19. Das Geheimnis

Sonnenlicht flutete durch die hohen Fenster des kühlen, angenehm duftenden Raumes. Taran öffnete mühsam die Augen und versuchte sich zu erheben. Man hatte ihn auf ein niedriges Lager gebettet, sein Kopf dröhnte, sein rechter Arm war mit einem weißen Verband umwickelt und schmerzte. Trockene Binsen bedeckten den Fußboden; die Sonnenstrahlen ließen sie goldgelb erscheinen wie Weizenstroh. Neben dem Lager bewegte sich etwas Weißes, von Sonnenflecken Gesprenkeltes – und grunzte.

Hen Wen strahlte vor Freude und Zufriedenheit. Zärtlich begann sie dem Jungen die Wange zu lecken. Taran versuchte zu sprechen, er brachte keinen Ton über die Lippen. Ein Mädchen begann zu lachen. „Schade, daß du dein Gesicht nicht sehen kannst! Du schaust drein wie ein Fisch, der sich in ein Vogelnest verirrt hat.“ Eilonwy erhob sich aus ihrem Korbstuhl in der Ecke des Raumes. „Gut, daß du endlich erwacht bist! Du kannst dir nicht vorstellen, wie langweilig es ist, an jemandes Lager zu sitzen und ihm beim Schlafen zuzusehen. Das ist schlimmer, als wenn man die Steine in einer Mauer zählen muß.“

„Hat man uns – nach Annuvin gebracht?“ fragte Taran verwirrt.

Eilonwy lachte ihn aus. „Nach Annuvin? Bewahre! Warum mußt du immer gleich an die schlimmsten Dinge denken? Hoffentlich schmerzt dich die Wunde nicht allzusehr. Du bist zwar noch immer grünweiß im Gesicht wie gekochter Lauch, doch ich hoffe, es geht dir ein wenig besser.“

„Hör mit deinem Geschwätz auf und sag mir gefälligst, wo wir sind!“ Taran machte einen neuerlichen Versuch, sich aufzurichten. Er war noch zu schwach dazu. Stöhnend sank er aufs Lager zurück und faßte sich an den Kopf.

„Das kommt davon“, meinte Eilonwy. „Hoffentlich siehst du nun ein, daß es besser ist, wenn du vorerst liegenbleibst“

Zappelnd und unter lautem Grunzen schickte Hen Wen sich an, auf Tarans Lagerstätte zu klettern. Eilonwy schnalzte mit den Fingern und befahl ihr: „Halt ein! Du weißt doch, er soll nicht gestört oder gar belästigt werden. Und vor allem soll niemand sich auf ihn draufsetzen.“ Eilonwy wandte sich wieder dem Jungen zu und sagte: „Wir sind hier in Caer Dathyl. Ein freundlicher Ort, viel netter als Spiral Castle.“

Mit einemmal brach die Erinnerung über Taran herein. „Der Gehörnte König!“ rief er. „Was ist aus ihm geworden?“

„Ein Häuflein Asche, soviel ich gesehen habe.“ „Bedeutet das, daß er – tot ist?“

„Natürlich“, antwortete Eilonwy. „Viel ist nicht übriggeblieben von ihm. Ich glaube, daß er der finsterste Bösewicht war, dem ich je begegnet bin, einschließlich Achren. Er hat mir einen furchtbaren Stoß versetzt; und dann hätte er dich beinah totgeschlagen.“ Sie rieb sich den Kopf. „Übrigens bist du auch nicht gerade sanft mit mir umgesprungen, als du mir Dyrnwyn entrissen hast. Wie oft hab’ ich dich nicht gewarnt, es zu ziehen? Aber du kannst ja nicht hören, du mußtest dir erst den Arm verbrennen!“ Taran sah, daß das Schwert nicht mehr über Eilonwys Schulter hing.

