KOLONIALE VERTEIDIGUNGSARMEE
Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit
3. Kompanie
Colonel W. Schafer, KO
DATUM:
238.05.15 SUSN
(siehe verlinkte Übersicht für lokale Umrechnungen)
DATEINUMMER:
KVA/AÖ-OOI-3793/16(N)
DATEINAME:
Öffentlicher Vortrag, Captain John Perry, KVA
Huckleberry-Kolonie, 238.05.10
DATEIBESCHREIBUNG:
Capt. Perry redet vor Einwohnern des Dorfs Neu-Goa auf der Huckleberry-Kolonie, beantwortet Fragen über das Leben im Dienst der KVA und spricht zu anderen Themen.
SPRECHER:
Capt. Perry, Rohit Kulkarni (Bürgermeister von Neu-Goa), sieben Einwohner von Neu-Goa
GEHEIMHALTUNGSSTUFE:
Nicht geheim
REDAKTION:
Keine. Transkription nach Standardalgorithmen zur Sprache-Text-Umwandlung
AUFGEZEICHNET VON:
Capt. John Perry, unbearbeitete BrainPal-Audioaufzeichnung
DATEIABLAGE:
Cpl. John Scalzi (Bibliothekar der KVA-AÖ, 3. Kompanie)
CC: Col. W. Schafer
ROHIT KULKARNI: Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit! Wie ich sehe, hat Naren Bhatia seinen Nachtisch beendet, also wird es wirklich Zeit, zum nächsten Tagesordnungspunkt des Abends überzugehen. (Gelächter) Hast du die Schale wirklich sauber geleckt, Naren? (Gelächter) Meine Anjali wird sehr zufrieden sein, dass ihr Beitrag zu diesem Abend auf so großen Zuspruch gestoßen ist.
Es geschieht nicht häufig, dass die Bewohner unseres kleinen Dorfes einen Besucher von so hohem Rang begrüßen dürfen. Deshalb ist es mir eine besondere Ehre, Ihnen unseren heutigen Gast vorzustellen. Wie in der gesamten Union erinnert man sich auch auf Huckleberry und in Neu-Goa mit Schrecken an die Invasion von Coral, eine der ältesten und bedeutendsten unserer Kolonien. Die Rraey haben sämtliche dort lebenden Kolonisten massakriert, insgesamt gab es über einhunderttausend Tote. Es ist eins der düstersten Kapitel in der Geschichte der Union.
Doch die Rraey konnten sich nicht lange auf Coral halten, was wir zum Teil den Bemühungen unseres Gastes zu verdanken haben. Sein mutiges Vorgehen im Einsatz brachte ihm den Silbernen Stern und das Besondere Verdienstkreuz sowie den ersten Coral-Orden ein. Er ist heute Abend bei uns, um uns von seinen Erfahrungen als Angehöriger der Kolonialen Verteidigungsarmee zu berichten, die für die Sicherheit sämtlicher Kolonien einschließlich unserer sorgt. Begrüßen Sie mit mir Captain John Perry! (Applaus)
CAPT. PERRY: Vielen Dank! Und ich danke Ihnen, Bürgermeister Kulkarni. Ihre Frau hat für den heutigen Abend den Nachtisch zubereitet? Kein Wunder, dass Sie so glücklich aussehen! (Gelächter) Das ganze Abendessen war wunderbar, wirklich. Ich glaube, ich habe schon seit Jahren nicht mehr so gut gegessen.
KULKARNI: Ich bin überzeugt, dass Sie das überall sagen, wo Sie auftreten.
PERRY: Nun ja, das stimmt zwar, aber diesmal meine ich es ehrlich. (Gelächter) Und ich genieße meinen Aufenthalt in Neu-Goa ungemein. Ich muss Sie allerdings warnen, dass ich diese Tournee durch die Kolonien nicht nur als Botschafter der KVA unternehme, sondern einen Hintergedanken verfolge. Ich suche nämlich nach einer Kolonie, auf der ich mich später zur Ruhe setzen könnte. Also schauen Sie sich dieses Gesicht sehr genau an, denn es könnte sein, dass sie sich eines Tages daran gewöhnen müssen. (Gelächter)
KULKARNI: Uns wären Sie jederzeit willkommen, Captain.
PERRY: Das sagen Sie jetzt, Bürgermeister. (Gelächter) Neu-Goa hat für mich bereits einen entscheidenden Vorteil. Obwohl ich aus einer anderen irdischen Kultur stamme, haben wir doch eine gemeinsame Sprache, das heißt, eine gemeinsame Sprache. Vor Huckleberry war ich auf der Shaw-Kolonie, die von Norwegern besiedelt wurde. Dort habe ich die ganze Zeit einen Dolmetscher benötigt. Ich glaube, ich habe den Leuten mindestens einmal den Krieg erklärt. (Gelächter) Diese Gefahr ist hier bei Ihnen wesentlich geringer.
