TELOPHASE Februar, das nächste Jahr

45

Camusfearna, Wales

Der Winter des leuchtenden Schnees hatte England schwer getroffen. In dieser Nacht verhüllten die samtschwarzen Wolken die Sterne von Anglesey bis Margate und verstreuten leuchtende blaue und grüne Flocken über Land und See. Wenn die Flocken das Wasser berührten, erloschen sie augenblicklich. Auf dem Land verschmolzen sie zu einer sanft leuchtenden Decke, deren Helligkeit wie Kohlenglut unter dem Blasebalg aufglomm und wieder abnahm, wenn man darauf trat.

Gegen die Kälte hatten sich elektrische Heizgeräte, Thermostate und Wärmepumpen seit Monaten als unzuverlässig erwiesen. Mit Flüssiggas aus Flaschen betriebene Heizstrahler erfreuten sich wachsender Beliebtheit, bis keine mehr zu haben waren, und dann standen sie erst recht hoch im Kurs, denn die Maschinen, die sie herstellten, erwiesen sich gleichfalls als unzuverlässig.

Alte Kohlenöfen und mit Briketts befeuerte Boiler feierten Auferstehung. England und Europa glitten rasch und still in eine frühere, dunklere Zeit zurück. Es war nutzlos, dagegen zu protestieren; die Kräfte, die hier am Werk waren, blieben für die meisten unergründlich.

Die Mehrzahl der Wohn- und Geschäftshäuser blieb einfach kalt. Gleichwohl ging die Zahl der Kranken weiter zurück, eine Entwicklung, die bereits das ganze Jahr über beobachtet worden war.

Es gab keine Grippewellen und Ausbrüche von Infektionskrankheiten. Niemand konnte einen Grund dafür angeben.

Weinkellereien, Brauereien und Destillerien befanden sich in einer schwierigen Situation. Bäckereien sahen sich zu radikalen Produktionsumstellungen gezwungen; die meisten gingen auf die Herstellung von ungesäuerten Broten und Teigwaren über. Mikroskopische Organismen hatten sich überall auf der Welt mit dem Klima verändert und waren so unzuverlässig geworden wie Maschinerien und Elektrizität.

In Osteuropa und Asien gab es Hungersnöte, die Vorstellungen von einem Gottesgericht bestätigten oder Nahrung gaben. Die reichsten Kornkammern der Erde existierten nicht mehr; das Füllhorn der Weizen- und Futtermittellieferungen war leer.

Krieg war keine Option. Funktechnik und Elektronik waren unverläßlich, Waffensysteme, Flugzeuge und Raketen nicht oder nur bedingt einsatzfähig. Im Nahen Osten dauerten die kriegerischen Verwicklungen an, brannten jedoch auf Sparflamme. Auch dort hatten sich die Witterungs- und Klimaverhältnisse geändert, und während des Winters war mehrmals leuchtender Schnee auf Damaskus, Beirut und Jerusalem gefallen.

Mit der Bezeichnung »Winter des leuchtenden Schnees« war alles gesagt, was schiefgegangen war und was weiterhin schiefging; nicht bloß das Wetter.

Paulsen-Fuchs’ Citroen stotterte die ungeteerte, holprige, einspurige Landstraße entlang. Die Schneeketten klirrten und mahlten. Er ging sehr schonend mit dem Motor um, trat behutsam aufs Gaspedal, wenn er wegzubleiben drohte, bremste behutsam auf glatten Gefällstrecken, verstand es immer wieder, den Motor in Gang zu halten. Auf dem Beifahrersitz lagen ein Beutel mit Taschenbuch- Kriminalromanen und ein Picknickkorb, aus dem der Hals einer Flasche ragte.

Wenige Maschinen arbeiteten noch zufriedenstellend. Pharmek war seit sechs Monaten geschlossen, da ernste Instandhaltungsprobleme aufgetreten waren. Anfangs hatte man versucht, die Maschinenausfälle durch vermehrte Einstellungen von Personal auszugleichen, aber es hatte sich bald herausgestellt, daß die Fabriken nicht mit Personal allein produzieren konnten.

Er hielt bei einem Holzpfosten und kurbelte das Fenster herab, um einen klaren Blick auf die Richtungsangaben zu bekommen. Camusfearna, verkündete ein handgeschnitzter Wegweiser, war in seiner Fahrtrichtung, zwei Kilometer entfernt.

Ganz Wales schien bedeckt mit phosphoreszierendem Meeresschaum. Aus dem schwarzen Himmel kamen Wolken von leuchtenden Flocken, jede aufgeladen mit geheimnisvollem Licht. Er schloß das Fenster und sah Flocken auf die Windschutzscheibe fallen und kurz aufleuchten, als die Scheibenwischer sie erfaßten und beiseitestießen.

Die Scheinwerfer waren ausgeschaltet, obwohl es Nacht war. Er konnte im Schneeleuchten gut genug sehen. Kühlwassersystem und Heizung ließen unheilverkündende gurgelnde Geräusche hören, und er hielt den Wagen mit Fingerspitzengefühl und gutem Zureden in Fahrt.

