Das Manuskript aus den Wolken (The Horror of the Height)

Der Gedanke, die außergewöhnliche Geschichte, genannt das Joyce-Armstrong-Fragment, sei ein ausgemachter Scherz eines unbekannten Witzboldes, getrieben von einem perversen und bösen Sinn für Humor, ist jetzt von allen, die die Sache geprüft haben, verworfen worden. Selbst der makaberste und phantasievollste Lügner würde zögern, seine krankhaften Eingebungen mit den unerhörten, tragischen Fakten in Verbindung zu bringen, welche die Angaben bekräftigen. Sind die dort aufgestellten Behauptungen zwar erstaunlich, ja ungeheuerlich, so muß doch jeder erkennen, daß sie wahr sind und daß wir unser Denken der neuen Situation anpassen müssen. Diese unsere Welt scheint durch eine schwache, durchlässige Sicherheitsgrenze von einer höchst einzigartigen und unerwarteten Gefahr getrennt zu sein. In dieser Darstellung, welche das Originaldokument in seiner notwendigerweise etwas bruchstückhaften Form wiedergibt, will ich mich bemühen, alle bis heute bekannten Fakten vor dem Leser auszubreiten. Allen, die den Bericht von JoyceArmstrong anzweifeln mögen, sei vorweg gesagt, daß die Aussagen bezüglich Lieutenant Myrtle, R. N. und Mr. Hay Connor, die mit Sicherheit ihr hier beschriebenes Ende fanden, über jeden Zweifel erhaben sind.

Das Joyce-Armstrong-Fragment wurde auf einem Gelände namens Lower Haycock, eine Meile westlich des Dorfes Withyham, an der Grenze zwischen Kent und Sussex gefunden. Am fünfzehnten September letzten Jahres sah James Flynn, Landarbeiter im Dienst des Farmers Mathew Dodd, Chauntry Farm, Withyham, eine Tabakpfeife nahe dem Weg liegen, der die Umhegung in Lower Haycock säumt. Ein paar Schritte weiter fand er eine zerbrochene Brille. Schließlich entdeckte er im Gebüsch ein dünnes Büchlein mit gewebtem Einband, das sich als ein Notizheft erwies, aus dem sich einige Blätter gelöst hatten und am Fuß der Hecke umherflatterten. Die sammelte er auf, aber einige, einschließlich des ersten, wurden nie gefunden und hinterlassen eine beklagenswerte Lücke in diesem so überaus wichtigen Bericht. Der Arbeiter trug das Notizheft zu seinem Herrn, der es wiederum einem Dr. J. H. Atherton aus Hartfield zeigte. Dieser Gentleman erkannte sofort die Notwendigkeit einer fachmännischen Prüfung, und das Manuskript wurde dem Aeroclub in London übergeben, wo es sich jetzt befindet.

Die ersten beiden Seiten des Manuskripts, ferner eine Seite am Ende, fehlen, was aber den allgemeinen Zusammenhang der Geschichte nicht beeinträchtigt. Man vermutet, daß der fehlende Anfang eine Aufstellung der fliegerischen Qualifikationen des Mr. Joyce-Armstrong enthält, welche auch anderen Quellen entnommen werden können und unter den Fliegern Englands als unübertroffen gelten. Seit vielen Jahren war er als einer der waghalsigsten und zugleich klügsten Flieger bekannt, eine Kombination, die ihn befähigte, mehrere neue Konstruktionen sowohl zu erfinden als auch zu testen, darunter der gebräuchliche gyroskopische Apparat, der nach ihm benannt ist. Der größte Teil des Manuskripts ist sauber mit Tinte geschrieben, die letzten Zeilen jedoch mit Bleistift; diese sind fast zur Unleserlichkeit verschmiert - kein Wunder, da sie in höchster Eile an Bord eines Flugzeuges gekritzelt worden sein müssen. Ich darf hinzufügen, daß sowohl auf der letzten Seite als auch auf dem Einband mehrere Flecke zu erkennen sind, welche die Experten im Innenministerium als Blut -vielleicht von einem Menschen, mit Sicherheit Säugetierblut -identifizieren konnten. Die Tatsache, daß in diesem Blut etwas entdeckt wurde, das dem Malariaerreger sehr ähnlich ist, und daß Joyce-Armstrong bekanntlich unter Fieberanfällen litt, ist ein bemerkenswertes Beispiel für die neuen Waffen, welche die moderne Wissenschaft in die Hände unserer Detektive gelegt hat.

Und nun ein Wort zur Persönlichkeit des Verfassers dieses epochalen Berichtes. Nach Aussage der wenigen Freunde, die wirklich etwas über diesen Mann wußten, war Joyce Armstrong sowohl ein Poet und Träumer als auch ein Bastler und Erfinder. Er besaß ein ansehnliches Vermögen, von dem er viel für seine Flugleidenschaft ausgab. Er hatte vier Privatflugzeuge in seinen Hangars bei Devizes stehen; man sagt, er habe im Laufe des vergangenen Jahres nicht weniger als einhundertsiebzig Starts hinter sich gebracht. Er war ein zurückhaltender Mann mit düsteren Stimmungen, in denen er die Gesellschaft der Kameraden mied. Captain Dangerfield, der ihn besser kannte als irgendjemand, sagt, es hätte Zeiten gegeben, in denen seine Exzentrizität in etwas Schlimmeres umzuschlagen drohte. Seine Gewohnheit, nie ohne Gewehr zu fliegen, war ein Ausdruck davon.