So, eigentlich sollte ich jetzt hier oben stehen und Ihnen einen Vortrag halten, was die Koloniale Verteidigungsarmee unternimmt, um Sie vor dem übrigen Universum zu schützen. Aber ich muss sagen, dass ich das schon ein paarmal getan habe und es mich langweilt, meine eigene Stimme hören zu müssen. Und überall, wo ich bin, ist es so, dass die Menschen Fragen stellen. Wenn Sie also nichts dagegen haben, schlage ich vor, dass wir meinen langweiligen Vortrag überspringen und gleich zu den Fragen übergehen. (Pause) Da ich schon etwa zwei Dutzend erhobene Hände sehe, schätze ich, dass Sie mit meinem Vorschlag einverstanden sind. (Gelächter) Bitte, Madam◦– Sie in der ersten Reihe.
1. EINWOHNERIN: Sind Sie verheiratet? (schallendes Gelächter) Ich frage nicht meinetwegen, sondern wegen meiner Nichte. Sie ist etwa in Ihrem Alter.
PERRY: Ähem, vielen Dank. Ich fühle mich geschmeichelt, obwohl ich glaube, dass Ihre Nichte sehr überrascht wäre, wenn sie erfährt, dass Sie sie verkuppeln wollen.
1. EINWOHNERIN: Ganz und gar nicht! Sie ist hier im Saal! Aparna! Steh auf! (Gelächter)
PERRY: Hallo, Aparna. Bitte setzen Sie sich wieder. Sie haben nichts von mir zu befürchten. (Gelächter) Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, ich bin nicht verheiratet. Außerdem verbieten die Vorschriften der KVA, dass Soldaten heiraten. Wir düsen ständig in diesem Teil des Universums hin und her, und da wäre es recht schwierig, eine Ehe zu führen. Als wir auf der Erde in den Militärdienst eingetreten sind, wurden wir ja juristisch für tot erklärt, womit jede Ehe annulliert war. Manche der Leute, mit denen ich gedient habe, waren recht glücklich darüber, (Gelächter) aber ich glaube nicht, dass ich es so gewollt hätte. Ich war verheiratet, bevor ich mich rekrutieren ließ, aber meine Frau starb, bevor ich eingezogen wurde. Wir waren über vierzig Jahre lang verheiratet.
Ja, diesen Blick kenne ich! Ich sehe ihn jedes Mal, wenn ich auf mein wahres Alter anspiele. Meine Damen und Herren, ich bin siebenundsiebzig! Das heißt, ich bin nicht nur viel zu alt für Aparna, ich wäre sogar zu alt für Sie, Madam. (Gelächter) Einer der Vorteile des Dienstes in der KVA ist der, dass man einen neuen Körper bekommt. Ich bin viel älter, als ich aussehe. Ja, Sir?
2. EINWOHNER: Warum sind Sie so grün?
PERRY: Das Büfett war so gut, dass ich zu viel davon gegessen habe. (Gelächter) Die richtige Antwort lautet natürlich, dass diese Körper verändert wurden und Chlorophyll nutzen, um uns zusätzliche Energie zu verschaffen. Und die brauchen wir, um andere körperliche Verbesserungen aufrechtzuerhalten, zum Beispiel die stärkeren Muskeln, schnelleren Reflexe und andere Dinge. Außerdem kommen wir länger als die meisten Menschen ohne Nahrung aus, obwohl wir das genauso unangenehm finden wie jeder andere.
Ich ahne, dass sich einige von Ihnen wünschen, einen solchen verbesserten Körper zu haben, aber ich möchte Sie auf einige der Nachteile hinweisen. Erstens ist dieser Körper so modifiziert, dass er sich nicht fortpflanzen kann. Für einen Kolonisten ist das definitiv keine erwünschte Eigenschaft. Zweitens bekommt man einen solchen Körper nur dann, wenn man in die KVA eintritt, wo man zehn Jahre Dienst ableisten muss. Nach diesen zehn Jahren sind acht von zehn Rekruten in der Ausübung ihrer Pflichten gestorben. Ich weiß es, weil von den Leuten, die ich kurz nach der Rekrutierung kennen gelernt und mit denen ich mit angefreundet habe, nur noch zwei am Leben sind. Schauen Sie sich in diesem Raum um und stellen Sie sich eine so hohe Sterblichkeitsrate unter den Menschen vor, die Sie lieben und die Ihnen etwas bedeuten. Dann überlegen Sie noch einmal, ob Sie für einen neuen Körper ein solches Opfer bringen möchten. Ja, Sir? Ja, Sie.
3. EINWOHNER: Ich bin mir sicher, dass Sie vielen außerirdischen Spezies begegnet sind. Welche davon hat den größten Eindruck auf Sie hinterlassen?
PERRY: Hm, ich glaube, das war, als ich gefressen wurde. (Raunen)
3. EINWOHNER: Ich bin überzeugt, dass wir alle gerne mehr darüber hören würden.
PERRY: Also gut. Es war etwa einen Monat vor der Schlacht von Coral, und ich wurde mit meiner Einheit zu einem unerforschten Planeten geschickt, um nach einem Erkundungsteam zu suchen, das dort verschwunden war. Der erste Hinweis, dass es auf diesem Planeten nicht mit rechten Dingen zuging, war der Umstand, dass er wunderbar war◦– ideal für eine Besiedlung durch Menschen◦– doch er war völlig unbewohnt. Das ist seltsam, denn wenn ein Planet für uns ideal ist, ist er das auch für ein paar hundert anderer intelligenter Spezies. Und das heißt, dass er längst von irgendjemandem hätte kolonisiert werden müssen. Es ist etwa so wie in diesem alten Witz: Ein Arzt und ein Ökonom gehen die Straße entlang, als der Arzt nach unten schaut und sagt: »Da liegt eine Zwanzig-Dollar-Note auf dem Bürgersteig.« Worauf der Ökonom sagt: »Unmöglich! Wenn da eine Zwanzig-Dollar-Note liegen würde, hätte sie schon längst jemand aufgehoben!« Dieser Planet war eine solche Zwanzig-Dollar-Note am Straßenrand. Es war einfach unmöglich, dass er noch nicht besiedelt worden war. Und doch war es so. Also schickte man ein Erkundungsteam hin, und nach ein paar Tagen fehlte von den Leuten jede Spur.