„Sei froh, daß du ohnmächtig geworden bist!“ fuhr das Mädchen fort. „Es war kein erhebender Anblick, als der Gehörnte König verbrannte. Mich schaudert noch jetzt, wenn ich daran denke.“

Tarans Geduld war zu Ende. „Eilonwy!“ stieß er zähneknirschend hervor. „Berichte mir endlich der Reihe nach, langsam und ausführlich – oder es soll dir leid tun!“

„Langsam und ausführlich?“ meinte Eilonwy, Silbe für Silbe betonend. „Ich werde mir große Mühe geben, dich nicht zu erzürnen.“ Sie zuckte die Achseln, dann fuhr sie in ihrer gewohnten atemlosen Art fort: „Als die Kriegsleute sahen, daß der Gehörnte König tot war, liefen sie auseinander wie eine Kaninchenherde. Es war jämmerlich anzusehen. Erwachsene Männer, die vor Angst nur so schlotterten! Nun war für die Söhne des Hauses Don die Stunde zum Angriff gekommen. Weithin leuchteten ihre goldenen Banner. Schade, daß du das nicht gesehen hast! Es war wie… Mir fehlen die Worte dafür!“

„Und Hen Wen?“

„Hat sich – genau wie ich – nicht aus dem Zimmer gerührt, seit du hier liegst“, sagte Eilonwy. „Sie ist, wie mir scheint, ein überaus kluges Tier, auch wenn sie sich hin und wieder erschrecken läßt und Reißaus nimmt. Im übrigen finde ich, daß sie gewissen Leuten, die immer gleich mit dem Kopf durch die Wand wollen, manches voraushat.“

Die Tür gegenüber von Tarans Lager wurde zur Hälfte geöffnet, und Fflewddur Fflam steckte seinen zerzausten Kopf herein. „Na?“ rief er. „Du lebst ja noch, wie ich sehe!“

Gurgi und der Zwerg, die hinter dem Barden gestanden hatten, drängten nun auch herein, obwohl Eilonwy sie daran hindern wollte. Wie es schien, waren Fflewddur und Doli unverwundet. Gurgi hingegen trug einen Verband um den Kopf und hinkte.

„Gurgi hat sich für seine Freunde tapfer geschlagen!“ schrie er. „Voll Wut und Mut bis aufs Blut! Welch ein Getümmel im Kampfgewimmel! Püffe und Knüffe von allen Seiten für Gurgi und Schwerthiebe auf sein armes, zartes Haupt. Aber der tapfere Gurgi ist nicht davongelaufen, o nein!“

Taran lächelte, er war tief bewegt. „Tut mir leid um dein zartes Haupt“, sagte er und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Schlimm, daß du meinetwegen verwundet wurdest!“

„Macht nichts! Der grimmige Gurgi hat es den Kriegern des bösen Königs heimgezahlt. Er hat sie mit Zittern und Zagen erfüllt und mit lautem Wehklagen!“

„Stimmt aufs Wort“, sagte Fflewddur. „Er war der Tapferste von uns allen – doch auch mein stämmiger kleiner Freund aus dem Zwergenland hat erstaunliche Dinge mit seiner Axt vollbracht!“

Doli lachte zum erstenmal, seit sie ihn kannten. „Hab’ mich gewaltig in euch getäuscht“, gab er zu. „Hielt euch am Anfang alle für Muttersöhnchen und Hasenfüße. Hoffe, ihr werdet es mir verzeihen!“

„Wir haben die feindlichen Krieger aufgehalten, bis ihr weit genug weg gewesen seid“, sagte Fflewddur. „Manche von ihnen dürften in Zukunft allen Grund haben, schlecht von uns zu denken.“ Das Gesicht des Barden leuchtete auf. „Wir haben wie Löwen gekämpft, obgleich wir hoffnungslos in der Minderzahl waren. Aber ein Fflam streckt niemals die Waffen! Nie! Ich hab’ mich mit dreien zugleich herumgeschlagen: Hieb und Stoß ging das, Stoß und Hieb! Da griff mich ein vierter von hinten an, dieser feige Schuft! Aber ich schleuderte ihn von mir. Wir haben sie alle abgeschüttelt. Mit tödlichen Streichen haben wir uns den Weg gebahnt, mitten durch einen Wall von Feinden.“

Taran rechnete jeden Augenblick damit, daß an Fflewddurs Harfe ein paar Saiten reißen mußten. Zu seinem Erstaunen blieben sie alle ganz.

