12

Der Raum war sehr groß - die Wände aus rostzerfressenem Eisen verbargen sich hinter schweren Tapeten aus Seide und anderen, kostbaren Stoffen. Hier und da hingen Bilder. Das Mobiliar hätte eher in ein Museum oder eines der großen Schlösser Europas gepaßt als in den obersten Turm eines Shaitaan. Genaugenommen stammten die Möbel auch aus Palästen, so wie die Bilder aus den ehemals wertvollsten Kunstsammlungen dieses Planeten gestohlen worden waren.

Daniel hatte dieses Zimmer nach seinem persönlichen Geschmack eingerichtet. Er hatte auf keine Kosten Rücksicht nehmen müssen - immerhin standen ihm die Schätze eines ganzen Planeten und eine riesige Dienerschar zur Verfügung. Das Zimmer glich zwei oder drei Dutzend anderen Räumen, die es in verschiedenen Gebäuden und an verschiedenen Orten dieser Welt gab, und eigentlich hätte er sich hier wohl fühlen müssen.

Das Gegenteil war der Fall. Daniel fühlte sich nicht wohl. Er fühlte sich sogar ganz und gar unwohl, und das mit gutem Grund.

Es war ein Fehler gewesen, den Megamann anzufordern, um Captain Laird unschädlich zu machen - und so, wie die Dinge sich entwickelt hatten, sogar überflüssig. Kyle war zu einem Problem geworden, und nicht erst seit seinem Anruf aus Angelicas Wohnung. Daniel war sich durchaus darüber im klaren, daß seine Herrschaft über diesen Planeten auf tönernen Füßen stand. Die Herren Morons waren großzügig, so lange ihre Untergebenen zu ihrer Zufriedenheit arbeiteten - aber das Wort Vergebung gehörte nicht zu ihrem Vokabular.

Unruhig stand Daniel auf und begann in der Suite umherzugehen. Seine Gedanken überschlugen sich. Er hatte einen Fehler gemacht. Er durfte jetzt keinen zweiten begehen und sich damit womöglich sein eigenes Grab schaufeln. Wie die meisten Governore hatte Daniel wenig Erfahrung im Umgang mit Megakriegern. In den letzten Stunden hatte er mit schmerzhafter Deutlichkeit zu begreifen begonnen, daß er den so harmlos aussehenden jungen Mann unterschätzt hatte. Kyle war mehr als eine menschliche Kampfmaschine. Er besaß darüber hinaus einen messerscharfen Verstand, und er war durchaus in der Lage, ihn nicht nur zur Erfüllung seines Auftrages einzusetzen. Der Megamann hatte Dinge gesehen, die Daniel lieber für sich behalten hätte.

Ein leises Summen drang in seine Gedanken und ließ Daniel abrupt stehenbleiben. Er drehte sich um, blickte die geschlossene Tür einen Moment lang fast irritiert an und sagte dann leise: »Ja?«

Das Schott glitt auf, und eine Ameise betrat den Raum. Für einen kurzen Moment erhaschte Daniel einen Blick auf eine andere, sehr viel weniger prachtvolle Welt als die, die er sich selbst hier geschaffen hatte: Hinter der Tür lag ein schmaler, kaum beleuchteter Gang, dessen Wände im dunklen Rot von verrostetem Eisen schimmerten. Das Shaitaan war ein gigantisches Bauwerk, vielleicht eines der größten, das jemals auf diesem Planeten errichtet worden war, aber es war nicht für die Ewigkeit gebaut. Das war auch nicht nötig.

»Ja?« sagte Daniel noch einmal, als die Ameise keine Anstalten machte, von sich aus zu reden, sondern zwei Schritte vor ihm stehenblieb und ihn aus ihren kalten, ausdruckslosen Augen musterte.

»Der Gleiter befindet sich im Anflug, Herr«, sagte das Wesen. Seine Stimme war wohlmoduliert und sanft; sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem unangenehmen Zischeln und Lispeln, das die Moroni-Diener normalerweise von sich gaben. Es war auch nicht wirklich seine Stimme, sondern der Klang eines winzigen Übersetzungsgeräts, das in seinen Kehlkopf implantiert worden war.

»Sehr gut«, sagte Daniel abwesend. »Ihr habt eure Anweisungen.«

Das Wesen deutete ein Nicken an. Aber es rührte sich nicht.