Fünfzehn Minuten später bog er nach rechts in eine schmale, schneeverhüllte Schotterpiste und fuhr nach Camusfearna hinein. Die winzige Bucht enthielt nur vier Häuser und einen kleinen Bootsschuppen, der gegenwärtig von scharfgezackten, verkrusteten Schollen Meereseis eingeschlossen war. Der warme gelbe Lichtschein aus den Fenstern war durch den Schneefall deutlich sichtbar, aber der Ozean jenseits von ihnen war schwarz und leer wie der Himmel.

Das letzte Haus auf der Nordseite, hatte Gogarty gesagt. Er verpaßte die Abzweigung, rumpelte über gefrorenes Gras und steinigen Boden und wendete, um wieder die Straße zu erreichen.

Seit dreißig Jahren hatte er nichts auch nur halb so Verrücktes getan. Der Motor des Citroen hustete, erstarb und kam zehn Meter vor der alten, schmalen Garage ganz zum Stillstand. Leuchtender Schnee wirbelte und träumte.

Gogartys Haus war ein sehr altes steinernes Fischerhaus, verputzt und weiß getüncht, geformt wie ein Ziegelstein — zwei Geschosse unter einem Schieferdach.

Am Nordende des Hauses hatte man eine Garage angebaut und deren Wellblechdach und Bretterwände gleichfalls weiß gestrichen. Die Garagentür öffnete sich und fügte dem universalen Blaugrün ein trübes gelbliches Viereck hinzu. Paulsen-Fuchs zog die Flasche aus dem Korb, steckte sie in seinen Mantel und stieg aus. Seine Stiefel erzeugten im Schnee kleine leuchtende Druckwellen.

»Bei Gott«, sagte Gogarty, der ihm entgegenkam, »ich hatte nicht erwartet, daß sie bei diesem Wetter versuchen würden, die Reise zu machen.«

»Nun ja«, erwiderte Paulsen-Fuchs. »Die Verrücktheit eines gelangweilten alten Mannes, nicht wahr?«

»Kommen Sie herein! Im Kamin ist ein Feuer — glücklicherweise brennt Holz noch! Und es gibt heißen Tee, Kaffee, was Sie wollen.«

»Irischen Whisky!« rief Paulsen-Fuchs und schlug die behandschuhten Hände zusammen.

»Also«, sagte Gogarty beim Öffnen der Haustür, »dies ist Wales, und Whisky ist überall knapp. Irischen haben wir nicht, bedauerlicherweise.«

»Ich habe selbst welchen mitgebracht«, sagte Paulsen-Fuchs und zog die Flasche Glenlivet unter dem Mantel hervor. »Sehr selten, sehr teuer.«

Die Holzscheite knisterten und knackten anheimelnd im gemauerten Kamin, und der Feuerschein ergänzte die flackernde elektrische Beleuchtung. Das Innere des kleinen Hauses war ein Durcheinander von Tischen und Schreibtischen — drei davon im Wohnzimmer —, Bücherschränken, einem batteriebetriebenen Computer — »Hat seit drei Monaten nicht mehr gearbeitet«, sagte Cogarty —, einer Vitrine mit den Gehäusen von Meeresschnecken und Muscheln und präparierten Fischen, einem alten rosarot gestrichenen, samtbezogenen Sofa, einer mechanischen Olympia- Schreibmaschine — jetzt ein kleines Vermögen wert —, einem Zeichentisch, der unter Papierbogen und Rollen beinahe verborgen war, und mehreren wackligen Holzstühlen. Die Wände waren geschmückt mit gerahmten und kolorierten Kupferstichen des achtzehnten Jahrhunderts, die Blumen darstellten.

Gogarty nahm den Teekessel vom Feuer und füllte zwei Tassen. Paulsen-Fuchs setzte sich in einen der zwei abgenutzten Sessel und schlürfte anerkennend den grünen Tee. Zwei Katzen, eine orangefarben getigerte mit struppigem Fell, und eine stumpfnasige schwarze Perserkatze, kamen herein, bezogen vor dem Kaminfeuer Stellung und blickten ihn mit gemäßigter Neugierde und Abneigung an.

»Ich werde später einen Whisky mit Ihnen trinken«, sagte Gogarty, als er sich ihm gegenüber niederließ. »Ich dachte, Sie würden vorher gern dies hier sehen.«

»Ihren ›Geist‹?« fragte Paulsen-Fuchs.

Gogarty nickte und griff in die Brusttasche seines Hemdes, der er ein gefaltetes Stück weißen Papiers entnahm und es Paulsen-Fuchs reichte. »Es ist auch für Sie. Unser beider Namen. Aber es kam vor zwei Tagen hier an. Lag im Briefkasten, obwohl es seit einer Woche keine Postzustellung mehr gegeben hat. Nicht hier draußen. Meinen Brief an Sie habe ich in Pwlllheli aufgegeben.«

Paulsen-Fuchs entfaltete den Brief. Das Papier war ungewöhnlich, von wolkiger Beschaffenheit und beinahe blendend weiß. Eine Seite trug eine Botschaft in sauberer schwarzer Handschrift. Paulsen-Fuchs las sie und blickte zu Gogarty auf.

