explodierte. Alienfleisch war kein Gegner für andersdimensionale seltsame Materie. Besonders, wenn sie von der furchtbaren kalten Wut des menschlichen Herzens angetrieben wurde.

Die einzelnen Alien-Formen kollabierten, die langen, seilartigen Tentakel verrotteten sofort und zerfielen. Die Höhle zitterte wie bei einem Erdbeben, große gezackte Risse öffneten sich in den schleimigen Wänden. Der Boden schien unter mir in ruckartigen Auf- und Abwärtsbewegungen zu fallen. Der ganze Hügel starb, verfaulte und zerfiel. Ich rannte zum nächsten Ausgang. Honey und Walker waren unmittelbar hinter mir. Ich folgte meiner Sicht aus dem Hügel heraus Richtung Oberfläche, obwohl das Ding in sich zusammenfiel und in die Erde zurücksank. Ich floh durch Haufen von außerirdischen Leichen, trat sie beiseite und schlug Löcher durch Wände, wenn nötig. Fremdartige Lichter flammten um mich herum auf, lebhafte Energien spuckten und krachten hilflos in der Luft. Ich rannte mit Honey und Walker an die Oberfläche.

Wir platzten aus einem letzten Ausgang und liefen dann durch die frische, irdische Luft von Roswell. Wir sprangen über Bodenspalten, die sich im Hinterhof öffneten, angetrieben von dem Krachen, das der tote Hügel verursachte, als er in die Erde sank. Endlich entschied ich, dass wir weit genug entfernt waren. Erst da hielt ich an und blickte zu den letzten Zuckungen des Alien-Hügels zurück. Er war trocken, zerbrochen und bröckelte jetzt, während er in dem Loch verschwand, das er sich selbst geschaffen hatte. Walker, Honey und ich sahen zu, bis alles verschwunden und nichts mehr übrig war, das anzeigte, dass dort jemals etwas anderes gewesen war als ein dunkles Loch im Boden eines verlassenen Hinterhofs.

»Weg mit dir«, sagte ich. »Den ganzen Weg runter in die Hölle, in die du gehörst.«

Ich fuhr meine Rüstung herunter und stand in der leeren Straße, einfach nur ein Mensch. Ich bebte und schnappte nach Luft, vor Erschöpfung und weil ich so aufgewühlt war gleichermaßen. Und auch aus Erleichterung, dass wir das dreckige Experiment hatten stoppen können, bevor es angefangen hatte. Honey und Walker standen neben mir und atmeten genauso schwer.

»Also«, sagte ich schließlich. »Du bist zurückgekommen, Honey. Genau zur rechten Zeit. Was hat deine Meinung geändert? Was ist mit dem Spiel und dem Preis?«

»Wie hätte ich irgendetwas tun können, mit all dem Quatsch, der hier vor sich ging?«, fragte sie sachlich. »Außerdem bin ich nicht Agentin geworden, um meine Leute im Stich zu lassen. Ich diene den Amerikanern. So, wie ich es für das Beste halte.«

»Was sollen wir den Leuten in der Stadt sagen?«, fragte Walker. »Sagen wir ihnen irgendetwas?«

»Würden sie uns ohne Beweise glauben?«, fragte ich zurück. »Sie haben ja noch nicht mal mehr den Farmer oder die Kuh in der Leichenhalle, schon vergessen?«

»Das ist Roswell«, sagte Walker trocken, »die glauben alles, oder wenigstens genug, um Geld draus zu machen. In einem Jahr um diese Zeit gibt es einen Fernsehfilm über diese Ereignisse. Ich frage mich, wer mich wohl spielt?«

»Sie waren doch niemals hier«, sagte Honey streng. »Keiner von uns war hier.«

»Richtig«, sagte ich. »Das ist nicht die Nightside. Wir müssen uns zurückhalten.«

»Es könnte noch mehr Aliens geben - wo diese Dinger hergekommen sind, sind sicher noch andere«, sagte Honey und steckte ihre Kristallwaffe ein. »Sie könnten zurückkommen.«

»Meine Familie wird sich darum kümmern«, sagte ich. »Wir haben weitreichende Verbindungen an entfernten Orten. Verträge und Pakte, die zweiseitig wirken. Oder wir treten in ein paar Alienärsche, bis es so ist.«

»Ich wusste gar nicht, dass Sie das können«, sagte Walker.

»Das wissen nicht viele«, erwiderte ich.