„Nun ja“, schloß der Barde achselzuckend seinen Bericht. „So war das also. Eigentlich gar nichts dabei, wenn man’s hinter sich hat. Ich war ohnehin fest davon überzeugt, daß nichts schiefgehen konnte. Das stand für mich außerhalb jeden Zweifels.“

Erst jetzt riß mit lautem Scheppern eine der Saiten entzwei. Da beugte sich Fflewddur zu Taran herunter und flüsterte ihm ins Ohr: „Um ehrlich zu sein – es war gräßlich! Niemand konnte erwarten, daß wir es schaffen würden.“

Eilonwy packte Fflewddur am Arm und drängte ihn zur Tür. „Hinaus!“ rief sie. „Fort mit euch allen! Seht ihr nicht, daß er Ruhe braucht?“ Sie schob Gurgi, den Zwerg und den Barden hinaus auf den Gang. „Und jetzt bleibt ihr draußen! Niemand darf ohne meine Erlaubnis zu ihm herein!“

„Auch ich nicht?“

Beim Klang dieser neuen Stimme fuhr Taran hoch. Träumte er, oder war er wach? Im Türrahmen stand Fürst Gwydion. Im ersten Augenblick hätte Taran ihn fast nicht wiedererkannt – in dem prächtigen, reichbestickten Gewand mit der kunstvoll geschmiedeten Sonnenscheibe aus purem Gold auf der Brust. Kraft und Zuversicht strahlten aus seinen grünen Augen. Genauso hatte der Junge sich Gwydion immer vorgestellt – damals, zu Hause in Caer Dallben. Ohne auf seinen verwundeten Arm zu achten, sprang er vom Lager auf.

Gwydion schritt auf ihn zu. Übermannt von der Würde und Hoheit, die von ihm ausgingen, beugte Taran das Knie und stammelte: „O mein Fürst!“

„Begrüßt so der Freund den Freund?“ Gwydion reichte dem Jungen die Hand und zog ihn empor. „Was ist mit dir? Fürchtest du wieder, ich könnte die Absicht haben, dich zu vergiften?“

Taran suchte nach Worten. „Ihr… lebt?“ stieß er keuchend hervor. „Ihr lebt wirklich?“ Er beugte sich über Gwydions Hand und weinte, ohne sich dessen zu schämen.

„Ich habe den Eindruck, daß ich im Augenblick weitaus lebendiger bin als du“, sagte Gwydion. Jetzt erst bemerkte der Junge das Schwert in der schwarzen Scheide an seiner Hüfte.

„Woher – habt Ihr es?“ fragte er leise. „Ein königliches Geschenk“, antwortete Gwydion. „Das Geschenk einer jungen Dame.“

„Er hat es von mir“, sagte Eilonwy; und zu Taran gewandt, fuhr sie fort: „Ich hatte dich doch gewarnt, es zu ziehen – aber du hast ja nicht hören wollen!“

„Deine Kraft hat zum Glück nicht ausgereicht“, sagte Gwydion zu Taran. „Wäre es dir gelungen, das Königsschwert ganz aus der Scheide zu reißen – die Flamme Dyrnwyns hätte dich getötet. Dyrnwyn, das hat Eilonwy richtig erkannt, ist ein Schwert der Macht. So alt ist es, daß ich die Kunde davon für ein Märchen hielt. Große Geheimnisse ranken sich um Dyrnwyn, sein Verschwinden hat Spiral Castle zerstört und Arawn einen schweren Schlag versetzt.“

Mit einer raschen, kraftvollen Bewegung zog Gwydion die Klinge blank und reckte sie hoch. Gleißendes Licht erfüllte den Raum. Erstaunt und erschrocken wich Taran zurück und hob schützend den Arm vor die Augen. Gwydion schob die flammende Waffe rasch wieder in die Scheide.

