11. Die Tölpelbeiner sind wieder glücklich

Lucy folgte dem großen Löwen hinaus auf den Flur, und dort sah sie, daß ihnen ein alter Mann entgegenkam. Er war barfuß und mit einer roten Robe bekleidet. Sein weißes Haar war von einem Kranz aus Eichenblättern gekrönt, sein Bart fiel bis auf den Gürtel, und er stützte sich auf einen seltsam geschnitzten Stab. Als er Aslan sah, verbeugte er sich tief und sagte: »Sei willkommen, Herrscher, im bescheidensten Eurer Häuser.«

»Wirst du müde, Koriakin, über diese törichten Geschöpfe zu herrschen, die ich dir überlassen habe?«

»Nein«, antwortete der Zauberer. »Sie sind sehr dumm, aber sie tun nichts Böses. Ich fange an, diese Geschöpfe liebzugewinnen. Manchmal bin ich vielleicht ein wenig ungeduldig und sehne den Tag herbei, an dem man mit Weisheit statt mit Zauberei über sie regieren kann.«

»Alles zu seiner Zeit, Koriakin«, sagte Aslan.

»Ja, alles zu seiner Zeit, Herrscher«, war die Antwort. »Habt Ihr vor, Euch den Geschöpfen zu zeigen?«

»Nein«, sagte der Löwe mit einem leisen Brummen, das (nach Lucys Meinung) so etwas wie ein Lachen war. »Ich würde sie zu Tode erschrecken. Und heute vor Sonnenuntergang muß ich Trumpkin, den Zwerg, besuchen, der im Schloß von Feeneden sitzt und die Tage zählt, bis sein König, Kaspian, heimkehrt. Ich werde ihm deine Geschichte erzählen, Lucy. Mach kein so trauriges Gesicht. Wir werden uns bald wiedersehen.«

»Bitte, Aslan«, sagte Lucy. »Was nennst du bald!«

»Ich nenne jegliche Zeit bald«, sagte Aslan. Im selben Augenblick verschwand er, und Lucy blieb mit dem Zauberer allein zurück.

»Weg!« sagte der. »Und wir beide sind ganz niedergeschlagen. So ist es immer – man kann ihn nicht halten. Er ist eben kein zahmer Löwe. Und wie hat dir mein Buch gefallen?«

»Teilweise sehr, sehr gut«, sagte Lucy. »Wußtest du die ganze Zeit über, daß ich da war?«

»Nun, als ich zuließ, daß die Tölpel sich unsichtbar machten, wußte ich natürlich, daß du bald kommen und den Zauber aufheben würdest. Aber ich wußte nicht genau, an welchem Tag das sein würde. Und heute morgen habe ich nicht richtig aufgepaßt. Weißt du, sie hatten mich ja auch unsichtbar gemacht, und wenn ich unsichtbar bin, dann werde ich immer müde. Uuu-ah – da gähne ich schon wieder. Hast du Hunger?«

»Na ja, vielleicht ein bißchen«, sagte Lucy. »Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist.«

»Komm«, sagte der Zauberer. »Für Aslan mag ja jegliche Zeit egal sein; aber in meinem Haus sind die hungrigen Zeiten immer Essenszeiten.«

Er führte sie ein Stück den Gang hinunter und öffnete eine Tür. Lucy trat ein und befand sich in einem schönen Zimmer voller Sonnenlicht und Blumen. Als sie hereinkam, war der Tisch leer. Aber auf ein Wort des Zauberers hin erschienen ein Tischtuch, Besteck, Teller, Gläser und Speisen.

»Ich hoffe, daß dir das schmeckt«, sagte der Zauberer. »Ich habe versucht, dir Speisen zu servieren, die dem, was du zu Hause ißt, ähnlicher sind als das, was du in letzter Zeit bekommen hast.«

»Es ist herrlich«, sagte Lucy. Und das war es auch. Da gab es ein Omelette, noch ganz heiß, kaltes Lammfleisch und grüne Erbsen und zum Nachtisch Stachelbeereis. Zu trinken gab es Limonade und hinterher eine Tasse Schokolade. Der Zauberer selbst trank nur Wein und aß nur Brot. Nichts Beunruhigendes war an ihm, und schon bald unterhielten er und Lucy sich wie alte Freunde.