»Lesen Sie sie noch mal!« sagte Gogarty. Die Botschaft war so kurz, daß das meiste in seinem Gedächtnis geblieben war. Beim zweiten Durchlesen hatte sie sich jedoch geändert.


Lieber Sean und Heinz.

Eine faire Warnung für die Weisen. Ausreichend. Kleine Veränderungen jetzt, große bevorstehend. SEHR große. Sean kann es ausrechnen. Er hat die Mittel. Die Theorie. Andere werden aufmerksam gemacht. Verbreiten Sie die Nachricht.

Bernard


»Jedesmal ist sie anders. Manchmal ausführlicher, manchmal stichwortartig knapp. Ich habe nach jedem Überlesen aufgeschrieben, was sie besagte.« Gogarty streckte ihm die Hand hin und rieb die Finger aneinander. Paulsen-Fuchs gab ihm den Brief zurück.

»Meines Erachtens ist es kein Papier«, sagte Gogarty. Er tauchte den Brief in seine Teetasse. Der Brief nahm nichts von der Flüssigkeit auf, noch tropfte er, als er herausgezogen wurde. Er nahm ihn mit beiden Händen und versuchte, ihn mit einigem Kraftaufwand zu zerreißen. Der Brief blieb unversehrt.

»Möchten Sie noch einmal lesen?«

Paulsen-Fuchs schüttelte den Kopf. »Also ist er nicht echt«, sagte er.

»Doch, er ist echt genug, um hier zu liegen, wann immer ich ihn lesen will. Bloß ist der Text niemals der gleiche, was mich zu der Ansicht gebracht hat, daß er nicht aus Materie gemacht ist.«

»Ein Scherz ist es nicht.«

Gogarty lachte. »Nein, ich denke nicht.«

»Bernard ist nicht tot.«

Gogarty nickte. »Nein. Bernard ging mit seinen Noozyten, und ich glaube, seine Noozyten sind am gleichen Ort wie die nordamerikanischen Noozyten. — Wenn ›Ort‹ das geeignete Wort ist.«

»Und wo sollte das sein? In einer anderen Dimension?«

Gogarty schüttelte energisch den Kopf. »Genau hier. Genau hier, wo alles beginnt. Wir leben natürlich im Makrokosmos, und wenn wir unsere Welt erforschen, neigen wir dazu, den Blick auf die großen äußeren Phänomene zu lenken. Aber die Noozyten gehören dem Mikrokosmos an. Es fällt ihnen schwer, einen Begriff wie den des Universums mit seinen Sternen zu verstehen. Sie richten den Blick nach innen. Für sie liegt das zu Entdeckende in den sehr kleinen Phänomenen. Und wenn wir davon ausgehen können, daß die nordamerikanischen Noozyten sehr rasch eine entwickelte Zivilisation schufen — eine Annahme, die durchaus berechtigt scheint —, dann können wir getrost vermuten, daß sie Mittel und Wege gefunden haben, die sehr kleinen Phänomene zu erforschen.«

»Kleiner als sie selbst.«

»Um einen noch größeren Faktor kleiner als unsere Größe verglichen mit einer Galaxis.«

»Sie sprechen von Quantenlängen?« Paulsen-Fuchs wußte nicht viel von diesen Dingen, doch war er auch nicht völlig ahnungslos.

Gogarty nickte. »Nun ergibt es sich, daß das sehr Kleine meine Spezialität ist. Darum wurde ich gebeten, an dieser Noozyten-Untersuchung teilzunehmen. Der größte Teil meiner Forschungsarbeit beschäftigt sich mit Leptonen und den hypothetischen Rishonen, und ich glaube, wir können unser Augenmerk auf die Submikroskala richten, wenn wir entdecken wollen, wohin die Noozyten gingen, und warum.«

»Haben Sie eine Vermutung, warum?« fragte Paulsen-Fuchs.

Gogarty zog einen Stoß von Papieren über den Tisch, die mit handgeschriebenen Texten und Gleichungen bedeckt waren. »Information kann noch kompakter gespeichert werden als im molekularen Gedächtnis. Es kann in der Struktur der Raumzeit gespeichert werden. Was ist Materie schließlich anderes als eine stehende Welle von Information in Vakuum? Die Noozyten haben dies unzweifelhaft entdeckt und damit gearbeitet — Haben Sie von Los Angeles gehört?«

»Nein. Was ist damit?«

»Noch ehe die Noozyten verschwanden, verschwanden Los Angeles und die Küstenstädte weiter südlich bis Tijuana. Oder, besser gesagt, sie wurden etwas anderes. Ein großes Experiment, vielleicht. Eine Kostümprobe dafür, was jetzt geschieht.«