Wir landeten an den Koordinaten, wo das Team abgesetzt worden war, und es gab nicht den geringsten Hinweis, dass sich hier jemand aufgehalten hatte. Ich meine, wirklich absolut nichts◦– keine Unterkünfte, keine Fahrzeugspuren, kein Müll. Und keine Leichen. Es war, als wären sie nie an dieser Stelle gelandet. Das Einzige, was wir sahen, war eine weite, leicht gewellte Ebene aus etwas, das wie Gras aussah. Es war richtig hübsch. Wie der größte Zierrasen des Universums. Es war sehr friedlich, zumindest so lange, bis die Würmer auftauchten.
Hat jemand von Ihnen schon einmal einen Blauwal gesehen? Zumindest auf Bildern, würde ich meinen. Stellen Sie sich vor, wie etwas von dieser Größe genau unter Ihren Füßen aus dem Boden kommt. Wir spürten ein Beben, bevor sie durch die Oberfläche brachen, aber es war nur ein leichtes Zittern. Dann waren diese Riesendinger plötzlich überall. Ich erinnere mich, wie ich das Zittern spürte und sah, wie eine Kameradin aus meiner Einheit stürzte. Als sie wieder aufzustehen versuchte, hob sich der Boden unter ihren Füßen. Einer dieser Würmer befand sich genau unter ihr und öffnete das Maul, während er hochkam, sodass er der Boden im Umkreis von zwei oder drei Metern verschlang. Die Soldatin riss den Arm hoch, als sich das Maul um sie schloss. Ihre Hand hing noch heraus, als sich der Wurm in den Boden zurückzog, und winkte wie in einer Parodie auf Moby Dick.
Ich lief mit einigen meiner Kameraden zum Landefahrzeug zurück, als einer der Würmer hinter uns auftauchte und buchstäblich einen Luftsprung machte, um sich auf uns fallen zu lassen. Mein Freund Alan Rosenthal war genau vor mir, also stieß ich ihn mit aller Kraft weg. Es funktionierte, und Alan konnte dem Wesen entkommen. Aber mich hat es erwischt. Es war, als würde sich ein riesiger Tunnel aus Fleisch von oben auf mich stürzen, und ich wurde kopfüber im Maul herumgewirbelt, zusammen mit etwa einer Tonne Erde. Nach einer Minute spürte ich, wie die Erde unter mir wegrutschte. Der Wurm schluckte hinunter, was er verschlungen hatte, und ich wurde durch die Kehle befördert.
Meine Vauzett◦– so heißt das Gewehr, das wir benutzen◦– war irgendwo im Maul des Wurms, aber sie war mir aus den Händen gerissen worden, und da drinnen war es stockfinster, sodass ich nicht herankam. Ich versuchte mich an der Haut festzuhalten, damit ich nicht verschluckt wurde, fand aber keinen Halt. Schließlich nahm ich mein Kampfmesser vom Gürtel und rammte es in das, was meiner Vermutung nach der Unterkiefer war. Dadurch konnte ich mich lange genug halten, um an mein Vielzweckwerkzeug zu gelangen. Ich weiß nicht, ob Sie schon davon gehört haben◦– es ist ein Block aus Nanobots, die nahezu jede denkbare Form annehmen können. Es ist wie ein göttliches Schweizer Armeemesser. Ich befahl dem Ding, einen Haken zu bilden, und schlug ihn neben dem Messer in die Haut, als der Wurm es im gleichen Moment schaffte, das Messer herauszudrücken. Es glitt mir aus der Hand und sauste in den Rachen des Wurms, und ich hoffte, dass er daran ersticken würde. Aber meine Hoffnung war vergebens.
Mir drohte zwar nicht die Gefahr, innerhalb der nächsten Minute verdaut zu werden, aber das bedeutete nicht, dass ich keine Probleme hatte. Wenn der Wurm erneut das Maul aufriss, würde eine weitere Lawine über mich hereinbrechen. Dadurch würde ich den Halt verlieren und in die Kehle gerissen werden. Außerdem war jede Sekunde, die ich mich länger im Wurm befand, eine Sekunde, in der ich mich weiter von meinen Kameraden entfernte. Wenn sich der Wurm tief genug eingrub, wäre ich, selbst wenn ich ihn töten konnte, lebendig begraben. Also musste ich das Ding töten, und zwar schnell. Ich hatte zwei Granaten dabei, und als ich mir mit der linken Hand einen sicheren Halt am Haken verschafft hatte, entsicherte ich die Granaten mit der rechten und warf sie dem Wurm in den Rachen.
