Oaxe II war ein kleiner, staubiger, zurückgebliebener Planet im näheren Bereich des Orion. Seine Bewohner stammten von der Erde ab und hatten auch Gebräuche von dort beibehalten. Richter Abner Low war auf dem kleinen Planeten die einzige Quelle des Rechts. Die meisten seiner Fälle befaßten sich mit Grundstücksabgrenzungen und dem Besitzrecht an Schweinen und Gänsen, weil die Bürger von Oaxe II keinerlei Neigung zum Verbrechen zeigten.
Aber eines Tages landete ein Raumschiff mit dem berüchtigten Timothy Mont und seinem Anwalt, die auf Oaxe II Freistatt und Gerechtigkeit suchten. Und ein zweites Raumschiff rauschte heran, enthaltend drei Polizisten und einen Staatsanwalt.
Der Ankläger erklärte: »Euer Ehren, dieser Unhold hat ein fürchterliches Verbrechen begangen. Timothy Mont, euer Ehren, steckte ein Waisenhaus in Brand. Sein unterzeichnetes Geständnis befindet sich in meiner Hand.«
Monts Anwalt, ein blasser Mann mit leblosen Fischaugen, erhob sich. »Ich beantrage Freispruch.«
»Sie sind nicht bei Trost«, sagte Richter Low. »Ein Waisenhaus niederzubrennen, ist ein furchtbares Verbrechen.«
»Das ist es«, stimmte der Anwalt zu, »jedenfalls in der Regel. Mein Klient hat seine Tat aber auf dem Planeten Altira III begangen. Kennen Euer Ehren die Bräuche dieses Planeten?«
»Nein«, sagte der Richter.
»Auf Altira III«, erläuterte der Anwalt, »werden alle Waisen in der Kunst des Meuchelmords ausgebildet, und zwar ausschließlich zu dem Zweck, die Bevölkerung benachbarter Planeten zu dezimieren. Indem mein Klient das Waisenhaus niederbrannte, rettete er Tausenden, ja vielleicht Millionen von unschuldigen Wesen das Leben. Man muß ihn daher als Held des Volkes betrachten.« »Stimmt das mit Altira III?« erkundigte sich der Richter beim Schriftführer.
Der Schriftführer schlug in der Enzyklopädie planetarischer Bräuche und Sitten nach und stellte fest, daß es tatsächlich zutraf.
Richter Low erklärte: »Dann weise ich den Antrag des Staatsanwalts ab und verkünde den Freispruch.«
Mont und sein Anwalt flogen ab, und das Leben auf Oaxe II ging seinen friedlichen Gang, hier und da höchstens von Gerichtsstreitigkeiten über Grundstücksbegrenzungen oder das Besitzrecht an Schweinen und Gänsen unterbrochen. Aber kaum ein Jahr später standen Timothy Mont und sein Anwalt wieder im Gerichtssaal, knapp gefolgt vom Staatsanwalt.
Die Beschuldigung befaßte sich wieder mit dem Brand eines Waisenhauses.
»Wenn sich mein Klient auch schuldig bekennt«, plädierte der blasse Anwalt, »so darf das Hohe Gericht nicht außer acht lassen, daß sich das betreffende Waisenhaus auf dem Planeten Deegra IV befand. Wie jedermann weiß, werden alle Waisen auf Deegra IV in die Folterergilde aufgenommen, wo sie die gewissen schrecklichen Rituale vollführen, über die sich die ganze zivilisierte Galaxis empört.«
Als Richter Low feststellen mußte, daß das stimmte, sprach er den Angeklagten wieder frei.
Fünfzehn Monate später erschienen Timothy Mont und sein Anwalt zum drittenmal vor Gericht.
»Du meine Güte!« sagte Richter Low. »Ein eifernder Reformator. Wo hat das Verbrechen diesmal stattgefunden?«
»Auf der Erde«, erwiderte der Staatsanwalt.
»Auf der Erde?« wiederholte der Richter fassungslos.
