3.

Thornhill erstarrte auf der Stelle und ergriff La Floquets kaltes Handgelenk.

»Haben Sie nicht eben gesagt, daß er tot ist?«

»Er war es«, beharrte La Floquet. »Ich habe schon früher Tote vor mir gesehen. Ich erkenne es an ihrem Gesicht, ihren Augen — Thornhill, das ist völlig unmöglich!«

Sie rannten zu den anderen hinüber. Vellers stolperte unter der Wucht des Angriffs des auferstandenen McKay nach hinten. Als er stürzte, griff McKay ihn mit mörderischer Wut an der Kehle.

Aber Vellers' Kraft behielt die Oberhand. Als Thornhill heran war, hatte der große Mann den kleinen McKay mit einer Hand ergriffen, war aufgestanden und hielt ihn vor seinem Körper in die Luft. Dann holte er aus und schleuderte McKay mit voller Wucht auf einen am Flußufer liegenden Stein.

Thornhill starrte auf den leblosen Körper. Aus einer breiten Wunde an der Schläfe quoll Blut hervor, tränkte das graue Haar. McKays Augen starrten glasig ins Leere, sein Mund stand offen, die Zunge hing heraus. Die Haut seines Gesichts war grau.

Thornhill kniete sich neben die Leiche, berührte mit einer Hand ein Handgelenk McKays, dann seine Lippen. Nach wenigen Sekunden sah er auf. »Diesmal ist er wirklich tot«, sagte er.

La Floquet starrte ihn grimmig an. »Verschwinden Sie«, schnauzte er plötzlich, und zu Thornhills großer Überraschung fühlte er sich plötzlich von dem kleinen drahtigen Mann an der Schulter gepackt und zur Seite gestoßen.

Mit einer schnellen Bewegung war La Floquet über McKays Körper, hockte sich mit seinen Knien auf dessen Arme, ergriff mit den Händen die Schultern. Kein Laut war zu hören, nur das schwere Atmen La Floquets. Der kleine Mann schien wie eine Feder gespannt.

Die klaffende Wunde an McKays Kopf begann zu verheilen.

Thornhill konnte zusehen, wie sich Fleisch und Haut wieder schlossen, wie die Haut wieder ihre natürliche Farbe annahm. Nach wenigen Augenblicken nur erinnerte nur noch das verkrustete Blut auf McKays Stirn daran, daß dort einmal eine tödliche Wunde gewesen war.

Dann schlossen sich McKays schmale Augenlider, um sich sofort darauf wieder zu öffnen und rollende, blitzende Augen freizulegen. In das Gesicht des Toten kehrte Farbe zurück. Wie eine Schlange begann McKay sich zu winden. Aber La Floquet war darauf vorbereitet; McKay zerrte und stieß, aber er konnte nicht aufstehen. Hinter sich hörte Thornhill, wie Vellers immer wieder einige Gebetszeilen aufsagte, während die unscheinbare Miß Hardin als Kontrapunkt einige Schluchzer dazu beisteuerte; selbst der Regulaner stieß einige Laute in seiner gutturalen, mit Konsonanten überfrachteten Sprache aus.

Schweiß lief über La Floquets Stirn, aber er hinderte McKay daran, seinen wilden Angriff zu wiederholen. Etwa eine Minute verging, dann entspannte McKay sich sichtlich.

La Floquet verharrte aufmerksam über ihm. »McKay? McKay, können Sie mich verstehen? Ich bin's, La Floquet.«

»Ich höre Sie. Sie können mich jetzt loslassen, es ist alles in Ordnung.«

La Floquet deutete auf Thornhill und Vellers. »Stellen Sie sich neben ihn, ergreifen Sie ihn, wenn er wieder durchdreht.« Mißtrauisch beobachtete er McKay noch einen Augenblick, dann rollte er sich zur Seite und sprang auf die Beine.

McKay verharrte einen Moment länger am Boden. Schließlich richtete er sich auf die Knie auf, schüttelte seinen Kopf, als wolle er ihn klar bekommen, stand dann ganz auf. Zögernd machte er einige Schritte, und mit ruhiger Stimme sagte er dann: »Erzählen Sie mir, was mit mir geschehen ist.«

»Sie haben mit Vellers gekämpft«, sagte La Floquet. »Er… er hat Sie bewußtlos geschlagen. Als Sie zu sich kamen, muß irgend etwas in Ihnen gerissen sein — Sie stürzten sich wie ein Wahnsinniger auf Vellers. Da hat er Sie wieder niedergeschlagen — jetzt eben sind Sie erneut zu sich gekommen.«

»Nein!« wandte Thornhill lautstark und mit einer Stimme, die er kaum als seine eigene erkannte, ein. »Sagen Sie ihm die Wahrheit, La Floquet! Wir kommen nicht weiter, wenn wir uns vormachen, daß es nicht geschehen ist.«

»Was ist die Wahrheit?« fragte McKay neugierig.

