Vorwort
Vorab möchte ich ein paar grundlegende Dinge sagen. Ich heiße wirklich Max Frei. Von Kindheit an habe ich stets die Kurzform von Maximilian bevorzugt.
Ich stamme irgendwo aus Ihrer Gegend. Möglicherweise sind wir sogar Nachbarn gewesen. Ich habe ungefähr dreißig Jahre in Ihrer Heimat gelebt und bin dann nach Echo gegangen.
Sie werden die Stadt Echo auf keiner Karte finden, denn sie liegt nicht auf Ihrem Planeten. Genauer gesagt: Sie liegt nicht in Ihrer Welt. Diese Formulierung gefällt mir besser, weil nicht auf Ihrem Planeten gleich mit Raumfliegerei verbunden wird und ich - zum Glück - nie ein Raumschiff betreten musste. Einzelheiten über meine Reise hierher finden Sie in der anschließenden Geschichte »Debüt in Echo«.
Echo ist die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs, das aus Uguland, Gugland, Landland und Uriuland, den Grafschaften Schimar und Wuk, den Ländern des Ordens des Siebenzackigen Blattes, der freien Stadt Gazin und der Insel Murimach besteht.
In diesem Königreich erlauben die Naturgesetze die Entwicklung paranormaler Fähigkeiten und fördern sie sogar - besonders bei uns in Echo, weil die Stadt »im Herzen der Welt« errichtet wurde, um eine Formulierung der hiesigen Magier aufzugreifen, ohne die ich nichts erklären kann. Wenn Telepathie und andere kleine Tricks jenseits der Grenzen von Uguland (in dessen Mitte Echo liegt) nicht weiterhelfen, sieht die Lage böse aus. Nur Faulenzer können in Echo nicht zaubern - das habe ich erschreckend schnell gelernt.
Dementsprechend begeistert sich die hiesige Bevölkerung für Offenkundige Zauberei oder Alltagsmagie, vielmehr: Sie hat sich dafür bis zum Beginn der Epoche des Gesetzbuchs begeistert, einer Epoche, der einige tragische und blutige Ereignisse vorausgegangen sind.
In uralter Zeit haben einige Weise vorhergesagt, die maßlose Begeisterung für die Alltagsmagie könne böse enden, und eine düstere und komplexe Theorie des möglichen Weltuntergangs entwickelt. Damals war die Anwendung von Magie unverzichtbar. Viele magische und sehr mächtige Orden haben jahrtausendelang versucht, sich die Herrschaft untereinander zu teilen. Der König - welchen Namen er auch getragen haben mag - ist damals die wichtigste Figur des politischen Spiels gewesen.
Das änderte sich, als Gurig VII. den Thron bestieg und die Geschichte umkrempelte. Er verbündete sich mit dem einzigen Orden, dem er trauen konnte: Die Mitglieder des Siebenzackigen Blattes schwärmten nicht nur davon, zahlreiche Konkurrenten zu beseitigen, sondern beschäftigten sich schon lange ernsthaft mit der Untersuchung apokalyptischer Probleme. Nuflin Moni Max, der Große Magister des Ordens, war ein weiser Mann, der die kommende Gefahr rechtzeitig erkannte. Kaum hatte er sein Amt angetreten, begann er, die Entscheidungsschlacht gegen die übrigen Orden vorzubereiten, und tat sich zu diesem Zweck mit König Gurig VII. zusammen. Der Orden des Siebenzackigen Blattes entfesselte den Krieg gegen alle, der in die Geschichte als die Traurige Zeit eingegangen ist. Das zerstörerische Jahrhundert endete mit dem nun auch offiziell verkündeten Frieden zwischen dem König und dem Orden des Siebenzackigen Blattes. Am gleichen Tag wurde das Chrember-Gesetzbuch verkündet, benannt nach dem jungen Mann, der das letzte Opfer der Auseinandersetzungen geworden war. Diese vor einhundertzwölf Jahren erlassene Gesetzessammlung besteht aus moralischen Geboten und strafbewehrten Verboten und dient der neuen Zeit - der Epoche des Gesetzbuchs - als Grundlage.