Sie fielen nicht so tief, wie ich gehofft hatte◦– bei der Explosion traf mich ein Splitter am Fuß -, aber ich erreichte mein Ziel. Denn sofort füllte sich das Maul des Wurms mit Blut, und das Wesen bewegte sich nicht mehr vorwärts, sondern zuckte nur noch. Ein paar Minuten später bewegte sich der Wurm gar nicht mehr. Ich wartete noch ein paar Minuten ab, um sicherzugehen, dass er wirklich tot war, dann kam der schlimmste Teil des Ganzen: Ich musste mich in den Rachen des Wurms hinunterarbeiten, um meine Vauzett wiederzuholen. Denn man lässt sein Gewehr nicht zurück, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.
KULKARNI: Wie konnten Sie sich schließlich aus dem Maul des Ungeheuers befreien?
PERRY: Mir blieb nichts anderes übrig, als mich auszugraben. Nach dieser Erfahrung war klar, warum diese Welt, die auf den ersten Blick ideal für eine Besiedlung erschien, völlig frei von Kolonisten war. Jeder, der auf diesem Planeten landete, wurde schon nach wenigen Stunden oder sogar Minuten zu Wurmfutter. Diese weiten Grasebenen waren die Jagdgründe der Würmer◦– und nicht nur das. Alles schien bestens aufeinander abgestimmt zu sein. Schon eine Stunde nach dem Angriff der Würmer war buchstäblich Gras über alles gewachsen. Der Rasen hatte sich wieder über der Stelle geschlossen, wo die Würmer aus dem Boden hervorgebrochen waren. Es gab kein sichtbares Anzeichen mehr, dass der Angriff jemals stattgefunden hatte. Wir untersuchten den Boden mit Echoortung◦– die Testvorrichtungen waren unbemannt◦– und es stellte sich heraus, dass der Untergrund sehr locker geschichtet war, bis in hundert Meter Tiefe. Wie frisch gepflügter Ackerboden. Was den Würmern das Leben leicht machte. Es war, als würden sie durch den Boden schwimmen. Und diese Ebene bedeckte fast die gesamte Landmasse des Planeten. Was unsere Wissenschaftler nicht verstanden, weil der Planet tektonisch aktiv war. Es hätte unterschiedliche Gesteine und Berge wie auf jeder anderen Welt geben müssen.
3. EINWOHNER: Ist es möglich, dass die Würmer den Planeten nach ihren Bedürfnissen umgestaltet haben?
PERRY: Das ist genau der Punkt. Haben die Würmer den Planeten so gemacht, wie er ist, oder existieren die Würmer, weil der Planet so ist, wie er ist? Und wenn Ersteres zutrifft, heißt das, dass die Würmer es absichtlich getan haben und intelligent sind? Man muss kein intelligentes Tier sein, um ein Ökosystem nachhaltig zu verändern. Auf der Erde haben Schafe oder Ziegen ganze Landstriche in Steppen verwandelt und die Vegetation völlig verändert. Allerdings wurden sie von Menschen gehalten, was bedeutet, dass irgendwo doch Intelligenz im Spiel war. Aber Hirsche, die niemals domestiziert wurden, konnten dasselbe bewirken. Indem sie bestimmte junge Pflanzen fraßen, sorgten sie dafür, dass in den Wäldern nur bestimmte andere Pflanzenspezies Fuß fassen konnten.
Aber das betrifft immer nur einen Wald oder einen Teil einer Grasebene. Hier ging es jedoch um einen kompletten Planeten, dessen Ökosystem beeinflusst oder völlig umgebaut wurde. Je genauer wir uns die Angelegenheit ansahen, desto mehr sah es nach einer gezielten Maßnahme aus.
KULKARNI: Vielleicht sollte jemand noch einmal diese Welt aufsuchen und schauen, ob man mit ihnen reden kann.
PERRY: Das wäre eine Möglichkeit. Aber ich werde es nicht tun. Ich möchte nicht darüber nachdenken, dass die Würmer es vielleicht persönlich genommen haben. (Verhaltenes Gelächter) Ja, Madam?
4. EINWOHNERIN: Captain Perry, wie würden Sie antworten, wenn ich Ihnen sage, dass die gegenwärtige politische Struktur der Kolonialen Union imperialistisch, kolonialistisch und totalitär geprägt ist und dass Sie die rassistischen, imperialistischen Zielsetzungen dieses Kontrollsystems erfüllen. (Stöhnen)
PERRY: Auch ich bin sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.
KULKARNI: Sie müssen Savitri entschuldigen, Captain Perry. Ihre Eltern mussten nach dem Subkontinentalen Krieg auf dieser Kolonie ins politische Exil gehen◦– ob nun zu Recht oder Unrecht. Aber sie haben ihre Tochter gut indoktriniert, obwohl sie als Kolonistin geboren wurde. Sie hetzt gerne die Leute auf, obwohl sich die Leute hier nur selten aufhetzen lassen. Die meisten von uns sind aus freien Stücken hier.
