Kapitel 8

Exakt um acht Uhr trat Carpenter aus seinem Hotel, um auf Rhodes zu warten. Es war ein milder Abend, dumpf, eine feuchtwarme Brise wehte von der See herein. Fast hätte man glauben wollen, dass es bald regnen werde. Aber wenn man ein bisschen Bescheid wusste, wie die Witterungsabläufe an der Westküste in der letzten Zeit verliefen … dann war klar, dass die Wiederkunft Christi in San Francisco an diesem Abend eine höhere Wahrscheinlichkeit besaß als Regen. Aber Rhodes verspätete sich, natürlich, und in der dumpfigen Luft hing ein widerwärtiger saurer, in die Nase stechender chemischer Gestank, der Carpenter ein Gefühl des Unbehagens vermittelte, während er da so länger draußen und ohne Atemmaske stand, trotz der ganzen Versicherungen, die Rhodes ihm am Nachmittag über die relativ angenehme Atemluft in der Bay-Region gemacht hatte. Er ging ins Hotel zurück und spähte durch die Sichtluken der Hotellobby. Rhodes fand sich schließlich zehn Minuten nach acht ein.

Er fuhr einen großen breitnasigen Wagen, eine antiquiert aussehende Kiste, in der die Leute dicht aufeinander hockten. Carpenter stieg hinten neben eine massig wirkende romanisch aussehende Frau mit einer Kaskade von dunklem Lockenhaar, die ihm gewaltig und unverschämt unecht leuchtturmstrahlend entgegengrinste. Ihre Augen hatten den Glanz und die sichtliche Vorwölbung, die Carpenter sogleich verriet, dass sie stark hyperdex-süchtig war. Sie wollte sich gerade mit ihm bekanntmachen, doch noch ehe sie ein Wort sagen konnte, streckte ein untersetzter braungesichtiger Mann, der auf ihrer anderen Seite saß, Carpenter die Hand hin, packte Carpenters Hand und schüttelte sie mit bemerkenswerter Heftigkeit, und dann sagte er mit einer tiefen kräftigen Stimme und mit einem nicht genau bestimmbaren europäischen Akzent: »Ich bin Meshoram Enron. Aus Israel.«

Als hätte ich das nicht von selbst erraten können, dachte Carpenter.

»Paul Carpenter«, sagte er. »Ein Freund von Dr. Rhodes. Ein Freund aus Kindertagen, um genau zu sein.«

»Sehr angenehm. Ich freue mich enorm, deine Bekanntschaft zu machen, Dr. Carpenter. Ich arbeite für Cosmos, Wissenschaft, Technologie. Du kennst das Magazin? Es ist eine der bedeutendsten Publikationen der Welt. Ich sitze in unserem Büro in Tel Aviv. Und ich bin erst vorgestern aus Israel gekommen, hauptsächlich um mit deinem Freund zu sprechen.«

Carpenter nickte. Er fragte sich, ob dieser Enron jemals einen Satz sagte, der nicht die erste Person singularis im Vordergrund hatte. Eins-zu-drei? Eins-zu-fünf?

»Ich bin Jolanda«, sagte die massige Frau mit den üppigen Haaren und dem Lächeln und den Hyperdex-Augen, als Enron für einen Augenblick den Mund hielt.

Eine geschulte Theaterstimme, rund und klangvoll dunkel, als käme sie direkt aus dem Zwerchfell. Während sie sprach, schien eine Duftwolke von Pheromonen von ihr auszuströmen, und Carpenter verspürte eine unmittelbare Reaktion in seinem Unterleib. Aber er hatte zuviel Erfahrung, als dass er irgendwelche Glückserwartungen damit verbunden hätte. Wahrscheinlich begegnete sie jedem Mann auf diese Weise: Auf Anhieb hohe Voltspannung, aber nichts dahinter.

Ohne sich umzuwenden, sagte Rhodes: »Paul, dies ist Isabelle.«

Die Frau, die vorn neben Rhodes saß, wandte sich um und blitzte ihm ein sehr flüchtiges ›Hallo-wie-geht's‹-Lächeln entgegen, kühl und sehr beiläufig. Carpenter verspürte sofort etwas wie eine unerklärliche Abneigung gegen sie. Sie war sehr attraktiv, das sah er, bevor sie sich wieder von ihm abwandte; aber sie war attraktiv auf eine merkwürdig unstimmige Weise, zuviel Power in den Augen, zu wenig im Rest des Gesichts, und die gewaltige Corona der wilden scharlachroten Haare wirkte wie ein schreiendes Hohngelächter gegen die üblichen konventionellen Schönheitsnormen. Wahrscheinlich eine ganze Handvoll und noch was dazu, dachte Carpenter, ohne den geringsten Anlass dafür zu haben. Eine unvorhersehbare Mischung aus Sanftmut und Ungezähmtheit.

Carpenter schüttelte unmerklich den Kopf. Der arme Nick. Bei Frauen hatte er noch nie eine glückliche Hand gehabt.

»Wir fahren rüber nach Sausalito«, verkündete Rhodes. »Ein nettes Restaurant mit einem wundervollen Blick. Isabell und ich sind sehr oft dort.«

»Unser kleines persönliches Lokal«, sagte Isabelle. Ihre Stimme klang ein wenig scharf. Es klang, als neigte sie zu Sarkasmen. Vielleicht auch nicht. Carpenter war sich nicht sicher.

Ihr Zielort stellte sich dann aber doch als ein hübsches romantisches Fleckchen heraus, als sie dort schließlich nach einer einstündigen nervenden Irrfahrt durch die Innenstadt und über die Golden Gate Bridge ankamen. Carpenter hatte vergessen, was für ein entsetzlicher Autofahrer Rhodes war; ständig setzte er sich über die Direktiven des Wagencomputers hinweg, bestand an jeder Abzweigung auf seiner eigenen bescheuerten Überzeugung und ließ eine Heckwelle von verblüfften hupenden motorisierten Mitgeschöpfen hinter sich zurück. Es ist schwer vorstellbar, dass man sich zwischen Frisco und Sausalito verfahren könnte, dachte Carpenter, eine gerade direkte Fahrt über die Brücke, aber Rhodes gelang das Kunststück. Auf dem beleuchteten Straßenplan in seinem Armaturenbord war eine Strecke angezeigt, aber Rhodes bestand darauf, es besser zu wissen. Der Wagen hatte das gar nicht gern, und immer wieder blinkten die Warnlichter auf, und Rhodes entschied anders. Seine kindische kleine Manier, Überlegenheit zu demonstrieren.

Rhodes war bestimmt kein Dummkopf, und er lebte lange genug in Berkeley, dass man hätte annehmen können, er müsse sich auch in der größeren Stadt jenseits der Bucht zurechtfinden können, doch das Auto, so alt es war, war wirklich klüger innerhalb seines speziellen Kompetenzbereichs und hatte einen akkuraten Straßenplan von San Francisco gespeichert. Geduldig versuchte es, Rhodes aus den westlichen Randbezirken herauszulotsen, in die er zwanghaft immer wieder abzutreiben schien, und ihn wieder zur Brücke zu bringen. Und irgendwie überlebten sie dann alle diesen Trip, sogar das überlastete und zweifellos genervte Gehirn des Wagens. Und das Restaurant, das gemütlich und versteckt an einer Hügelflanke über dem eingedeichten Hafen von Sausalito lag, empfing sie mit warmer Gastlichkeit wie alte Stammkunden.