Paulsen-Fuchs nickte, ohne wirklich zu verstehen, und lehnte sich mit seiner Teetasse zurück. »Es war schwierig, hierher zu kommen«, sagte er. »Schwieriger noch, als ich erwartete.«

»Die Regeln haben sich geändert.«

»Darin scheint allgemeine Übereinstimmung zu bestehen. Aber warum, und in welcher Weise?«

»Sie sehen müde aus«, sagte Gogarty. »Ich schlage vor, daß wir uns einfach entspannen, der Wärme erfreuen und unseren Verstand über das wiederholte Lesen des Briefes hinaus nicht strapazieren.«

Paulsen-Fuchs nickte wieder, dann lehnte er den Kopf zurück und schloß die Augen. »Ja«, murmelte er. »Viel schwieriger als ich dachte.«

Zur Stunde des Sonnenaufgangs hatte der Schneefall aufgehört. Das Tageslicht verwandelte die Felder und Ufer in harmloses Weiß. Die düsteren Schneewolken waren abgezogen und ihnen folgten harmlos aussehende graue Wattebäusche, die mit dem Westwind einhertrieben. Paulsen-Fuchs erwachte zum Duft von Toast und frischem Kaffee. Er stützte sich auf die Ellbogen und rieb sich das zerzauste Haar. Die Couch, auf der er genächtigt hatte, war ein angenehmes Lager gewesen; er fühlte sich ausgeruht und erfrischt, wenn auch noch unsauber von der langen Reise.

»Wie wäre es mit heißem Wasser für eine Dusche?« fragte Gogarty.

»Wundervoll.«

»Im Duschbad ist es ein bißchen kalt, aber ziehen Sie diese Badeschuhe an, bleiben Sie auf den Holzlatten, und es sollte nicht allzu schlimm sein.«

Sehr viel munterer und wacher — im Duschraum war es unmenschlich kalt gewesen —, setzte sich Paulsen-Fuchs an den Frühstückstisch. »Ihre Gastfreundschaft ist bemerkenswert«, sagte er, als er Toast mit Butter und Marmelade kaute. »Ich fühle mich sehr schuldig an der Art und Weise, wie Sie in Deutschland behandelt wurden.«

Gogarty schürzte die Lippen und winkte ab. »Denken Sie sich nichts dabei! Alle standen unter Streß, was verständlich ist.«

»Was sagt der Brief heute morgen?«

»Lesen Sie selbst!«

Paulsen-Fuchs entfaltete das blendend weiße Blatt und fuhr mit dem Zeigefinger die sauber geschriebenen Buchstaben und Wörter entlang.


Lieber Heinz, lieber Sean. Sean hat die Antwort. Dehnung der Theorie, zu intensive Beobachtung. Schwarzes Loch der Gedanken. Wie er sagte. Theorie paßt, Universum ist geformt. Nicht anders herum. Zu viel Theorie, zu wenig Flexibilität. Mehr steht bevor. Große Veränderungen.

Bernard


»Sonderbar«, sagte Paulsen-Fuchs. »Und es ist dasselbe Blatt?«

»Soweit ich es beurteilen kann, dasselbe.«

»Was will er diesmal sagen?«

»Ich denke, er bestätigt die Richtung meiner Arbeit, obwohl er sich nicht sehr klar ausdrückt. Vorausgesetzt, Sie lesen die Botschaft genauso wie ich. Sie werden das Gelesene abschreiben müssen, damit wir vergleichen können.«

Paulsen-Fuchs schrieb den Text auf ein Blatt Papier und reichte es Gogarty.

Der Physiker nickte. »Diesmal viel ausdrücklicher.« Er legte das Blatt weg und schenkte Kaffee nach. »Geradezu beschwörend. Er scheint zu bestätigen, was ich letztes Jahr sagte — daß das Universum tatsächlich keinen Unterbau hat, daß, wenn eine gute Hypothese daherkommt, eine, welche die vorausgegangenen Ereignisse erklärt, der Unterbau sich selbst entsprechend formt, und eine überzeugende Theorie geboren wird.«

»Dann gibt es letzten Endes keine Realität?«

»Anscheinend nicht. Schlechte Hypothesen, die nicht damit übereinstimmen, was auf unserer Ebene geschieht, werden vom Universum zurückgewiesen. Gute, überzeugende, werden einverleibt.«

»Das muß für den Theoretiker höchst verwirrend sein.«

Gogarty nickte. »Aber es gibt mir die Möglichkeit zu erklären, was mit unserer Erde geschieht.«

»So?«

»Das Universum bleibt nicht immer dasselbe. Eine brauchbare Theorie kann die Realität nur für eine gewisse Zeit bestimmen, und dann muß das Universum ein paar Veränderungen einführen.«