»Ist noch etwas?« fragte Daniel unwillig.

Die Ameise zögerte. Hätte Daniel nicht gewußt, daß sie zu solchen Empfindungen gar nicht fähig war, dann hätte er in diesem Moment geschworen, daß es ihr unangenehm war, weiterzusprechen.

»Der ... Megakrieger, Herr«, sagte es. »Es gibt ein Problem.«

»So?« fragte Daniel. »Was für ein Problem? Captain Laird kommt sozusagen aus freien Stücken zu uns. Damit ist sein Auftrag erfüllt. Ihr könnt ihn zurückschicken.«

»Das ist es nicht«, antwortete die Ameise. »Wir sind nicht sicher, ob wir das noch können.«

»Was soll das heißen?«

»Er hat auf einen unserer Krieger geschossen, Herr.«

»Er hat ...« Daniel verstummte verwirrt. »Wieso?«

»Das wissen wir nicht. Der Krieger hatte Captain Laird bereits überwältigt, als der Megamann ihn erschoß und ihr somit die Flucht ermöglichte.«

»Und es gibt keinen Zweifel?« vergewisserte sich Daniel. »Es ist kein Irrtum möglich?«

»Die automatische Kamera des Gleiters hat die ganze Szene aufgenommen«, antwortete die Ameise. »Sie können sie sich ansehen, wenn Sie es wünschen.«

»Das ist nicht nötig«, antwortete Daniel halblaut. Die Worte des Moroni hatten ihn auf eine Idee gebracht - ein Einfall, der ihm selbst so wahnwitzig erschien, daß er schon fast wieder genial war. Vielleicht, dachte er, hatte Kyle ihm jetzt unabsichtlich selbst einen Weg gezeigt, wie er doch noch aus dieser unangenehmen Lage herauskam, ohne sein Gesicht zu verlieren.

»Wo ist er jetzt?« fragte er.

»Auch das wissen wir nicht«, antwortete der Moroni-Diener. »Der Gleiter wurde beschädigt, als einer der Rebellen einen Schuß abfeuerte. Aber er wird sicher landen.«

»Ist denn so etwas überhaupt möglich?« fragte Daniel. »Ich meine, ich weiß nicht viel über Megakrieger ... aber ich dachte immer, sie sind absolut loyal.«

Die Ameise zögerte einen Moment. »Er wurde verletzt«, sagte er schließlich. »Sehr schwer verletzt. Es ist unwahrscheinlich, aber denkbar, daß seine Konditionierung dabei durchbrochen wurde. Er stammt von dieser Welt.«

Genau das war es, was Daniel hatte hören wollen. Er hatte plötzlich Mühe, ein zufriedenes Lächeln zu unterdrücken. »Das heißt, wenn dieser unwahrscheinliche Fall eingetroffen ist«, antwortete er umständlich, »dann haben wir es vielleicht mit einem Megakrieger zu tun, der auf Captain Lairds Seite steht.«

»Die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt nicht einmal ...« begann die Ameise, wurde aber sofort von Daniel unterbrochen:

»Ist das denkbar?«

»Ja, Herr«, antwortete der Moroni-Diener nach einem abermaligen, spürbaren Zögern.

Daniel seufzte. Er sah sehr besorgt aus. Aber innerlich triumphierte er. »Was sieht die Standardregel für einen solchen Fall vor?«

»Seine Eliminierung, Herr«, antwortete die Ameise. »Aber ich möchte darauf hinweisen, daß ...«

»Dann verfahrt nach euren Befehlen«, unterbrach ihn Daniel. »Ich habe keine besondere Lust, mich mit einer wild gewordenen Ein-Mann-Armee herumzuschlagen. Tötet Kyle.«


Das Shaitaan war längst zu einem Monstrum geworden, das die Welt draußen vor den Fenstern von einem Ende bis zum anderen ausfüllte. Während der letzten Sekunden war der Flug des Gleiters langsamer geworden, näherte sich dem Bauwerk aber immer noch mit ziemlich hoher Geschwindigkeit. Dort erwartet uns der Tod, dachte Charity unwillkürlich. Das Fahrzeug war automatisch gestartet, als es angegriffen wurde - und das bedeutete nichts anderes, als daß sie dort drinnen wahrscheinlich von einer ganzen Armee bewaffneter Riesenameisen empfangen wurden ...

