Die verrückte Maschine

Ich glaube, eine der gängigsten Phrasen, die jeder irgendwann einmal benutzt, lautet: »Also, was findet er bloß an der?« beziehungsweise: »Wasfindet sie bloß an dem?«

Das ist natürlich eine lächerliche Frage, denn was er an ihr beziehungsweise sie an ihm findet, ist wahrscheinlich etwas, das jeder von uns sehr gut kennt.

Abgesehen davon bin ich genauso geneigt, mich über den nächstbesten Burschen, dem ich begegne, lustig zu machen, und wenn ich einen Film sehe, in dem ein Mädchen sich in einen Kerl verliebt, der keine anderen sichtbaren Vorzüge hat, als daß er groß, schlank, stark und furchtlos ist und unglaublich gut aussieht, widert mich das natürlich an. »Was findet sie nur an dem?« frage ich mich.

Wenn man mich nach dem Grund meines Hohns fragt, so kann ich antworten, daß dieser große, schlanke, starke und furchtlose Kerl, der so unglaublich gut aussieht, im allgemeinen über die Geisteskräfte einer Mücke verfügt. Er spricht in gelegentlichen Grunzlauten und betrachtet die Welt aus trüben Augen unter einer glanzlosen Stirn. Er ist überall bekannt und beliebt, und natürlich ganz besonders bei dem Mädchen, das seine verrückte Leidenschaft für ihn als Faible für diese »rührenden Dummköpfe« und »reizenden Tölpel« auszugeben versucht.

Diesen Schwachköpfen ist die weibliche Psyche völlig unverständlich, und je mehr sie das zur Schau stellen, desto verzweifelter werden sie geliebt.

Das ist mir unerträglich, sage ich Ihnen. Und die Tatsache, daß ich jedesmal, wenn ich mit so einem großen schlanken Kretin um die Gunst eines Mädchens wetteifere, den kürzeren ziehe, macht es noch schlimmer. So beschloß ich, mich zu rächen. Nie sollte so ein Schwachkopf in einer meiner Erzählungen vorkommen.

Soviel ich weiß, ist das auch nie geschehen. Bis gestern hätte ich geschworen und jede Summe gewettet, daß in keiner meiner Geschichten so ein Kerl auftritt. Bis ich »Die verrückte Maschine« noch einmal gelesen habe, um eine passende Einleitung zu finden. Und da entdeckte ich ungläubig und traurigen Herzens, daß da so ein Riesenschwachkopf vorkommt.

Großer Gott!


Es war nicht unser Fehler, wirklich nicht. Wir hatten keine Ahnung, daß irgend etwas schiefgelaufen war, bis ich Cliff Anderson anrief und mit ihm sprach, während er am anderen Ende gar nicht an der Strippe hing. Und was noch schlimmer war: Ich hätte das gar nicht gemerkt, wenn er nicht ins Zimmer getreten wäre, während ich noch mit ihm telefonierte. Nein, nein, nein ...

Ich werde nie imstande sein, das der Reihe nach zu erzählen. Es regt mich viel zu sehr auf. Aber am besten fange ich von vorn an. Ich heiße Bill Billings, und Cliff Anderson ist mein Freund. Ich bin Elektroingenieur, er ist Mathematiker, und wir arbeiten am Technologischen Institut im Mittelwesten.

Jetzt wissen Sie, wer wir sind.

Seit wir die Uniform ausgezogen haben, arbeiten Cliff und ich mit Rechenmaschinen. Sie wissen, was das ist. Norbert Wiener hat darüber in seinem Buch »Kybernetik«, geschrieben. Wenn Sie Bilder von diesen Maschinen gesehen haben, so wissen Sie, daß das Riesendinger sind. Sie nehmen eine ganze Wand ein und sind sehr kompliziert. Und teuer.

Aber Cliff und ich, wir hatten Ideen. Sehen Sie, eine Denkmaschine ist nur deshalb so groß, weil sie voller Drähte und Vakuumröhren ist, so daß die winzigkleinen elektrischen Strömungen genau kontrolliert werden und auf und ab und hin und her flimmern können. Es sind also diese kleinen elektrischen Strömungen, auf die es ankommt ...

»Warum können wir die Strömungen nicht ohne diesen ganzen Salat kontrollieren?« fragte ich Cliff einmal.

»Sicher, warum nicht?« erwiderte Cliff und begann zu rechnen.

Wie wir in zwei Jahren dorthin kamen, wo wir heute sind, ist nicht so wichtig. Die Sorgen begannen jedenfalls erst, als wir fertig waren. Es kam ein Ding heraus, das war etwa so hoch, so breit und so tief ...