Ein weiterer war seine überspannte Reaktion auf den Absturz von Lieutenant Myrtle. Bei einem Höhenrekordversuch stürzte Myrtle aus über dreißigtausend Fuß. Eine furchtbare Geschichte: Sein Schädel war restlos verschwunden, während Rumpf und Gliedmaßen ihre Gestalt behalten hatten. Immer, wenn Flieger zusammensaßen, erzählte Dangerfield, fragte Joyce-Armstrong mit rätselhaftem Lächeln: »Und wo, bitte, ist Myrtles Kopf?«

Bei anderer Gelegenheit, nach einem Essen im Kasino der Flugschule von Salisbury, begann er einen Disput darüber, was die größte ständige Gefahr sei, der sich die Piloten stellen müßten. Nachdem er verschiedene Meinungen gehört hatte -man nannte Luftlöcher, Fehlkonstruktion der Maschinen und Überlastung der Motore -, zuckte er, als letzter gefragt, nur mit den Schultern und weigerte sich, seine eigene Ansicht auszusprechen, obwohl er den Eindruck erweckte, er denke an ganz andere Gefahren als seine Kameraden.

Erwähnenswert ist noch, daß man nach seinem vollständigen Verschwinden seine persönlichen Angelegenheiten äußerst wohlgeordnet vorfand, was zeigen mag, daß er eine starke Vorahnung von seinem Verhängnis hatte. Nach diesen grundsätzlichen Erklärungen will ich nun die Geschichte Wort für Wort wiedergeben, beginnend auf Seite drei des blutgetränkten Notizbuchs:

»Immerhin, als ich bei Rheims mit Coselli und Gustav Raymond zusammen speiste, sah ich, daß sich keiner von ihnen irgendeiner besonderen Gefahr in den höheren Schichten der Atmosphäre bewußt war. Ich habe nicht direkt gesagt, was meine Gedanken waren, aber ich war so nahe daran, daß sie sicherlich geredet hätten, wenn sie nur annähernd gleicher Meinung gewesen wären. Aber sie sind eben nur zwei hohle, aufgeblasene Kerle, die nichts im Kopf haben außer dem Wunsch, ihre blöden Namen in der Zeitung lesen zu können. Man muß wissen, daß keiner von ihnen jemals über die Zwanzigtausend-Fuß-Marke hinausgekommen ist. Natürlich waren Menschen mit Ballons oder beim Bergsteigen höher gewesen als diese beiden. Der Punkt, an dem das Flugzeug die Gefahrenzone erreicht, muß deutlich darüber liegen - immer vorausgesetzt, meine Warnungen sind berechtigt.

Wir fliegen jetzt seit mehr als zwanzig Jahren, und man kann wohl fragen: Warum sollte sich diese Gefahr gerade heutzutage offenbaren? Die Antwort ist offensichtlich. In den alten Tagen der schwachen Motore, als man einen Hundert-PS-Gnome oder -Green als ausreichend für alle Zwecke erachtete, waren die Möglichkeiten des Fliegens sehr begrenzt. Jetzt, wo dreihundert PS eher Regel als Ausnahme sind, werden Besuche der höheren Luftschichten einfacher und häufiger. Einige von uns können sich erinnern, wie in unserer Jugend Garros mit seinem Neunzehntausend-Fuß-Flug weltweite Anerkennung erlangte, und es war ein bemerkenswertes Unterfangen, die Alpen zu überfliegen. Der Standard hat sich seitdem gewaltig erhöht, und auf einen früheren Höhenflug kommen heute zwanzig. Viele davon blieben ungestraft. Die dreißigtausend Fuß wurden immer wieder erreicht, ohne daß man größere Unannehmlichkeiten als Verkühlung oder Atemnot hinzunehmen hatte. Was beweist das? Ein Besucher könnte tausendmal auf unseren Planeten herabsteigen, ohne einen einzigen Tiger zu sehen. Trotzdem gibt es Tiger, und geriete er zufällig in einen Urwald, womöglich würde er verschlungen werden. Es gibt Dschungel in der oberen Atmosphäre, und dort sind schlimmere Phänomene als Tiger zu Hause. Ich glaube, irgendwann wird man über genaue Karten dieser Dschungel verfügen. Schon heute könnte ich zwei davon nennen.

Einer liegt über der Gegend um Pau-Biarritz in Frankreich. Ein anderer befindet sich jetzt, wenn ich diese Zeilen in meinem Haus in Wiltshire niederschreibe, genau über meinem Kopf. Ein dritter liegt, glaube ich, über dem Gebiet HamburgWiesbaden.

Das Verschwinden der Piloten gab mir als erstes zu denken. Natürlich sagte jeder, sie seien ins Meer gefallen, aber das war für mich keine befriedigende Erklärung. Der erste war Verzier in Frankreich; man fand seine Maschine in der Nähe von Bayonne, aber seine Leiche blieb verschwunden. Es gab auch den Fall Baxter, der verschwand, obwohl sein Motor und einige Eisenteile in einem Waldstück in Leicestershire gefunden wurden. In jedem Fall erklärte Dr. Middleton aus Amesbury, der den Flug durch ein Teleskop beobachtete, er hätte die Maschine, die in enormer Höhe flog, kurz bevor sie in den Wolken verschwand, noch gesehen; in einer Folge von Sprüngen in einer Art, wie er sie nicht für möglich gehalten hätte, sei sie plötzlich senkrecht nach oben geschossen. Das war das letzte, was man von Baxter gesehen hat. In den Zeitungen wurde einiges geschrieben, aber es führte zu nichts. Es gab dann noch mehrere andere, ähnliche Fälle und schließlich den Tod von Hay Connor. Welches Geschnatter über ungelöste Mysterien der Lüfte, was für Schlagzeilen in den Groschenblättern gab es da, und wie wenig wurde getan, um der Sache auf den Grund zu kommen! In einem fürchterlichen Sturzflug kam er aus unbekannter Höhe herunter. Er ist nie aus seiner Maschine herausgekommen und starb in seinem Pilotensitz. Woran? »Herzschlag«, sagten die Ärzte. Unsinn! Hay Connors Herz war so gesund wie meines. Was sagte Venables? Venables war als einziger bei dem Sterbenden. Er sagte, daß er zitterte und wie ein Mann aussah, der böse erschrocken war. »Vor Schreck gestorben«, sagte Venables, aber er konnte sich nicht vorstellen, was ihn so erschreckt hatte. Er sprach nur noch ein Wort zu Venables, das klang wie »monströs«. Bei der Untersuchung konnten sie nichts damit anfangen, aber ich konnte. Monster! Das war das letzte Wort des armen Harry Hay Connor. Und er starb wirklich vor Entsetzen, genau wie Venables gedacht hatte.