Und die Aussicht war wirklich sensationell: die ganze Nordseite San Franciscos, mit Millionen flimmernden Lichtern über der Bucht ansteigend und die grandiose flutlichtbestrahlte Brücke.

Sofort wurden Aperitifs serviert. Darin war Rhodes sehr geschickt, das zu arrangieren, stellte Carpenter fest.

»Ich möchte klarstellen«, sagte der israelische Journalist, »dass meine Zeitschrift alles heute Abend bezahlt. Also, seid alle bitte in keiner Weise zu bescheiden.« Man hatte ihm als dem ausländischen Gast einen Platz direkt gegenüber dem Aussichtsfenster gegeben. »Was für eine wunderschöne Stadt, euer San Francisco! Mich erinnert es stark an Haifa, die Berge, die weißen Häuser, das Grün. Aber in Haifa ist alles selbstverständlich nicht so vertrocknet und verstaubt. Ganz und gar nicht. Warst du schon einmal in Israel, Dr. Carpenter?«

»Einfach Mister Carpenter, bitte. Und nein, nein, noch nie bisher.«

»Es ist wunderschön. Es würde dir gefallen. Überall Blumen und Bäume, Reben. Aber natürlich ist ganz Israel schön, ein einziger großer Garten. Ein Paradies. Ich weine, wenn ich das Land verlassen und irgendwo anders hingehen muss.« Enron bedachte Carpenter mit erstaunlich eindringlich bohrenden Blicken und höchst neugierig. Die Augen waren dunkel, unergründlich, und sie blitzten vor Wissbegier; das Gesicht war kantig und straff, glattrasiert, aber die ersten schwarzen Spitzchen eines assyrischen Lockenbartes sprossten bereits wieder aus der frischrasierten Haut. »Du bist auch bei Samurai Industries, höre ich. Darf ich fragen, in welcher Kapazität?«

»Gehaltsgruppe Elf«, erwiderte Carpenter. »Mit der Hoffnung, es in der nächsten Zeit auf Zehn zu schaffen. Ich war droben im Norden, arbeitete in der Wettervorhersage, und jetzt warte ich darauf, als Kapitän eines Trawlers auszulaufen, der Eisberge für die Wasserversorgung im San Francisco District heranschleppt. Hier haben sie nämlich nicht diese üppigen Regen wie ihr da drüben im östlichen Mittelmeer.«

»Ach so.« Carpenter bemerkte, wie etwas in den dunklen Augen ausklickte. Keine Neugier mehr. Schluss, Ende für Enrons kurz aufflackerndes Interesse an Mr. Gehaltsstufe Elf Carpenter bei Samurai Industries.

Dann wandte sich der Israeli Jolanda zu, die zwischen ihm und Carpenter saß. »Und du, Ms. Bermudez? Du bist Künstlerin, richtig?«

Enron wollte sie offensichtlich der Reihe nach ausfragen.

»Vorwiegend Bildhauerei«, sagte sie mit erneutem hinreißendem Lächeln zu Enron. Es war, als müsste sie mindestens fünfzig Schneidezähne vorn im Mund bereit haben. Das Gesicht war rund, voll, hübsch, der Mund breit, und dann diese wundersam vorgewölbten Hyperdex-Augen. »Ich arbeite überwiegend mit bioresponsivem Material. Der Betrachter und das Kunstwerk sind durch eine Feedbackschleife miteinander verbunden, so dass das, was du siehst, durch das modifiziert wird, was du selbst wesentlich bist.«

»Faszinierend!«, sagte Enron, aber es war offensichtlich, dass er es nicht wirklich meinte. »Ich hoffe, ich bekomme Gelegenheit, deine Arbeit ganz aus der Nähe kennenzulernen.«

»Außerdem mache ich Modern Dance«, sprach sie weiter. »Und ich habe auch ein paar Gedichte geschrieben, aber ich möchte sie nicht als wirklich gut bezeichnen. Und ich war auch beim Theater. Ich habe im letzten Sommerfestival in Berkeley in der Earth Saga an der Mole mitgewirkt, und es war ein ziemlich großes Ereignis für uns alle, ebenso sehr ein Bittgebet wie ein Theatererlebnis. Ein Bittgebet, meine ich, zum Schutz für unseren Planeten. Wir wollten das Publikum einstimmen auf die tieferen kosmischen Kräfte, die uns immer und überall umfangen halten, die uns aber nur sehr selten bewusst werden. Ich hoffe, ich kann die Vorstellung im Winter in Los Angeles wiederholen.« Und wieder das wundersame Lächeln, und sie beugte sich zu Enron und verpasste ihm die volle Dosis ihrer pheromonischen Lockstoffe.

»Ach so«, sagte Enron noch einmal, und Carpenter sah, wie wieder eine Jalousie herunterklappte und jegliches Interesse erlosch. Zweifellos war es möglich, dass der israelische Journalist Jolanda Bermudez auf die eine oder andere offensichtliche Art interessant finden mochte, doch im Moment hatte er offensichtlich genug von ihren diversen künstlerischen Unternehmungen gehört. Auch Carpenter fühlte sich ein wenig enttäuscht. Jolanda steckte so voller Leidenschaft und Energie, das war unübersehbar, gleichgültig, ob durch Drogen gesteigert oder echt, und die Vorstellung, sie könnte vielleicht tatsächlich eine begabte Künstlerin sein, hatte sie eine kleine Weile mit einer starken Aura von Glamour umhüllt; jetzt sagte er sich, dass sie möglicherweise absolut untalentiert war, vielleicht nicht einmal über irgendwelche primitiven Voraussetzungen verfügte, ganz bestimmt nicht über gesunden Menschenverstand, sondern nur die übliche unmodern gewordene, hochgestochene Vernissage-Kunstweibchen-Beflissenheit, die hier um die Bay aus einer weit entfernten Vergangenheit herübergerettet worden zu sein schien. Und das mit der Hymne und der Bitte um Schutz für den Planeten verursachte Carpenter regelrecht Bauchschmerzen. Da explodierte ringsum die Zukunft im Blitztempo, und diese Frau brabbelte noch immer Beschwörungssprüche aus einem vergangenen Jahrhundert.

Trotzdem, sie war eine attraktive Frau. Allerdings, Rhodes hatte ihn ja gewarnt, dass sie verkorkst war, und der sollte es ja vielleicht wissen.

Isabelle sprang ein, während Rhodes bereits die nächste Runde Drinks bestellte, und wollte mehr über Enrons Zeitschrift erfahren, ob sie israelisch erschiene, oder arabisch, oder zweisprachig. Und Enron erklärte ihr – wahrscheinlich mit für ihn enormem Takt –, dass die Landessprache in Israel Iwrith heiße, nicht Israeli, und dann erklärte er geduldig, dass Cosmos selbstverständlich – wie alle bedeutenden weltweiten Zeitschriften – vorwiegend mit englischem Text erscheine. Aber die Leser hätten selbstverständlich per einfachem Knopfdruck die Wahl, sich die Artikel in der ihnen erwünschten arabischen oder Iwrithfassung auf den Visor zu holen. So unglaublich es ihr erscheinen möge, sagte Enron, es gebe noch immer ein paar Leute in den fernsten Winkeln der riesigen judäo-islamischen Welt, die bisher noch immer nicht perfekt des Englischen mächtig seien.