Nein, nein. Ich vergesse, daß Sie mich ja nicht sehen können. Ich werde Ihnen lieber Zahlen nennen. Es war drei Fuß hoch, sechs Fuß breit und zwei Fuß tief. Haben Sie das verstanden? Einer allein konnte es nicht tragen, man brauchte zwei dazu, aber man konnte es tragen, und das war die Hauptsache. Und stellen Sie sich vor, es konnte alles, was die Riesenmaschinen konnten. Vielleicht nicht ganz so schnell, aber wir arbeiteten ja noch immer daran.

Wir hatten große Pläne mit diesem Ding, sehr große. Man würde es auf Schiffen und Flugzeugen installieren. Und in einiger Zeit würde es klein genug sein, daß man es auch in einem Auto mitnehmen konnte.

Die Sache mit dem Auto interessierte uns ganz besonders. Stellen Sie sich einmal vor, Sie haben eine kleine Denkmaschine am Armaturenbrett, die an den Motor und die Batterie angeschlossen und mit photoelektrischen Augen ausgerüstet ist. Sie könnte die ideale Fahrtroute berechnen, anderen Autos ausweichen, bei Rotlicht anhalten, die günstigste Geschwindigkeit für das jeweilige Terrain bestimmen. Jeder könnte vergnügt im Fond sitzen, und es gäbe keine Autounfälle mehr.

Es war jedesmal so wahnsinnig aufregend, wenn wir wieder einmal eine neue Variante ausarbeiteten, daß ich heute noch schreien könnte, wenn ich daran denke, wie ich damals den Telefonhörer abhob, um unser Laboratorium anzurufen und die neuen Daten durchzugeben.

An dem betreffenden Abend war ich bei Mary Ann. Habe ich Ihnen überhaupt schon von Mary Ann erzählt? Nein, ich glaube nicht.

Mary Ann war das Mädchen, das meine Braut gewesen wäre, wenn . Es gab zwei Wenns. Erstens, wenn sie gewollt und zweitens, wenn ich den Mut gehabt hätte, sie zu fragen. Sie hatte rote Haare, und ihre hundertzehn Pfund strotzten vor Energie. Sie war fünfeinhalb Fuß groß und beachtlich gut gebaut. Ich schmachtete danach, sie endlich zu fragen, aber jedesmal, wenn ich sie sah, fing mein Herz so schnell zu schlagen an, daß ich beinahe zusammenbrach.

Es ist nicht so, daß ich nicht gut aussehe. Die Leute sagen, daß ich ein ganz passabler Bursche bin. Ich habe noch alle meine Haare und bin sechs Fuß groß. Und ich kann sogar tanzen. Aber ich hatte einem Mädchen natürlich nicht viel zu bieten. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu erzählen, was ein College-Lehrer verdient. Nach Abzug aller Steuern und Abgaben bleibt nicht viel übrig.

Wenn wir natürlich einmal das Patent von unserer kleinen Rechenmaschine haben sollten, dann würde alles anders werden. Aber ich konnte ja nicht von Mary Ann verlangen, daß sie darauf wartete. Vielleicht, wenn es einmal soweit war ...

Jedenfalls, ich stand an dem bewußten Abend da, voll von unerfüllten Wünschen, als sie ins Wohnzimmer trat. Blindlings griff ich zum Telefonhörer.

»Ich bin fertig, Bill«, sagte sie. »Wir können gehen.«

»Nur eine Minute. Ich möchte noch Cliff anrufen.«

Sie runzelte leicht die Stirn.

»Hat das nicht Zeit?«

»Ich hätte ihn schon vor zwei Stunden anrufen sollen«, erklärte ich.

Es dauerte nur zwei Minuten. Ich ließ mich mit dem Laboratorium verbinden, und da Cliff an diesem Abend dort arbeitete, meldete er sich sofort. Ich fragte ihn etwas, und er antwortete. Dann fragte ich noch etwas, und er erklärte es mir. Die Details spielen keine Rolle, aber es ging in etwa darum, daß ich irgendwelche Stromkreise aufgebaut hatte, in denen nichts zusammenpaßte, und Cliff, der Kombinationsmathematiker ist, sagte mir, wieso es unmöglich war, daß die Sache klappte. Im selben Augenblick, als ich den Hörer auflegte, schellte es an der Tür.