Thornhill schwieg einige Sekunden. »McKay, Sie waren tot. Mindestens einmal. Wahrscheinlich sogar zweimal; beim zweiten Mal habe ich Sie untersucht — nachdem Vellers Sie gegen den Felsen geschleudert hatte. Ich hätte geschworen, daß Sie tot sind. Fassen Sie sich mal an den Kopf — dort, wo er aufgeplatzt war, nachdem Vellers Sie zu Boden geschleudert hatte.«

Mit zitternden Fingern griff McKay sich an die Stirn, entdeckte dann das Blut, starrte auf den Felsen zu seinen Füßen. Auch auf dem Stein fand sich Blut.

»Ich sehe Blut, verspüre aber keine Schmerzen.«

»Natürlich nicht«, erklärte Thornhill. »Die Wunde ist fast unverzüglich verheilt. Und Sie wurden wiederbelebt. Sie begannen wieder zu leben, McKay!«

McKay wandte sich an La Floquet. »Ist es wahr, was Thornhill da erzählt? Wollten Sie mir das verheimlichen?«

La Floquet nickte.

Ein seltsames Lächeln erschien auf McKays blassem, eckigem Gesicht. »Das macht dieses Tal hier! Ich war tot — und bin von den Toten auferstanden! Veller, La Floquet: Sie sind Narren! Begreifen Sie nicht, daß wir in diesem Tal, das Sie so dringend verlassen möchten, ewig leben werden? Ich bin zweimal gestorben — und es war, als schliefe ich. Es war dunkel, ich erinnere mich an nichts. Sind Sie sicher, daß ich tot war, Thornhill?«

»Ich würde es schwören.«

»Aber Sie, La Floquet, Sie wollten das vor mir verbergen, nicht wahr? Na, wollen Sie immer noch von hier fort? In diesem Tal können wir ewig leben, La Floquet!«

Der Angesprochene spie wütend aus. »Was soll ich damit anfangen? Wir leben hier wie Gemüse, ewig vielleicht, werden niemals erfahren, was auf der anderen Seite des Flusses ist, was hinter den Bergen liegt. Lieber noch ein Dutzend Jahre in Freiheit leben als zehntausend hier in diesem Gefängnis, McKay!« Seine Augen versprühten Funken.

»Und Sie mußten es ihm sagen«, warf La Floquet Thornhill vor.

»Welchen Unterschied macht das?« fragte Thornhill. »Früher oder später hätte sich das wiederholt, wir könnten es vor niemandem verbergen.« Er schaute hinauf zu den steilen Bergen. »Der Wächter hat also Möglichkeiten, uns am Leben zu erhalten? Es gibt keinen Selbstmord, keinen Mord… und keinen Weg hinaus.«

»Es gibt einen solchen Weg«, beharrte La Floquet verbissen. »Über den Bergpaß, dessen bin ich mir sicher. Vellers und ich werden uns das vielleicht morgen mal ansehen — nicht wahr, Vellers?«

Der große Mann zuckte die Schultern. »Mir soll es recht sein.«

»Sie wollen doch hier nicht auf ewig bleiben, nicht wahr, Vellers?« fuhr La Floquet fort. »Wozu soll die Unsterblichkeit sein, wenn es bedeutet, Gefangener zu sein? Morgen werden wir uns die Berge ansehen, Vellers.«


Thornhill machte in La Floquets Stimme einen seltsamen Unterton aus, bemerkte einen seltsam gespannten Ausdruck in seinem Gesicht, so als ob er Vellers quasi anbettele, ihn zu unterstützen, so, als ob er irgendwie Angst habe, sich die Berge allein vorzunehmen. Der Gedanke, daß La Floquet vor irgendwem oder irgend etwas Angst haben könnte, war kaum denkbar, aber Thornhill hatte genau diesen Eindruck.