»Hauptsächlich wohl bei den Arabern, vermute ich«, sagte Isabelle. »Es gibt doch noch immer massenhaft rückständige Araber, oder? Leute aus dem Mittelalter in einer High-Tech-Welt?«

Der Versuch, zu schmeicheln, war dermaßen offenkundig, dass Enron nur mit einem verächtlichen Blitzen der Augen und einem ganz flüchtigen nichtssagenden Lächeln reagierte. »Tatsächlich ist es nicht so, Ms. Martine. Die wirklichen echten Araber sind alle recht gescheite Leute. Man sollte wirklich lernen, zwischen Arabern und arabisch sprechenden Leuten zu unterscheiden, weißt du. Ich bezog mich vorwiegend auf unsere Leser in den ländlichen Gebieten im Nordsudan und in der Sahara, die arabisch sprechende Moslems sind, aber ganz gewiss keine Araber im echten Sinn.«

Isabelle wirkte verwirrt. »Wir wissen hier wirklich so wenig darüber, wie es anderswo auf der Welt aussieht.«

»Ja, so ist es«, sagte Enron. »Ein echter Jammer, dieser Inselprovinzialismus in diesem Land. Amerika tut mir leid. Ignoranz ist in diesen unseren Zeiten gefährlich. Besonders die Art Ignoranz, die sich in triumphaler Selbstgefälligkeit äußert.«

»Vielleicht sollten wir jetzt bestellen«, warf Rhodes etwas gezwungen ein. »Wenn ich ein paar Vorschläge machen dürfte …?«

Er machte mehr als nur ein paar. Doch Carpenter bemerkte, dass Enron überhaupt nicht auf Rhodes hörte. Sein Blick ruhte bereits auf der Speisenkarte, und er hatte seine Wünsche längst in das Datensystem des Restaurants eingegeben, ehe Rhodes fertig war. Carpenter fand, dass der Typ einen gewissen ätzenden Charme besaß; er war großartig in seiner groben Überheblichkeit, hatte all das an sich, was man über die Arroganz und den Mangel an Höflichkeit bei Israelis gehört hatte – er war praktisch das Bühnenklischee des Israeli, ein tapferes aggressives Kerlchen, so voller übertriebenem Selbstwertgefühl, dass man zu glauben beginnen konnte, es sei nur gespielt. Und dennoch, man musste die Intelligenz respektieren, diese spezifische ethnische quecksilbrige Anpassungsfähigkeit, den besonderen spielerischen Witz des Mannes. Ein Ekel, sicher, aber ein amüsantes Ekel, wenn man auf so etwas anspringt. Carpenter tat es.

Aber trotz allem, ein ekelhafter Kerl. Spielte da wie eine Katze mit den Mäusen, mit dem armen, arg bedrängten Nick und der armen nervösen Isabelle und der armen doofen Jolanda. Und er genoss seine Überlegenheit über die drei denn doch ein wenig zu unverhohlen. Vielleicht galt ja dieser Enron bei sich zu Hause in Tel Aviv und unter seinen Leuten als ein taktvoller und höflicher, sogar angenehm freundlicher Mensch; doch hier, mitten unter diesen barbarischen Goyjim, schien er es nötig zu finden, mit jedem Wort, das er von sich gab, Punkte zu sammeln. Eigentlich hätte man ja erwarten dürfen, dass Israel, ein Volk, das in diesem Zeitalter der wachsenden Unbewohnbarkeit des Planeten als eines der wenigen begünstigten ein paar gute Karten im Spiel hatte, sich entspannt zurücklehnen und die eigene Überlegenheit genießen werde, ohne den anderen Salz in die Wunden zu reiben. Aber dieser Israeli war anscheinend anders.

»Aber vielleicht sollten wir uns jetzt der Hauptsache unserer Zusammenkunft zuwenden, dem großen Problem, dessentwegen ich heute hierher gekommen bin«, sagte Enron, während die anderen noch ihre Dinnerwünsche eintippten. Er legte einen winzigkleinen Kristallrecorder neben seinen Teller und setzte ihn mit raschem Daumendruck in Gang. Dann blickte er langsam um den ganzen Tisch herum und ließ seine Augen nachdenklich und beunruhigend lange auf den Gesichtern ruhen, ehe er sich wieder auf Rhodes konzentrierte. »Meine Zeitschrift«, begann er mit veränderter, sachlicherer Stimme, »möchte sich zu Beginn des nächsten Jahres dem erschreckenden Problem zuwenden, das auf die Erde zukommt, und das ist, zweifelsfrei, die immer stärker wachsende Verschlechterung der planetaren Umwelt, die trotz aller halbherzigen Palliativmaßnahmen immer drastischer wird. Dieses Problem ist in manchen Erdgegenden gravierender als anderwärts, aber letzten Endes wird es uns alle betreffen. Denn es gibt auf der Erde ja wirklich keinen Ort mehr, an dem man sich sicher verstecken könnte, nicht wahr? Wir sind nur ein einziger recht kleiner Planet, nicht? Und wir haben es für uns selber ziemlich ungemütlich gemacht – und schwierig.«

»Für einige schwieriger als für andere«, sagte Carpenter.

»Im Moment, Mister Carpenter. Derzeit, da gebe ich dir recht, hat die Verlagerung der globalen Niederschläge in die Region, aus der ich komme, für mein Land große und überraschende Vorteile gebracht.«

Das auch, dachte Carpenter, und die generelle Ächtung fossiler Brennstoffe, die dazu führte, dass die Reichtümer, die die arabische Welt während der Jahre hatte anhäufen können, in denen die Welt vom Öl abhängig war, zu Nichts zerstoben, und sie sich gezwungen sahen, sich an ihre Erzfeinde, die Israelis, zu wenden und um technologische Hilfe zu bitten.

»Doch ist das nur ein Vorteil von kurzzeitlichem Wert«, sprach Enron weiter. »Wenn wir Leute aus dem Nahen Osten sagen, wir sind nicht betroffen von den Umweltschwierigkeiten, unter denen derzeit andere Regionen der Erde leiden – ja, dass wir sogar enorm davon profitiert haben –, dann hat das etwas von Luxusklasse-Passagieren auf den oberen Decks eines sinkenden Ozeandampfers, die sich gegenseitig versichern, dass für sie überhaupt keine Gefahr besteht, weil ja nur die miese andere Hälfte des Schiffs sinkt, und wenn diese Leute dort unten ertrunken sind, dann wird für uns mehr Kaviar bleiben …« – Enron genoss seinen abgetakelten Witz offensichtlich und lachte ausgiebig –, »weil nur die miese andere Hälfte versinkt. Versteht ihr, ja? Wir alle atmen die gleiche Luft, ist es nicht so? Es müssen Lösungen gefunden werden, oder wir saufen alle miteinander ab. Deshalb plant meine Zeitschrift eine ganze Nummer über die Probleme und ihre möglichen Lösungen. Und du, Dr. Rhodes, und deine Arbeit, die außergewöhnlichen Entwicklungspotenziale deiner Arbeit …« Enrons Augen glitzerten nun wieder. Das schmale, ausdrucksvoll-kantige Gesicht strahlte vor sprungbereiter Intelligenz. Eindeutig, jetzt machte er sich daran, seine wirkliche Beute einzukreisen. »Wir glauben, dass deine Arbeiten, sofern wir ihre Zielsetzungen korrekt interpretieren, als einzige vielleicht einen Weg aufzeigen können, wie die Rettung der Menschheit auf der Erde zu bewerkstelligen sein könnte.«

Und plötzlich sagte Isabelle Martine sehr laut: »Jesus, nein! Nein! Gotte helfe uns allen, wenn das wahr ist, was du gerade gesagt hast! Nicks Arbeit die einzige Rettung? Himmel, seht ihr denn nicht, dass seine Arbeit selbst das beschissene Problem ist und dass sie auf keinen Fall eine Lösung bringt!«

Carpenter hörte Rhodes hastig einatmen. Er wandte sich langsam und wie betäubt Isabelle zu und betrachtete sie mit traurigen Augen, als kämen ihm gleich die Tränen.