4. EINWOHNERIN: Sie müssen mich nicht entschuldigen, Bürgermeister. Und Sie, Captain Perry, brauchen mich nicht so von oben herab zu behandeln. Wir müssen uns nur klar machen, wie die Wirklichkeit aussieht. Die Kolonisten, die Menschen, die die Koloniale Union bilden, stammen allesamt aus armen Ländern der Erde, die fast alle außerhalb der westlichen Sphäre liegen. Nur Norwegen schickt regelmäßig europäische Kolonisten ins All, und jeder von uns weiß von den ökologischen Katastrophen, unter denen dieses Land zu leiden hat. Doch die Koloniale Verteidigungsarmee rekrutiert sich ausschließlich aus reichen Ländern, vorwiegend aus den Vereinigten Staaten. Soweit uns bekannt ist, besteht die KVA praktisch nur aus Amerikanern wie Ihnen. Und die Verwaltung der Kolonialen Union setzt sich aus Vertretern der älteren Kolonien zusammen, die von westlichen Ländern besiedelt wurden, bevor die Union beschloss, nur noch Kolonisten aus Ländern der Dritten Welt zu akzeptieren. Das heißt: westliche Verwaltung, amerikanisches Militär, arme braune Menschen als Kolonisten und Bauern. Sagen Sie mir bitte, was an diesen Verhältnissen nicht nach kolonialistischem Imperialismus stinkt!
KULKARNI: Sie brauchen nicht auf ihre Frage zu antworten, Captain.
4. EINWOHNERIN: Das stünde ganz im Einklang mit der Politik der Kolonialen Union.
PERRY: Warum sollte ich nicht darauf eingehen? Vielleicht hat sie ja Recht.
4. EINWOHNERIN: Wie bitte?
PERRY: Nun ja, zumindest haben Sie Recht, dass die Kolonisten aus Ländern der Dritten Welt stammen oder mit Ausnahme der ersten Kolonien aus Nationen, die es einmal waren. Das Personal der KVA kommt aus den reichen Industrieländern, hauptsächlich aus den USA, aber nicht ausschließlich, da ich bereits neben Leuten aus Argentinien, Großbritannien, Japan und verschiedenen Teilen Europas gedient habe. Auch wenn niemand gerne darüber redet, ist es so, dass die KVA von Zeit zu Zeit in Einsätze geschickt wird, bei denen es um interne koloniale Probleme geht. Eine gute Freundin von mir verlor ihr Leben bei einem Arbeiteraufstand auf Elysium. Sie wurde auf einer Ölbohrplattform in die Luft gesprengt und dann an die Fische verfüttert, während sie noch lebte. Also können Sie sich vorstellen, dass die KVA bei den Vergeltungsmaßnahmen nicht gerade zimperlich vorgegangen ist. Zufällig handelt es sich bei Elysium um eine Kolonie der ersten Generation. Ich glaube, dort leben hauptsächlich Griechen, was zumindest zum Namen passen würde. Aber das ändert nichts an den Grundtatsachen.
Ich muss Ihnen sagen, dass Ihr Standpunkt zwar durchaus vernünftig klingt, wir in der KVA die Sache aber etwas anders sehen. Für uns sieht es so aus, dass wir zwar aus den reichsten Ländern der Erde stammen, die Koloniale Union uns aber nicht erlaubt, Kolonisten zu werden. Man nennt uns keinen Grund, außer dass die Union einfach keine Kolonisten aus den USA oder andern Industriestaaten rekrutiert. Einsprüche werden ignoriert, da die Union das Monopol auf die Raumfahrt hat. Also können wir nur zusehen, wie die Bürger von Indien, Pakistan, Äthiopien, Guatemala und Neu-Guinea das Universum besiedeln, während wir auf dem Planeten Erde festsitzen. Wir kommen nur weg, wenn wir uns zum Kriegsdienst verpflichten, und damit müssen wir warten, bis wir Greise geworden sind. Danach müssen wir noch einmal zehn Jahre lang warten und vor allem überleben, bevor man uns erlaubt, uns in einer Kolonie niederzulassen. Nur wenige von uns halten so lange durch.
Also kann ich verstehen, warum Sie das Gefühl haben, dass die westlichen Länder versuchen, die Dritte Welt zu gängeln, selbst hier draußen in der Galaxis. Aber ich weiß, dass die meisten von uns, wenn sie die Wahl zwischen Kampf und einem Leben als Kolonist gehabt hätten, sich sofort für ein Leben als Kolonist entschieden hätten. Und genauso gerne hätten sie anderen die militärische Verantwortung überlassen, die wir übernehmen mussten. Wir in der KVA sind genauso Bauern in einem Schachspiel wie Sie.
4. EINWOHNERIN: Nur dass Sie die Waffen haben.
PERRY: Das ist das eine. Ich kann dazu nur sagen, dass ich irgendwann in der Zukunft, falls ich lange genug überlebe, meine Waffe niederlegen und mich irgendwo als Kolonist niederlassen werde. Dann werden Sie und ich im selben Boot sitzen. Persönlich wäre ich lieber Kolonist als Soldat. Aber nur so war es mir möglich, zu den Sternen zu gelangen. Also habe ich mich mit den Bedingungen einverstanden erklärt. Wenn ich die Bedingungen ändern könnte, würde ich es sofort tun, das dürfen Sie mir glauben. Aber diese Wahl hatte ich nicht.