Zuerst dachte ich, Mary Ann hätte noch einen anderen Freund, und angespannt starrte ich ihr nach, als sie zur Tür ging. Ich kritzelte etwas von dem, was Cliff mir gerade gesagt hatte, in mein Notizbuch, während ich Mary Ann beobachtete. Sie öffnete die Tür, und Cliff trat ein.

»Ich dachte, daß du hier sein würdest«, sagte er. »Hallo, Mary Ann. Sag, wolltest du mich nicht um sechs Uhr anrufen? Du bist so verläßlich wie ein Pappstuhl.« Cliff drückt sich meist recht plump aus und ist immer bereit, einen Streit vom Zaun zu brechen. Aber diesmal achtete ich nicht darauf.

»Ich hatte den Kopf so voll, da habe ich es vergessen«, sagte ich. »Aber ich habe dich ja soeben angerufen.«

»Angerufen? Mich? Wann?«

Ich wollte auf das Telefon zeigen, konnte es aber nicht. In meinem Kopf begann es zu summen. Genau fünf Sekunden, bevor es an der Tür geklingelt hatte, hatte ich noch mit Cliff telefoniert, der im Laboratorium gewesen war. Und das war sechs Meilen von Mary Anns Haus entfernt.

»Ich - ich habe gerade mit dir gesprochen«, sagte ich.

Er verstand mich nicht.

»Mit mir?« fragte er.

Diesmal zeigte ich mit beiden Händen auf das Telefon.

»Mit diesem Telefon habe ich telefoniert. Ich rief das Laboratorium an. Mit diesem Telefon da! Mary Ann hat mich gehört. Mary Ann, habe ich nicht soeben mit Cliff ...?«

»Ich weiß nicht, mit wem du gesprochen hast«, sagte sie. »Können wir jetzt gehen?« So ist Mary Ann. Immer ganz geradeheraus.

Ich setzte mich. Ich versuchte, ganz ruhig zu sein und ganz klar im Kopf.

»Cliff«, sagte ich. »Ich habe die Nummer des Laboratoriums gewählt, und du hast dich gemeldet. Ich habe dich gefragt, ob du die Details ausgearbeitet hast, und du hast >ja< gesagt und sie mir durchgegeben. Ich habe sie mir aufgeschrieben. Hier sind sie. Stimmen sie oder nicht?«

Ich zeigte ihm das Notizbuch. Cliff sah sich die Notizen an.

»Sie stimmen«, sagte er. »Aber woher hast du sie? Du hast sie doch nicht selbst ausgearbeitet, oder?«

»Ich habe es dir doch gerade erzählt. Du hast sie mir am Telefon durchgegeben.«

Cliff schüttelte den Kopf.

»Bill, ich habe das Laboratorium um sieben Uhr fünfzehn verlassen. Es ist jetzt niemand mehr dort.«

»Aber ich sage dir doch, daß ich mit jemandem gesprochen habe.«

Mary Ann spielte mit ihren Handschuhen.

»Es wird immer später«, sagte sie.

Ich bedeutete ihr, sie möge sich noch etwas gedulden, und sagte zu Cliff: »Bist du wirklich sicher ...?«

»Es ist niemand dort, außer Junior.«

Wir hatten die kleine Denkmaschine, an der wir arbeiteten, Junior getauft.

Wir standen da und starrten uns an. Mary Anns Zehe klopfte auf den Boden wie eine Zeitbombe, die darauf wartete, zu explodieren.

Dann lachte Cliff.

»Ich muß gerade an eine Karikatur denken, die ich irgendwo gesehen habe. Sie zeigte einen Roboter, der einen Telefonhörer hielt und sagte: >Ehrlich, Boß, es ist wirklich niemand hier außer uns komplizierten Denkmaschinen.<«

Ich fand das nicht sehr lustig.

»Komm, gehen wir ins Laboratorium«, sagte ich.

»He«, machte Mary Ann. »Wir werden zu der Show zu spät kommen.«

»Sieh mal, Mary Ann«, sagte ich. »Das ist sehr wichtig. Es dauert nur eine Minute. Komm mit uns, und wir gehen dann direkt vom Laboratorium zu der Show.«

Sie sagte: »Die Show beginnt ...« Dann verstummte sie, denn ich packte sie am Handgelenk, und wir gingen.

Das beweist, wie erregt ich war. Normalerweise hätte ich nie gewagt, so mit ihr umzuspringen. Ich meine, Mary Ann ist immerhin eine Dame. Aber ich war eben so durcheinander. Ich kann mich auch gar nicht so genau erinnern, ob ich sie wirklich am Handgelenk gepackt habe. Ich weiß nur, daß wir dann im Auto saßen, sie und Cliff und ich, und daß sie ihr Handgelenk rieb und etwas von Gorillas vor sich hin murmelte.