Keiner sagte etwas. Sogar dem Israeli hatte es momentan die Sprache verschlagen, so heftig war der Ausbruch gewesen. Zum ersten Mal schien seine glatte Überlegenheit Risse bekommen zu haben. Die gespannten Gesichtszüge schienen sich vor Verwirrung zu lockern, und er sah aus, als sei Isabelles Ausbruch ihm vollkommen unbegreiflich. Er blinzelte ein paar Mal und starrte sie an, als hätte sie nach der Weinflasche gegriffen und sie über dem Tisch ausgeleert.

Schließlich sagte Rhodes mit sanftem Ton in die angespannte Stille hinein: »Ms. Martine und ich sind uns in politischen Fragen nicht immer einig, Mr. Enron.«

»Aha. Ja. Ja, das sehe ich.« Der Journalist wirkte immer noch verblüfft. Eine derart heftige öffentliche Demonstration von Illoyalität gegenüber einem Partner überstieg anscheinend sogar bei einem diskussionslüsternen Israeli schmerzhaft die Grenzen des Erlaubten. »Aber die Rettung der menschlichen Spezies, das ist doch sicherlich kein parteipolitisches Thema«, sagte er. »Dabei geht es doch einfach nur darum, zu tun, was getan werden muss.«

»Es gibt da aber solche und solche Methoden«, sagte Isabelle scharf, ohne auf die flehenden Blicke von Rhodes zu achten.

»Ja, natürlich.« Enron wirkte nun gelangweilt, ja durch ihre Streitlust geradezu verärgert. Er bedachte sie erneut mit einem seiner abschätzigen Blicke. Carpenter sah die mühsam unterdrückte Wut in seinen Augen blitzen. Zweifellos fürchtete er, sie würde ihn zu hindern versuchen, die gewünschten Informationen zu sammeln. Sie war ihm ein Ärgernis, und nichts weiter. Rhodes, der nervös und tiefbekümmert auf das Tischtuch starrte, arbeitete sich an seinem nächsten Drink ab.

Sichtlich um Selbstbeherrschung bemüht, sagte Enron mit betonter Deutlichkeit zu keinem direkt: »Lasst mich bitte erklären, was ich und meine Herausgeber uns vorstellen.« Er holte tief Luft. Jetzt kam eine vorbereitete Ansprache, das war Carpenter klar. Jetzt redete der Mann offiziell und fürs Band. »Wir akzeptieren die von der Wissenschaft allgemein vertretene Position, dass die im Verlauf des Industriezeitalters auf der Erde angerichteten Umweltschäden irreversibel sind; dass die unkontrollierte Verbrennung fossiler Energieträger über die Periode von zwei-, dreihundert Jahren zu kohlendioxid- und Stickoxidemissionen führten, die weit über jeder Toleranzgrenze liegen; dass dies zu einer graduellen, letztlich signifikanten Erwärmung des Planeten führte; dass die veränderten Ozeantemperaturen und Druckverhältnisse, die aus dieser Erwärmung resultierten, im Meerwasser gebundenes Methan in die Atmosphäre freisetzten, was die allgemeine Erwärmung weiter steigerte; und dass das Anwachsen der sogenannten Treibhausgase in der Atmosphäre, neben der zusätzlichen massenhaften Endlagerung solcher Umweltgifte in terrestrischen Entsorgungsdepots und in Gestalt hypertrophen Pflanzenwuchses, der durch den Überschuss an CO2 bewirkt wurde, dazu führten, dass alles zunächst einmal zwangsläufig noch schlimmer werden wird, ehe es besser werden kann, weil die während der Periode des globalen Umweltmissbrauchs eingelagerten giftigen Gase im Lauf der Zeit unweigerlich freigesetzt werden, ja dass dies durch Bodenleckage und sich zersetzende vegetabile Biomasse jetzt bereits der Fall ist. Ich denke, dies ist eine recht korrekte Schilderung der Lage.«

»Und das Ozon«, sagte Carpenter.

»Ja, natürlich. Das auch. Ich hätte nicht vergessen dürfen zu erwähnen, dass die Verwendung von chlorierten Fluorkohlenwasserstoffen und ähnlichen Substanzen während des 20. Jahrhunderts die Ozonschicht geschädigt und damit die Sonneneinstrahlung intensiviert hat, wodurch die globale Erwärmung noch weiter wuchs. Etcetera, etcetera. Doch ich denke, ich habe das Feld für unsere Diskussion ausreichend gut abgesteckt. Ich brauche wohl kaum noch weiter unsere vielen Probleme aufzuzählen – die … äh … vielen verschiedenen Feedbackmechanismen aufzuzählen, die dazu beitrugen, eine schlimme Situation noch zu verschlechtern, nicht wahr? Das sind ja alles alte Hüte für euch. Es steht außer Zweifel, dass wir einer sehr gefährlichen Periode entgegengehen.«

»Absolut wahr! Der Planet muss geschützt werden!«, tönte Jolanda Bermudez mit Traumstimme, als verkünde sie Nachrichten von der Venus.

»Ich stimme Jolanda absolut zu«, sagte Isabelle. »Wir müssen zur Vernunft kommen. Der ganze Planet ist in Gefahr! Es muss etwas geschehen, um ihn zu retten!«

Enron lächelte eisig. »Ich erlaube mir, anderer Ansicht zu sein. Nicht der Planet ist in Gefahr, Ms. Martine. Für den Planeten spielt es keine Rolle, nicht wahr, ob in der Wüste Sahara Regen fällt oder in den Agrarebenen in der Mitte Nordamerikas? Na und, die Sahara hört auf, Wüste zu sein, und euer Kansas und Nebraska verwandeln sich in eine. Das ist für die Farmer dort höchst interessant, und ebenso für die nomadischen Stämme und ihr Vieh der Sahara, ja? Aber was bedeutet das für den Planeten? Der Planet hat keine Verwendung für den Weizen, der ehedem in Kansas und Nebraska produziert wurde. Die Atmosphäre enthält heute weit weniger Sauerstoff und Stickstoff als vor einem Jahrhundert, dafür aber sehr viel mehr Kohlendioxid und Kohlenwasserstoffverbindungen. Wieso sollte das den Planeten bekümmern? Es gab eine Zeit, da war in der Erdatmosphäre überhaupt kein Sauerstoff. Der Planet hat das sehr gut überstanden. Die Polareiskappen schmelzen, und die tieferliegenden Landstriche an den Küsten liegen unter Wasser. Dem Planeten ist das egal. Es kümmert ihn nicht, ob die Japaner an den Küsten gewisser Inseln am Rand Asiens leben, oder ob sie gezwungen werden, an anderen, höher gelegenen Plätzen Zuflucht zu suchen. Dem Planeten sind die Japaner gleichgültig. Und der Planet braucht auch nicht gerettet zu werden. Die Leute schwätzen diese Sprüche papageienhaft seit, ich weiß nicht wie lange schon, nach, seit hundert, hundertfünfzig Jahren. Dem Planeten geht es weiter ganz gut. Aber wir stecken in Schwierigkeiten. Die Kernfrage, Ms. Martine, Ms. Bermudez, ist nicht, wie wir den Planeten retten, sondern wie wir uns retten können. Die Erde wird sich hübsch weiterdrehen, ob mit oder ohne Sauerstoff. Aber wir werden sterben.« Enron lächelte, als redete er über das Ergebnis irgendwelcher Sportereignisse. »Selbstverständlich unternehmen wir bestimmte Schritte zu unserer Rettung.« Er hielt die rechte Hand hoch und tippte mit der Spitze des linken Zeigefingers die anderen Finger ab. »Zuerst haben wir versucht, die Emissionen der sogenannten Treibhausgase einzuschränken. Zu spät. Sie steigen weiter aus ihren Lagerstätten im Meer und auf dem Land auf, und nichts kann diesen Ablauf bremsen. Unsere Atemluft wird immer giftiger und ist nicht mehr zu atmen. Wir müssen damit rechnen, dass wir möglicherweise in nicht allzu ferner Zukunft die Erde gänzlich evakuieren müssen.«