Und dann war da Myrtles Kopf. Glauben Sie wirklich - kann irgendjemand wirklich glauben, die Gewalt eines Aufpralls könne den Kopf eines Menschen sauber in seinen Rumpf treiben? Gut, vielleicht ist es möglich, aber ich jedenfalls habe niemals geglaubt, daß es bei Myrtle so war. Und der Schleim auf seinem Anzug - »Alles voller Schleim« -, sagte jemand bei der Untersuchung. Verrückt, daß keiner sich dabei etwas gedacht hat! Außer mir - aber ich hatte mir bis dahin schon einiges gedacht. Ich bin seitdem noch dreimal aufgestiegen -wie Dangerfield sich lustig machte wegen meines Gewehrs -, aber ich bin nie hoch genug gewesen. Jetzt, mit dieser neuen, leichten Paul-Veroner-Maschine und ihrem hundertfünfundsiebziger Triebwerk, sollte ich morgen mit Leichtigkeit die dreißigtausend Fuß erreichen. Ich werde den Rekord aufs Korn nehmen. Vielleicht nicht nur den. Natürlich ist es gefährlich. Will ein Mann der Gefahr aus dem Weg gehen, so soll er sich am besten ganz aus der Fliegerei heraushalten und sich in Filzpantoffeln und Morgenmantel zur Ruhe setzen. Ich werde morgen den Dschungel der Lüfte besuchen - und wenn dort irgend etwas existiert, ich werde es erfahren. Wenn ich zurückkomme, werde ich eine kleine Berühmtheit sein. Wenn nicht, so möge dieses Notizheft erklären, was ich zu tun versuchte und wie ich dabei umkam. Aber kein Gefasel über Unfälle oder Mysterien, ich bitte darum.

Ich nehme meinen Paul-Veroner-Eindecker für diese Aufgabe. Wenn man wirklich etwas schaffen will, geht nichts über einen Eindecker. Beaumont fand das schon sehr früh heraus. Jedenfalls stört Feuchtigkeit eine solche Maschine nicht, und nach dem Wetter zu urteilen, werden wir uns die ganze Zeit in Wolken bewegen. Es ist ein hübsches kleines Modell und gehorcht meiner Hand wie ein straff gezügeltes Reitpferd. Das Triebwerk ist ein Zehn-Zylinder-Sternmotor, der bis zu einhundertfünfundsiebzig PS leistet. Das Flugzeug hatte alle modernen Verbesserungen - abgeschlossene Kabine, Landeklappen, Bremsen, gyrostatische Stabilisatoren und eine Einrichtung zur Veränderung des Tragflächenwinkels in drei Stufen für verschiedene Geschwindigkeitsbereiche. Ich nahm ein Gewehr und ein Dutzend Schuß schwere Jagdmunition mit auf die Reise. Sie hätten das Gesicht meines alten Mechanikers Perkins sehen sollen, als ich ihm befahl, die Sachen einzuladen. Ich war gekleidet wie für eine Nordpolexpedition, mit zwei Hemden unter meinem Overall, dicken Socken in den gefütterten Stiefeln, einer Sturmmütze mit Ohrenklappen und meiner Schutzbrille. Vor den Hangars war es drückend heiß, aber ich war auf dem Weg zum Dach der Welt und mußte mich entsprechend anziehen. Perkins wußte, daß irgend etwas im Gange war und bedrängte mich, ihn mitzunehmen. Das würde ich vielleicht tun, wenn wir mit dem Doppeldecker starteten. Doch ein Eindecker ist ein Instrument für Solisten, wenn man das letzte an Steigleistung herausholen will. Natürlich nahm ich auch Sauerstoff an Bord; ein Mann, der sich ohne Sauerstoffgerät am Höhenrekord versucht, wird entweder erfrieren oder ersticken - oder beides.