»Die Denkgebäude umstürzen, damit wir nicht selbstzufrieden werden?«

»So ist es. Aber Realität kann in ihrer Veränderung nicht beobachtet werden. Sie muß sich auf einer Ebene verändern, die durch Beobachtung nicht fixiert ist. Als unsere Noozyten also alles auf der kleinsten möglichen Ebene beobachteten, war das Universum unfähig, flexibel zu handeln, sich umzuformen. Es baute sich eine Art Spannung auf. Die Noozyten erkannten, daß sie sich in der Welt der Makrokosmos nicht länger halten konnten, also… nun, ich kann wirklich nicht mit irgendeiner Gewißheit sagen, was sie taten. Aber als sie gingen, wurde die Spannung plötzlich gelöst und verursachte einen Bruch. Die Dinge sind jetzt aus dem Lot. Die Veränderung war zu abrupt, sie führte zu Ungleichheiten in der Anpassung. Das Ergebnis ist ein Universum, das mit sich selbst nicht übereinstimmt, das widersprüchliche Phänomene zuläßt, jedenfalls in unserer Nachbarschaft. Wir bekommen leuchtenden Schnee, unzuverlässige Maschinen, ein sanftes Chaos. Und es mag sanft sein, weil…« Er schnitt eine Grimasse und zuckte die Achseln. »Mehr zerschlagenes Porzellan, fürchte ich.«

»Nur heraus damit!«

»Weil die Noozyten versuchen, so viele von uns zu retten, wie sie können. Für etwas Späteres.«

»Die ›großen Veränderungen‹.«

»Ja.«

Paulsen-Fuchs betrachtete Gogarty eine Weile nachdenklich, dann schüttelte er den Kopf. »Ich bin zu alt«, sagte er. »Wissen Sie, der Aufenthalt in England hat mich an den Krieg erinnert. So ungefähr muß es in England während der Luftoffensive gewesen sein — Sie nannten es den ›Blitz‹. Und so wurde es in Deutschland gegen Kriegsende.«

»Im Belagerungszustand«, sagte Gogarty.

»Ja. Aber wir Menschen sind chemisch sehr empfindlich ausbalanciert. Glauben Sie, die Noozyten versuchen die Sterblichkeitsrate zu drücken?«

Gogarty zuckte abermals die Achseln und griff zu dem Brief. »Ich habe dieses Ding tausendmal gelesen, und gehofft, es würde einen Hinweis auf diese Frage geben. Nichts. Keine Andeutung.« Er seufzte. »Ich kann nicht einmal eine Vermutung wagen.«

Paulsen-Fuchs steckte den letzten Bissen Toast in den Mund und kaute genießerisch. »Letzte Nacht hatte ich einen ziemlich lebhaften Traum«, sagte er. »In diesem Traum wurde ich gefragt, wieviele Händedrücke ich von jemand entfernt sei, der in Nordamerika lebte. Meinen Sie, das könnte bedeutsam sein?«

»Nichts ignorieren«, sagte Gogarty. »Das ist mein Motto.«

»Was sagt der Brief jetzt? Lesen Sie vor!«

Gogarty entfaltete das Blatt und schrieb die Botschaft sorgsam mit. »Ziemlich unverändert«, sagte er, nachdem er verglichen hatte. »Moment — ein Wort ist hinzugefügt ›große Veränderungen bald‹.«

Sie unternahmen einen Spaziergang in dem von flüchtigen Wolkenschatten unterbrochenen Sonnenschein. Ihre Stiefel knirschten im Schnee, komprimierten ihn zu Eis. Die Luft war bitterkalt, aber der Wind hatte nachgelassen. »Besteht Hoffnung, daß alles wieder ins Lot kommen und zum Normalzustand zurückkehren wird?« fragte Paulsen-Fuchs.

»Wer kann es sagen? Ich würde die Frage bejahen, wenn wir es nur mit den Kräften der Natur zu tun hätten. Aber Bernards Botschaften sind nicht sehr ermutigend, nicht wahr?«

Sie gingen weiter, bis Gogarty stehenblieb, dampfenden Atem von sich blies und plötzlich sagte: »Ich bin unwissend. Wie erfrischend, das zu sagen: Unwissend. Ich bin unbekannten Kräften ebenso ausgesetzt wie dieser Baum.« Er wies zu einer gekrümmten und knorrigen alten Fichte auf einem Felsen über dem Strand. »Von nun an können wir nur abwarten.«

»Dann luden Sie mich nicht hierher ein, damit wir nach Lösungen suchen können.«

»Nein, selbstverständlich nicht.« Gogarty trat versuchsweise auf eine gefrorene Pfütze. Das Eis zerbrach, aber darunter war kein Wasser. »Es schien einfach so, daß Bernard uns hier haben wollte, oder zumindest beisammen.«

»Ich kam mit der Hoffnung auf Antworten.«

»Tut mir leid.«

»Nein, das stimmt nicht ganz. Ich kam auch hierher, weil ich in Deutschland gegenwärtig nichts zu tun habe. Auch anderswo nicht. Ich bin ein Unternehmer ohne Firma, ohne Arbeit. Zum ersten Mal seit Jahren bin ich frei, Risiken einzugehen.«

»Und Ihre Familie?«

»Wie Bernard, habe auch ich mit den Jahren verschiedene Familien abgelegt. Haben Sie eine?«

Gogarty bejahte. »Letztes Jahr waren sie in Vermont, wo sie meine Schwiegereltern besuchten.«

»Verzeihen Sie meine Frage«, sagte Paulsen-Fuchs.