»Nein!«, rief Isabelle laut. »Was für eine feige Lösung wäre das! Nein, wir müssen hierbleiben und wieder die Kontrolle über unsere Umwelt in die Hand bekommen!«

»Aber da gibt es auch die Leute«, sprach Enron mit gebändigter Erbarmungslosigkeit weiter, »die überzeugt sind, dass die Räumung der Erde die einzige Möglichkeit ist, uns zu retten. Und – falls ich fortfahren dürfte, Ms. Martine – zweitens haben wir die näheren Regionen des Raums bereits mit Dutzenden, Hunderten von künstlichen Satellitenwelten besiedelt, in denen annehmbare künstliche Klimata herrschen; und wir haben etliche überkuppelte Siedlungen auf dem Mars und den Jupitermonden errichtet.«

»Manchmal glaube ich, dass diese Habitate wirklich die einzige Lösung sind«, mischte sich nun Jolanda Bermudez träumerisch wieder ein. »Ich habe schon oft mit dem Gedanken gespielt, selbst dorthin zu ziehen, wenn alles andere fehlschlägt. Einige von meinen Freunden in Los Angeles sind stark an der Besiedlung in L-5 interessiert.« Es war fast, als spräche sie nur zu sich selbst.

Enron, ganz im Feuer seines Monologs gefangen, beachtete sie gar nicht. »Die Siedlungen im Orbit stellen eine beachtliche Leistung dar, aber sie alle haben nur eine extrem geringe Kapazität, und ihr Bau ist äußerst kostspielig. Es versteht sich, dass wir es uns niemals leisten könnten, die ganze Erdbevölkerung in solche kleinen Schutzinseln im Raum zu transportieren. Es gibt aber noch eine weitere Aussiedlungsoption, die allerdings derzeit sogar noch viel weniger durchführbar erscheint: die Entdeckung und Kolonisierung einer Neuen Erde von planetaren Ausmaßen in einem anderen Sonnensystem, auf der das menschliche Leben eine zweite Chance erhalten kann.«

Isabelle schnaubte: »Das ist einfach idiotisch! Ein blödes verrücktes Hirngespinst.«

»In der Tat, so sieht es aus«, gab Enron gelassen zu. »Soweit ich davon etwas weiß, verfügen wir nicht über einen funktionierenden interstellaren Antrieb, und es ist uns noch nicht geglückt, irgendwelche Planeten außerhalb unseres Sonnensystems zu entdecken, ganz zu schweigen von einem, auf dem menschliches Leben möglich wäre.«

»Da bin ich nicht ganz so sicher«, sagte Rhodes fast flüsternd.

Enron wandte sich ihm zu und sah ihn an. Rhodes, aus der Fassung gebracht, weil er so plötzlich das Interesse wieder auf sich gelenkt hatte, schluckte hastig die Neige aus seinem Glas und bestellte mit einer Handbewegung schon wieder Nachschub.

»Wir hätten so einen Planeten gefunden, willst du sagen?«, fragte Enron.

»Wir haben einen interstellaren Antrieb – den Stardrive«, sagte Rhodes. »Das heißt, vielleicht kriegen wir ihn. Ich habe gehört, dass es da kürzlich einen entscheidenden Durchbruch gegeben hat und dass wichtige Tests in Vorbereitung sind.«

»Dieser Stardrive – du sagtest ›wir‹. Handelt es sich da um ein Projekt der Samurai Industries?«, fragte Enron. Er schwitzte plötzlich. Seine Augen verrieten ein schärferes Interesse, als er wahrscheinlich zu zeigen bereit war.

»Nein. Eigentlich meinte ich mit ›wir‹ nur kollektiv die menschliche Spezies ganz allgemein. Den Gerüchten zufolge sind sie bei Kyocera-Merck schon ganz schön weit vorangekommen mit irgendeinem Sternenschiff-Projekt. Nicht wir.«

»Aber Samurai würden doch bestimmt auch an einem ähnlichen Projekt mitarbeiten«, sagte Enron, »und sei es nur, um Konkurrenzfähigkeit zu demonstrieren.«

»Damit hast du wahrscheinlich sogar recht«, sagte Rhodes und zuckte zusammen, wie wenn ihm jemand unter dem Tisch ans Schienbein getreten hätte. Carpenter erhaschte den flüchtigen ärgerlichen Blick, den er Isabelle zuwarf. »Ich will damit sagen, es gibt auch diesbezüglich Gerüchte«, sagte er nach einem Augenblick des Zögerns, nun wieder ausweichend. »Ich habe wirklich keine Ahnung, ob etwas daran ist. Wir bekommen immer sowas zu hören. Aber du bist dir doch darüber im Klaren, dass natürlich irgendwelche Stardrive-Forschungen bei Samurai in völlig anderen Abteilungen im Gange wären, nicht in meiner.«

»Ja. Natürlich.« Dann schwieg Enron eine Weile und stocherte unlustig auf seinem Teller herum. Er überdachte unverkennbar die Information, die Rhodes sich da hatte entschlüpfen lassen.

Carpenter fragte sich, ob an der Sache etwas Wahres sein könnte. Ein interstellarer Antrieb? Eine Expedition in ein anderes Sonnensystem, die Gründung einer Neuen Erde in fünfzig Lichtjahren Entfernung? Ein Neubeginn, ein zweiter Paradiesgarten Eden. Die Ungeheuerlichkeit der Idee betäubte ihn für einen Augenblick.

Aber Isabelle hatte diesmal recht gehabt: Darin lag keine Lösung für die Probleme auf dieser Erde hier. Die Vorstellung war zu verrückt. Es würde Jahrhunderte dauern, bis man zu irgendwelchen anderen Sternen gelangen würde, selbst falls man irgendwo einen anderen erdähnlichen Planeten entdecken könnte; und selbst wenn das geschehen sollte, man würde niemals in der Lage sein, einen signifikanten Bruchteil der Milliarden Erdbewohner dorthin zu transportieren. Also kann man das vergessen, sagte Carpenter sich selber. Es war wirklich sinnlos.