Er schaute zu Vellers, dann zu La Floquet. »Wir sollten das noch etwas ausführlicher besprechen, denke ich. Wir sind insgesamt neun, La Floquet. McKay und Miß Hardin wollen auf alle Fälle im Tal bleiben; Miß Fallis und ich sind noch unentschlossen, aber auf jeden Fall möchten wir hier noch etwas länger bleiben. Das bedeutet vier gegen zwei unter uns Menschen. Was die Fremden betrifft…«

»Ich stimme mit La Floquet«, sagte der Aldebaraner ruhig. »Draußen warten wichtige Geschäfte auf mich.«

Unser Problemfall, dachte Thornhill. »Vier gegen drei, also, wobei wir von dem Spicaner und dem Regulaner noch nichts gehört haben. Und ich denke, sie werden sich auch nicht äußern, da wir ihre Sprachen nicht sprechen.«

»Ich spreche Regulanisch«, bot sich der Aldebaraner an. Ohne die weitere Diskussion abzuwarten, begab er sich zu dem Wesen mit dem Halslappen und wechselte vier oder fünf kurze, rauh klingende Worte mit ihm. Sich umwendend, sagte er: »Unser Freund plädiert dafür, fortzugehen. Damit wäre es unentschieden, glaube ich.«

»Moment mal«, warf Thornhill hitzig ein. »Woher wollen wir wissen, was er gesagt hat? Angenommen…«

Die Maske verbindlicher Freundlichkeit verschwand vom Gesicht des Fremden. »Angenommen was?« fragte er kalt. »Sollten Sie vorhaben, auf meine Ehre auch nur einen Schatten fallen zu lassen, Thornhill…« Er vollendete den Satz nicht.

»Es wäre sinnlos hier, sich zu duellieren«, sagte Thornhill. »Es sei denn, Ihre Ehre ist leicht zu befriedigen. Für lange könnten Sie mich doch nicht umbringen. Ein vorübergehender Tod würde Sie vielleicht beschwichtigen — aber lassen wir das. Ich vertraue Ihren übersetzerischen Fähigkeiten. Es steht vier gegen vier, ob wir bleiben oder einen Ausbruch versuchen sollen.«

La Floquet meldete sich zu Wort. »Keine schlechte Idee, diese Abstimmung durchzuführen, Thornhill, aber es ist keine Frage von Abstimmungen. Wir sind Individuen, kein juristischer Verein. Ich jedenfalls ziehe es vor, einen Fluchtversuch zu wagen, anstatt von vornherein hierzubleiben.« Er fuhr auf dem Absatz herum und entfernte sich von der Gruppe.

»Es muß doch möglich sein, ihn aufzuhalten«, sagte McKay mit belegter Stimme. »Wenn er entflieht…«

Thornhill schüttelte den Kopf. »So leicht ist das nicht. Wie will er den Planeten verlassen, selbst wenn er die Berge überwindet?«

»Sie begreifen es nicht«, wandte McKay ein. »Der Wächter hat einfach gesagt, daß, wenn einer von uns das Tal verläßt, alle gehen müssen. Und wenn La Floquet Erfolg hat, bedeutet das meinen Tod.«

»Vielleicht sind wir bereits alle tot«, warf Marga ein und beendete dadurch ihr langes Schweigen. »Angenommen, jeder von uns — Sie in Ihrem Raumschiff, ich in meinem Observatorium —, sind im gleichen Moment gestorben und hier hergebracht worden. Was, wenn…«

Der Himmel verdunkelte sich auf eine Art, die jedem von ihnen vertraut war — das Herannahen des Wächters stand bevor.

»Fragen Sie ihn«, sagte Thornhill. »Er wird Ihnen alles darüber sagen.«

Die schwarze Wolke senkte sich herab.

Ihr seid nicht tot, ertönte die tonlose Antwort auf die unausgesprochene Frage. Aber einige von euch werden sterben, wenn die Barriere überschritten wird.

Wieder lief es Thornhill eiskalt den Rücken hinunter im Angesicht dieses körperlosen Wesens. »Wer bist du?« schrie er. »Was hast du mit uns vor?«

Ich bin der Wächter.

»Und was hast du mit uns vor?« wiederholte Thornhill.

Ich bin der Wächter, kam die starre Antwort. Die Wolke begann, nach allen Richtungen zu zerfasern, und nach wenigen Augenblicken war der Himmel wieder klar. Thornhill lehnte sich gegen einen Stein und sah zu Marga.