»Habe ich dir weh getan, Mary Ann?« fragte ich.

»Nein, keineswegs«, erwiderte sie. »Am liebsten ließe ich mir jeden Tag den Arm auskugeln, nur so zum Vergnügen.« Dann trat sie mich gegen das Schienbein.

Sie tat solche Sachen nur, weil sie rote Haare hatte. Im allgemeinen war sie nämlich eine sehr sanfte Natur, aber sie bemühte sich ständig, dem Mythos der Rothaarigen gerecht zu werden. Ich durchschaute das natürlich, aber ich ließ das arme Kind gewähren. Nach zwanzig Minuten waren wir im Laboratorium.

Das Institut war abends leer. Leerer als irgendein anderes Gebäude. Es war so gebaut worden, daß Hunderte von Studenten durch die Korridore fluten konnten, und wenn die nicht da waren, wirkte das Haus unnatürlich einsam. Oder vielleicht hatte ich dieses Gefühl nur, weil ich mich davor fürchtete, was wohl in unserem Laboratorium im ersten Stock sitzen würde. Jedenfalls klangen unsere Schritte unangenehm laut, und der Aufzug glitt rasselnd nach oben.

»Es wird nicht lange dauern«, sagte ich zu Mary Ann. Aber sie schnaufte nur und sah reizend dabei aus.

Sie konnte es nicht ändern, daß sie reizend aussah.

Cliff hatte den Schlüssel zum Laboratorium, und ich blickte ihm über die Schulter, als er die Tür öffnete. Nichts war zu sehen. Junior war da, natürlich, aber er sah genauso aus wie immer. Die Skalen an seiner Vorderseite registrierten nichts. Ansonsten war er lediglich eine einfache Box, von der ein Kabel zu einer Steckdose an der Wand führte.

Cliff und ich traten vorsichtig zu beiden Seiten an Junior heran. Ich glaube, wir taten das, um sofort zupacken zu können, falls Junior sich bewegen sollte. Aber Junior rührte sich nicht.

Auch Mary Ann betrachtete unsere Maschine, fuhr mit dem Zeigefinger darüber und rieb ihn gegen den Daumen, um den Staub zu entfernen.

»Geh nicht zu nahe an Junior heran, Mary Ann«, sagte ich.

»Wie schmutzig es da ist«, meinte sie.

Sie war bisher noch nie in unserem Laboratorium gewesen, und sie wußte vielleicht nicht, daß ein Laboratorium kein Babyschlafzimmer war. Der Pförtner kommt zweimal am Tag, und er tut nichts anderes als die Abfalleimer leeren. Einmal in der Woche erscheint er mit einem schmutzigen Staubwedel und schiebt den Staub am Fußboden ein wenig hin und her.

»Das Telefon ist nicht dort, wo ich es stehengelassen habe«, sagte Cliff.

»Wieso?« fragte ich.

»Ich habe es hier gelassen.« Er zeigte auf einen Tisch. »Und jetzt ist es da.« Wenn er recht hatte, so hatte das Telefon sich etwas näher zu Junior hin bewegt. Ich schluckte.

»Vielleicht kannst du dich nicht so genau erinnern«, sagte ich. Ich versuchte zu lachen, aber es klang nicht sehr natürlich. »Wo ist der Schraubenzieher?«

»Was willst du tun?«

»Nur ein wenig hineinsehen. So zum Spaß.«

»Du wirst dich ganz schmutzig machen«, sagte Mary Ann. Ich zog also meinen weißen Arbeitskittel an. Mary ist ein sehr kluges Mädchen.

Ich begann mit dem Schraubenzieher zu arbeiten. Wenn Junior einmal fertig sein sollte, würden wir natürlich geschweißte Modelle aus einem Stück herstellen lassen. Wir dachten auch an hübsch geformte farbige Plastikmodelle für den Hausgebrauch. Unser Versuchsmodell im Laboratorium hielten wir der Einfachheit halber mit Schrauben zusammen, so daß wir es, so oft wir wollten, auseinandernehmen konnten.

Aber die Schrauben ließen sich nicht herausdrehen. Ich schnaufte und riß daran und sagte: »Irgendein Witzbold muß sich mit seinem ganzen Gewicht daraufgelegt haben, als er die Dinger zuletzt hineingeschraubt hat.«

»Du bist der einzige, der jemals damit hantiert hat«, sagte Cliff.