Bevor ich einstieg, checkte ich noch einmal Tragflächen, Rudergestänge und den Steigflughebel. Soweit ich sehen konnte, war alles in Ordnung. Ich startete den Motor und war von seinem Lauf entzückt. Die Maschine rollte sofort langsam los, als die Bremsklötze entfernt waren. Nach ein oder zwei Aufwärmrunden um den Platz stellte ich den flachsten Flügelwinkel ein, dann winkte ich Perkins und den anderen noch einmal zu und gab Vollgas. Acht bis zehn Meilen weit strich das Flugzeug wie eine Schwalbe dicht über den Erdboden. Als ich dann seine Nase ein wenig nach oben richtete, begann es sich in einer großen Spirale zu der Wolkenbank über mir hinaufzuschrauben. Es ist lebenswichtig, langsam zu steigen, um sich dem sinkenden Luftdruck anzupassen. Es war ein sehr warmer Tag für den englischen September, und es herrschte die gewisse Ruhe, die einem Wolkenbruch vorausgeht. Dann und wann kamen plötzliche Windstöße von Südwesten; als ich gerade meinen Gedanken nachhing, traf mich einer so stürmisch und unvermittelt, daß ich mich für einen Augenblick in Seitenlage befand. Ich erinnere mich an Zeiten, als Sturmböen, Wirbel und Luftlöcher noch gefährlich waren - bevor wir lernten, unseren Motoren souveräne Leistungsfähigkeit zu geben. Als ich eben die Wolkenbänke erreichte, das Altimeter zeigte dreitausend Fuß, begann es zu regnen. Auf mein Wort, und wie es goß! Es trommelte auf die Flügel und klatschte mir ins Gesicht. Die Tropfen auf meinen Brillengläsern nahmen mir fast alle Sicht. Weil es so qualvoll war, gegen den Regen anzufliegen, drosselte ich das Tempo. Weiter oben begann es zu hageln, und ich mußte zusehen, daß ich weiterkam. Ein Zylinder hatte ausgesetzt - eine verrußte Zündkerze, dachte ich mir, aber die Maschine leistete immer noch mehr als genug, und ich gewann weiter stetig an Höhe. Welcher Art der Schaden auch immer gewesen war, nach einer Weile lief der Motor wieder rund. Ich hörte wieder das volle, kehlige Schnurren - ein Konzert für zehn Zylinder, Das ist der wahre Vorteil unserer modernen Schalldämpfer. Wir können unsere Triebwerke heute mit den Ohren unter Kontrolle halten. Wie sie klagen und kreischen, wenn sie in Schwierigkeiten sind! In alten Zeiten waren alle diese Hilferufe vergebens, weil jeder Laut vom unheimlichen Getöse des Motors verschlungen wurde. Könnten nur die Pioniere der Luftfahrt wiederauferstehen und die Schönheit und Perfektion der Triebwerke betrachten, die wir mit ihrem Leben bezahlt haben!

Gegen neun Uhr dreißig näherte ich mich den Wolken. Unter mir lag, dunkel verschleiert vom Regen, die Ebene von Salisbury in ihrer ganzen Ausdehnung. Auf etwa tausend Fuß Höhe entdeckte ich ein halbes Dutzend Flugmaschinen, die mit ihren Propellern die Luft zerhackten und dabei aussahen wie kleine schwarze Schwalben vor grünem Hintergrund. Bestimmt fragten sie sich, was ich hier oben im Wolkenland wohl trieb. Plötzlich schloß sich ein grauer Vorhang unter mir, und feuchte Dunstschwaden wirbelten vor meinem Gesicht. Es war naßkalt und ungemütlich. Aber ich war über dem Hagelsturm, womit etwas gewonnen war. Die Wolke war dick und düster wie Londoner Nebel. Um nur schnell herauszukommen, richtete ich die Maschine steil auf, bis die automatische Alarmglocke ertönte. Sofort begann ich zurückzufallen. Meine triefenden, tropfenden Flügel waren schwerer geworden als ich dachte, aber im Augenblick war ich in leichterer Bewölkung, bald hatte ich die erste Schicht hinter mir. Die zweite, opalfarbene Flocken, lag in großer Höhe über mir, einförmig weißer Himmel oben und ein ungebrochener, dunkler Teppich unter mir. Dazwischen der Einflügler, der sich in einer weiten Spirale aufwärts zieht. Tödliche Einsamkeit in diesen Wolkenräumen. Einmal begegneten mir irgendwelche kleinen Wasservögel, ein ganzer Schwarm, der sehr schnell westwärts flog. Das Flügelgeschwirr und ihre Schreie, die wie Musik waren, taten meinen Ohren wohl. Ich glaube, es waren Krickenten, aber ich bin ein erbärmlicher Zoologe. Jetzt, wo wir Menschen zu Vögeln geworden sind, müssen wir unsere Brüder wirklich anschaulich kennenlernen.

Der Wind unter mir brachte das weite Wolkenmeer zum Brodeln. Plötzlich bildete sich darin ein riesiger Wirbel, ein Dampfstrudel, und wie durch einen Schlauch konnte ich für einen Augenblick die ferne Erde sehen. Ein großer weißer Doppeldecker flog tief unter mir vorüber. Ich glaube, es war die Morgenpost Bristol-London. Dann schloß sich das Wirbelauge, die Einsamkeit war wieder ungestört.

Kurz nach zehn berührte ich die Unterkante der höheren Wolkendecke. Sie bestand aus feinem, durchsichtigem Dunst, der schnell von Westen einströmte. Während der ganzen Zeit war der Wind ständig stärker geworden, jetzt wehte eine scharfe Brise - achtundzwanzig Meilen in der Stunde nach meiner Schätzung. Es war schon sehr kalt, obwohl mein Höhenmesser erst neuntausend anzeigte. Die Aggregate arbeiteten wundervoll, und dröhnend ging es weiter nach oben.