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, trat Skudder in diesem Augenblick neben sie und lächelte aufmunternd. »Angst?« fragte er augenzwinkernd.

»Nein«, antwortete Charity. »Ich mache mir nur Sorgen um die armen Kerle, die auf uns warten. Du weißt doch, wie tierlieb ich bin. Verdammt, natürlich habe ich Angst.« Sie sah nervös zum Fenster. In einen der Spiraltürme hatte sich ein Tor geöffnet.

»Sieht so aus, als wäre eure kleine Revolution zu Ende, ehe sie richtig angefangen hat, wie?« fragte Gurk. Charity warf ihm einen bösen Blick zu, auf den der Gnom aber nur mit einem Grinsen reagierte, während er gleichzeitig einen der erbeuteten Strahler hob.

Wenigstens sind sie nicht mehr völlig wehrlos, dachte Charity. Die beiden toten Riesenameisen hatten sich als wandelnde Waffenarsenale erwiesen - außer Skudder, der noch immer Barts Lasergewehr trug, war jetzt jeder von ihnen mit einer der kleinen Strahler ausgerüstet. Sie waren nicht für Menschen konstruiert worden, und es gehörte schon einige Fingerakrobatik dazu, damit zu zielen - aber Daniels Sturmtruppen würden sich wundern, wenn sie glaubte, es nur mit einer Handvoll schlecht ausgerüsteter Möchtegern-Rebellen zu tun zu haben.

Die Schleuse kam näher. Für einen Moment konnte Charity eine Anzahl winziger, spinnengliedriger Gestalten erkennen, die sich im Halbkreis aufgebaut hatten, dann kippte die Flugscheibe sanft ab, vollführte eine rasche Drehung und setzte mit einem dumpfen Laut auf.

»Okay«, sagte Skudder. »Verteilt euch.«

Niemand antwortete. Sie waren nervös und hatten Angst wie noch nie in ihrem Leben.

Die Triebwerke des Gleiters verstummten mit einem letzten, mächtigen Dröhnen, und fast in der gleichen Sekunde begannen sich die beiden Schleusentore zu öffnen. Charitys Hände wurden feucht vor Aufregung, als die stählernen Türhälften auseinander glitten. Sie hob ihre Waffe, zielte mit beiden Händen und wartete darauf, daß etwas geschah.

Aber zumindest in den ersten Sekunden blieb alles ruhig. Entweder, dachte sie, die Insektenkrieger dort draußen hatten beschlossen, den Angreifern die Initiative zu überlassen - oder sie waren einfach verwirrt und wußten nicht, was sie tun sollten. Vielleicht hatte der Gleiter einfach nur ein automatisches Notsignal gesendet, ohne die Besatzung des Shaitaan über Einzelheiten zu informieren.

»Übrigens«, begann Kent plötzlich. »Was ich gestern gesagt habe, tut mir leid. Ich wollte nur, daß ihr das wißt, wenn ...«

»Halt's Maul, Kent«, unterbrach ihn Skudder grob. »Wir sind nicht hier, um Abschiedsreden zu halten. Wir wollen überleben.«

»Das werdet ihr nicht«, sagte Lydia.

»Reizend«, murrte Charity. »Solche Aufmunterungen können wir wirklich gebrauchen. Hast du noch mehr solcher ...«

Sie verstummte mitten im Wort, als sie Lydia ansah.

Die junge Frau hatte das Zeremoniengewand abgelegt, wie sie auch, und sie hielt wie Charity und Net in jeder Hand einen der kleinen, silbernen Laserstrahler. Aber es gab einen eklatanten Unterschied:

Die Mündung der einen Waffe deutete direkt auf Skudder.

Die der anderen auf Charity.

»Was ... was soll das?« fragte Charity überrascht. »Bist du verrückt geworden?«

»Nein«, antwortete Lydia. Ihr Gesicht war hart, und ihre Stimme bebte. »Legt die Waffen weg.«

»Du bist wohl übergeschnappt!« schrie Kent. »Das ist doch ...«

Lydia schoß auf ihn.