Die Generalklausel des Chrember-Gesetzbuchs lautet: »Den Bürgern des Vereinigten Königreichs ist die Nutzung von Alltagsmagie verboten - es sei denn, sie haben dafür die Erlaubnis des Königs oder des Großen Magisters vom vornehmen und einzigen Orden des Siebenzackigen Blattes.«
Nichtsdestoweniger passieren auch jetzt noch Wunder, was auf einige Paragrafen zurückzuführen ist, die der Generalklausel des Gesetzbuchs widersprechen. So heißt es beispielsweise: »Die Bürger dürfen Weiße Magie bis zum fünften Grad anwenden, aber nur im eigenen Haus oder außerhalb der Stadt Echo. Schwarze Magie dürfen sie bis zum zweiten Grad anwenden, jedoch nur im eigenen Haus und nur im medizinischen oder kulinarischen Bereich.« Weiß und schwarz bedeuten übrigens nicht gut und schlecht! Schwarze Magie ist einfach jene Zauberkunst, die sich mit der Manipulation der Materie beschäftigt, und verdankt ihren Namen der Farbe der Erde. Weiße Magie hingegen arbeitet eher mit abstrakten Dingen, beispielsweise mit Stimmungen, Gedanken oder dem Gedächtnis. Freilich haben die Bewohner des Vereinigten Königreichs eigene Vorstellungen davon, wo das Materielle endet und das Spirituelle beginnt. Spiritualität ist unter den Einwohnern von Echo sehr beliebt, gilt ihnen interessanterweise aber als Teil der Schwarzen Magie, weil sie fest daran glauben, dass ihre Wirkungen nicht weniger materiell sind als zum Beispiel die Töpfe in der Küche. Es gibt daher einige Dutzend Methoden, seine Widersacher zu töten - Methoden, die objektiv allesamt ins Gebiet der Weißen Magie fallen, weil der Tod dort als eine der höchsten Äußerungen des Abstrakten gilt. Aber all das ist äußerst verwirrend.
Zu Beginn der Epoche des Gesetzbuchs mussten die besiegten Ordensmitglieder das Vereinigte Königreich verlassen. Man kann vermuten, dass selbst die mächtigsten Magier außerhalb der Grenzen von Echo einen Großteil ihrer Kraft verlieren und das berüchtigte Weitende nicht heraufbeschwören können. Ab und an schauen einige dieser Magier in Echo vorbei, und dann wird es bei uns lustig.
Die Nutzungssperre der Weißen Magie betrifft den Orden des Siebenzackigen Blattes nicht, denn seine Mitglieder verfügen über Wissen, das es ihnen erlaubt, die Auswirkungen ihrer Experimente auf ein Minimum zu reduzieren. Ökologisch saubere Magie - so etwas in der Richtung.
Außerdem gibt es zahlreiche verdiente, verehrte und gefährliche Magier, die unangefochten in Echo leben und gewisse Privilegien besitzen. Sie haben es rechtzeitig geschafft, sich mit den künftigen Siegern zu arrangieren, oder sich dem Krieg einfach entzogen. Sie alle sind bewundernswerte und schillernde Persönlichkeiten, und ich bin der so festen wie naiven Überzeugung, dass auf ihrer charmanten Klugheit das Wohlergehen der Hauptstadt des Königreichs ruht.
Meiner Ansicht nach stehen ausreichend viele Grade von Alltagsmagie zur Verfügung, so dass man sich nicht langweilen kann. Wer die Epoche der Orden noch erlebt hat, ist allerdings womöglich anderer Meinung.
Und noch etwas. Neben der Alltagsmagie gibt es die Unsichtbare oder Reine Magie. Man hat mir mal erklärt, sie könne nicht nur die Welt zerstören, sondern bilde zugleich ein unerlässliches Element ihres Daseins. Da ich diese Theorie nicht widerlegen kann, glaube ich einfach daran.
Nur wenige kennen und beherrschen die Reine Magie, und ich möchte darauf hinweisen, dass die Gabe, sich mit ihr zu beschäftigen, vom Geburtsort unabhängig ist. Dafür bin ich selbst ein erstaunlicher Beweis. Sir Juffin Halli - mein bester Freund, Vorgesetzter und Lehrer - behauptet, die Reine Magie komme in allen Welten vor: eine ziemlich gute Nachricht.
Ihr Max Frei