5. EINWOHNER: Warum erlaubt die KVA nicht, dass Kolonisten in die Armee eintreten?
PERRY: Manchmal wünsche ich mir, sie würde es tun! (Gelächter) Wie ich die Sache verstehe, hat die Koloniale Union zu einem frühen Zeitpunkt entschieden, dass es besser ist, wenn sich die Kolonisten ausschließlich dem Aufbau ihrer Kolonien widmen. Als Soldaten sollten nur Leute rekrutiert werden, die keine Verbindung zu einer bestimmten Kolonie haben. Ich bin mir sicher◦– und hier sehen Sie, wie ich in Richtung der vorigen Fragestellerin nicke◦– dass es mehrere Ebenen machiavellistischer Realpolitik gibt, die ich überspringen muss, und der wahre Grund dafür wesentlich komplizierter ist. Aber oberflächlich klingt dieser Grund in meinen Ohren sehr plausibel. In den vergangenen Monaten habe ich viele Kolonien besucht. Ich habe gesehen, dass das Leben der Kolonisten unglaublich hart ist, und in manchen Kolonien, vor allen in den jüngeren, scheint es kaum genug Menschen für die nötigsten Arbeiten zu geben. Huckleberry wurde schon vor einiger Zeit kolonisiert◦– wie lange ist es her, Bürgermeister?
KULKARNI: In zwei Monaten feiern wir den achtundfünfzigsten Jahrestag unserer Gründung.
PERRY: Richtig. Also wurde Huckleberry schon vor fast sechs Jahrzehnten kolonisiert, was genügend Zeit ist, eine planetare Population zu entwickeln, sowohl durch Einwanderung als auch natürliches Bevölkerungswachstum. Das ist genug Zeit für die paar Millionen Menschen, die hier leben. Aber manche dieser neuen Kolonien bestehen aus nur wenigen tausend Personen, die gewissermaßen nur das »Saatgut« einer Kolonie sind. Das sind die Leute, die arbeiten, um alles für die zweite Welle der Kolonisten vorzubereiten. Diese Leute hören niemals auf zu arbeiten. Drei Stationen vor meiner Ankunft hier war ich auf Orton, wo man noch nicht einmal den ersten Jahrestag feiern konnte. Ich habe mich schon völlig erschöpft gefühlt, den Kolonisten nur beim Arbeiten zuzusehen. Sie können es sich auf keinen Fall leisten, ihre Leute zum Militär zu schicken. Und wenn ich ehrlich bin, sehe ich auch keinen Grund, warum sich jemand, der schon Kolonist ist, von der KVA rekrutieren lassen sollte.
4. EINWOHNERIN: Damit wir selbst die Kontrolle über unser politisches Schicksal übernehmen, deshalb!
PERRY: Sie ist wieder da! (Gelächter) Das ist gar kein schlechter Grund, aber ich weiß nicht, ob die Wirklichkeit des Lebens in der KVA diesen Anforderungen entspricht. Ihre Vorstellung, wie es in der KVA zugeht, ist stark romantisiert, was ich keineswegs respektlos meine. Was den Alltag in der Armee betrifft, würden Sie nicht für Ihre Kolonie kämpfen, außer in einem sehr allgemeinen Sinne. Sie würden darum kämpfen, nicht von irgendeinem Alien getötet zu werden oder es davon abzuhalten, Ihre Kameraden zu töten. Sie würden um Ihr eigenes Überleben kämpfen und andere Menschen◦– die Sie zum Teil gar nicht kennen◦– daran hindern, im Kampf das Leben zu verlieren. Ihr Schicksal wird auf den winzigen Bruchteil einer Sekunde komprimiert, den Moment, den sie unmittelbar vor sich haben. Und es hat nichts Romantisches, den Kopf einzuziehen, damit man keinen Schuss abbekommt, oder zu versuchen, einen verletzten Freund zu retten oder einem Wesen gegenüberzustehen, das genauso intelligent und bösartig ist wie Sie selber, das genauso viel Angst vor dem Sterben hat wie Sie und das mit allen Mitteln erreichen will, dass es diesen Zweikampf überlebt und nicht Sie.
Ich meine damit … ich will noch einmal klarstellen, dass nach zehn Jahren Dienstzeit acht von zehn Soldaten der KVA tot sind. Die meisten davon in den ersten paar Jahren. Es ist eine Sache, wenn man sagt, dass man bereit ist zu sterben, um die Kontrolle über das eigene Schicksal zu behalten, sei es nun persönlich oder politisch. Aber es ist etwas anderes, wirklich tot zu sein, viele Lichtjahre von den Menschen entfernt, die man gekannt hat, durch die Hand oder Klaue oder sonst was eines Wesens, dessen Motivation zum Kampf Sie niemals auch nur ansatzweise verstehen werden.
5. EINWOHNER: Trotzdem haben Sie sich für den Dienst in der KVA entschieden.
PERRY: Richtig. Aber wenn ich jetzt auf die Zeit zurückblicke … hätte ich damals gewusst, was ich jetzt weiß, hätte ich vielleicht entschieden, in Ohio zu bleiben und in meinem Bett zu sterben. Ich würde lügen, wenn ich abstreite, dass ich bei der Rekrutierung keine romantischen Vorstellungen über das Leben beim Militär gehabt hätte. Wahrscheinlich habe ich gedacht, ich weiß nicht, dass ich als knallharter Kämpfer herumstapfe und gegen den bösen Kaiser Ming antrete und grünhäutige Mädchen küsse. Andererseits… ich habe tatsächlich schon grünhäutige Mädchen geküsst. (Gelächter) Vielleicht war es also doch gar nicht so schlimm. Aber Spaß beiseite: Die Wirklichkeit in der KVA ist völlig anders und wesentlich schwieriger, als ich mir das jemals hätte vorstellen können.