»Wann wird der Zauberspruch wirken?« fragte Lucy. »Werden die Tölpel sofort wieder sichtbar werden?«

»O ja, sie sind schon jetzt wieder sichtbar. Aber vermutlich schlafen sie noch; sie halten immer Mittagsschlaf.«

»Wirst du sie jetzt auch von ihrer Häßlichkeit befreien, jetzt, wo sie wieder sichtbar sind? Wirst du sie wieder in das verwandeln, was sie vorher waren?«

»Nun, das ist eine schwierige Frage«, sagte der Zauberer.

»Weißt du, nur sie selbst glauben, sie wären vorher so hübsch gewesen. Sie sagen, man hätte sie häßlich gemacht, aber ich nenne es nicht so. Viele Leute wären vielleicht der Meinung, sie hätten sich zum Guten verwandelt.«

»Sind sie sehr eingebildet?«

»Ja, das sind sie. Oder zumindest der Obertölpel, und er hat es all den anderen beigebracht. Sie glauben jedes Wort, das er sagt.«

»Das haben wir gemerkt«, bestätigte Lucy.

»Ja – in gewisser Weise ging es ohne ihn besser. Natürlich könnte ich ihn in etwas anderes verwandeln, oder ich könnte einen Zauber über ihn verhängen, daß sie ihm kein einziges Wort mehr glauben. Aber das will ich nicht tun.

Es ist besser für sie, ihn zu bewundern, als wenn sie gar nichts bewundern.«

»Bewundern sie dich denn nicht?« fragte Lucy.

»Nein, mich doch nicht«, sagte der Zauberer. »Mich würden sie nicht bewundern.«

»Warum hast du sie häßlich gemacht – ich meine, was sie häßlich gemacht nennen?«

»Nun, sie wollten nicht tun, was ihnen befohlen wurde. Es ist ihre Aufgabe, sich um den Garten zu kümmern und Lebensmittel anzubauen – nicht für mich, wie sie annehmen, sondern für sich selbst. Sie würden es überhaupt nicht tun, wenn ich es ihnen nicht befehlen würde. Und natürlich braucht man für einen Garten Wasser. Eine halbe Meile von hier am Berg ist eine herrliche Quelle. Und aus dieser Quelle entspringt ein Bach, der direkt am Garten vorbeifließt. Ich habe ihnen lediglich befohlen, das Wasser aus dem Bach zu holen, statt zweimal oder dreimal am Tag mit Eimern zur Quelle hochzuklettern und auf dem Rückweg die Hälfte des Wassers zu verschütten. Aber sie haben es nicht begriffen. Zum Schluß weigerten sie sich einfach.«

»Sind sie denn so dumm?« fragte Lucy.

Der Zauberer seufzte. »Du kannst dir nicht vorstellen, welche Schwierigkeiten ich schon mit ihnen hatte. Vor ein paar Monaten waren sie alle dafür, die Teller und das Besteck vor dem Essen abzuwaschen. Sie sagten, dadurch würde man hinterher Zeit sparen. Ich habe sie dabei erwischt, wie sie gekochte Kartoffeln in die Erde steckten, um sich nach der Ernte das Kochen zu sparen. Eines Tages schlich sich die Katze in die Milchkammer, und zwanzig von ihnen machten sich an die Arbeit, die ganze Milch hinauszuschaffen; keiner kam auf die Idee, die Katze wegzubringen. Aber ich sehe, daß du fertig bist. Komm, wir schauen uns die Tölpel an, jetzt, wo man sie wieder sehen kann.«

Sie gingen in ein anderes Zimmer, das schwer verständliche Instrumente enthielt – wie Astrolaber, Orrerien, Chronoskope, Poesiemeter, Choriambusen und Theolinden –, und da, als sie am Fenster angelangt waren, sagte der Zauberer: »Dort! Dort sind deine Tölpel!«

»Ich sehe niemand«, sagte Lucy. »Aber was sind denn das für Pilzdinger?«

Die Dinger, auf die sie deutete, waren auf der ganzen Rasenfläche verteilt. Sie sahen ohne Zweifel ganz so aus wie Pilze, aber sie waren viel zu groß – der Stiel war etwa einen Meter lang, und der Schirm hatte einen Durchmesser der gleichen Länge. Als sie genau hinschaute, sah sie auch, daß der Stiel nicht in der Mitte, sondern an der Seite des Schirms angewachsen war, wodurch es so aussah, als wäre das Gleichgewicht ein wenig gestört. Und am Fuß des Stiels lag etwas – ein kleines Bündel – auf dem Gras. Je länger sie die Dinger anstarrte, desto weniger schienen sie Pilzen zu gleichen. Der Schirmteil war nicht richtig rund, wie sie zuerst angenommen hatte. Er war länger als breit, und an einem Ende war er etwas breiter als am anderen. Mindestens fünfzig dieser Dinger lagen herum.