Er hatte recht, aber das machte es auch nicht leichter. Ich richtete mich auf, wischte mit dem Handrücken über meine Stirn, hielt ihm den Schraubenzieher hin und fragte:

»Willst du es versuchen?«

Er tat es, aber er erreichte auch nicht mehr als ich.

»Das ist komisch«, sagte er.

»Was ist komisch?«

»Ich drehte gerade an einer Schraube, und sie bewegte sich um etwa einen achtel Zoll zur Seite. Dann glitt der Schraubenzieher ab.«

»Und was ist daran so komisch?«

Cliff trat zurück und legte den Schraubenzieher mit zwei Fingern vorsichtig auf einen Tisch.

»Ich sah, wie sich die Schraube um einen achtel Zoll zurückdrehte und sich selbst wieder befestigte.«

»Warum kommt ihr denn nicht auf die Idee, eine Lötlampe zu verwenden, wenn eure wissenschaftlichen Gemüter schon so vor Neugierde platzen«, sagte Mary Ann nervös. Sie deutete auf eine Lötlampe, die auf einem der Regale stand.

Normalerweise käme ich gar nicht auf die Idee, Junior mit einer Lötlampe zu bearbeiten. Das war genauso, als würde ich an mir selbst herumlöten. Aber ich hatte so meine Gedanken, und auch Cliff hatte so seine Gedanken, und wir beide dachten dasselbe. Junior wollte sich nicht öffnen lassen.

»Was meinst du, Bill?« fragte Cliff.

»Ich weiß es nicht, Cliff.«

»Beeil dich doch, du Schwachkopf«, sagte Mary Ann. »Wir werden die Show versäumen.«

Ich nahm also die Lötlampe und stellte den Oxygenzylinder ein. Es war mir, als müßte ich einen lieben Freund erstechen.

Aber Mary Ann unterbrach meine Vorbereitungen.

»Wie dumm Männer doch manchmal sein können! Diese Schrauben sind locker. Du mußt den Schraubenzieher in die falsche Richtung gedreht haben!«

Es gibt zwar nicht viele Möglichkeiten, einen Schraubenzieher in die falsche Richtung zu drehen, aber wie dem auch sei, ich brachte es nicht über mich, Mary Ann zu widersprechen, und sagte: »Mary Ann, stehe nicht zu nahe bei Junior. Warum wartest du nicht an der Tür?«

Aber sie sagte nur: »So schau doch!« Und sie hielt eine Schraube in der Hand, und an Juniors Vorderfront war ein Loch. Sie hatte die Schraube mit der Hand herausgedreht.

»Du lieber Himmel«, rief Cliff.

Sie drehten sich, alle Schrauben, das ganze Dutzend. Sie drehten sich von selbst, wie kleine Würmer schlängelten sie sich aus den Gewinden und fielen heraus. Ich sammelte sie auf, und nur eine war noch übrig. Sie hing aus ihrem Loch, und Juniors Vorderplatte pendelte daran, bis ich endlich danach griff. Die letzte Schraube fiel, und die Platte sank sanft in meine Arme.

»Das hat er absichtlich getan«, sagte Cliff. »Er hat gehört, wie wir von der Lötlampe gesprochen haben, und da hat er es aufgegeben.« Sein Gesicht ist normalerweise rosa, aber jetzt war es weiß.

Ich fühlte mich selbst etwas komisch.

»Was will er denn vor uns verstecken?«

»Ich weiß es nicht.«

Wir beugten uns über ihn und starrten in sein geöffnetes Innenleben. Ich konnte hören, wie Mary Anns Zehe wieder nervös auf den Fußboden trommelte. Ich blickte auf meine Armbanduhr und mußte vor mir selbst zugeben, daß wir nicht mehr viel Zeit hatten. Eigentlich hatten wir überhaupt keine Zeit mehr.

Und dann sagte ich: »Er hat eine Membrane.«

»Wo?« Cliff beugte sich näher über Junior.

Ich zeigte es ihm.