„Als ich den Fürsten Gwydion sah“, bekannte das Mädchen, „da wußte ich: Er und kein anderer ist der Mann, dem das Schwert aus der Gruft des Königs gebührt. Ehrlich gesagt – ich bin gar nicht böse darüber, das plumpe Ding endlich los zu sein.“

„Was redest du ständig dazwischen?“ fuhr Taran sie an. „Ich brenne darauf, daß mein Freund mir erzählt, was ihm widerfahren ist – und du läßt ihn kaum zu Wort kommen!“

Gwydion brachte den Jungen zurück auf sein Lager und deckte ihn zu.

„Ich möchte dir nicht mit einer langen Geschichte zur Last fallen“, sagte er. „Daß wir den Angriff Arawns für diesmal abwehren konnten, weißt du ja. Wie und wann er das nächstemal zuschlagen wird, vermag niemand zu sagen – doch brauchen wir ihn im Augenblick kaum zu fürchten.“

„Und Achren?“ fragte Taran. „War sie in Spiral Castle, als es zusammenstürzte?“

„Nein“, sagte Gwydion. „Bald nachdem man uns voneinander getrennt hatte, ließ sie mich aus der Zelle holen und auf ein Pferd binden. Dann brachte sie mich, von den Kesselkriegern begleitet, zum Turm der Schrecken.“

„Zum – Turm der Schrecken?“ fragte Taran.

„Ein befestigter Stützpunkt Arawns“, sagte Gwydion, „unweit von Spiral Castle gelegen. Ich konnte mir denken, was mich in diesem Gemäuer erwartete. Doch bevor sie mich ins Verlies stießen, faßte Achren mich am Arm und rief: Warum wählst du den Tod, Fürst Gwydion, da du aus meiner Hand doch ein ewiges Leben empfangen könntest – und unermeßliche Macht dazu? Ich habe Arawn zum Herrscher über Annuvin gemacht; ich war es, die ihm Gewalt und Reichtum verliehen hat. Er aber, falsch und undankbar, hintergeht mich seit langem aufs allerschändlichste. Dafür muß er bestraft werden: Es bedarf eines einzigen Wortes von dir, und sein Platz auf dem Thron von Annuvin ist dein!“

„Was habt Ihr Achren geantwortet?“

„Daß ich nichts lieber täte, als Arawn zu stürzen – doch sie mit ihm. Da ließ sie mich in den tiefsten Kerker werfen, und nie bin ich meinem Tod näher gewesen als dort.“

Gwydion blickte zu Boden.

„Wie lang ich im Kerker lag, weiß ich nicht“, fuhr er fort. „Eine Woche in jenem Schreckensturm zählt für zwanzig Jahre. Achren ließ mich grausam foltern, an Leib und Seele. Die qualvollste aller Martern war die Verzweiflung. Doch selbst in der tiefsten Verlassenheit gab ich die Hoffnung nie gänzlich auf. Dies nämlich ist das Geheimnis des Turms der Schrecken: Wenn du in aller Anfechtung standhaft bleibst, dann entschleiern sich deinem Blick selbst die Rätsel des Todes.“

„Und Ihr?“ fragte Taran atemlos.

„Am Ende wurde mir vieles offenbar, was zuvor dunkel gewesen war“, sagte Gwydion. „Doch genug davon! Es mag hinreichen, wenn ich dir sage, daß ich das Wesen von Leben und Tod erkannte, von Lachen und Weinen, von Ende und Anfang. Ich habe die Wahrheit der Welt geschaut – und keine Kette vermochte mich länger zu halten. Die eisernen Bande lösten sich auf wie Träume, die Mauern meines Gefängnisses schmolzen wie Schnee an der Sonne dahin.“

„Und was ist aus Achren geworden?“ erkundigte sich das Mädchen.