Es ging so schnell, daß keiner der anderen auch nur Gelegenheit fand, einen Schreckensschrei auszustoßen. Die Waffe in Lydias Hand bewegte sich eine Winzigkeit nach rechts, spie einen kurzen, nadeldünnen Lichtblitz aus und richtete sich sofort wieder auf Skudder. Kent taumelte zurück, prallte gegen die Wand und brach zusammen.

»Glaubt noch jemand, daß ich es nicht ernst meine?« fragte Lydia kalt.

Niemand antwortete. Charity sah aus den Augenwinkeln, wie sich Skudder spannte, aber zu ihrer Erleichterung schien er auch im gleichen Moment einzusehen, daß ein Angriff der reine Selbstmord gewesen wäre.

»Tut, was sie sagt«, sagte Charity ruhig. Langsam senkte sie ihre Waffe, ging in die Hocke und legte den Laser vor sich auf den Boden, mit bedächtigen, übertrieben umständlichen Bewegungen, um Lydia nicht zu einer Unbesonnenheit zu provozieren. Nacheinander legten auch die anderen ihre Waffen fort.

»Gut«, sagte Lydia. »Und jetzt stellt euch an die Wand. Nebeneinander und mit erhobenen Armen.«

»Du gehörst also auch zu ihnen«, sagte Charity bitter. »Mein Kompliment, Lydia. Nicht einmal ich habe dich durchschaut. Habt ihr eine neue Art der Tarnung entwickelt?«

»Ich bin keines dieser ... Tiere!« antwortete Lydia erregt. Das letzte Wort schrie sie fast.

Charity war nicht einmal überrascht. Sie hätte gespürt, wenn Lydia kein Mensch gewesen wäre, ganz gleich, wie perfekt ihre Tarnung auch sein mochte.

»Warum tust du es dann?« fragte sie.

»Das geht dich nichts an«, antwortete Lydia. »Und es spielt auch keine Rolle mehr.«

»Für mich schon«, sagte Charity. »Was haben sie dir geboten? Unsterblichkeit? Macht?«

In Lydias Gesicht arbeitete es. Für einen Moment zerbrach die Maske aus Stein und Charity sah sie so, wie sie in Wahrheit war: nichts als eine hilflose junge Frau, die vor Angst fast den Verstand verloren hatte. Ganz langsam senkte sie die Arme.

Die Waffe in Lydias Hand ruckte hoch. »Mach keine Dummheiten«, sagte sie. »Ich soll euch lebend bringen, aber tot seid ihr Daniel bestimmt immer noch lieber, als bekäme er euch gar nicht.«

Charity erstarrte wieder. Lydia befand sich in einem Zustand, der sie absolut unberechenbar werden ließ.

»Du arbeitest also für Daniel«, sagte Net. »Das hätte ich mir denken können. Woher wußte er, wo wir sind?«

»Gar nicht«, antwortete Lydia. Sie deutete auf Kent. »Eigentlich sollte ich nur das Versteck dieses Narren da ausfindig machen. Daß ihr mir über den Weg gelaufen sein, war ein Zufall.«

»Hoffentlich bereust du ihn nicht noch«, sagte Net zornig.

An der Tür wurden Schritte laut: das klackende Geräusch von Insektenklauen, aber auch die Schritte eines Menschen. Ein halbes Dutzend schwerbewaffneter Insektenkrieger drängte in den Gleiter und nahm rechts und links neben Lydia Aufstellung. Mehr als zwanzig Strahlenwaffen gleichzeitig richteten sich auf Charity, Skudder, Net und Abn El Gurk.

Der Gnom lachte gehässig. »Was glauben diese Blödmänner eigentlich, was passiert, wenn sie alle zusammen schießen?« fragte er beinahe fröhlich. »Die braten sich doch selbst!«

»Kaum«, sagte eine Stimme von der Tür aus.

Charity sah auf, und obwohl sie genau gewußt hatte, wen sie sehen würde, ließ der Anblick sie doch erschrocken zusammenfahren.

Daniel Stone ließ ihr ausreichend Zeit, ihn in aller Ruhe zu mustern.

Er hatte sich kaum verändert - sein Gesicht war trotz allem noch immer das eines zu groß geratenen, ein wenig schüchternen Jungen. Statt der dunkelblauen Space-Force-Uniform, in der Charity ihn zuletzt gesehen hatte, trug er jetzt eine einteilige Montur aus einem schwarzen Material, das irgendwie lebendig aussah.