Die Wolkenbank war dicker, als ich erwartet hatte, schließlich aber verdünnte sie sich vor mir zu einem goldenen Nebel, im nächsten Augenblick war ich aus ihr herausgeschossen, und über meinem Kopf stand eine strahlende Sonne am wolkenlosen Himmel - oben Blau und Gold, unten alles schimmerndes Silber, eine unendliche, glitzernde Fläche, so weit mein Auge reichte. Es war ein Viertel nach zehn, die Nadel des Barographen zeigte auf zwölftausendachthundert. Ich kam höher und höher, meine Ohren hörten nur auf das Brummen des Motors, meine Augen waren immer mit Uhr und Drehzahlmesser, Benzin- und Ölpumpe beschäftigt. Kein Wunder, daß man Flieger für furchtlos hält. Wenn an so viele Dinge gedacht werden muß, bleibt keine Zeit, mit sich zu hadern. Um diese Zeit stellte ich fest, wie unzuverlässig der Kompaß wird, wenn man eine bestimmte Höhe überschreitet. Bei fünfzehntausend Fuß zitterte meiner zwischen Süd und West. Sonne und Wind gaben mir die wahre Richtung.

Ich hatte gehofft, in diesen Höhen ewige Ruhe vorzufinden, aber der Sturm wurde immer stärker, je höher ich kam. Meine Maschine stöhnte und zitterte in allen Verstrebungen, als sie sich ihm entgegenstellte; wie ein Fetzen Papier wurde sie weggeweht, sobald ich sie in den Wind drehte. Ich segelte jetzt vielleicht schneller als jemals ein Sterblicher vor mir. Früher oder später mußte ich aber wieder dem Sturm ins Auge blicken, denn es war nicht nur ein Höhenrekord, hinter dem ich her war. Nach allen Berechnungen lag der luftige Urwald direkt über meinem Wiltshire, und alle Mühe könnte umsonst sein, wenn ich die äußeren Luftschichten an einer anderen Stelle erreiche.

Um die Mittagszeit, bei neunzehntausend Fuß, war der Wind so stark, daß ich mit einiger Sorge auf die Tragflächen schaute, deren Halterungen sich jeden Moment lösen konnten. Ich warf sogar einen schnellen Blick auf den Fallschirm hinter mir und hakte ihn an meinem Ledergürtel ein. Ich war auf das Schlimmste vorbereitet. Nun war die Zeit gekommen, wo der geringste Pfusch des Mechanikers mit dem Leben des Piloten bezahlt werden müßte. Aber die Maschine hielt sich tapfer. Alle Leinen und Streben summten und zitterten wie Harfensaiten, doch bei allen Schlägen und Püffen blieb sie der Eroberer der Natur und die Herrin der Lüfte. Sicher ist etwas Göttliches im Menschen selbst, der die Grenzen, die die Schöpfung zu setzen schien, so weit verschieben konnte -gerade durch solche selbstlosen, heldenhaften Taten wie diese Luftexpedition. Wer sagt, die Menschheit sei degeneriert! Wann ist in ihren Annalen jemals eine solche Geschichte verzeichnet gewesen?

Das waren meine Gedanken, als ich diese unheimliche schiefe Ebene erklomm; manchmal schlug der Wind mir ins Gesicht, manchmal pfiff er hinter meinen Ohren, während das Wolkenland in solcher Entfernung unter mir versank, daß alle silbernen Falten und Hügel zu einer schimmernden Fläche eingeebnet waren. Plötzlich erlebte ich etwas Schreckliches, Einmaliges. Ich hatte schon gehört, was es heißt, in einen sogenannten Tourbillon zu geraten, aber dieser Luftstrom war gigantisch und hatte zudem noch ebenso riesige Verwirbelungen aufzuweisen. Ohne jede Vorwarnung wurde ich in einen hineingezogen. Minutenlang drehte ich mich rasend im Kreise, so daß ich fast von Sinnen war, dann stürzte ich plötzlich, den linken Flügel voraus, durch einen Vakuum schlauch ins Zentrum des Wirbels. Ich fiel wie ein Stein und verlor fast tausend Fuß. Nur der Gurt hielt mich im Sitz. Atemlos und halb bewußtlos hing ich seitlich aus der Kabine. Aber ich bin stets zu äußersten Anstrengungen fähig -das ist mein großer Vorteil als Flieger. Ich bemerkte, daß der Sturz langsamer wurde. Der Wirbel bildete eher einen Trichter als einen Schlauch; ich war am Ende angekommen. Ein furchtbarer Ruck warf mein ganzes Gewicht auf eine Seite. Ich stellte die Maschine gerade und zog ihre Nase aus dem Wind. Augenblicklich schoß ich aus den Strudeln hinaus und glitt langsam abwärts. Gebeutelt wie ich war, aber siegreich, zog ich die Maschine dann wieder hoch und begann von neuem meine Schleifen zu ziehen. In weitem Bogen umflog ich die gefährliche Stelle und war bald in sicherer Höhe über dem Wirbel. Kurz nach ein Uhr war ich einundzwanzigtausend Fuß über Meeresniveau. Zu meiner großen Freude hatte ich den Sturm hinter mir, mit jeden hundert Fuß kam ich in ruhigere Gefilde. Andererseits war es sehr kalt, und ich wußte um die besondere Übelkeit, die Sauerstoffmangel verursacht. Zum ersten Mal öffnete ich meinen Sauerstofftank und nahm gelegentlich einen Hauch des wunderbaren Gases. Ich fühlte es durch meine Adern sprudeln, bis ich fast berauscht davon war, und rief und sang auf meinem Weg zur kalten, stillen Außenwelt.

