Zaino versuchte es.
Stunde um Stunde verging, aber er erhielt keine Verbindung zu dem anderen Traktor. Einmal ließ er Hargedon sogar anhalten, um die Außenantenne zu verlängern. Der Empfang wurde dadurch besser, und er richtete sich nach den Sendungen der ALBIREO, um günstige Ionenströme festzustellen. Fand er welche, schaltete er schnell auf Senden und funkte die Botschaft für Eileen und Eric.
Er bekam keine Antwort.
Zaino hütete sich, eine abfällige Bemerkung über die magere Ausrüstung zu machen oder gar zu behaupten, wie gut er der Aufgabe gewachsen sei, wenn sie erst einmal im Schiff zurück wären.
Hargedon blieb hinter dem Steuer sitzen und fuhr den Traktor, ohne sich ablösen zu lassen. Die ALBIREO kam endlich in Sicht.
Sie umrundeten die Schlucht und wußten immer noch nicht, ob ihre Funksprüche von dem anderen Fahrzeug empfangen worden waren.
Beide Männer mußten jedoch zugeben, daß Burkett nicht übertrieben hatte. Noch bevor sie das Schiff erreichten, sahen sie die schwarze Rauchsäule über der Ebene stehen. Sie verdunkelte die Sonne fast vollständig, und vom Himmel herab kam ein ständiger Regen feiner Staubpartikel. Zum erstenmal hinterließ der Traktor Spuren auf dem nackten Felsen.
Je näher sie dem Schiff kamen, desto dichter wurde der Rauchvorhang. Die Staubpartikel wurden größer und zahlreicher.
Ganze Hügel davon zwangen zu Umwegen, und Hargedon fürchtete immer, in eine nun verborgene Spalte zu stürzen. Besonders der letzte Teil der Fahrt, um das Ende der Schlucht herum, wurde gefährlich. Die Seitenspalten hatten sich vergrößert und verlängert.
Sie erreichten die ALBIREO viel später, als Hargedon vorausgesagt hatte. Burkett erwartete sie bereits. Sie stand unter der Leiter neben einem Stapel von Ausrüstungsgegenständen, den sie zusammengetragen hatte.
Noch ehe die Männer anhielten, begann sie zu organisieren.
„Viel ist es nicht, aber wir werden in Ihrer Kabine ein wenig Platz machen müssen. Nein, warten Sie lieber. Vielleicht kann ich einige Geräte von Schloßberg gebrauchen. Wir werden…“
„Einen Augenblick“, unterbrach sie Hargedon. „Unsere Anzüge müssen nachgesehen werden, zumindest meiner, wenn ich Sie fahren soll. Vielleicht kann Arnie Ihnen helfen, wenn Sie nicht unbedingt meinen, er solle sich lieber um den Sender kümmern …“
„Entschuldigen Sie, ich hätte daran denken müssen. Jemand anderer kann mir helfen. Gehen Sie ruhig ins Schiff. Ren, kommen Sie dann so bald wie möglich zurück. Im übrigen kann ich das Zeug auch allein verladen. So schwer ist es ja hier nicht.“
Zaino zögerte, als er aus der Kabine kletterte. Es stimmte, was Burkett sagte. Das Gerät wog nicht viel auf Merkur, aber die neununddreißigjährige Mineralogin war für seine Begriffe eine ältliche Dame, die keine körperliche Arbeit verrichten durfte.
„Machen Sie schon, Arnie!“ Abrupt unterbrach die ältliche Dame seine Überlegungen. „Eric und Eileen entfernen sich immer mehr von uns. Dösen Sie nicht, sondern beeilen Sie sich, die beiden zu erreichen.“
Er lief zur Leiter, aber er fand immer noch Zeit, nach Nordosten zu blicken.
Die Gefahr, die sich dort zusammenbraute, konnte von niemand übersehen werden. Die Säule aus feiner Lavaasche war höher gestiegen, und nicht sehr weit entfernt war ein neuer Kegelberg entstanden, mindestens siebenhundert Meter hoch. Die Hänge waren steiler als gewohnt; lose Asche konnte es also nicht sein, vielmehr schien es wahrscheinlicher, daß halbflüssiges Gestein während des Falls aus großer Höhe verschmolzen und das neue Gebirge formten. War das aber so, dann fehlte jede Erklärung für die absolute Finsternis, die von der Wolke ausging. Glühendes Gestein leuchtet.
Nun, sollten sich die Geologen darum kümmern. Zaino betrat das Schiff und begab sich zur Funkzentrale, um seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Pech war, daß er hier im Schiff auch nicht viel mehr als im Traktor unternehmen konnte. Sicher, es war ihm möglich, Sendespulen für Langwelle zu improvisieren, mit denen sich ein Stück weiter vordringen ließ, aber das hatte nur wenig Sinn, wenn die Empfangsanlage unverändert blieb. Energie war genügend vorhanden, aber die Funkwellen würden über den Horizont hinaus ins Weltall schießen. Auch die ionisierte Gasschicht war hier vorhanden, denn die ALBIREO stand praktisch auf der Tagseite, aber das half ihm auch nicht weiter. Er wußte es aus Berechnungen und den bisherigen Versuchen.
