Epilog

Auraya ging über das Schlachtfeld.

Überall um sie herum lagen verstümmelte Leiber. Die bleichen, leeren Augen der Toten erfüllten sie mit Grauen. Sie fürchtete sich davor, in diese Augen zu blicken, aber sie konnte nicht anders – sie musste es tun. Blaue Lippen öffneten sich, und heisere Stimmen flehten um Leben. Sie riss sich von dem furchtbaren Bild los, nur um die Anklagen einer anderen Leiche hören zu müssen.

»Es ist deine Schuld, dass ich tot bin.«

Sie eilte davon, aber das Meer von Leichen war endlos. Sie lagen übereinandergestapelt auf dem Boden, und Auraya musste über sie hinwegsteigen. Sie versuchten, sie an den Knöcheln festzuhalten.

»Wir mussten kämpfen! Wir mussten es tun!«, beteuerte sie. »Das wisst ihr!«

In einiger Entfernung konnte sie ein Licht sehen. Plötzlich stand sie unmittelbar davor. Jemand hatte zwischen die Leichen einen Tisch und zwei Hocker gestellt. Auf dem Tisch stand ein Dame-Spiel – eine bereits begonnene Partie. Das Spiel war wunderschön und aus schwarzen und weißen Masersteinen gefertigt.

Die Leichen schwiegen jetzt. Auraya legte die letzten Schritte zurück und blickte auf das Brett hinab. Die beiden Seiten waren in einem Patt gefangen. Kein Wunder, dass die Spieler fortgegangen waren.

Eine Gestalt trat aus der Dunkelheit. Ein Stich des Schmerzes durchzuckte Auraya, als sie den Mann erkannte.

Leiard.

Er sah sie forschend an, dann senkte er den Blick auf das Spielbrett.

»Was für einen interessanten Traum du da hast. Warum verspürst du das Bedürfnis, mich bei dir zu haben?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich will dich nicht hier haben.« »Du hast mich gerufen.« »Das habe ich nicht getan.« »Oh, doch.«

Sie funkelte ihn an. »Warum bist du dann gekommen? Ich dachte, du ziehst Huren vor.«

Er blinzelte überrascht. »Dann weißt du also davon?« »Ja.«

Er musterte sie nachdenklich. »Wahrscheinlich ist es gut so. Dann wirst du dich nicht versucht fühlen, nach mir Ausschau zu halten.«

Seine Worte kränkten sie. »Oh, diese Gefahr besteht wohl kaum mehr.«

»Es wird dir vielleicht schwerfallen, das zu glauben, aber ich wollte dir nicht wehtun. Meine Leute waren in Gefahr. Leiards Schwäche und seine Bescheidenheit sollten uns als Schutz dienen, nicht uns in Gefahr bringen.« Er blickte auf das Spielbrett hinab. »Es sind noch fünf weiße und fünf schwarze Steine übrig. Welche Seite möchtest du nehmen?«

Sie wandte sich ebenfalls dem Spielbrett zu. »Weiß natürlich.«

»Dann hast du gewonnen.«

Einer der Spielsteine hatte sich verändert. In die Figur war ein goldener Kreis eingemeißelt, und sie stellte einen Priester dar, so dass sie jetzt mehr Gewicht hatte als zuvor.

»Was ist passiert? Dort stand vorher eine andere Figur.«

Leiard lächelte. »Ach ja?«

»Warum hat sie sich verändert?«

»Ich weiß es nicht. Es ist dein Traum, Auraya von den Weißen, und ich möchte keinen Anteil daran haben. Lebwohl.«

Sie blickte auf.

Er war verschwunden.

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