Als sie zum Haus zurückgekehrt waren, im Kamin ein frisches Feuer entfacht hatten und mehr Tassen heißen Kaffees tranken, hatte Bernards Botschaft den folgenden Wortlaut:


Lieber Sean, lieber HeinzLetzte Botschaft. Geduld. Wie viele Handschläge sind Sie von jemandem entfernt, der jetzt fort ist? Einen Handschlag. Nichts ist verloren. Dies ist der letzte Tag.

Bernard


Sie lasen den Text beide gemeinsam. Gogarty faltete das Blatt und legte es zur Aufbewahrung in die Schublade. Eine Stunde später, bewegt von einem prickelnden Vorgefühl, öffnete Paulsen-Fuchs die Schublade, um den Brief ein weiteres Mal zu lesen.

Er war nicht mehr da.

46

London

Suzy beugte sich aus dem Fenster und nahm einen tiefen Atemzug von der kalten Luft. Sie hatte niemals etwas so Schönes gesehen, nicht einmal das Leuchten des East River, als sie die Brooklyn Bridge überquert hatte. Der leuchtende Schnee war einfach überwältigend, ein eleganter Schlußsatz, der das Ende einer verrückt gewordenen Welt verkündete. Soviel stand für sie fest. In den neun Monaten, die sie bisher in London verbracht hatte, in einer kleiner Wohnung, die ihr von der amerikanischen Botschaft bezahlt wurde, hatte sie verfolgen können, wie die Stadt zu einem krampfartigen, zitternden Stillstand gekommen war. Sie hatte sich die meiste Zeit in ihrer Wohnung verborgen, aus dem Fenster gespäht und immer weniger Automobile und Lastwagen gesehen, mehr und mehr Fußgänger, als der leuchtende Schnee tiefer wurde, und dann…

Weniger Fußgänger und mehr, vermutete sie, die in den Häusern blieben. Eine amerikanische Konsulatsbeamtin kam einmal wöchentlich zu ihr. Ihr Name war Laurie, und manchmal brachte sie Yves mit, ihren Verlobten, der trotz seines französischen Namens gebürtiger Amerikaner war.

Laurie kam immer, brachte Suzy ihre Lebensmittel, ihre Kinderbücher und Zeitschriften und brachte Nachrichten, was immer es davon noch gab. Laurie sagte, »die Luftwellen« würden zunehmend schwieriger. Das bedeutete, daß die Leute kaum noch etwas mit ihren Radios anfangen konnten. Suzy hatte ihres noch immer, obwohl es ausgefallen war, seit sie es beim Besteigen des Hubschraubers hatte fallen lassen. Es hatte einen großen Sprung und zischte und knisterte nicht einmal, wenn sie es einschaltete, aber es war eines der wenigen Dinge, die ihr gehörten.

Sie wandte sich vom Fenster und schloß die Augen. Es schmerzte sie jedesmal, wenn sie sich erinnerte, was geschehen war. Das Gefühl des Verlustes, allein in der Mitte des abgeräumten Manhattan zu stehen und sich dumm vorzukommen. Der Hubschrauber war ein paar Wochen später gelandet und hatte sie an Bord des riesigen, vor der Küste liegenden Flugzeugträgers gebracht.

Dann hatte man sie über den Ozean nach England befördert und eine Wohnung für sie in London gefunden; eine hübsche kleine Wohnung, wo sie sich die meiste Zeit wohl fühlte. Und Laurie kam und brachte die Dinge, die Suzy brauchte.

Aber heute war sie nicht gekommen, und nach Dunkelwerden kam sie nie. Der Schnee war sehr dick und leuchtete hell. Hübsch.

Seltsamerweise fühlte Suzy sich überhaupt nicht einsam.

Sie schloß das Fenster und ließ die kalte Luft draußen. Dann stand sie vor dem langen Spiegel in der Tür des Kleiderschranks und sah die leuchtenden Schneeflocken in ihrem Haar schmelzen und verglimmen. Sie mußte darüber lächeln.

Das Innere des Kleiderschranks war dunkel und ziemlich leer. Die Rohre der Dampfheizung ratterten, genau wie zu Hause. »Hallo«, sagte sie zu den wenigen Kleidern im Schrank. Sie zog ein langes Kleid heraus, das sie vor sechs Monaten zu einem von der Botschaft veranstalteten Ball getragen hatte. Es war von einem herrlichen Smaragdgrün, und sie sah sehr gut darin aus.

Seit jenem Anlaß hatte sie es nicht getragen, und das war eine Schande.