Es ist mir vollkommen klar, daß die Bewußtseinsstörungen, die Glaisher und in geringerem Maße auch Coxwell befielen, als sie im Ballon auf dreißigtausend Fuß stiegen, auf die hohe Geschwindigkeit zurückzuführen waren, mit der sie senkrecht nach oben fuhren. Diese verhängnisvollen Symptome bleiben aus, wenn man langsam steigt und sich kontinuierlich dem sinkenden Luftdruck anpaßt. In derselben großen Höhe fand ich, daß ich sogar ohne Sauerstoffmaske angenehm atmen konnte. Es war jedoch bitter kalt, mein Thermometer zeigte null Fahrenheit. Um halb zwei war ich nahezu sieben Meilen über der Erdoberfläche, weiterhin ständig steigend. Ich merkte jedoch, daß die dünne Luft meine Flügel deutlich schlechter trug, so daß ich den Anstiegswinkel stark verringern mußte. Es war schon klar, daß trotz des geringen Gewichts und der hohen Motorleistung ein Punkt kommen würde, wo ich nicht mehr weiterkäme. Schlimmer noch, eine meiner Zündkerzen machte wieder Ärger, und es gab ständig Fehlzündungen. Mein Herz war schwer, ich hatte Angst vor dem Versagen.

Ungefähr um diese Zeit hatte ich ein ganz außergewöhnliches Erlebnis. Etwas flitzte an mir vorbei, ein Schweif von Rauch, dann eine laute, zischende Explosion, die eine Dampfwolke hinterließ. Zunächst konnte ich mir nicht erklären, was geschehen war. Dann erinnerte ich mich, daß die Erde schon immer von Meteoren bombardiert wird und daß sie wohl kaum bewohnbar wäre, wenn nicht die meisten dieser Klötze in der oberen Atmosphäre verdampft würden. Hier zeigt sich eine neue Gefahr für den Höhenrekordler, denn zwei weitere Blöcke begegneten mir in der Nähe der Vierzigtausend-FußMarke. Zweifellos kann ich am Rande der Erdhülle diese Gefahr nicht vernachlässigen.

Die Barographennadel zeigte einundvierzigtausend-dreihundert, als mir klar wurde, daß es nicht weiterging. Die körperliche Anstrengung war nicht größer, als ich aushalten konnte, aber die Maschine stieß an ihre Grenze. Die verdünnte Luft konnte sie nicht mehr tragen, das Flugzeug schien träge zu werden, und bei der letzten Schleife fiel es zur Seite ab. Möglicherweise wären noch tausend Fuß drin gewesen, wenn das Triebwerk optimal funktioniert hätte, aber es gab immer noch Fehlzündungen, zwei der zehn Zylinder schienen ausgefallen zu sein. Hätte ich die anvisierte Zone nicht schon erreicht, dann würde ich sie auf dieser Reise wohl niemals sehen. Aber war es nicht durchaus möglich, daß ich angekommen war? Wie ein ungeheurer Adler schwebte ich auf vierzigtausend Fuß im Kreise. Den Eindecker überließ ich sich selber, während ich durch mein Mannheim-Glas die Umgebung genau beobachtete. Der Himmel war vollkommen klar; es gab kein Anzeichen der Gefahren, die ich mir vorgestellt hatte.

Ich sagte, daß ich in Kreisen flog. Plötzlich fiel es mir ein, daß es klug sein könnte, einen weiteren Bogen zu schlagen, um ein größeres Luftgebiet abzudecken. Betritt auf dem Erdboden ein Jäger den Urwald, so wird er ihn so lange durchstreifen, bis er sein Wild gefunden hat. Meine Überlegungen hatten dazu geführt, daß ich den Urwald der Atmosphäre irgendwo über Wiltshire suchen mußte. Das sollte südwestlich von mir sein. Ich orientierte mich an der Sonne, da der Kompaß hoffnungslos unbrauchbar war und kein Stückchen Erde zu sehen war - nichts als der ferne, silberne Wolkenteppich. Wie dem auch sei, ich orientierte mich so gut ich konnte und flog direkt in die ermittelte Richtung. Mein Benzinvorrat würde nicht länger als für eine weitere Stunde oder so reichen, aber ich konnte mir leisten, ihn bis zum letzten Tropfen zu verbrauchen, da ich jederzeit zur Erde zurückgleiten konnte.

Plötzlich bemerkte ich etwas Neues. Die Luft vor mir hatte ihre kristallene Klarheit verloren. Sie war voller langer, verwischter Streifen irgendeiner Substanz, die ich nur mit sehr feinem Zigarettenrauch vergleichen kann. In der Luft hingen Schlingen und Windungen, die sich im Sonnenlicht langsam drehten und teilten. Als ich hindurchschoß, hatte ich einen undeutlichen Geschmack von Öl auf den Lippen, auf den Holzteilen der Maschine war ein schleimiger Schaum. Irgendeine unendlich feine organische Materie schien in der Atmosphäre verteilt zu sein. Es gab dort kein Leben. Es war elementar und diffus, erstreckte sich über eine große Fläche, um dann in der Leere zu verschwinden. Nein, es war kein Leben. Aber könnten es nicht die Überreste von Leben gewesen sein? Ja, könnte es nicht Nahrung für Leben sein, für eine unheimliche Lebensform, so wie das Plankton im Ozean den Walen als Nahrung dient? Der Gedanke hatte mich erfaßt, und als ich meinen Blick nach oben wandte, sah ich die wundervollste Erscheinung, die je ein Mensch erblickt hat.

Kann ich hoffen, sie Ihnen so vermitteln zu können, wie ich sie am Donnerstag selbst gesehen habe?