Enron hatte sich wieder gefasst. »Das ist hochinteressant. Hoffnung auf ein funktionierendes Antriebssystem zu den Sternen. Ich muss mich bei Gelegenheit einmal genauer damit befassen, Dr. Rhodes. Könnten wir für heute zu unserem Thema zurückkehren, der letzten Option, die der Menschheit bleibt – und darüber wollte ich heute Abend mit dir sprechen. Ich spreche von dem Einsatz von Genspleißtechniken, um neugeborene Kinder an die immer giftiger werdende Atmosphäre anzupassen, mit der es die Erdbevölkerung zu tun haben wird.«

»Nicht nur die Neugeburten«, sagte Rhodes. Zum ersten Mal, seit sie in dem Restaurant angelangt waren, wirkte er nun lebhaft und erregt. »Wir erforschen auch Möglichkeiten des Retrofittings für menschliche Erwachsene, um sie an die auf uns zukommenden Bedingungen anzupassen.«

»Oh. Aber das ist wirklich hochinteressant«, sagte Enron.

»Ja, wir können alle zusammen zu Monstern werden«, sagte Isabelle. »Ach, Schöne Neue Welt, in der dann solche Leute leben!«

Carpenter bemerkte plötzlich, dass er die ganze Zeit mit Rhodes Drink um Drink mitgezogen hatte und bei weitem weniger gut geeicht war, mit solchen Alkoholmengen fertig zu werden, als Rhodes.

»Bitte, Ms. Martine«, sagte Enron geschmeidig und wandte sich erneut an Rhodes. »Doktor, wie sieht euer Fahrplan aus, wann wird die Erdatmosphäre den Punkt erreicht haben, an dem unsere Luft für menschliche Wesen in ihrem jetzigen physiologischen Zustand nicht mehr zu atmen sein wird?«

Rhodes gab nicht sogleich eine Antwort. Schließlich sagte er: »In vier, fünf Generationen. Allerhöchstens sechs.«

Enron zog die Augenbrauen hoch. »Du meinst, in hundertfünfzig, höchstens zweihundert Jahren?«

»Mehr oder weniger. Ich möchte mich da ungern festlegen. Aber die Zahlen sprechen für sich. Die Schicht von Treibhausgasen um uns lässt immer noch die Ultraviolettstrahlung durch und verhindert die Abstrahlung von Infrarot, also werden wir bei weiter wachsender Hitze weiter gebacken und gebraten. Zusätzlich dazu verlieren wir immer größere Teile unserer Ozonschutzhülle. Durch die Lücken ergießt sich starke Sonnenstrahlung und kocht unseren Planeten wie ein gigantischer Laser hoch, wodurch sich die ganzen in den letzten paar Jahrhunderten einsetzenden Verschlechterungsprozesse beschleunigen. Die Meere rülpsen wie besoffen Methan aus. Und die pflanzlichen Biota, auf die zu verlassen wir uns angewöhnt hatten, dass sie die CO2-Überschüsse in der Atmosphäre durch ihre Photosynthese beseitigen, bescheren uns mittlerweile dank der raschen Zersetzungsprozesse abgestorbenen pflanzlichen Materials in den neuen feuchten Dschungelregionen auf dem ganzen Planeten einen drastischen Nettozuwachs dieses Gases. Von Jahr zu Jahr entfernt sich die Substanz, die wir als Luft atmen, immer weiter in ihrer chemischen Zusammensetzung von dem, an was wir uns im Lauf der Entstehungsgeschichte der Menschheit gewöhnt hatten.«

»Und es ist nicht wahrscheinlich, dass wir uns weiterentwickeln, eine neue Evolution erleben könnten, die uns den veränderten Umständen anpasst?«, fragte Enron.

Rhodes lachte; heftig, explosiv und scharf. Es war das drastischste Anzeichen von Vitalität seinerseits an dem ganzen bisherigen Abend.

»Eine Evolution? In fünf, sechs Generationen? So schnell funktioniert die Entwicklung nicht. Jedenfalls nicht in der Natur.«

»Aber eine Evolution lässt sich auch künstlich herbeiführen«, sagte der Mann aus Israel. »In Laboratorien.«

»Genau.«

»Und würdest du uns dann sagen, welche spezifischen Zielsetzungen euer Forschungsbereich hat? Welche körperlichen Aspekte versucht ihr beim Menschen zu modifizieren? Und welche Fortschritte habt ihr da bisher gemacht?«

»Du sagst dem kein verdammtes Wort mehr, Nick!«, sagte Isabelle. »Der ist ein Spion von Kyocera oder sonst einer Firma, die wir nicht mal dem Namen nach kennen, irgendwelche Leute, die von Kairo oder Damaskus aus arbeiten, merkst du das denn nicht?«

Rhodes errötete. »Isabelle, bitte!«

»Aber es ist doch wahr!«

Enron streifte sie, diesmal weniger ärgerlich, nur mit einem Blick und sagte fast herablassend: »Ich habe die Erlaubnis zu diesem Interview von Dr. Rhodes' Arbeitgebern, Ms. Martine. Und wenn die nichts von mir befürchten, besteht dann irgendein Grund, weshalb du das solltest?«

»Also …«

Rhodes sagte: »Ich glaube nicht, dass sie ernstlich deine Seriosität in Zweifel ziehen wollte, Mr. Enron. Sie mag es nur nicht, wenn ich über irgendwelche Einzelheiten meiner Forschungsarbeit spreche.«

Enron betrachtete Isabell, als wäre sie eine fremdartige Lebensform, die soeben aus dem Teppich gewachsen war. »Und was genau an Dr. Rhodes' Arbeit versetzt dich in solche Bedrängnis?«, fragte er sie.

Sie zögerte. Carpenter fand, sie wirkte ein bisschen zerknirscht wegen ihrer Äußerungen.

Leise sagte sie dann: »Ich stehe Nick gar nicht so kritisch gegenüber, wie es vielleicht geklungen hat. Er ist ein Genie, und ich bewundere ihn schrecklich für das, was er geleistet hat. Aber ich mag einfach nicht zusehen, wie die ganze Welt in einen Zoo voller scheußlicher Adaptos verwandelt wird. Es gibt jetzt schon genug idiotische Herumspielerei mit Genen, diese ganzen Retrofittings und das Babyspleißen und alles. Diese Geschlechtsumwandlungen und die kosmetischen Körperveränderungen. Und jetzt soll auch noch jeder Fötus automatisch in ein groteskes Geschöpf mit Kiemen und drei Herzen und ich weiß nicht, was sonst noch, verwandelt werden …« Isabelle schüttelte den Kopf. »Zum einen, wir können uns das gar nicht leisten. Es gibt zu viele andere Probleme, die wir lösen müssen, als dass wir uns den Luxus eines derart abwegigen Projekts erlauben dürften. Und außerdem finde ich es scheußlich. Es würde das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen, bedeuten. Wenn man den Körper verändert, verändert man das Bewusstsein. Das ist ein Naturgesetz. Es würde eine neue Spezies daraus entstehen, und Gott allein kann wissen, was für eine. Auf jeden Fall nicht mehr menschlich. Irgendein hässliches, böses, grauenhaftes Ding. Wir dürfen uns selbst das nicht antun. Wir können einfach nicht! Ich liebe Nick, gewiss, aber ich verabscheue, was er und seine Leute der menschlichen Rasse antun wollen.«

»Wenn aber die menschliche Rasse, so wie wir jetzt gebaut sind, nicht mehr auf der Erde überleben kann?«, fragte Enron.