»Leider ja«, erklärte der Anwalt traurig. »Mein Klient ist schuldig.« »Aber welchen Grund hatte er denn diesmal?«
»Vorübergehendes Irresein«, antwortete der Anwalt prompt. »Ich kann das durch zwölf Psychiater beweisen und beantrage daher Freispruch.«
Der Richter wurde zornrot im Gesicht. »Timothy Mont, warum haben Sie das getan?«
Bevor sein Anwalt etwas unternehmen konnte, stand Mont auf und erwiderte: »Weil es mir Spaß macht, Waisenhäuser niederzubrennen!«
An diesem Tag erließ Richter Low eine neue Vorschrift, die in der ganzen zivilisierten Galaxis Aufsehen erregte und von Droma I bis Aos X studiert wurde. Lows Vorschrift legte fest, daß der Anwalt des Angeklagten automatisch die gleiche Strafe absitzen muß, die über seinen Klienten verhängt wird.
Viele halten das für unfair. Der Auftritt von Anwälten auf Oaxe II ist seither jedoch kaum mehr zu vermerken.
Edmond Dritch, ein großer, hagerer, menschenfeindlicher Wissenschaftler, war wegen Defätismus, Illoyalität gegen seine Kollegen und Negativismus von der General Products AG vor Gericht gebracht worden. Die Beschuldigungen waren ernster Natur, und Dritchs Kollegen vermochten sie zu untermauern. Dem Richter blieb nichts anderes übrig, als Dritchs unehrenhafte Entlassung auszusprechen. Die übliche Gefängnisstrafe wurde in Anerkennung neunzehnjähriger hervorragender Arbeit für General Products ausgesetzt, aber keine andere Firma nahm Dritch jemals auf.
Dritch, hagerer und menschenfeindlicher als je zuvor, drehte General Products mit ihrem endlosen Strom von Autos, Brotröstern, Kühlschränken, Fernsehgeräten und ähnlichem Gerumpel den Rücken. Er zog sich auf seine Farm in Pennsylvania zurück und experimentierte in seinem Kellerlabor.
Er hatte genug von General Products und allem, was das Unternehmen repräsentierte, - also praktisch alles. Er wollte eine Niederlassung von Menschen gründen, die dachten wie er, fühlten wie er, ausschauten wie er. Seine Niederlassung würde die Erfüllung eines utopischen Wunschtraumes sein, und zum Teufel mit dem Rest der übertechnisierten Welt.
Es gab nur einen Weg, dieses Ziel zu erreichen. Dritch und seine Frau Anna arbeiteten Tag und Nacht.
Endlich waren die Anstrengungen von Erfolg gekrönt. Er justierte den unhandlichen Apparat, den er konstruiert hatte, und schaltete ein.
Dritch hatte den ersten Duplikator der Welt erfunden.
Er produzierte fünfhundert Dritche und hielt dann eine Versammlung ab. Die Fünfhundert erklärten, daß sie zur Errichtung einer erfolgreichen Kolonie Frauen benötigten.
Dritch 1 betrachtete seine Anna als vollkommene Gefährtin. Die fünfhundert Duplikate waren natürlich seiner Meinung. Also stellte Dritch fünfhundert exakte Kopien Annas für die fünfhundert Dritche her, und die Kolonie wurde gegründet.
Entgegen allgemeiner Ansicht funktionierte die Kolonie der Dritche anfangs sehr gut. Die Dritche erfreuten sich einer an des anderen Gesellschaft, stritten nie und verlangten nie nach Besuchern. Sie stellten eine kleine Welt für sich dar. Indien schickte eine Delegation zum Studium ihrer Methoden, und Dänemark erließ eigene Gesetze zur Sicherstellung der Duplikationsrechte.
Aber wie bei allen anderen Versuchen, ein Utopia zu begründen, lagen die Wurzeln des Unheils bereits in der menschlichen Schwäche verborgen. Dritch 49 wurde in einer komprommitie-renden Situation mit Mrs. Dritch 5 überrascht. Dann verliebte sich Dritch 37 Hals über Kopf in Anna 142. Das wiederum führte zur Aufdeckung eines verborgenen Liebesnestes, das Dritch 10 für Anna 498 eingerichtet hatte, mit Zustimmung von Anna 3.
Vergeblich wies Dritch 1 darauf hin, daß alle gleich und gleichberechtigt seien. Die auf Abwege geratenen Paare erklärten ihm, er verstehe nichts von Liebe; sie weigerten sich, die neu eingegangenen Verbindungen zu lösen.
Die Kolonie hätte trotzdem weiterleben können. Aber dann stellte man fest, daß Dritch 77 sich einen Harem von acht Dritch-Frauen zugelegt hatte, bestehend aus Anna 12, 77, 187, 303, 336, 489 und 500. Diese Frauen bezeichneten ihn als ausgesprochen einmalig und lehnten das Ansinnen ab, ihn zu verlassen.