»Und du wunderst dich, warum andere Organisationen den Droods nicht trauen«, sagte Honey. »Deine Familie hat Geheimnisse wie andere Familien Haustiere. Würde es euch umbringen, ein paar der Geheimnisse zu teilen, damit wir alle nachts besser schlafen können?«

»Möglicherweise«, sagte ich. »Wir lassen es nicht drauf ankommen. Aber … Ich werde mit der Matriarchin reden. Teilen kann auch etwas Gutes sein. Was meint ihr, gehen wir drei jetzt zu Alexander King, geben ihm die gesammelten Antworten und teilen dann die Geheimnisse, die er uns gibt?«

»Zur Hölle«, meinte Honey. »Ich bin dabei, wenn du's bist. Es geht doch nichts darüber, mit einem Drood abzuhängen, um das große Ganze besser zu sehen.«

»Ich bin einverstanden«, sagte Walker. »Aber wird der Autonome Agent damit einverstanden sein?«

»Der Mann stirbt«, sagte ich. »Er hat nicht mehr genug Zeit, herumzufeilschen. Er kann den Preis drei Leuten geben, die ihren Wert bewiesen haben oder riskieren, dass seine kostbaren Geheimnisse in unwürdige Hände fallen, wenn er tot ist.«

»Und Peter?«, fragte Honey. »Wie sagen wir einem alten Mann, dass wir zuließen, dass sein einziger Enkel getötet wird?«

»Wir wissen doch nicht, dass er tot ist«, sagte Walker sofort. »Er ist nur vermisst.«

»Alexander King wollte seinen Enkel im Spiel haben«, sagte ich. »Er kannte die Risiken.«

»Kannte Peter sie auch?«, fragte Honey. »Er hat nicht in derselben Welt gearbeitet wie wir anderen.«

»Nein«, sagte Walker. »Er war in der Industriespionage. Ich bin verdammt sicher, dass er den Preis nicht geteilt hätte.«

»Das Spiel ist offiziell vorbei«, sagte ich. »Wir waren an allen fünf Orten, haben jedes Mysterium untersucht, das wir dort vorfanden, und haben eine Antwort geliefert. Wir haben vielleicht die ursprüngliche Antwort darauf nicht, was damals hier in Roswell passiert ist, aber ich denke, das hier ist besser. Sicher ist es mehr als genug, um unseren Wert als Nachfolger des Autonomen Agenten zu beweisen - und das war ja schließlich der Sinn des Ganzen. Zeit, Schluss zu machen.«

»Wie sollen wir Alexander King das wissen lassen?«, fragte Walker und starrte auf das Teleport-Armband an seinem Handgelenk. »Wie sollen wir dieses infernalische Gerät davon überzeugen, uns wieder nach Place Gloria zu bringen?«

Ich zog Peters Handy aus der Tasche und hielt es über mein Teleport-Armband. »Siehst du das?«, fragte ich laut. »Beweise, Indizien und Antworten auf alle Fragen, die uns gestellt wurden. Ich weiß, dass Sie zuhören, Alexander! Wir können das entweder Ihnen geben - oder unseren respektablen Organisationen. Also, beamen Sie uns rauf, Scotty!«

Das war der Zeitpunkt, als Peter King aus den Schatten trat, Honey Lake mit einem langen Messer in die Rippen stach, mir das Handy aus der Hand riss und verschwand. Sich wegteleportierte.

Honey gab einen schockierten, überraschten Laut von sich und brach zusammen, als die Kraft aus ihren Beinen wich. Ich fing sie auf und legte sie sanft auf den Boden. Ihre ganze linke Seite war bereits blutdurchtränkt und noch mehr floss zwischen unseren eng aneinandergepressten Körpern hindurch. Walker sagte etwas, aber ich hörte nicht zu. Honey gab einen Schmerzenslaut von sich. Blut quoll ihr aus dem Mund. Ich hielt sie eng an mich gedrückt. Dann sah ich auf zu Walker, wollte ihn anschreien, er möge Hilfe holen, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht hielt mich davon ab. Er bestätigte nur, was ich bereits wusste.

»Es war die ganze Zeit Peter«, sagte Walker. »Dieser verräterische kleine Mistkerl. Er hat Katt getötet. Und Blue und -«

»Nein«, sagte Honey. »Das war ich.«

»Still«, sagte ich. »Still.«

»Nein.« Sie zwang die Worte an ihrem Schmerz und dem Blut vorbei. Sie musste mir die Wahrheit sagen. »Ich habe Blue und Katt getötet. Und es bei Walker versucht. Ich habe sogar mein eigenes Tauchboot am See sabotiert, damit man mich nicht verdächtigt. Ich dachte … das wäre meine Pflicht. Den Preis um jeden Preis zu gewinnen.«

»Honey …«, brachte ich heraus, aber der harte Knoten in meinem Magen hielt mich davon ab, mehr zu sagen.

Sie lächelte kurz und zeigte mir ihre perfekten weißen Zähne, die blutverschmiert waren. »Verlieb dich nie in einen anderen Agenten, Eddie. Du weißt, dass das nie gut gehen kann.«

Sie starb in meinen Armen. Ich hielt sie lange Zeit fest.


Alles war viel zu schnell den Bach runtergegangen.

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