19

Von Carolines kundigen Händen gelenkt, brauste der kleine Hubschrauber, der nahe dem Trajansbogen in einer Ecke des großen Stadions verborgen gewesen war, hinauf in den blauen Himmel über der Stadt Rom. Das gelblich-graue Oval des Colosseums geriet außer Sicht. Unter ihnen machten die verkehrsreichen und langgezogenen Straßen der Ewigen Stadt den Vororten Platz. Dann flogen sie über Dörfer und schließlich über unbebaute Landschaft hinweg.

»Du bist einfach großartig!« rief Poletti aus. »Du hattest es von Anfang an so geplant, nicht wahr?«

»Natürlich«, sagte Caroline. »Es schien mir eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme zu sein, für den Fall, daß du die Wahrheit sagtest.«

»Mein Schatz, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich bewundere«, sagte Poletti. »Du hast uns vor dem Tod und der Justiz gerettet und uns hinaus in die freie Natur gebracht, weit weg von elektrischen Rasierapparaten und Kühlschränken…«

Poletti blickte in die Tiefe und bemerkte, daß sie sich über einer kahlen, ausgedörrten Wüste befanden, und daß der Hubschrauber sich nun auf diese Mondlandschaft hinabsenkte.

»Verrate mir, mein Liebling«, sagte Poletti, »hast du noch mehr für uns geplant?«

Caroline nickte fröhlich und ließ den Hubschrauber sanft aufsetzen. »Vor allem das«, sagte sie, umarmte Poletti und küßte ihn mit jenem Enthusiasmus und Elan, den sie bei den meisten Dingen zeigte.

»Hmmmm«, sagte Poletti und hob dann abrupt den Kopf. »Merkwürdig«, sagte er.

»Was ist merkwürdig?« fragte Caroline.

»Ich hatte wohl gerade eine Halluzination. Mir war, als hätte ich Kirchenglocken gehört.«

Mit jenem drolligen Hauch von Koketterie, der selbst ihre einfachsten Bewegungen umgab, senkte Caroline den Blick.

»Das war keine Halluzination!« sagte Poletti. »Da ist es wieder!«

»Laß uns einmal nachschauen«, sagte Caroline.

Sie kletterten aus dem Hubschrauber und gingen Hand in Hand um eine Biegung im Fels. Dahinter befand sich eine kleine Kirche, die geschickt in den überhängenden Granit des Berges hineingebaut war. Am Eingang der Kirche stand die schwarze, allgegenwärtige Gestalt eines Priesters. Er lächelte und verbeugte sich vor ihnen.

»Ist es nicht hübsch?« fragte Caroline und zog Poletti an der Hand vorwärts.

»Bezaubernd, faszinierend, ungewöhnlich«, sagte Poletti, und der Klang seiner Stimme zeigte ein leichtes, aber doch spürbares Nachlassen seiner fröhlichen Stimmung an. »Ja, es ist gewiß reizend«, sagte er in etwas sicherem Ton, »aber doch auch nicht ganz glaubwürdig.«

»Ich weiß, ich weiß«, sagte Caroline. Sie führte Poletti in die Kirche und zum Altar. Sie kniete vor dem Priester nieder; nach einem Moment des Zögerns kniete auch Poletti nieder. Von irgendwoher erklang Orgelmusik. Der Priester lächelte strahlend und begann mit der Zeremonie.

»Bist du, Caroline, bereit, diesen Mann, Marcello, zu deinem angetrauten Ehegatten zu nehmen?«

»Ja!« sagte Caroline mit Inbrunst.

»Und bist du, Marcello, bereit, diese Frau, Caroline, zu deinem angetrauten Weibe zu nehmen?«

»Nein«, sagte Poletti mit Überzeugung.

Der Priester senkte seine Bibel. Er richtete eine Automatik, Kaliber 45, auf Poletti.

»Bist du, Marcello, bereit, diese Frau, Caroline, zu deinem angetrauten Weibe zu nehmen?« wiederholte der Priester.

»Oh, gewiß«, sagte Poletti. »Ich wollte eigentlich nur noch ein paar Tage warten, damit meine Eltern der Zeremonie beiwohnen können.«

»Wir werden die Trauung für deine Eltern noch einmal wiederholen«, versicherte Caroline ihm.

»Ego conjugo vos in matrimonio…« begann der Priester.

Caroline gab Poletti schnell einen Ring, damit sie nach der klassischen alten Zeremonie, die Poletti immer so bewegend gefunden hatte, die Ringe tauschen konnten. Draußen stöhnte und klagte der Wüstenwind; drinnen lächelte Poletti und sagte nichts.

Ende

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