»Und da hat er einen Lautsprecher.«

»Und du hast diese Dinge nicht eingebaut?«

»Natürlich nicht. Ich pflege zu wissen, was ich eingebaut habe. Und wenn ich das da eingebaut hätte, würde ich mich daran erinnern.«

»Wie ist das dann hineingekommen?«

Wir redeten und stritten, und dann sagte ich schließlich: »Er hat diese Dinge selbst gemacht, nehme ich an. Vielleicht wachsen sie in ihm. Sieh dir das einmal an.«

Ich zeigte auf zwei verschiedene Stellen in der Box. Da waren Spulen aus irgend etwas, das wie ein dünner Gartenschlauch aussah, außer daß sie aus Metall bestanden. Die Spiralen waren so eng, daß sie ganz flach dalagen. Am Ende jeder Spule teilte sich das Metall in vier oder fünf dünne Drähte, die sich auch in kleinen Spiralen ringelten.

»Die hast du auch nicht hineingetan?«

»Nein, die habe ich auch nicht hineingetan.«

»Was ist das?«

Er wußte, was diese Spulen waren, und ich wußte es auch. Junior mußte ja irgend etwas haben, das hinausgreifen konnte und ihm Material holte, wenn er etwas basteln wollte, irgend etwas, das nach dem Telefon greifen konnte. Ich nahm die Vorderplatte und sah sie mir noch einmal an. Ich entdeckte, daß zwei runde Metallstückchen herausgeschnitten und mit einem Scharnier versehen waren, so daß sie sich öffnen und schließen konnten. Wenn sie sich öffneten, entstand ein Loch, durch das allerlei hindurchschlüpfen konnte.

Ich bohrte einen Finger durch eines der Löcher und zeigte es Cliff.

»Das habe ich auch nicht gemacht«, sagte ich.

Mary Ann blickte mir über die Schulter, und wortlos griff sie in Juniors Innenleben. Ich rieb meinen Finger gerade mit einem Papiertaschentuch ab, um den Staub und die Schmiere zu entfernen, und ich konnte sie daher nicht rechtzeitig zurückhalten. Ich hätte Mary Ann kennen müssen. Sie ist immer so eifrig bemüht, zu helfen.

Jedenfalls berührte sie einen der, nun, sagen wir Tentakel. Ich weiß nicht genau, ob sie ihn wirklich berührt hat. Später behauptete sie, sie hätte es nicht getan. Aber wie dem auch sei, sie stieß einen kleinen Schrei aus, setzte sich plötzlich hin und rieb ihren Arm.

»Immer das gleiche«, jammerte sie. »Erst du, und dann das.«

Ich half ihr auf.

»Du mußt dich elektrisiert haben, Mary Ann. Es tut mir leid, aber ich habe dir doch gesagt ...«

»Unsinn«, sagte Cliff. »Sie kann sich nicht elektrisiert haben. Da war kein lockerer Anschluß. Junior will sich nur verteidigen.«

Ich hatte mir schon so etwas Ähnliches gedacht. Ich hatte überhaupt schon eine Menge gedacht. Junior war eine neue Art von Maschine. Auch die mathematischen Daten, die ihn regulierten, waren neu. Noch nie hatte jemand zuvor ähnliche Berechnungen angestellt. Vielleicht hatte Junior etwas an sich, das noch keine Maschine vor ihm gehabt hatte. Vielleicht fühlte er eine Sehnsucht, am Leben zu bleiben und zu wachsen. Vielleicht verspürte er den Drang, immer mehr Maschinen zu erzeugen, bis sich über die ganze Erde Millionen Juniors verbreiteten, die mit den Menschen um die Herrschaft kämpfen würden.

Ich öffnete den Mund, aber Cliff mußte gewußt haben, was ich sagen wollte, denn er schrie: »Nein, nein, sage es nicht!«

Aber ich konnte mich nicht zurückhalten. Es platzte förmlich aus mir heraus, und ich rief: »Cliff, wir müssen Junior abschalten . Was ist denn los?«

»Er hört doch, was wir sagen, du Esel«, fuhr Cliff mich an. »Er hat doch auch gehört, wie wir über die Lötlampe gesprochen haben, oder etwa nicht? Ich wollte mich gerade von hinten an ihn heranschleichen, aber jetzt wird mich wahrscheinlich ein elektrischer Schlag töten, wenn ich es versuche.«

Mary Ann klopfte noch immer auf ihrem Kleid herum und beklagte sich, wie schmutzig der Fußboden sei, obwohl ich ihr immer wieder erklärte, daß das nicht meine Schuld wäre. Es war doch der Pförtner, der hier alles staubig machte.

Trotzdem fragte sie nach einer kleinen Weile: »Warum zieht ihr keine Gummihandschuhe an und reißt das Kabel heraus?«

Ich konnte sehen, daß Cliff überlegte, welche Gründe gegen diesen Vorschlag sprachen. Er fand keine. Also zog er Gummihandschuhe an und trat auf Junior zu. »Paß auf!« schrie ich.