Die Uhr schlug drei.

Sofort passierte etwas sehr Eigenartiges. Jeder »Pilz« drehte sich plötzlich um. Die kleinen Bündel, die am Fuß des Stiels gelegen hatten, waren Kopf und Körper. Die Stiele waren die Beine. Aber es waren nicht jeweils zwei Beine, sondern zu jedem Körper gehörte nur ein einziges Bein. Dieses eine Bein war nicht an einer Seite angewachsen wie bei einem Menschen, der nur ein Bein hat, sondern es schloß direkt an den Körper an. Am Ende des Beines befand sich ein einziger, riesiger Fuß – ein breitzehiger Fuß. Die Zehen wölbten sich ein wenig nach oben, wodurch der Fuß fast so aussah wie ein kleines Kanu. Sofort wurde Lucy klar, warum sie wie Pilze ausgesehen hatten. Sie hatten platt auf dem Rücken gelegen, das Bein senkrecht in die Höhe gestreckt und den riesigen Fuß darüber ausgebreitet. Später erfuhr Lucy, daß dies ihre normale Ruhestellung war; denn der Fuß hielt sowohl den Regen als auch die Sonne ab, und für einen Einbeiner war es unter seinem eigenen Fuß fast genauso gemütlich wie für andere in einem Zelt.

»Oh, wie lustig sie aussehen, wie lustig!« rief Lucy und brach in Gelächter aus. »Hast du sie so gemacht?«

»Ja, ja, ich habe die Tölpel in Einbeiner verwandelt«, sagte der Zauberer. Auch er lachte, bis ihm die Tränen herunterliefen. »Aber schau mal zu!« fügte er hinzu.

Es lohnte sich zuzuschauen. Natürlich konnten diese kleinen einfüßigen Männchen nicht so gehen oder rennen wie wir. Sie bewegten sich hüpfend, wie Flöhe oder Frösche. Und was für Sprünge sie machten! So, als bestünden diese riesigen Füße aus einem Satz Sprungfedern. Und mit was für einem Schwung sie wieder auf dem Boden landeten! Das war das Stampfgeräusch, das Lucy so verwirrt hatte. Jetzt hüpften sie nach allen Seiten und riefen einander zu: »He, Kameraden! Wir sind wieder sichtbar!«

»Das sind wir«, sagte einer, der eine rote Mütze mit vielen Troddeln trug und der offensichtlich der Anführer der Einbeiner war. »Und ich sage euch – wenn die Leute sichtbar sind, dann kann man sie sehen.«

»Ja, so ist es, so ist es, Boß«, riefen alle anderen. »Ganz recht. Keiner kann klarer denken als du. Du hättest es nicht besser ausdrücken können.«

»Das kleine Mädchen hat es geschafft, während der alte Herr seinen Mittagsschlaf hielt«, verkündete der Anführer. »Diesmal ist es uns gelungen, ihn zu überrumpeln!«

»Genau das wollten wir eben auch sagen«, stimmte der Chor zu. »Du bist heute noch besser als je zuvor. Weiter so, weiter so.«

»Wie können sie es wagen, so über dich zu sprechen?« fragte Lucy. »Gestern schienen sie noch Angst vor dir zu haben. Ob sie wohl nicht auf die Idee kommen, du könntest ihnen zuhören?«

»Das ist eine von den komischen Eigenschaften der Tölpel«, sagte der Zauberer. »Manchmal reden sie so, als würde ich alles bestimmen, alles mithören und als wäre ich sehr gefährlich. Und im nächsten Moment sind sie der Ansicht, sie könnten mich mit Tricks hereinlegen, die jedes kleine Kind durchschaut.«

»Muß man sie wieder in ihre normale Gestalt zurückverwandeln?« fragte Lucy. »Macht es ihnen wirklich so viel aus, daß sie so sind, wie sie sind? Sie scheinen recht zufrieden zu sein. Da – schau dir diesen Sprung an! Wie haben sie denn vorher ausgesehen?«