»Aber du hast natürlich völlig recht«, fuhr Stone nach einer Weile an Gurk gewandt fort. »Es wäre ziemlich dumm, euch zu töten, nachdem ich mir solche Mühe gegeben habe, euch lebend zu bekommen.« Er wandte sich mit einer herrischen Geste an die Krieger. »Steckt die Waffen weg. Unsere Gäste werden kaum so dumm sein, sich mit bloßen Händen wehren zu wollen.«

Charity hatte Mühe, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Was sie Stone gegenüber empfand, war abgrundtiefer Haß. Und doch wußte sie, daß er nicht der wahre Schuldige war. Irgend etwas war in jenen drei Jahren mit ihm geschehen, die er vor ihr aus dem Schlaftrank gestiegen war.

»Sie sind nicht sehr gesprächig, wie?« fragte Stone. Er seufzte. »Aber das wird sich ändern. Und wir haben viel Zeit, uns zu unterhalten.«

Eine Sekunde lang wartete er vergeblich auf eine Antwort, dann wandte er sich um und maß Skudder mit einem langen, sehr nachdenklichen Blick. »Wir übrigens auch, mein Freund. Und ich weiß auch schon ein paar Themen, über die wir reden könnten.«

»Ach?« sagte Skudder. »Und welche?«

»Loyalität«, schlug Daniel vor. »Oder die Strafe für einen gebrochenen Vertrag.«

»Was ist mit meinem Kind?« mischte sich Lydia ein. Daniel drehte sich zu ihr herum und sah sie stirnrunzelnd an, fast als verstünde er den Sinn ihrer Frage nicht.

»Ich habe sie gebracht«, fuhr Lydia fort. Ihre Stimme schwankte. »Ich habe getan, was Sie verlangt haben. Jetzt geben Sie mir mein Kind zurück.«

»Dein Kind?« Charity sah überrascht auf. Und plötzlich begriff sie. Voller Zorn starrte sie Stone an.

»Sie haben ihr Kind entführt, um sie zu erpressen?«

»Nicht entführt«, berichtigte Daniel sie. »Es wurde erwählt. Ihre Freundin war so dumm, es zu nehmen und damit fliehen zu wollen. Sie ist nicht besonders weit gekommen. Aber ihr Mut hat mir imponiert. Und da wir ohnehin ein kleines Problem mit den Rebellen hatten ...«

»Ich mußte es tun, Charity«, sagte Lydia. Ihre Selbstbeherrschung zerbrach endgültig. Sie begann zu schluchzen. »Sie haben mich gefaßt, als ich die Stadt verlassen wollte. Er ... er hat gesagt, daß er mir das Leben schenkt, und mir meinen Sohn zurückgibt, wenn ich ihm helfe, das Rebellenversteck zu finden.«

»Und darauf bist du hereingefallen?« fragte Skudder zornig. »Verdammt, das kannte er doch längst! Spätestens, als wir Feargal erledigt haben, hättest du wissen müssen, was wirklich vorgeht! Er hat nur mit dir gespielt!«

»Sie tun mir Unrecht, Skudder«, sagte Daniel. Seltsamerweise hatte Charity bei diesen Worten das Gefühl, daß sie durchaus ehrlich gemeint waren. »Wir haben ein paar Verbindungsleute, das ist richtig. Aber die Rebellen sind mißtrauisch. Die wenigsten verraten irgendeinem Außenstehenden ihr Versteck.« Er machte eine abgehackte Handbewegung, um das Thema damit für erledigt zu erklären, und wandte sich an einen der Insektenkrieger.

»Führe sie zu ihrem Kind«, sagte er. »Und dann bringt sie zurück in die Stadt.« Er lächelte in Charitys Richtung. »Sie sehen, ich halte mein Wort. Auch meinen Feinden gegenüber.«

»Beeindruckend«, antwortete Charity. »Vielleicht habe ich mich wirklich in Ihnen getäuscht.«

Daniel lachte kurz auf, aber dann wurde er sofort wieder ernst. »Genug jetzt«, sagte er bestimmt. »Ich muß noch ein paar Kleinigkeiten erledigen, danach habe ich Zeit genug, mich mit Ihnen zu unterhalten!«

»Über die Art meiner Hinrichtung?« erkundigte sich Charity.

Stones Lächeln gefror. »Bringt sie weg!« befahl er.

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