Sie stand bei der Heizung und zog sich das Kleid aus, stieg in das lange grüne Abendkleid. Wollte man die Königin sehen, wurde man nur in einem Abendkleid vorgelassen, nicht wahr? Das leuchtete ein.

Sie zog es über die Schultern und wand sich hin und her, bis es richtig saß. Dann zog sie den Reißverschluß hoch, so weit sie konnte, und trat wieder vor den Spiegel, drehte sich von einer Seite zur anderen und lächelte sich zu.

In den ersten paar Monaten war sie bei den Leuten der Botschaft sehr beliebt gewesen. Alle mochten sie. Später hatten sie jedoch aufgehört, sie einzuladen, weil die Botschaft ein gutes Stück entfernt war, und der Verkehr immer unzuverlässiger und komplizierter zu bewältigen war.

Tatsächlich, dachte Suzy, als sie das hübsche Mädchen im Spiegel betrachtete, würde es ihr es nichts ausmachen, jetzt gleich zu sterben.

Es war so schön draußen. Selbst die Kälte war schön. Die Kälte fühlte sich anders an als früher in New York, und nicht etwa, weil es englische Kälte war. Kälte, so dachte sie bei sich, fühlte sich überall verschieden an.

Wenn sie stürbe, könnte sie in den leuchtenden Schnee eingehen, höher hinauf in die dunklen Wolken, dunkel wie der Schlaf. Sie könnte Mutter und Cary und Kenneth und Howard suchen gehen. Wahrscheinlich waren sie nicht in den Wolken, aber Suzy wußte, daß sie nicht tot waren…

Sie runzelte die Stirn. Wenn sie nicht tot waren, wie könnte sie sie dann durch das Mittel des Sterbens finden? Sie war so dumm! Sie verabscheute es, dumm zu sein. Sie hatte es immer schon verabscheut.

Und doch — Mutter hatte ihr immer gesagt, daß sie ein wundervolles Mädchen sei und alles so gut tue, wie sie es könne (obwohl es immer Besseres gab, wonach zu streben sich lohnte). So war Suzy mit einer gewissen Selbstzufriedenheit aufgewachsen, hatte sich selbst gemocht, hatte andere gemocht, und nie hatte sie wirklich jemand anders sein wollen, oder etwas anders, was das anging.

Sie wollte sich nicht verändern, bloß um besser zu sein. Obwohl man stets das Bessere anstreben sollte.

Es war sehr verwirrend. Alles veränderte sich. Sterben bedeutete Veränderung. Wenn ihr das nichts ausmachte, dann…

Der Schnee draußen machte ein Geräusch. Sie lauschte am Fenster und hörte ein angenehmes Summen, wie von Bienen in einem blühenden Strauch. Ein warmes Geräusch für eine kalte Nacht.

»Wie seltsam«, sagte sie. »Ja, wie seltsam, wie seltsam.« Sie sang die Worte, aber das Lied war albern und sagte nichts über ihre Empfindungen aus, die ein Sich-abfinden waren, ein…

Annehmen.

Vielleicht war es nicht der Schnee, der das Geräusch machte. Sie wischte den Kondensbelag von der Fensterscheibe und ging zurück zum Bett, das Licht auszuschalten, um besser zu sehen. Wenn der Schnee in die eine oder die andere Richtung geblasen wurde, dann war es der Wind, der das Geräusch verursachte. Es hörte sich aber nicht wie Wind an.

Hinnahme und Einsamkeit.

Wo war Laurie? Wo alle waren. Zu Hause, am Fenster, in den Schnee hinausblickend, wie sie es tat. Aber Laurie hatte wahrscheinlich Yves bei sich. Es war nicht gut, einsam zu sein, am… sie schluchzte unerwartet und schluckte es hinunter.

Ja, das war es, sie konnte es fühlen … am letzten Abend der Welt.

»Hu«, sagte sie, breitete das lange Kleid aus und setzte sich auf einen der Stühle. Sie wischte sich die Augen. Das war plötzlich über sie gekommen, unerwartet. Sie war einfach verrückt. Und dumm, wie immer.

Aber nicht ängstlich.

Annehmen.

Die Schranktür knarrte, und sie wandte sich um, erwartete beinahe, Laurie hinter den Kleidern zu sehen. (Die Wohnung hatte ihr sofort gefallen, wegen des Kleiderschranks.)

Im Innern des Kleiderschranks schneite es. Lichtflocken sanken über die Kleider herab. Sie fröstelte und stand langsam auf, strich das Kleid glatt und ging mit zögernden Schritten auf den Schrank zu. Konfettilicht spielte über das Innere, die hölzerne Rückwand, die Kleider, sogar die Bügel.

Sie zog die Schranktür weiter auf und sah sich selbst im Spiegel. Hinter dem Glas war sie umringt von glänzenden Lichtblasen, wie Millionen von Kohlensäurebläschen in einem Glasbottich mit Bier.