»Dann repariert die Erde. Nicht die Menschen.«

»Ich frage mich, Isabelle«, sagte Jolanda mit der verträumten Stimme der Lady aus dem Weltraum wie zuvor. »Es könnte dafür einfach bereits zu spät sein, denke ich manchmal. Du weißt, Süßes, ich bin wirklich nicht begeisterter als du über Nicks Forschungen, und ich stimme dir zu, dass sie abgebrochen werden sollten. Aber nicht weil sie was Böses sind, sondern nur weil es Verschwendung von Zeit und Geld ist. Es gibt keinen Grund, dass wir uns in Dinger mit Kiemen oder so verwandeln. Unsere wirkliche Hoffnung, das glaube ich, liegt in den Habitatwelten.«

»Ms. Bermudez …«, sagte Enron.

Doch sie machte einfach weiter. »Ich glaube, ich habe mit meiner Arbeit alles getan, was ich konnte, um die Erde zu schützen, durch meine Kunst, und ich habe nicht vor, meine Bemühungen jetzt aufzugeben. Aber ich beginne zu verstehen, dass es vielleicht vergeblich ist, dass wir die Erde irreparabel zerstört haben. Also werden wir vielleicht fort müssen, und das ist die reine Wahrheit. Wie bei der Vertreibung aus dem Paradies, ja? Ich denke, ich habe schon erwähnt, dass ich Leute kenne, die sich sehr intensiv mit der ganzen Habitat-Kultur befassen, die da droben im Orbit entstanden ist. L-5 ist der Ort der Zukunft. Ich gedenke selber recht bald dorthin zu emigrieren.«

Isabelle sagte: »Du hast mir nie …«

»Aber ja. Ja.«

»Ladies, bitte«, sagte Enron.

Aber die Sache war ganz aus seiner Kontrolle entglitten. Jolanda, die fähig schien, drei oder vier einander widersprechende Überzeugungen gleichzeitig zu vertreten, ohne dass es ihr die geringsten Schwierigkeiten bereitet hätte, hatte einen neuen Ball ins Spiel geschleudert. Es ging weiter und weiter, sie haderten mit Enron, miteinander, mit der Umwelt, mit dem Schicksal. Carpenter, der dem wie aus großer Höhe zusah, musste sein Lachen hinunterschlucken. Die Frauen trommelten auf ihre verschiedenen politischen Tamtams, und Rhodes trank stetig weiter und schien in eine gleichgültige Starre versunken zu sein, nicht wirklich betrunken – Carpenter fragte sich, ob er jemals richtig betrunken sein konnte –, sondern irgendwie gefroren, desinteressiert, abwesend, und Enron schaute dem allem entsetzt zu, denn zweifellos war ihm inzwischen klar geworden, dass er sich von diesem Abend keine brauchbaren Informationen mehr erwarten konnte.

Carpenter verspürte Mitleid mit Rhodes, der mit dieser wilden, ungezähmten und arg verwirrten Isabelle verbunden war: der arme traurige Nick, wieder einmal hilflos einer gackernden Henne ausgeliefert. Und er fühlte beinahe Mitleid auch mit Enron. Was immer der sich an diesem Abend an Informationen von Rhodes erhofft hatte, es lag nun begraben unter den Schwaden nebulöser Polemik. Es war inzwischen fast Mitternacht. Der israelische Journalist unternahm einen letzten Versuch, Rhodes auf die Art seiner Genmodifizierungen festzunageln, die in seinem Laboratorium erarbeitet wurden; doch Rhodes verschwand sehr schnell in alkoholdumpfer Unbestimmtheit und lieferte ihm nicht viel Konkretes, außer vagen Andeutungen über die Umgestaltung der Atmungs-Kreislaufsysteme.

»Schön, aber wie? Wie?«, fragte Enron immer wieder. Und er erhielt keine verständlichen Antworten. Es war ganz hoffnungslos.

Dann rief der Israeli zornig die Rechnung ab und überprüfte sie anhand seines Flexterminals, und dann zogen sie alle hinaus in die stickige Nacht, alle ziemlich schwankend von dem reichlichen Alkohol.

Sogar zu dieser späten Stunde hatte man das Gefühl, als pulsten spürbare heiße Feuerofenstöße vom Himmel nieder. Irgendwie hatte sich ein Chemienebel über Sausalito niedergesenkt. Ein dicker beißender Brei. Es roch wie heißer Essig mit einem Beigeschmack von Schimmel und Desinfektionsmitteln. Carpenter bedauerte sehr, dass er seine Atemmaske nicht mitgenommen hatte.

Das Echo der abendlichen Tischgespräche hallte ihm durch den Kopf. Die arme, beschissene, kaputtgewirtschaftete Welt! Die ganze Entwicklungsgeschichte der Menschheit schien sich vor ihm aufzubauen: das Neolithikum, die kleinen Bauerngehöfte und Siedlungen; Babylon und Ägypten; Griechenland, Rom, Byzanz; das Elisabethanische England und das Frankreich des Vierzehnten Ludwig. Alle diese Mühen, dieses qualvolle Aufwärtsstreben vom Zustand des Affen hinauf – und wo hatte es hingeführt? In eine dermaßen hochzivilisierte Fortschrittswelt, dass wir unsere Umwelt unbewohnbar machen konnten, dachte Carpenter. Zu einer dermaßen intelligenten Spezies, dass wir uns hundert supergescheite Methoden ausdenken konnten, unser eigenes Nest zur Kloake zu machen.

Und nun – der Dreck, die Vergiftung des Bodens, die Erhitzung, die Giftstoffe in der Luft, die metallverseuchten Gewässer, die Löcher in der Ozonschicht … der zerstörte Garten Erde …

Scheiße! Was für wundervolle Errungenschaften das Ganze! Eine einzige kleine Affenart konnte den ganzen Planeten in den Ruin treiben!


Während sie am Ende des Restaurantpiers darauf warteten, dass Rhodes' Wagen herausgefahren werde, trat Carpenter zu ihm und sagte leise: »Ich könnte fahren, Nick, wenn du denkst, du solltest lieber nicht.« Rhodes wirkte nicht übermäßig sicher auf den Beinen.

»Ist schon okay. Ich lasse den Wagencomputer fahren. Es geht schon.«

»Wenn du meinst. Ich nehme an, du kannst mich dann am Mariott absetzen, nachdem du Enron in sein Hotel gebracht hast.«

»Und Jolanda, was ist mit der?«

»Was soll's? Sie wohnt in East Bay, oder?«

»Du könntest sie doch morgen früh mit dem Pod zurückfahren lassen. Das macht der gar nichts aus.«

»Nick, ich habe den ganzen Abend lang kaum ein Wort mit ihr gesprochen. Ich habe nichts mit ihr ausgemacht.«

»Du willst sie nicht? Aber sie erwartet das, weißt du? Ihr habt ein Date!«

»Und das heißt automatisch, dass …«

»Bei ihr schon. Sie würde tödlich beleidigt sein, wenn du sie nicht fickst. Aber natürlich könnte ich ihr sagen, du bist auf Homosex umgestiegen, seit wir uns zuletzt gesehen haben, oder sonst was, und ich fahre sie dann heut' Nacht noch rüber nach Berkeley. Aber da lässt du dir was entgehen, sie bringt 'ne Menge Spaß. Was ist los mit dir, Paul? Müde?«

»Nein. Bloß … ach, verdammt. Mach dir keine Sorgen, ich werde meine Rolle als Kavalier gut spielen. Und hier kommt jetzt dein Wagen rüber.«

Carpenter blickte sich nach Jolanda um. Sie stand neben Enron dicht am Wasser und schaute auf die blitzende Lichterspur quer über die Bucht nach San Francisco hinüber, und so wie sie da standen, zog Carpenter den Schluss, dass er vom Haken sei. Jolanda war einen halben Kopf größer als der kleine massive Israeli, der aber flüsterte auf drängende, intime Art auf sie ein, und ihre Körperhaltung wirkte durchaus bereitwillig. Dann aber wandte sie sich um und warf Carpenter einen erwartungsvollen Blick zu, und er begriff, dass es nicht um den Rest der Nacht ging, was immer Enron da gerade zu erreichen versucht hatte.