»Er kommt und geht, ernährt uns, hindert uns daran, uns gegenseitig umzubringen. Es ist wie im Zoo, Marga! Und wir sind die Hauptattraktionen darin!«

La Floquet und Vellers kamen zu ihnen heran. »Sind Sie nun mit den Antworten auf Ihre Fragen zufrieden?« fragte La Floquet. »Wollen Sie immer noch den Rest Ihrer Tage hier verbringen?«

Thornhill lächelte. »Gehen Sie nur, La Floquet. Klettern Sie auf den Berg. Ich ändere meine Meinung — es steht jetzt fünf zu drei dafür, von hier zu verschwinden.«

»Ich dachte, Sie stehen auf meiner Seite«, beklagte McKay sich.

Thornhill ignorierte ihn. »Gehen Sie schon, La Floquet. Klettern Sie mit Vellers auf den Berg. Verlassen Sie das Tal — falls Sie können.«

»Begleiten Sie uns«, sagte La Floquet.

»Ah, nein — ich bleibe lieber hier. Aber ich habe nichts dagegen, daß Sie gehen.«

La Floquet warf einen schnellen Blick auf den Felszahn, der den Ausgang des Tales versperrte, und es schien Thornhill, als husche ein Schatten der Angst über das Gesicht des kleinen Mannes. Dann aber biß er die Zähne zusammen und stieß zwischen kaum geöffneten Lippen hervor: »Vellers, begleiten Sie mich?«

Der Große zuckte die Schultern. »Kann nicht schaden, mal nachzusehen, denke ich.«

»Dann gehen wir«, verkündete La Floquet fest. Er warf Thornhill noch einen düsteren, wütenden Blick zu, ging dann mit festem Schritt zu dem Pfad hinüber, der den Berg hinaufführte.

Als er außer Hörweite war, sagte Marga: »Sam, warum haben Sie das getan?«

»Ich wollte sehen, wie er reagiert. Ich hab's gesehen.«

McKay zerrte Thornhill verstört am Arm. »Ich werde sterben, falls wir das Tal verlassen! Begreifen Sie das nicht, Mr. Thornhill?«

Seufzend sagte Thornhill: »Ich verstehe. Aber sorgen Sie sich nicht zu sehr um La Floquet. Er wird in Kürze zurück sein.«


Langsam verstrichen die Stunden, und die rote Sonne verschwand hinter dem Horizont, machte der fernen blauen Sonne Platz. Thornhills Uhr zeigte zweiundzwanzig Uhr an — fast zwölf Stunden waren vergangen, seit er das Raumschiff auf Jurinalle bestiegen hatte, vier Stunden hätte er jetzt bereits in der Hauptstadt von Vengamon sein müssen. Inzwischen hatte man vermutlich stundenlang nach ihm gesucht und sich gefragt, wie jemand im Hyperraum von Bord eines Raumschiffs spurlos verschwinden konnte.

Die kleine Gruppe hatte sich am Ufer des Flusses versammelt. Der Spicaner befand sich inzwischen voll in seiner bräunlich-roten Phase und saß wie eine Eule da, die den Tod des Universums ankündigte. Die beiden anderen Fremdwesen hielten sich überwiegend abseits und blieben allein. Es gab auch nicht viel, was man sich zu sagen gehabt hätte.

Thornhill starrte wortlos zum Berg hinüber, fragte sich, wo die beiden Männer jetzt wohl sein mochten, wie weit sie kommen würden, bevor La Floquets Feigheit sie zwingen würde umzukehren. Er hegte keinen Zweifel, daß La Floquet sich vor dem Berg fürchtete — ansonsten hätte er eine solche Expedition nämlich schon längst unternommen, statt nur damit zu drohen. Jetzt hatte Thornhill ihn zum Handeln gezwungen — würden die beiden aber auch Erfolg haben? Wahrscheinlich nicht: ein mutiger Mann, der sich tief im Innern fürchtete, überwand diese Furcht oftmals nicht. In gewisser Hinsicht tat La Floquet Thornhill leid — der Kampfhahn war vermutlich gezwungen, geschlagen zurückzukehren, auch wenn er diesen Augenblick so lange wie möglich hinauszögern würde.

»Machen Sie sich Sorgen?« fragte Marga.