Suzy beugte sich näher zum Spiegel. Das Gesicht, das ihr dort entgegenblickte, war nicht ihres, nicht genau. Sie berührte ihre Lippen, dann streckte sie die Hand aus und legte die Fingerspitzen an das kalte, glasige Bild.

Kälte und Glätte lösten sich auf. Die Fingerspitzen wurden warm. Suzy wich zurück, bis sie gegen den Stuhl stieß.

Das Abbild trat aus dem Spiegel und lächelte ihr zu.

Nicht bloß sie selbst. Auch ihre Mutter. Ihre Großmutter. Und vielleicht die Urgroßmutter, und die Ururgroßmutter. Hauptsächlich Suzy, aber auch sie. Alle in einer. Sie lächelten ihr zu.

Suzy langte hinter sich, den Reißverschluß ihres Kleides höherzuziehen. Das Abbild breitete die Arme aus, und es war hauptsächlich Suzys Mutter, und Suzy lief auf sie zu und barg ihr Gesicht an der Mutter Schulter, am samtgrünen Stoff des Kleides. Sie weinte nicht.

»Den Schrank?« sagte sie, die Stimme gedämpft durch den Stoff an ihrem Mund.

Das Abbild — jetzt eher Suzy ähnlich — schüttelte den Kopf und nahm Suzy bei der Hand. Da fiel es Suzy ein. Als die umgewandelte Stadt verschwunden war und sie in der Einöde zurückgelassen hatte — nachdem sie sich geweigert hatte, mit Cary und all den anderen zu gehen —, hatte sie sich verdoppelt gefühlt.

Sie hatten sie kopiert.

Hatten die Kopie mit sich genommen, für alle Fälle.

Und nun hatten sie sie zurückgebracht, um die ursprüngliche Suzy zu treffen. Die Kopie hatte sich verändert, und zum Vorteil. Sie war ganz Suzy und ganz ihre Mutter, und alle anderen, individuell aber zusammen vereint.

Das Abbild führte Suzy zur Rückwand der Wohnung, gegenüber dem Fenster. Sie stiegen auf das Bett und standen und lächelten einander an.

Bereit? fragte das Abbild stumm.

Suzy blickte über die Schulter zurück zum summenden Schnee, dann fühlte sie den warmen, festen Griff der Hand. Wie viele Handschläge von Amerika?

Wieso, überhaupt keinen Handschlag.

»Werden wir dort, wohin wir gehen, so dumm sein wie hier?« fragte Suzy.

Nein, antwortete das Abbild stumm, nun ganz Suzy.

Suzy konnte es in ihren Augen sehen. Cary hatte recht gehabt. Sie fixierten Leute.

»Gut. Ich habe es wirklich satt, schwer von Begriff zu sein.«

Das Abbild hob die Hand, und gemeinsam rissen sie die Tapete herunter. Es war ganz einfach. Das Papier ließ sich mühelos abziehen, und die Wand ging einfach auf.

Jenseits der Wand war Schnee, aber nicht wie der Schnee vor dem Fenster. Dieser Schnee war weitaus schöner.

Für jeden lebenden Menschen mußte es eine Million Schneeflocken geben. Alle tanzten zusammen.

»Wir werden nicht den Schrank brauchen?« fragte Suzy.

Der kommt nicht mit, wohin wir gehen, sagte das Abbild. Zusammen kauerten sie nieder, fertigmachen, bereithalten —

Und sie sprangen vom Bett durch die Öffnung in der Wand.

Das Gebäude erzitterte, als wäre irgendwo eine schwere Tür zugefallen. In der Nacht tanzten die leuchtenden Schneeflocken ihren wirbelnden Tanz. Die schwarzen Wolken darüber wurden durchsichtig, und Suzy sah alle Richtungen gleichzeitig. Es war eine köstliche und beängstigende Art zu sehen.

Kurz vor Tagesanbruch ließ der Sturm nach. Die Erde lag still, als die Hemisphäre der Dunkelheit von ihr wich.

Der Tag begann zögernd, warf einen breiten orangegrauen Schimmer über den wellenlosen Ozean und das stille Land. Konzentrische Lichtkreise flohen von der trüben Sonne.

Suzy konnte weit hinausblicken. (Sie war so winzig, und doch konnte sie überallhin sehen, sehr große Dinge sehen!)

Die inneren Planeten warfen lange Schatten durch einhüllenden Dunst. Die äußeren Planeten schienen in ihren Umlaufbahnen zu schwanken, und erblühten dann in kaleidoskopischer Pracht, streckten kaltleuchtende Arme aus, um ihre verlorenen Monde daheim willkommen zu heißen.

Die Erde hielt für die Dauer eines langen, bebenden Seufzers in dem Wirbel zusammen. Als ihre Zeit kam, waren die Städte und Dörfer, die Häuser, Hütten und Zelte so leer wie abgelegte Kokons.

Die Noosphäre schüttelte ihre Schwingen. Wo ihre Spitzen sich berührten, tanzten die Sterne, feierten, wurden leuchtende Schneeflocken.

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