Also spielte er das gewohnte Ritual ab, fragte sie, ob sie vielleicht Lust hätte, mit ihm in seinem Hotel einen letzten Drink zu nehmen, und sie ließ die Augenlider flattern und gab ihm so ein zimperliches Ja, und damit war es klar. Er kam sich blöde vor, und auch irgendwie ein bisschen wie ein Callboy. Aber was sollte es, verdammt. Verdammt, er würde übergenug Gelegenheit bekommen, alleine zu schlafen, wenn er draußen im Pazifik Eisberge einfangen würde.

Rhode schaltete den Wagen auf Autosteuerung, und sie gelangten völlig problemlos hinüber nach San Francisco. Jolanda kuschelte sich angenehm an Carpenter, als hätten sie den ganzen Abend lang geduldig auf den Vollzug hingearbeitet, der sie nun erwartete. Vielleicht war das ja so, dachte Carpenter, und ich habe es nur nicht gemerkt.

Als der Wagen bei Enrons Hotel anlangte, einem ehrwürdigen Gebäude in Schaudergotik am Union Square, ergriff der Journalist Jolandas Hand, ehe er ausstieg, hielt sie lange fest, küsste sie dann theatralisch und sagte zu ihr: »Es war ein höchst angenehmer Abend. Ich freue mich schon sehr darauf, dich wiederzusehen.« Dann dankte er Rhodes, und sogar Isabelle, nickte Carpenter zu und schoss davon.

»Was für ein bemerkenswerter Mensch«, murmelte Jolanda. »Nicht angenehm, nein, aber unbedingt bemerkenswert. So überwältigend dynamisch. Und eine so klare Erkenntnis der Weltprobleme. Ich finde, diese Israelis sind faszinierend, meinst du nicht auch, Paul?«

»Marriott Hilton nächster Stopp«, sagte der Wagencomputer. Rhodes schien da vorne eingeschlafen zu sein. Sein Kopf lehnte an Isabelles Schulter. Carpenter fühlte sich überhaupt nicht müde, doch seine Augen schmerzten und brannten von der Luft, von dem anstrengenden Abend, und weil es schon so spät in der Nacht war. Und es würde eine Nacht ohne Schlaf werden, argwöhnte er. Nun ja, es war nicht die erste. Wahrscheinlich auch noch nicht die letzte.

»Lassen wir doch den Drink einfach aus«, sagte Jolanda zu ihm in der Halle seines Hotels, »und gehen wir einfach zu dir rauf.«

Oben in seinem Zimmer fragte sie, während sie sich auszogen: »Kennst du Nick Rhodes schon lange?«

»Ach, nur so an die dreißig Jahre.«

»Ihr seid zusammen aufgewachsen?«

»Ja. In Los Angeles.«

»Er beneidet dich ganz schrecklich, weißt du.« Sie schleuderte ihr Unterzeug weg, streckte sich, holte tief Luft, genoss ihre eigene Nacktheit. Schwere Brüste, massige Schenkel, überall Grübchen, eine Kaskade duftiger gekrauster Haare; der versengende Latinoblick. Geil, dachte Carpenter. Angenehm.

»Beneidet mich?«

»Ganz und gar. Er hat mir alles über dich erzählt. Wie sehr er dich bewundert für deine unbeirrbare geistige Freiheit, dass du dich nicht von irgendwelchen moralischen Skrupeln festlegen lässt.«

»Du sagst mir also, er hält mich für unmoralisch?«, fragte Carpenter.

»Er meint, du bist flexibel. Das ist nicht das gleiche. Er bewundert deine rasche Bereitschaft, dich schwierigen Situationen schnell anzupassen, auch moralisch zwiespältigen. Er möchte auch gern so – einfach damit umgehen können wie du. Er verheddert sich immer in allen möglichen Problemen und verkrampft sich. Und du machst den Eindruck, dass du die Knoten einfach durchhaust.«

»Eigentlich hatte ich mich nicht für solch einen unabhängigen Geist gehalten«, sagte Carpenter. Er trat zu ihr und ließ seine Hand sacht über ihre Rückenwirbel gleiten. Die Haut war bemerkenswert glatt und weich. Das fand er angenehm. In letzter Zeit hatten sich viele Leute einem dermatologischen Retrofit unterzogen, um der mörderischen, auf dem Ozonschwund beruhenden Hautkrakelüre entgegenzuwirken. Meist half es den Leuten nicht viel; hinterher kamen sie heraus und sahen aus und fühlten sich wie ein Krokolederkoffer. Jolanda Bermudez aber hatte eine Haut, die sich anfühlte wie echte menschliche Frauenhaut, und Carpenter empfand das als sehr angenehm. Und das weiche nachgiebige Fleisch darunter auch.

Sie sagte: »Aber ist er nicht ein großer Mann, der Nick? So ein brillanter Kopf und so ernsthaft. Und wie hingebungsvoll er daran arbeitet, eine Lösung für die Probleme zu finden, die auf die Welt zukommen! Isabelle macht ihm das Leben ganz schön zur Hölle.«

»Ich fürchte, er zieht Frauen an, die ihm das Leben zur Hölle machen.«

Sie ging darauf überhaupt nicht ein. »Und ich versuche immer, ihr das nicht zu zeigen, aber es kommt schon mal vor, dass ich Isabelle sage, dass ich nicht einverstanden bin, wie sie Nicks Forschungsprogramm runtermacht. Es könnte vielleicht unsere einzige Rettung sein, so sehr es mir widerstrebt, das zuzugeben. Auch wenn ich fest überzeugt bin, dass unsere Emigration auf L-5 die beste Chance für uns Menschen ist, wahrscheinlich, hoffe und bete ich doch insgeheim, dass es irgendwie möglich sein wird, hier auf der Erde bleiben zu dürfen. Denkst du nicht auch? Und vielleicht hat Nick ja die einzige Lösung für das Problem. Also, wenn es uns nicht gelingt, Wege zu finden, wie wir den entsetzlichen Schaden, den wir in unserem Ökosystem angerichtet haben, rückgängig machen können. Und die Arbeit, die Nick …«

Die Frau war hellwach, sprudelte über von verbaler Energie. Carpenter bekam Angst, sie würde gleich wieder von vorn damit beginnen, wie nötig es sei, den Planeten zu beschützen. Das kommt vom Hyperdex, dachte er. Davon war sie die ganze Zeit so überdreht. Er begriff, dass er sie, einfach um sich selbst zu schützen, ins Bett legen musste, bevor sie sich zu sehr in ihr Geschwätz versteigen konnte. Also zog er sie nachdrücklich-behutsam auf das Bett und schmiegte sich sanft in die Wiege dieses geschmeidigen, sahneweichen Körpers. Er streichelte mit den Händen über ihre Flanken und über die Brüste, und er umschloss ihren Mund mit seinen Lippen. Es erwies sich als eine erfolgreiche Methode der Ablenkung.

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