»Es waren ganz gewöhnliche kleine Zwerge«, sagte der Zauberer. »Längst nicht so hübsch wie die Zwerge von Narnia.«

»Es wäre wirklich ein Jammer, wenn man sie zurückverwandeln würde«, sagte Lucy. »Sie sind so komisch – und sie sind sehr süß. Meinst du, es nützt etwas, wenn ich ihnen das sage?«

»Ganz bestimmt – sofern du es ihnen begreiflich machen kannst.«

»Kommst du mit und hilfst mir dabei?«

»Nein, nein. Allein schaffst du es bestimmt viel besser.«

»Vielen Dank für das Essen«, sagte Lucy und wandte sich schnell ab. Sie rannte die Treppe hinunter, die sie am Morgen so ängstlich bestiegen hatte. Am Fuß der Treppe prallte sie mit Edmund zusammen. Alle anderen waren auch da und warteten, und Lucy bekam ein schlechtes Gewissen, als sie ihre besorgten Gesichter sah und ihr klar wurde, wie lange sie weggeblieben war und ihre Freunde vergessen hatte.

»Alles in Ordnung!« rief sie. »Alles klar! Der Zauberer ist ganz phantastisch – und Aslan habe ich auch gesehen.«

Dann rannte sie wie der Blitz hinaus in den Garten. Dort bebte die Erde von den Sprüngen der Einbeiner, und die Luft vibrierte von ihren Rufen. Und beides verstärkte sich noch, als sie Lucy sahen.

»Da kommt sie, da kommt sie«, riefen sie. »Ein dreifaches Hurra für das kleine Mädchen! Ah! Sie hat es dem alten Herrn gezeigt! Ja, das hat sie!«

»Es tut uns außerordentlich leid«, sagte der Obereinbeiner, »daß du uns nicht so sehen kannst, wie wir ausgesehen haben, bevor wir häßlich gemacht wurden. Du würdest nicht glauben, wie wir damals ausgesehen haben, ganz bestimmt nicht, denn es läßt sich nicht leugnen, daß wir jetzt furchtbar häßlich sind.«

»Ja, das sind wir, Boß, das sind wir!« fielen die anderen mit ein und hüpften auf und ab wie Spielzeugballons. »Du sagst es, du sagst es!«

»Aber das finde ich überhaupt nicht!« rief Lucy laut, damit alle sie hören konnten. »Ich finde, ihr seht sehr hübsch aus.«

»Hört, hört!« sagten die Einbeiner. »Das stimmt, Fräuleinchen. Wir sehen sehr hübsch aus. Ein hübscheres Völkchen gibt es nicht.« Das sagten sie ohne jegliche Überraschung, und es schien ihnen nicht aufzufallen, daß sie vorher genau das Gegenteil behauptet hatten.

Doch bevor sie an diesem Abend zu Bett gingen, geschah noch etwas. Und danach waren die Einbeiner mit ihrem einen Bein noch zufriedener. Kaspian und die anderen gingen so schnell wie möglich zum Strand hinunter, um Rhince und den anderen an Bord, die inzwischen sehr in Sorge waren, Bescheid zu sagen. Und natürlich gingen die Einbeiner mit. Sie hüpften auf und ab wie Fußbälle und stimmten sich gegenseitig lautstark zu, bis Eustachius sagte: »Ich wollte, der Zauberer würde sie statt unsichtbar unhörbar machen.«

Als sie bei der Bucht ankamen, hatte Riepischiep eine ausgezeichnete Idee. Er ließ sein kleines Weidenboot zu Wasser und paddelte herum, bis die Einbeiner aufmerksam wurden. Dann stellte er sich in seinem Boot auf und sagte: »Ehrenwerte und kluge Einbeiner! Ihr braucht keine Boote! Jeder von euch hat einen Fuß, den er statt dessen benutzen kann. Ihr müßt so leichtfüßig wie möglich auf dem Wasser hüpfen, dann werdet ihr sehen, was geschieht.«

Der Obereinbeiner zögerte und warnte die anderen, daß das Wasser sehr naß sei. Aber einer oder zwei der jüngeren versuchte es sofort, und dann folgten ein paar weitere ihrem Beispiel, und schließlich beteiligten sich alle. Es klappte ausgezeichnet. Der riesige Fuß der Einbeiner diente als natürliches Floß oder Boot, und nachdem Riepischiep ihnen beigebracht hatte, wie man ein einfaches Paddel schnitzt, paddelten sie alle in der Bucht und um die »Morgenröte« herum und sahen aus wie eine Flotte kleiner Kanus, in deren Heck dicke Zwerge standen. Sie paddelten um die Wette, vom Schiff wurden Weinflaschen als Preise für sie herabgelassen, und die Matrosen lehnten sich über die Reling und lachten, bis ihnen alles weh tat.