Stellen Sie sich eine Qualle vor, wie sie an unseren Badestränden herumschwimmt, glockenförmig und von enormer Größe - ich würde sagen, viel größer als der Dom von St. Paul's. Die Kreatur war hellrosa mit feinen grünen Streifen, das Ganze aber so zart gezeichnet, daß es nur als schemenhafte Kontur vor dem dunkelblauen Himmel zu erkennen war. Es pulsierte schwach in regelmäßigem Rhythmus. Zwei lange grüne Tentakel hingen lose an ihm herunter und schwangen langsam vor und zurück. Dieses grandiose Bild zog allmählich in stiller Würde über mir vorbei, leicht und zerbrechlich wie eine Seifenblase.

Als ich das Flugzeug halb gewendet hatte, um dieser schönen Kreatur nachzublicken, fand ich mich plötzlich in einer ganzen Flotte von ihnen, alle Größen, doch keine so groß wie die erste. Einige von ihnen waren recht klein, die Mehrzahl jedoch so groß wie ein durchschnittlicher Ballon, auch ähnlich rund. Die Feinheit ihrer Zeichnung und Färbung erinnerte mich an bestes venezianisches Glas. Fahles Rosa und Grün waren die beherrschenden Töne, doch alles leuchtete wundervoll auf, wenn die Sonne hindurchschien. Einige hundert von ihnen trieben an mir vorüber, eine bezaubernde, märchenhafte Gruppe fremdartiger, unbekannter Himmelskreuzer -Geschöpfe, deren Form und Beschaffenheit in solchem Einklang mit dieser Höhenwelt waren, daß man sie vom Erdboden aus niemals erblicken konnte.

Doch bald wurde meine Aufmerksamkeit von einem neuen Phänomen angezogen - die Schlangen der Außenwelt. Sie waren lang und dünn, phantastische Windungen eines dunstartigen Stoffes. Sie umschlängelten mich mit so großer Geschwindigkeit, daß meine Augen ihnen kaum folgen konnten. Einige dieser gespenstischen Kreaturen waren zwanzig oder dreißig Fuß lang, es war jedoch schwer, ihren Umfang zu erkennen, da ihre Konturen so flüchtig waren, daß sie in der Luft zu verschwinden schienen. Diese Luftschlangen waren hellgrau oder rauchfarben mit einigen dunkleren Streifen darin, welche ihnen das Aussehen fest umschriebener Organismen verlieh. Eine von ihnen zischte direkt an meinem Gesicht vorbei, und ich spürte eine kalte, feuchte Berührung, aber ihre Physis war so ungreifbar, daß ich mich nicht im geringsten bedroht fühlte, nicht mehr als von den schönen, glockengleichen Geschöpfen, die ihnen vorhergegangen waren. Sie waren so körperlos wie die Gischt einer Brandung.

Ein Erlebnis, das noch vor mir lag, sollte viel schrecklicher sein. Aus großer Höhe bewegte sich ein purpurner Dunstfleck auf mich zu, der schnell größer wurde, als er näher kam. Schließlich schien er hunderte Quadratmeter groß zu sein. Obwohl er aus einer transparenten, geleeartigen Masse bestand, hatte er nichtsdestoweniger viel schärfere Konturen und eine weit festere Konsistenz als alles, was ich vorher gesehen hatte. Auch waren mehr Körperteile zu erkennen, besonders zwei unheimlich dunkle, runde Flecken an den Seiten, welche die Augen gewesen sein mögen, sowie ein vollkommen fester weißer Vorsprung zwischen ihnen, der so krumm und grausam war wie ein Geierschnabel.

Der ganze Anblick dieses Monsters war erschreckend, es veränderte sein Aussehen von hell malvenfarbig bis zu einem dunklen, bösen Violett, das dicht genug war, einen Schatten zu werfen. An der Oberseite seines Körpers waren drei große Ausbuchtungen, die ich nur als riesige Blasen beschreiben kann. Als ich sie ansah, war ich überzeugt, daß sie mit einem extrem leichten Gas gefüllt waren, das dazu diente, die formlose, halbfeste Masse in der dünnen Luft zu tragen. Die Kreatur hielt leicht die Geschwindigkeit meiner Maschine und war für zwanzig Meilen mein schrecklicher Begleiter, der über mir schwebte wie ein Raubvogel, bereit zuzuschnappen. Sie bewegte sich vorwärts, indem sie, so schnell, daß man es nur schwer verfolgen konnte, ein klebriges Band ausspuckte, an dem sich der restliche, sich krümmende Körper nach vorne zog. Es war so gallertartig elastisch, daß es jede Minute seine Form änderte, und nach jeder Veränderung sah es erschreckender und ekelhafter aus als vorher.

Ich wußte, daß es Ärger bedeutete. Jede purpurne Verdunklung seines widerwärtigen Körpers sagte mir das. Die verschwommenen, glotzenden Augen, immer auf mich gerichtet, waren kalt und gnadenlos in ihrem klebrigen Haß. Um ihm zu entkommen, tauchte ich ab. In diesem Augenblick kam aus der brodelnden Masse blitzschnell ein langer Tentakel herausgeschossen, der sich wie ein feuchtes Tuch um den Bug meiner Maschine legte. Als er den heißen Motor für einen Augenblick berührte, gab es ein lautes Zischen, und er zog sich wieder zurück, während sich der große flache Körper in schnellem Schmerz zusammenzog. Ich tauchte nochmals steil ab, aber wieder schnellte ein Fangarm zum Flugzeug und wurde, so leicht, wie man eine Rauchfahne zerschneidet, vom Propeller abgehackt. Ein langer, glitschig-glatter, schlangenartiger Arm kam jetzt von hinten, umgriff meine Taille und zog mich aus der Kabine. Ich zog an ihm, meine Finger sanken ein in der weichen, leimigen Oberfläche, für einen Augenblick war ich befreit, bevor ein anderer Arm einen Stiefel umschlang und mich fast umriß.