Was er jetzt brauchte, war eine Relaisstation, ein Satellit. Anders war die Oberflächenkrümmung des Merkur nicht zu überwinden.
Zaino blieb nach allen Überlegungen nichts anderes übrig, als die niedrigste Frequenz zu wählen, die von dem Traktor empfangen werden konnte, die Antenne auf den Punkt am Horizont zu richten, hinter dem Eileen und Eric verschwunden waren, und ununterbrochen zu senden. Er benutzte dazu ein sich immer wiederholendes Tonband. Dann klärte er Rowson auf.
„Gibt es keine andere Möglichkeit?“ fragte der Captain enttäuscht, um begütigend hinzuzufügen: „Na ja, mir fiele auch nichts Besseres ein. Aber schließlich bin ich kein Funker. Was glauben Sie, wann wir mit einer Antwort rechnen können? Wenn alles nach Plan verläuft, wann kämen sie wieder in Funkreichweite?“
„Nicht vor vier Tagen. Solange sind sie bestimmt unterwegs.“
„Versuchen Sie es weiter.“
„Das machen die Geräte für mich. Ich habe keine andere Möglichkeit, falls mir nicht doch noch etwas einfällt. Bloß möchte ich nicht so untätig herumsitzen. Beim Arbeiten kommen einem die Ideen noch eher, als wenn man bewußt danach sucht.“
„Es gibt genug Beschäftigung. Wie wäre es denn, wenn Sie mit einem tragbaren Sender auf einen Berggipfel stiegen? Da müßte doch die Reichweite wesentlich größer sein. Wenn Sie es schaffen, gebe ich eine Runde.“
„Kaum. Vergessen Sie nicht, daß ich jetzt die Ionenschicht als Reflexionsmedium ausnütze. Die Schicht ist höher als alle Berge.“
„Hm, stimmt auch wieder.“
„Ich könnte Ren und Dr. Burkett helfen…“
„Die beiden sind schon mit dem Traktor unterwegs. Vielleicht halten Sie Funkverbindung mit ihnen.“
„Gut.“
Zaino kehrte in die Funkzentrale zurück und hatte keine Schwierigkeiten, Kontakt mit dem Traktor herzustellen, der Hargedon und die Mineralogin zum Vulkan bringen sollte.
Letztere hatte bisher vergeblich versucht, Verbindung zur ALBIREO aufzunehmen und machte einige bissige Bemerkungen über im Dienst schlafende Funker.
Zaino verteidigte sich.
„Schließlich bin ich. der einzige Funker, und ich habe genug damit zu tun gehabt, Eileen und Eric zu rufen. Was macht der Lavastrom?“
„Noch nicht in Sicht“, gab sie zurück. „Wir können die ALBIREO nun nicht mehr sehen, aber es sind noch zwei Kilometer bis zu der Stelle, an der ich schon gewesen bin.
Wahrscheinlich ist der Strom näher gekommen. Ich hatte zu wenig Zeit, aber meiner Schätzung nach bewegt sich die Lava mit einer Geschwindigkeit von hundert Metern in der Stunde. Wir müssen das noch genau messen. Auch halte ich es für unbedingt notwendig, eine Probe der zähflüssigen Masse zu untersuchen. Wenn ich nur wüßte, wie ich eine Probe aus dem Krater direkt erhalten könnte…!
Ehrlich gesagt, ich habe in meinem ganzen Leben keinen merkwürdigeren Vulkan gesehen. Was ist… haben sich Eileen und Eric schon gemeldet?“
„Bisher noch nicht.“
Nach kurzer Pause sagte Burkett:
›Jetzt können wir den Lavastrom sehen. Ungefähr fünfhundert Meter vor uns. Wir gehen so nahe heran, wie es ohne Gefahr möglich ist. Ich muß wissen, ob es wirklich Lava oder nur Schlamm ist.“
„Schlamm? Ist denn das möglich? Ich habe immer gedacht, auf Merkur gäbe es kein Wasser.“
„Das ist auch wahrscheinlich, aber die halbflüssige Form von Schlamm muß nicht immer bedeuten, daß Wasser im Spiel ist.
Wenigstens nicht hier. Der Schlamm kann auch aus Schwefel bestehen.“
„Schwefel oder Schlamm — besser jedenfalls als Lava. Das Schiff wäre dann keiner Gefahr ausgesetzt?“
„Kaum.“
„Warum dann die Aufregung?“
Als sie antwortete, erinnerte ihn ihre Stimme an die einer anderen Frau — an seine Mathematiklehrerin, wenn sie ihn nach den Stunden noch dabehielt und Formehl mit ihm durchging.