»Sorgen? Nein, ich denke nur nach.«

»Worüber?«

»Über Vengamon und meine Mine dort — und wie die Geier vermutlich bereits dabei sind, sich auf meinem Besitz zu stürzen.«

»Sie vermissen Vengamon aber nicht, oder?« Thornhill lächelte und schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Diese Mine bedeutete mein Leben für mich, verstehen Sie. Ich habe nur selten mal einen kurzen Urlaub gemacht, weil ich immer gleich an meine Untergebenen und daran denken mußte, wie faul sie waren und wie die Preise für Erz sich auf den interstellaren Märkten entwickelten. Bis heute. Es muß irgendwie durch dieses Tal hervorgerufen werden, aber zum ersten Mal erscheint mir meine Mine schrecklich weit und fremd, als gehörte sie jemand anderem. Mir kommt es so vor, als wäre ich endlich frei.«

»Ich kann nachfühlen, wie Sie empfinden«, sagte Marga. »Ich habe Tag und Nacht im Observatorium verbracht. Immer waren Aufnahmen zu machen oder Bücher zu lesen oder andere Dinge zu tun — ich konnte den Gedanken nicht ertragen, einen Tag zu versäumen oder meine Arbeit auch nur für ein Telefongespräch zu unterbrechen. Aber hier gibt es keine Sterne, und sie fehlen mir kaum.«

Thornhill nahm ihre Hand in seine. »Trotzdem frage ich mich… Wenn La Floquet Erfolg hat und wir dieses Tal verlassen und wieder in unser alltägliches Leben zurückkehren, ob wir dann noch die alten sind? Oder werde ich einfach wieder zur doppelten Buchführung und Sie zu Ihren himmlischen Leuchtkörpern zurückkehren?«

»Das werden wir erst wissen, wenn wir zurück sind«, sagte sie. »Falls wir jemals zurückkehren. Aber sehen Sie mal da.«

Thornhill schaute in die angegebene Richtung. McKay und Miß Hardin waren in ein Gespräch vertieft, und McKay hatte vorsichtig ihre Hand ergriffen. »So kommt die Liebe schließlich auch zu einem Professor für mittelalterliche Geschichte«, grinste Thornhill. »Und zu Miß Hardin — wer immer sie sein mag.«

Der Regulaner schlief; der Aldebaraner starrte gedankenversunken auf seine Füße und malte Figuren in den Sand. Die Kugelgestalt des Spicaners schien sich ebenfalls in sich selbst zurückgezogen zu haben. Im Tal war es still geworden.

»Mir haben die Tiere im Zoo immer leid getan«, sagte Thornhill. »Aber eigentlich ist es kein so schlechtes Leben.«

»Bisher — wir wissen nicht, was der Wächter noch alles für uns bereithält.«

Von den Bergspitzen senkte sich Nebel herab, und Thornhill glaubte im ersten Moment, daß der Wächter zu einem weiteren Besuch bei seinen Gefangenen zurückgekehrt war; dann erkannte er, daß es ein feiner Nebel war, der sich über sie legte. Es wurde empfindlich kühl, und er zog Marga näher an sich heran.

In diesen Minuten mußte er an die siebenunddreißig Jahre seines bisherigen Lebens denken, die er eigentlich recht gut hinter sich gebracht hatte — mit einem athletischen Körper, schnellen Reflexen und einem noch schnelleren Verstand. Heute war der erste Tag — wobei er sich kaum vorstellen konnte, daß es immer noch sein erster Tag hier im Tal war —, an dem ihm deutlich bewußt geworden war, daß es im Leben noch andere Dinge gab außer Bergbau und Geldverdienen.

Dazu hatte er erst in dieses Tal verschlagen werden müssen — würde er sich an diese Lektion erinnern, wenn er wieder in die Zivilisation zurückkehrte? Ob es nicht doch besser war, seine Tage hier mit Marga in ewiger Jugend zu verbringen?

Er runzelte die Stirn. Ewige Jugend, gewiß — aber auf Kosten seiner Unabhängigkeit. Hier war er nichts weiter als ein Gefangener, wenn auch ein verwöhnter.

Plötzlich wußte er nicht, was er denken sollte.

Margas Hand schloß sich fester um seine. »Hast du das gehört?« fragte sie und wechselte dabei beinahe unbemerkt die Anrede. »Schritte, glaube ich. Das müssen La Floquet und Vellers sein, die vom Berg zurückkehren.«

»Sie haben es nicht geschafft«, sagte Thornhill und wußte dabei nicht, ob er Erleichterung oder tiefe Enttäuschung verspüren sollte. Jetzt hörte er Stimmen — und zwei Gestalten kamen durch den sich verstärkenden Nebel auf sie zu. Eine kleine, drahtige und eine große, breite. Thornhill sah ihnen erwartungsvoll entgegen.

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