„Ich weiß es nicht“, sagte Gwydion. „Ich habe sie seither nicht mehr gesehen. Einige Tage verbrachte ich in den Wäldern, bis meine Wunden geheilt waren. Als ich zurückkehrte, um dich zu suchen, Taran, lag Spiral Castle in Trümmern. Da beklagte ich deinen Tod.“

„So wie wir Euch beklagt haben“, sagte der Junge.

„Dann brach ich von neuem nach Caer Dathyl auf“, berichtete Gwydion weiter. „Ich muß eine Zeitlang dem gleichen Pfad gefolgt sein wie ihr, bloß ohne den Umweg durch Medwyns Tal und das Reich der Unterirdischen. So kam es, daß ich euch auf dem letzten Stück überholt hatte, ohne daß wir es wußten.“ Gwydion hielt einen Augenblick inne und strich mit der Hand über Tarans Decke, bevor er in seiner Erzählung fortfuhr: „Heut früh stieß ein Gwythaint vom Himmel herab, auf mich zu. Er griff mich nicht an, sondern flatterte vor mir her und stieß seltsame Schreie aus. Die Sprache der Gwythaints ist kein Geheimnis für mich. Seit ich dem Turm der Schrecken entronnen bin, sind mir die Sprachen aller lebenden Wesen vertraut. So erfuhr ich von ihm, daß sich eine Gruppe von Wanderern in der Nähe befand, bei denen ein weißes Schwein war. Da machte ich unverzüglich kehrt und eilte in meiner eigenen Spur zurück. Um diese Zeit muß Hen Wen gespürt haben, daß ich in ihrer Nähe war. Als sie ausriß, rannte sie nicht aus Furcht weg, sondern um mich zu finden. Was sie mir sagen wollte, war wichtiger, als ich vermutet hatte. Nun erst verstand ich, warum der Gehörnte König ihr nachjagte: Offenbar wußte er, daß sie das einzige Mittel zu seiner Vernichtung kannte.“

„Was für ein Mittel?“ fragte der Junge.

„Hen Wen kannte den Geheimnamen des Gehörnten Königs.“

„Kann ein Name so mächtig sein?“ staunte Taran.

Gwydion nickte. „Wenn du das Böse beim richtigen Namen nennst, ist es dir ausgeliefert. Dann bist du imstande, es ein für allemal zu vernichten. Ohne Hen Wen freilich hätte ich den Geheimnamen nie erfahren.“ Er beugte sich zu Hen Wen hinab, um ihr die Ohren zu kraulen. „Hen hat mir das Geheimnis im Wald verraten, ganz ohne Runenstäbe und Zauberspruch. Vom ersten Augenblick an verstanden wir uns wie alte Freunde. Über uns kreiste der Gwythaint. Er war es, der mir den Weg zum Gehörnten König wies.“

„Und wo ist der Gwythaint jetzt?“ fragte Taran.

Gwydion zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht. Aber ich bin überzeugt, daß er nicht nach Annuvin zurückkehren wird. Sollte Arawn erfahren, was er für uns getan hat, so ließe er ihn in Stücke reißen. Jedenfalls hat der Gwythaint sich deiner Hilfe würdig erwiesen.“

Taran lächelte glücklich und nickte. „Ruh dich nun aus“, sagte Gwydion. „Alles ist gut geworden und hat seine Richtigkeit.“

Er erhob sich und wollte gehen. Eilonwy hielt ihn zurück und fragte ihn nach dem Geheimnamen des Gehörnten Königs.