Es war natürlich dumm von mir, das zu schreien. Er sah ja selbst, daß er aufpassen mußte. Er hatte gar keine andere Wahl. Einer der Tentakel bewegte sich, und jetzt konnte kein Zweifel mehr darüber bestehen, wozu diese Tentakel dienten. Das Ding wirbelte heraus und zog eine Linie zwischen Cliff und dem Stromkabel. Es blieb da und zitterte ein wenig mit seinen nach auswärts gebogenen Rankenfingern. Die Röhren in Junior begannen zu glühen. Cliff versuchte nicht, hinter den Tentakel zu gehen. Er trat zurück, und nach einer Weile rollte sich der Tentakel wieder zusammen. Cliff zog seine Gummihandschuhe aus.

»Bill«, sagte er. »Gegen den kommen wir nicht an. Unsere Erfindung ist klüger, als wir uns es je hätten träumen lassen. Junior war sogar klug genug, meine Stimme als Vorbild zu nehmen, als er sich seine Membrane bastelte. Vielleicht ist er sogar klug genug . « Er blickte über seine Schulter und wisperte: »... klug genug, daß er seinen eigenen Strom erzeugen und sich selbst erhalten kann. Bill, wir müssen ihn stoppen, sonst wird jemand eines Tages den Planeten Erde anrufen und die Antwort erhalten: >Ehrlich, Boß, es ist niemand hier außer uns komplizierten Denkmaschinen.c«

»Gehen wir zur Polizei«, sagte ich. »Erklären wir alles. Vielleicht eine Granate oder so etwas Ähnliches .«

Cliff schüttelte den Kopf.

»Niemand darf davon wissen. Sie würden andere Juniors bauen, und es scheint so, als hätten wir für ein solches Projekt nicht die richtigen Gegenmaßnahmen.«

»Was sollen wir dann tun?«

»Ich weiß es nicht.«

Ich erhielt einen harten Schlag vor die Brust, sah hinab, und merkte, daß Mary Ann nahe daran war, zu explodieren.

»Hör mal, du Schwachkopf. Entweder wir haben ein Rendezvous oder nicht. Entschließe dich endlich.«

»Also, Mary Ann .«

»So etwas habe ich noch nie erlebt. Da ziehe ich mich hübsch an, um eine Show zu besuchen, und du schleppst mich in ein dreckiges Laboratorium zu einer verrückten Maschine.«

»Mary Ann, ich .«

Sie hörte nicht zu, sie redete. Ich wünschte, ich könnte mich daran erinnern, was sie noch alles sagte. Aber lieber nicht. Vielleicht ist es besser, wenn ich es nicht mehr weiß, denn es war sicher nicht sehr schmeichelhaft für mich. Von Zeit zu Zeit gelang es mir, ein verzweifeltes »Aber, Mary Ann .« einzuwerfen, doch jedesmal ging es in ihrem Wortschwall unter.

Wie ich bereits sagte, ist sie normalerweise ein sehr sanftes Wesen, und nur, wenn sie sich aufregt, wird sie allzu gesprächig oder unlogisch. Natürlich glaubte sie wegen ihrer roten Haare, sich ziemlich oft aufregen zu müssen. Das ist ja meine Theorie. Sie glaubt eben, sie muß sich so benehmen, daß es zu ihren roten Haaren paßt.

Meine Erinnerung setzte wieder genau bei dem Punkt ein, als Mary Ann ihre Tirade mit einem Tritt auf meine Zehen beendete und sich zum Gehen wandte. Ich rannte ihr nach und versuchte es noch einmal.

»Aber, Mary Ann .«

Diesmal unterbrach mich Cliff. Normalerweise schenkte er unseren Geplänkeln wenig Beachtung, aber jetzt schrie er: »Warum fragst du sie denn nicht, ob sie dich heiraten will, du Trottel?«

Mary Ann blieb in der Tür stehen, drehte sich aber nicht um. Ich blieb ebenfalls stehen und fühlte, wie die Worte in meinem Hals dick und klumpig wurden. Ich konnte nur ein »Aber, Mary Ann .« hervorbringen.

Cliff schrie im Hintergrund auf. Ich hörte ihn wie aus einer Meile Entfernung.

»Ich habe es! Ich habe es!« rief er immer wieder.

Da drehte sich Mary Ann um, und sie sah so wunderschön aus. Habe ich Ihnen schon erzählt, daß sie grüne Augen mit einem leichten Anflug von Blau hat? Jedenfalls, sie sah so wunderschön aus, daß sich alle Worte in meinem Hals zusammendrückten und ich nur schlucken konnte.