Das Ende war abzusehen. Es wurde beschleunigt, als Dritch des Ersten Frau mit einem Reporter durchging.
Die Kolonie löste sich auf, und die Dritche 1, 19, 32 und 433 starben an gebrochenem Herzen.
Vielleicht war das gut so. Der Original-Dritch hätte es sicher nicht überlebt, mitansehen zu müssen, wie sein utopischer Duplikator einen endlosen Strom von General Products-Autos, Brotröstern, Kühlschränken und ähnlichem Gerumpel erzeugte.
Professor Bolton, der berühmte Philosoph, verließ die Erde, um an der Mars-Universität eine Reihe von Vorträgen zu halten. Er nahm seinen getreuen Robotdiener Akka, frische Wäsche und vier Kilo Aufzeichnungen mit. Abgesehen von der Mannschaft war er der einzige menschliche Passagier des Raumschiffs.
Von irgendwo draußen im Weltraum schickte das Schiff einen Notruf: >Steuerborddüsenmotor außer Kontrollen
Die Bürger der Erde und des Mars warteten besorgt. Eine neue Botschaft kam: >Gesamte Mannschaft durch Düsenrückschlag getötet, Schiff stürzt in Asteriodengürtel. Hilfe. Bolton.<
Rettungsschiffe rasten auf das Gebiet zwischen Mars und Jupiter zu, wo die Asteroiden nebeneinander aufgereiht sind. Boltons letzte Nachricht ließ die Position des Schiffes einigermaßen erkennen, aber das abzusuchende Gebiet war riesengroß, die Aussicht auf Rettung daher minimal.
Drei Tage später fing man folgenden Funkspruch auf: >Kann auf Asteroid nicht mehr lange aushalten, sehe Tod mit ruhiger Würde entgegen. Bolton.<
Die Zeitungen schrieben über den unbezwingbaren Geist dieses Mannes, eines modernen Robinson Crusoes, der auf einer Welt ohne Luft, Nahrung und Wasser um sein Leben kämpfte, dessen Vorräte zur Neige gingen, der bereit war, wie er es in seinen Büchern und Vorträgen gelehrt hatte, dem Tod mit gelassener Würde entgegenzusehen.
Die Anstrengungen, ihn zu finden, wurden verdoppelt.
Der letzte Funkspruch lautete: >Alle Vorräte verbraucht lächelnd erwarte ich den Tod. Bolton.<
Ein Patrouillenboot fing diese Botschaft auf, entdeckte den betreffenden Asteroiden und landete neben dem demolierten Schiff. Man fand die verkohlten Überreste der Mannschaft. Man fand ausreichende Vorräte an Nahrung, Wasser und Sauerstoff. Aber seltsamerweise keine Spur von Bolton.
Im Heck des Schiffes entdeckte man Boltons Roboter.
»Der Professor ist tot«, erklärte der Roboter durch verrostete Kiefer. »Ich habe die letzten Funksprüche in seinem Namen abgesandt, weil ich wußte, daß man meinetwegen nicht suchen würde.«
»Aber wie ist er denn ums Leben gekommen?«
»Zu meinem allergrößten Bedauern mußte ich ihn umbringen«, sagte der Roboter grimmig. »Ich kann Ihnen aber versichern, daß sein Tod völlig schmerzlos war.«
»Aber warum hast du ihn getötet? Und wo ist seine Leiche?«
Der Roboter versuchte zu sprechen, aber seine verrosteten Kiefer funktionierten nicht mehr. Ein wenig Maschinenöl brachte ihn wieder zu sich.
»Die Schmierung ist das wichtigste Problem bei Robotern«, erklärte Akka. »Meine Herren, haben Sie sich jemals mit der Aufgabe beschäftigt, einen menschlichen Körper ohne entsprechende Ausrüstung in seine Grundfette und -öle aufzulösen?«
Die Retter bedachten das mit wachsendem Entsetzen und der Vorfall wurde unterdrückt. Aber der Roboter des Patrouillenboots hörte die Geschichte, dachte darüber nach und gab sie an einen anderen Roboter weiter.
Erst jetzt, seit der siegreichen Rebellion der Roboterstreitkräfte, kann offen von diesem begeisternden Epos des Kampfes eines Roboters gegen den Weltraum berichtet werden. Heil Akka, unserem Befreier!