Nachdem ich weiß, was ich jetzt weiß, würde ich es wieder tun, und sei es nur aus dem Grund, weil ich den gleichen Menschen begegnen möchte, denen ich begegnet bin. Weil ich dann die Gelegenheit verpassen würde, diese Menschen zu lieben, wenn auch nur für kurze Zeit. Trotzdem wünsche ich mir, ich hätte die Chance gehabt, das alles mit offenen Augen zu erleben. Vielleicht würden sich nicht so viele Menschen von der KVA rekrutieren lassen, wenn sie wüssten, was sie erwartet, aber diejenigen, die sich dafür entscheiden, wären womöglich besser vorbereitet. Und um noch einmal auf Miss Savitri zurückzukommen: Ja, es wäre vielleicht von Vorteil, Kolonisten in der KVA zu haben. Sie wüssten zumindest, worauf Sie sich einlassen würden. Ja, Sir?
6. EINWOHNER: Sie haben eingangs gesagt, dass Ihr Körper besser und leistungsfähiger als ein normaler menschlicher Körper ist.
PERRY: Das stimmt. Die Sinne sind schärfer, die Reflexe sind besser, der Körper ist beweglicher. Sogar mein Körpergeruch ist besser. (Gelächter) Sie lachen, aber das stimmt wirklich.
6. EINWOHNER: Mich würde interessieren, wie stark Sie sind.
PERRY: Ich habe es eigentlich nie richtig ausprobiert.
6. EINWOHNER: Könnten Sie den Tisch, der hinter Ihnen steht, zerbrechen? Mit bloßen Händen?
PERRY: Wahrscheinlich könnte ich es. Aber ich werde es nicht tun. Weil es wehtun würde. (Gelächter) Man hat mich stärker, aber nicht schmerzunempfindlicher gemacht.
6. EINWOHNER: Trotzdem ist es bestimmt ein gutes Gefühl, so stark zu sein.
PERRY: Es ist nützlich, das ist alles. Wenn ich ehrlich bin, merke ich kaum, dass ich einen stärkeren oder besseren Körper habe. Die meisten Menschen, mit denen ich zusammen bin, sind genauso wie ich, sodass ich keinen Wettbewerbsvorteil habe. Beim Armdrücken verliere ich ziemlich oft. (Gelächter) Der eigentliche Grund für unsere körperlichen Verbesserungen ist der, dass wir wenigstens eine gewisse Chance gegen die Aliens haben sollen, denen wir im Kampf begegnen. Ich erinnere mich, wie unser Ausbilder gesagt hat, dass diese neuen Körper nur das Minimum dessen sind, was wir zum Kämpfen brauchen. Das ist ein ziemlich erschreckender Gedanke, wenn man ihn sich einmal durch den Kopf gehen lässt. All die Alienspezies da draußen mit ihren angeborenen Fähigkeiten sind viel stärker als wir. Manche sind schneller, manche sind kräftiger, manche sind schlauer. Manche haben einfach nur mehr Gliedmaßen, was für uns im Nahkampf ein großer Nachteil ist. Wir versuchen nur, einigermaßen mitzuhalten. Das Einzige, worin wir Menschen im direkten Vergleich wirklich besser sind, ist die Tatsache, dass wir gemeiner sind. (Gelächter) Das habe ich natürlich gesagt, um einen Lacher zu bekommen, also freue ich mich, dass es geklappt hat. Aber wenn man es genau betrachtet, stimmt es wirklich. Ich vermute, das ist der Grund, warum unsere Spezies viele Auseinandersetzungen überlebt hat. Sollte ich jetzt allmählich zum Ende kommen?
KULKARNI: Ich glaube, wir haben noch Zeit für eine letzte Frage. Und ich möchte diese Gelegenheit schamlos ausnutzen, da ich sehe, dass meine Anjali soeben den Raum betreten und eine Frage an Sie hat.
PERRY: Sie sind also die Frau, die den Nachtisch zubereitet hat?
7. EINWOHNERIN: Richtig.
PERRY: Ich liebe Sie! (sehr lautes Gelächter) Und ich möchte das Rezept haben, bevor ich abreise. Unter dieser Bedingung bin ich bereit, jede Frage zu beantworten, die Sie haben.
7. EINWOHNERIN: Vielen Dank. Ich bin später gekommen, aber ich habe genug mitgehört, um einen Eindruck vom Ausmaß der Gewalt erhalten zu haben, mit dem Sie auf anderen Welten konfrontiert werden. Wir scheinen in einem recht gefährlichen Universum zu leben.
PERRY: Das stimmt.
7. EINWOHNERIN: Meine Frage ist sehr einfach: Können wir in diesem Universum jemals Frieden finden?
PERRY: (kurzes Schweigen) Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen. Etwa vier Monate vor der Schlacht von Coral nahm mein Schiff, die Modesto, an einem Angriff gegen eine Kolonie teil, die von den Ni-nin besetzt worden war. Falls Sie noch nicht von ihnen gehört haben, das ist eine reptilienähnliche Spezies. Sie sind etwa einen Meter groß und spucken Gift◦– nicht im übertragenen Sinn, sondern ganz real. Deshalb sind sie im Nahkampf sehr gefährliche Gegner.