„Weil der Strom, soweit ich das beurteilen kann, wahrscheinlich doch aus Lava besteht, und sollte ich mich irren, so bedeutet mein Irrtum die Rettung der Expedition. Ich habe jetzt keine Zeit und keine Lust, Ihnen meinen Standpunkt zu erklären, Zaino. Idi berichte jetzt fortlaufend über unsere Beobachtungen und erwarte, daß Sie mich nur dann unterbrechen, wenn die Lage es erfordert oder wenn Eileen sich meldet. — Entfernung jetzt noch dreihundert Meter. Bewegung wie vorher; es ist also anzunehmen, daß keine Teilung des Stroms erfolgt und er sich nur längs des Tals bewegt.
Die Dicke beträgt einen guten Meter, was auf eine ungewöhnliche Dichte des Materials schließen läßt. Oder mit der Zähflüssigkeit ist es nicht so weit her, was ich für wahrscheinlicher halte. Das Zeug ist genauso schwarz wie die Rauchsäule.“
„Kein Glühen?“ fragte Zaino.
„Schwarz! Wenn wir näher kommen, wird sich die Temperatur leicht messen lassen. Die Front verläuft bis auf einige Ausbuchtungen ziemlich gerade. An einer Stelle fließt sie um einen Dornkegel herum. Übrigens, Zaino, ich hoffe doch, daß Sie alles aufnehmen?“
„Natürlich, Ma’am“, erwiderte er. „Auf mein letztes Tonband.“
„Gut. Wir halten in der Mitte des Tals, etwa einhundert Meter vor dem Strom. Ich werde jetzt aussteigen und zu Fuß weitergehen.
Einen Radiometer und Sammelgefäß nehme ich mit. Hoffentlich funktioniert die Funkanlage des Anzuges.“
Zaino zuckte zusammen, als er das hörte. Dr. Burkett wurde immer bissiger, daran konnte kein Zweifel bestehen. Aber Zaino war ein schlechter Psychologe. Er kam nicht auf den Gedanken, daß die Frau Angst haben könnte.
„Ren, Sie bleiben hier stehen, bis ich Ihnen sage, daß Sie weiterfahren können. Der Traktor darf auf keinen Fall gefährdet werden. Zuerst werde ich die Temperatur messen, dann Proben entnehmen. Ich kehre danach zurück, um die Markierungszeichen zu holen, die ich setzen werde.“
„Kann ich das nicht tun, während ich auf Sie warte?“
„Natürlich könnten Sie das, aber es ist mir lieber, wenn Sie hinter dem Steuer sitzen bleiben, Ren.“
Hargedon gab keine Antwort. Dr. Burkett setzte ihren Bericht fort:
„Ich gehe dem Strom entgegen und bewege mich dabei schneller als er. Noch zwanzig Meter. Ich beginne mit den Strahlungsmessungen.“ Es entstand eine kurze Pause. „Es geht los… neunsechzig … neunachtzig … neunneunzig. Die Daten stammen vom Fuß des Dornkegels. Neunachtzigfünf …“ Es kamen weitere Daten, dann sagte Burkett: „Ich gehe jetzt näher heran … ich muß, weil die Stange des Sammelgefäßes nur drei Meter lang ist. Bin da. Die Lava ist sehr flüssig — es ist nicht schwer, eine Probe zu entnehmen. Die Dichte ist nur gering. Jetzt gehe ich zum Traktor zurück — nein, Ren! Sie sollen bleiben, wo Sie sind! Kommen Sie mir nicht entgegen!“
Es entstand eine längere Pause.
Zaino konnte sich die vom Raumanzug eingehüllte Gestalt der Wissenschaftlerin gut vorstellen, wie sie sich von der kriechenden Gefahr entfernte und auf den Traktor zueilte. Er war froh, als er wieder ihre Stimme vernahm:
„Schon hart geworden, Ren. Geben Sie mir die Markierungen.“
Wieder eine Pause, kürzer diesmal.
„Ich habe die erste Markierung angebracht. Sie ist mit den anderen durch eine Leuchtschnur verbunden, die ich abrolle, während ich zum Traktor zurückgehe. Nun warten wir und registrieren die Zeit, die der Strom benötigt, um die einzelnen Markierungen zu erreichen.“
„Wie weit sind Sie vom Zentrum entfernt?“ fragte Zaino.
„Zu weit, um es sehen zu können. Auch die Entnahme einer Probe ist leider nicht möglich. Wir… mein Gott! Was war das?“
Zaino hatte gerade noch Zeit zu fragen:
„Was meinen Sie?“
Dann wußte er auch schon, was sie gemeint hatte.