Auch über ihren neuen Namen »Einbeiner« waren die Tölpel sehr glücklich. Sie fanden ihn phantastisch – nur sagten sie ihn immer falsch. »Das sind wir!« riefen sie. »Eimerbeine, Beinheimer, Heimerbeiner. Genau dieser Name lag uns selbst schon auf der Zunge.« Aber schon bald brachten sie ihn mit ihrem alten Namen – Tölpel – durcheinander, und schließlich nannten sie sich Tölpelbeiner. Und so werden sie vermutlich für alle Zeiten genannt.

Am Abend speisten alle Narnianen oben beim Zauberer. Lucy fiel auf, wie anders das obere Stockwerk plötzlich aussah, jetzt, wo sie keine Angst mehr hatte. Die geheimnisvollen Zeichen an den Türen waren noch immer geheimnisvoll, aber jetzt schienen sie eine freundliche und heitere Bedeutung zu haben, und selbst der bärtige Spiegel sah jetzt eher lustig als furchterregend aus. Beim Abendessen bekam jeder durch Zauberei das zu essen und zu trinken, was er am liebsten mochte. Und nach dem Essen veranstaltete der Zauberer eine sehr praktische und schöne Zauberei. Er legte zwei leere Bogen Pergament auf den Tisch und bat Drinian, ihm einen genauen Bericht ihrer Reise zu geben; und während Drinian sprach, erschien all das, was er beschrieb, in feinen und klaren Linien auf dem Pergament, bis die Blätter schließlich zu phantastischen Karten geworden waren. Sie zeigten die östlichen Meere mit Galma, Terebinthia, den Sieben Inseln, den Einsamen Inseln, der Dracheninsel, der Verbrannten Insel, der Todeswasserinsel und dem Land der Tölpel, und alles hatte genau die richtige Größe und war an der richtigen Stelle eingezeichnet. Dies waren die allerersten Karten von diesen Meeren, und sie waren besser als all die Karten, die inzwischen ohne Zauberei gemacht wurden. Denn die Städte und die Berge auf diesen Karten sahen zwar so aus wie auf einer normalen Karte, aber nachdem der Zauberer seinen Gästen ein Vergrößerungsglas geliehen hatte, sahen sie, daß es perfekte kleine Abbilder der Wirklichkeit waren; so konnte man zum Beispiel das Schloß und den Sklavenmarkt und die Straßen von Enghafen erkennen, und alles war ganz klar und doch weit weg, so, wie die Dinge durch das falsche Ende eines Teleskops aussehen. Der einzige Nachteil war, daß die Küsten der meisten Inseln unvollständig waren, denn die Karte zeigte nur das, was Drinian mit eigenen Augen gesehen hatte. Als die beiden Karten fertig waren, behielt der Zauberer eine für sich und gab die andere Kaspian. Diese Karte hängt noch immer in seinem Instrumentenzimmer in Feeneden. Aber von Meeren oder Ländern weiter im Osten konnte ihnen der Zauberer nichts sagen. Er sagte ihnen jedoch, daß vor sieben Jahren ein narnianisches Schiff in seinen Gewässern angelegt habe und daß sich die Lords Revilian, Argoz, Mavramorn und Rhoop an Bord befunden hätten. Daraus schlossen sie, daß der goldene Mann, den sie im Todeswasser gesehen hatten, Lord Restimar gewesen sein mußte.

Am nächsten Tag reparierte der Zauberer durch Zauberei das von der Seeschlange beschädigte Heck der »Morgenröte« und belud das Schiff mit praktischen Geschenken. Sie verabschiedeten sich sehr freundschaftlich, und als die »Morgenröte« zwei Stunden nach Mittag ablegte, paddelten alle Tölpelbeiner bis zur Mündung der Bucht mit und jubelten, bis sie außer Hörweite waren.

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