Es war eine Kolonie der Ni-Nin, doch etwa zehn Jahre zuvor hatte es dort eine menschliche Kolonie gegeben. Die ersten Kolonisten waren kurz vor einem schweren Vulkanausbruch eingetroffen, worauf es keinen Sommer mehr gab und der Winter unvorstellbar hart wurde. Die Überlebenden verließen den Planeten, was ihnen niemand zum Vorwurf machen konnte. Also gab es dort keine Menschen mehr, als die Ni-nin eintrafen und sich niederließen. Aber das spielte keine Rolle. Die Koloniale Union hatte den Planeten als unseren Besitz verbucht, und wenn sich dort jemand anderer breitmachte, gab es ein Problem.
Also wurden wir hingeschickt, die Modesto und etwa zwanzig weitere Schiffe mit insgesamt gut 20 000 KVA-Soldaten an Bord. Im Grunde wären das genug gewesen, um die Ni-nin etwa neunmal nacheinander auszulöschen. Wir waren gerade dabei, zur Vorbereitung auf den Angriff in die Raumanzüge zu steigen, als eine Skip-Drohne in den Normalraum fiel und den Befehl sendete, die Invasion abzublasen. Offensichtlich hatten die Ni-nin und die Menschen◦– während eines erstaunlichen Moments der Klarheit auf beiden Seiten◦– erkannt, dass sie sich diesen Planeten problemlos teilen konnten. Die Kolonie der Ni-nin lag am Rand einer äquatorialen Wüste, wo es viel zu heiß für Menschen war, sich die Ni-nin aber pudelwohl fühlten. Und die Union wollte eine neue Kolonie in der gemäßigten Zone auf einem ganz anderen Kontinent errichten. Also beschlossen die Ni-nin und die Menschen, auf den Krieg zu verzichten. So einfach war das.
Die Angriffstruppen flogen nach Hause, bis auf die Modesto, die den Auftrag erhielt, der Kolonie einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Also verbrachte ich mit meiner Einheit die nächsten drei Tage in der Gesellschaft von Leuten, die wir ursprünglich umbringen sollten. Und wissen Sie was? Wir hatten sehr viel Spaß miteinander. Die Ni-nin sind hässlich wie die Nacht◦– sie sehen wie explodierte Eidechsen aus -, aber ihre Körperchemie ist der unsrigen ähnlich genug, dass wir ihre Nahrung verdauen können. Und diese Leute können wunderbar kochen! Einfach Wahnsinn! Wir stopften uns sinnlos voll und machten bei den Spuckwettbewerben mit◦– darauf legen sie nämlich sehr großen Wert◦– und ansonsten benahmen sie sich ausnahmslos wie zivilisierte Intelligenzwesen.
Ich erinnere mich, wie ich am letzten Tag mit zwei Ni-nin auf einer Sanddüne hockte und wir zusammen den Sonnenuntergang betrachteten. In diesem Moment dachte ich, wie einfach es doch wäre, nicht gegen jedes verdammte Alien zu kämpfen, das uns über den Weg läuft. Dann packten wir unsere Sachen und wurden zu einem Planeten namens Cova Banda geschickt, wo wir versuchten, eine ganz andere Spezies auszulöschen, weil sie einen Planeten besetzt hatte, der ursprünglich uns gehört hatte. Aber diesmal wollte niemand teilen.
Kann es jemals Frieden geben? Aber sicher. Wir haben mit den Ni-nin Frieden geschlossen, und es war ganz einfach, und nun leben wir glücklich und zufrieden auf einem Planeten zusammen. Aber wird es jemals Frieden geben? Das ist die große Frage. Frieden zu schließen ist oft sehr einfach, aber das heißt nicht, dass es leicht wäre. Ich habe jemanden gekannt, der glaubte, dass es für die Union leichter ist, Krieg zu führen, als sich mit dem Frieden abzumühen. Ich habe diesen Jemand nicht besonders gemocht, aber gelegentlich sehe ich eine gewisse Wahrheit in dem, was er gesagt hat.
Und so geht es nicht nur der Union, sondern allen Spezies in diesem Teil des Universums. Alle ziehen die leichtere der schwerer umzusetzenden Lösung vor. Vielleicht brauchen wir dazu nur eine große Konferenz aller Spezies, bei der man entscheidet, Planeten lieber zu teilen, als um sie zu kämpfen. Aber Gott weiß, dass es schon schwierig genug ist, Menschen dazu zu bringen, dass sie sich auf eine Lösung einigen. Um alle Spezies an einen Verhandlungstisch zu bekommen, wären mindestens ein Wunder und etwa zwanzig Jahre nötig.
Trotzdem müssen wir die Hoffnung nicht aufgeben. Hoffen können wir immer. Und dazu möchte ich Sie auffordern: zur Hoffnung auf den Frieden. Weil ich weiß, dass ich gerne meine Waffe niederlegen und als Kolonist leben würde. Genauso wie Sie. Genau das wünsche ich mir am meisten.
Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben. Guten Abend. (Applaus)