Im Fallen feuerte ich aus beiden Läufen meines Gewehres, obwohl die Vorstellung, dieser mächtige Brocken könnte von irgendeiner menschlichen Waffe angekratzt werden, nicht vernünftiger ist, als mit einer Erbsenschleuder auf Elefantenjagd zu gehen. Ich zielte aber besser, als mir bewußt war, denn mit lautem Knall platzte eine der großen Blasen auf dem Rücken des Monstrums. Ganz klar, meine Theorie war richtig: Die großen Hohlräume waren gefüllt mit Treibgas. Augenblicklich fiel der mächtige, wolkengleiche Körper auf die Seite und versuchte verzweifelt das Gleichgewicht wiederzufinden, während der weiße Schnabel auf- und zuschnappte. Schon war ich im steilsten Sturzflug, den ich wagen konnte. Die volle Motorkraft und die Gravitation zogen mich hinunter wie einen Stein. Weit hinter mir sah ich einen mattvioletten Fleck, der schnell kleiner wurde und im blauen Himmel verschwand. Ich war in Sicherheit, außerhalb des tödlichen Dschungels der Außenwelt.

Einmal außer Gefahr, drosselte ich meinen Motor, denn nichts schlägt eine Maschine schneller in Stücke als ein Sturzflug bei Vollgas. Es war ein herrlicher, spiralförmiger Abwärtsflug von mehr als acht Meilen Höhe - erst zum Niveau der silbernen Wolkenbank, dann zu der Sturmbewölkung darunter und schließlich im prasselnden Regen auf den Erdboden zurück. Ich hatte den Bristol-Kanal unter mir, als ich die Wolkendecke durchstieß, aber mit meinem restlichen Benzin flog ich noch zwanzig Meilen landeinwärts, bevor ich mich auf einem Feld, eine halbe Meile vom Dorf Ashcombe entfernt, wiederfand. Da besorgte ich mir drei Kanister Benzin von einem vorbeifahrenden Auto, und um zehn nach sechs landete ich sanft auf meiner eigenen Wiese bei Devizes. Ich hatte eine Reise hinter mir, die kein Sterblicher vor mir jemals unternommen oder überlebt hatte, um davon zu berichten. Ich habe die Schönheit und die Schrecklichkeit der Höhen gesehen - und größere Schönheit oder größeren Schrecken sind dem Menschen nicht bekannt.

Und jetzt plane ich, noch einmal zu starten, bevor ich der Welt meine Erkenntnisse mitteilen werde. Denn bevor ich diese Geschichte meinen Mitmenschen vorlegen kann, muß ich sicher etwas in Händen haben, was ich als Beweis vorzeigen kann. Es ist wahr, daß bald andere folgen und meine Aussagen bestätigen werden; trotzdem möchte ich als erster den direkten Beweis erbringen. Diese lieblich leuchtenden Seifenblasen sollten nicht schwer zu fangen sein. Sie treiben langsam ihres Weges, so daß ein schneller Eindecker ihren gemächlichen Lauf leicht beenden könnte. Zwar würden sie sich sehr wahrscheinlich in dichteren Atmosphärenschichten auflösen, vielleicht wäre ein kleines Häufchen amorpher Masse das einzige, was ich mitbringen könnte, mit Sicherheit aber würde irgend etwas übrigbleiben, womit ich meine Geschichte, stützen könnte. Ja, ich werde starten, selbst wenn ich damit ein Risiko eingehe. Diese purpurnen Schreckgespenster schienen nicht so zahlreich zu sein. Wahrscheinlich werde ich überhaupt keines sehen. Wenn doch, werde ich eben wieder tauchen. Ansonsten habe ich immer noch mein Gewehr und das Wissen um.«

Unglücklicherweise fehlt hier eine Seite des Manuskripts. Auf der nächsten Seite steht:

»Dreiundvierzigtausend Fuß. Ich werde die Erde niemals wiedersehen. Sie sind unter mir, drei von ihnen. Gott steh mir bei; ein furchtbarer Tod!«

Dies ist das Joyce-Armstrong-Fragment in Gänze. Von dem Mann hat man seitdem nichts mehr gesehen. Teile seines zerschellten Eindeckers wurden auf dem Grundstück des Mr.

Budd-Lushington, an der Grenze zwischen Kent und Sussex, wenige Meilen von der Stelle, wo das Notizheft lag, entdeckt. Wenn die Theorie des unglücklichen Fliegers stimmt, daß dieser Urwald der Lüfte, wie er ihn nannte, nur über SüdwestEngland existierte, dann schien er in höchstem Tempo aus ihm geflohen, jedoch irgendwo in der äußeren Atmosphäre, über der Stelle, wo die grausamen Überreste gefunden wurden, von diesen schrecklichen Kreaturen überholt und verschlungen worden zu sein. Kein Mensch, der an seinem Verstand hängt, wird gern bei dem Bild verweilen, wie das Flugzeug von namenlosen Ungeheuern, die ihm den Weg zur Erde abgeschnitten haben, bis zum bitteren Ende gejagt wird. Wie ich weiß, spotten immer noch viele über die Tatsachen, welche ich hier niedergelegt habe, aber sogar die müssen zugeben, daß Joyce-Armstrong verschwunden ist. Ich möchte ihnen mit seinen eigenen Worten sagen: »Dieses Notizheft möge erklären, was ich zu tun versuchte und wie ich dabei umkam. Aber kein Gefasel über Unfälle oder Mysterien, ich bitte darum.«

Загрузка...