Gwydion blickte sie freundlich an. „Den darf ich dir nicht verraten“, sagte er. „Doch dein Name, das schwöre ich dir, gefällt mir bei weitem besser.“

Nach ein paar Tagen war Taran so weit zu Kräften gekommen, daß er ohne fremde Hilfe umhergehen konnte. Gwydion lud ihn zu einem Rundgang durch Caer Dathyl ein. Die Festung lag auf einer Anhöhe und war um ein Vielfaches größer als Caer Dallben. Staunend besichtigte Taran die Rüstkammern und die Stallungen der Streitrosse, die Vorratshäuser und Werkstätten.

Später rief Gwydion alle Gefährten zu sich in die große Halle von Caer Dathyl, wo die Krieger des Fürsten mit ihren Bannern und Wappenschilden versammelt waren. Und hier, im Angesicht des ganzen Heeres, sprach ihnen Hochkönig Math, Sohn des Mathonwy aus dem Hause Don, seinen Dank für die Hilfe aus, die sie ihm und der Sache Prydains erwiesen hatten. Der weißbärtige Herrscher wirkte genauso alt und mürrisch wie Dallben. Er schien eine Vorliebe für lange Reden zu haben, und an Ausdauer im Sprechen stellte er selbst Eilonwy in den Schatten. Nach einer der wortreichsten Ansprachen, die Taran jemals vernommen hatte, ehrte er die Gefährten durch eine tiefe Verneigung und ließ sich von seinen Leibwächtern auf einem Tragstuhl, der mit golddurchwirktem Linnen ausgeschlagen war, aus der Halle bringen.

Gwydion blieb bei Taran und dessen Freunden zurück. „Auch ich“, begann er, „möchte euch meine Anerkennung für alles bezeugen, was ihr geleistet habt. Erlaubt mir daher, daß ich jedem von euch ein Geschenk überreiche – als Zeichen des Dankes und der Erinnerung.“ Dem Barden verehrte er eine Harfensaite. „Wenn alle anderen reißen“, sagte er, „…diese wird halten, mit was für stattlichen Übertreibungen du auch aufwartest, und ihr Klang wird der reinste und schönste von allen sein.“

Dem wackeren Doli verlieh er die Gabe, sich unsichtbar zu machen, solang er wollte; und Gurgi erhielt einen ledernen Vorratsbeutel. „Soviel du ihm auch entnimmst“, erklärte er ihm, „dieser Beutel wird niemals leer. Bewahre ihn gut, er gehört zu den wertvollsten Schätzen Prydains.“

Eilonwy schenkte er einen Armreif von Gold, den einer der ältesten und berühmtesten Künstler des Zwergenvolkes geschmiedet hatte. „So kostbar er ist“, versicherte er dem Mädchen, „mir ist deine Freundschaft noch kostbarer.“

Zuletzt trat der Fürst auf den Jungen zu, blickte ihm in die Augen und sagte: „Du aber, Taran von Caer Dallben, wähle dir selbst eine Gabe aus!“

„Ich – möchte nicht, daß ein Freund mich für etwas belohnt, was ich freiwillig und aus Freundschaft getan habe“, sagte Taran.

Lächelnd erwiderte Gwydion: „Du bist, wie mir scheint, noch immer der alte Starrkopf, Taran. Dennoch weiß ich: Du sehnst dich im Innersten deines Herzens danach, ein gewaltiger Held zu werden. Ob dieser Traum sich erfüllen wird oder nicht, liegt allein an dir. Dies zu bewirken, steht nicht in meiner Macht. Solltest du aber sonst einen Wunsch haben, den zu gewähren mir nicht versagt ist, so will ich das meine tun.“

Taran neigte den Kopf. „Es hat Zeiten gegeben, da zog es mich in die Ferne“, gestand er. „Doch neuerdings zieht es mich in Gedanken stärker und immer stärker heimzu, nach Caer Dallben. Darum erlaubt mir, daß ich nach Hause zurückkehre.“

Gwydion nickte. „Es sei!“

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