»Wolltest du etwas sagen, Bill?« fragte sie.

Also, Cliff hatte mich ja auf die Idee gebracht. Mit heiserer Stimme preßte ich hervor: »Willst du mich heiraten, Mary Ann?«

In derselben Minute, in der ich es gesagt hatte, wünschte ich schon wieder, ich hätte es nicht gesagt. Denn ich dachte, sie würde nie wieder mit mir sprechen. Aber zwei Minuten später war ich doch froh, daß ich es gesagt hatte, denn sie warf ihre Arme um mich und reckte sich hoch, um mich zu küssen. Es dauerte eine Weile, bis mir ganz klar wurde, was geschehen war, und ich ihre Küsse erwiderte. Das ging nun einige Zeit so dahin, bis Cliff auf meine Schulter klopfte, um meine Aufmerksamkeit zu erregen.

Ich drehte mich um und fuhr ihn an: »Was, zum Teufel, willst du denn?« Das war natürlich sehr undankbar von mir, wo er doch der Urheber meines Glückes war.

Er sagte: »Schau!«

In seiner Hand hielt er die Hauptleitung, die Junior mit Strom versorgt hatte.

Ich hatte Junior ganz vergessen, aber jetzt fiel er mir wieder ein.

»Dann ist er also ausgeschaltet?« fragte ich.

»Völlig kalt!«

»Wie hast du denn das geschafft?«

»Junior war so damit beschäftigt, dich und Mary beim Streiten zu beobachten, daß ich mich anschleichen konnte. Mary Ann hat wirklich eine gute Show abgezogen.«

Diese letzte Bemerkung gefiel mir nicht, denn Mary Ann ist ein sehr würdevolles, selbstbewußtes Mädchen, das keine Show abzieht. Aber wie dem auch sei, ich hielt zu viel in der Hand, um ihn zu verprügeln.

»Ich kann dir nicht viel bieten, Mary Ann«, sagte ich zu meiner Braut. »Nur den Lohn eines Schullehrers. Und jetzt, da wir Junior demontiert haben, besteht nicht einmal die Chance ...«

»Das macht mir nichts aus, Bill«, sagte Mary Ann. »Ich hätte es schon fast mit dir aufgegeben, mein schwachköpfiger Liebling. Ich habe wirklich schon alles versucht .«

»Du hast mich gegen das Schienbein getreten und bist mir auf die Zehen gestiegen.«

»Es half doch sonst nichts mehr. Ich war schon ganz verzweifelt.«

Diese Logik war mir zwar nicht ganz klar, aber ich antworte-te nicht, weil mir die Show einfiel. Ich blickte auf meine Armbanduhr und sagte: »Sieh mal, Mary Ann. Wenn wir uns beeilen, kommen wir noch zum zweiten Akt zurecht.«

»Wer will denn jetzt eine Show sehen?«

Ich begann sie wieder zu küssen, und wir haben natürlich überhaupt nichts mehr von der Show gesehen.

Da ist nur eines, was mich noch quält. Mary Ann und ich sind verheiratet, und wir sind vollkommen glücklich. Ich habe promoviert und bin jetzt Professor. Cliff arbeitet immer noch an Plänen für einen kontrollierbaren Junior und macht gute Fortschritte.

An all dem liegt es nicht.

Ich habe mit Cliff am nächsten Abend gesprochen, um ihm zu sagen, daß Mary Ann und ich heiraten würden, und um ihm zu danken, daß er mir diesen Rat gegeben hatte. Und nachdem er mich eine Minute lang angestarrt hatte, schwor er, daß er das nicht gesagt hatte. Er hatte nicht geschrien, daß ich Mary Ann fragen solle, ob sie mich heiraten wolle.

Es gab natürlich noch etwas anderes in dem Raum, das Cliffs Stimme besaß.

Jetzt habe ich Angst, daß Mary Ann das herausfinden könnte. Sie ist das sanfteste Mädchen, das es gibt, ich weiß. Aber sie hat nun einmal rote Haare. Und sie glaubt immer, sie muß sich so benehmen, daß es zu ihren roten Haaren paßt. Oder habe ich Ihnen das schon gesagt?

Jedenfalls, was würde Mary wohl sagen, wenn sie entdeckt, daß ich nicht Verstand genug hatte, ihr einen Heiratsantrag zu machen, bis eine Maschine mich auf die Idee brachte?

ENDE

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