I Der Politkiller

Dulaq nahm das Gleitband zur oberen Fußgängerebene und ging hinüber zum Geländer. Vor ihm breitete sich die Stadt aus — großzügige Alleen, überquellend vor Geschäftigkeit, Promenaden, breite Fahrbahnen für den Roadster-Verkehr, Aero-Cars, die zwischen den schimmernden, turmhohen Bauwerken schwebten.

Und irgendwo in dieser Riesenstadt war der Mann, den er töten mußte. Der Mann, der ihn töten mochte.

Alles schien so realistisch! Der Straßenlärm, der Duft der parfümierten Bäume; selbst die Wärme der rötlichen Sonne verspürte er im Rücken, während er die Szenerie vor sich überflog.

Es ist eine Illusion, rief sich Dulaq in Erinnerung zurück. Eine raffinierte, künstlich erzeugte Halluzination. Ein Produkt meiner Einbildung, verstärkt durch eine Maschine.

Aber es wirkte so ungeheuer realistisch.

Echt oder eingebildet — er mußte Odal finden, bevor die Sonne unterging. Ihn finden und ihn töten. So lauteten die Bedingungen des Duells. Er tastete nach dem kurzen, zylindrischen Stat-Strahler in der Tasche seiner Tunika. Das war die Waffe, die er gewählt hatte, seine Waffe, seine eigene Erfindung. Und dies war die Umgebung, die er sich ausbedungen hatte: seine Stadt, geschäftig, lärmerfüllt, voller Menschen. Die Metropole, die Dulaq seit seiner Kindheit kannte und liebte.

Dulaq wandte sich um und warf einen Blick auf die Sonne. Sie stand bereits im letzten Viertel über dem Horizont. Ungefähr drei Stunden blieben ihm, um Odal zu finden. Und wenn er ihn fand, hieß es: töten oder getötet werden.

Natürlich wird dabei niemand ein Haar gekrümmt. Das ist das Schöne an der Maschine. Sie erlaubt dir, einen Streit auszutragen, eine alte Rechnung zu begleichen, Aggressionen abzubauen, ohne daß dabei jemand körperlichen oder seelischen Schaden nimmt.

Dulaq zuckte die Achseln. Er war ein rundlicher Mann mit einem Vollmondgesicht und hängenden Schultern. Es wartete Arbeit auf ihn, die getan werden mußte. Unangenehme Arbeit für einen zivilisierten Menschen, aber die Zukunft des Acquataine Clusters und das Bündnis mit den Nachbarsystemen konnte sehr wohl vom Ausgang dieses elektronisch erzeugten Traums abhängen.

Er drehte sich um und ging die Hochpromenade hinunter, wobei er darüber staunte, wie fest und wirklich ihm bei jedem Schritt der Straßenbelag unter seinen Füßen vorkam. Kinder stürmten vorüber und liefen zum Schaufenster eines Spielwarengeschäfts. Geschäftsleute schritten zielbewußt dahin, fanden aber noch genügend Zeit, die vorüberbummelnden Mädchen wohlgefällig zu mustern.

Ich muß eine erstaunliche Phantasie besitzen. Dulaq lächelte heimlich.

Dann dachte er an Odal, den blonden, eiskalten Profi, mit dem er sich messen mußte. Odal war ein Experte in allen Waffengattungen, kraftstrotzend und voll kühler Präzision, ein unbarmherziges Werkzeug in den Händen eines skrupellosen Politikers. Aber wäre er auch ein Experte mit dem Stat-Strahler, einer Waffe, die er direkt vor Beginn des Duells zum allerersten Mal gesehen hatte? Und wie vertraut konnte er mit der Metropole sein, nachdem er den größten Teil seines Lebens in den Militärlagern der trostlosen Planeten von Kerak zugebracht hatte, sechzig Lichtjahre von Acquatainia entfernt?

Nein, Odal würde hilf- und ratlos sein in dieser Situation. Er würde sich in der Menschenmenge zu verstecken suchen. Dulaq brauchte ihn lediglich aufzuspüren.

Die Bedingungen des Duells beschränkten die beiden Männer auf die Fußgängerzone des Geschäftsviertels. Dulaq kannte diese Gegend wie seine Tunikatasche, und methodisch begann er zwischen den Menschentrauben nach dem großen, blonden, blauäugigen Odal zu suchen.

Und er sah ihn! Schon nach einem kurzen Streifzug über die Hauptpromenade entdeckte er seinen Gegner unter sich auf einem rechtwinklig kreuzenden Weg, wo er gemächlich dahinschlenderte. Dulaq eilte die Rampe hinab, drängte sich durch die Menge und erblickte erneut den Mann, groß, blond, unverkennbar Odal. Ruhig und unauffällig heftete sich ihm Dulaq an die Fersen. Kein Drängeln. Kein Schieben. Er hatte Zeit. Eine Viertelstunde lang gingen sie so die Straße entlang, wobei der Abstand zwischen ihnen von fünfzig Metern auf fünf Meter zusammenschrumpfte.

Schließlich war Dulaq direkt hinter ihm, eine Armlänge entfernt. Er packte den Stat-Strahler und zog ihn aus der Tunika. Mit einer raschen Bewegung drückte er ihn dem Mann gegen den Hinterkopf und legte den Daumen auf den Knopf, der einen tödlichen Energiestrahl auslösen würde.

Der Mann drehte sich plötzlich um. Es war nicht Odal!

Verdutzt schrak Dulaq zurück. Unmöglich. Er hatte sein Gesicht gesehen. Es war Odal gewesen… und doch war dieser Mann ein Unbekannter. Dulaq spürte den Blick des anderen, während er sich umdrehte und hastig davonlief.

Eine Verwechslung, sagte er sich. Du warst übereifrig und voreilig. Ein Glück, daß dies nur eine Halluzination ist, sonst hätte dich die Robotpolizei jetzt schon am Wickel.

Und doch… er war so felsenfest überzeugt gewesen, daß es sich um Odal handelte. Ein kalter Schauder überlief ihn. Er blickte auf, und dort stand sein Widersacher, auf der Promenade über ihm, an genau der gleichen Stelle, wo er selbst noch vor ein paar Minuten gestanden hatte. Ihre Blicke trafen sich, und Odals Lippen verzogen sich zu einem kalten Lächeln.

Dulaq eilte die Rampe hinauf. Als er die zweite Ebene erreichte, war Odal verschwunden. Weit kann er nicht gekommen sein.

Langsam, aber unaufhaltsam zerbröckelte Dulaqs Halluzination und verwandelte sich in einen Alptraum. Er entdeckte Odals Gesicht in der Menge, nur um es sofort wieder aus den Augen zu verlieren. Erneut machte er seinen Mann aus, aber wenn er näher kam, war es ein weiterer Unbekannter. Immer wieder spürte er die kalten blauen Augen des Duellanten auf sich ruhen, doch wenn er sich umdrehte, sah er nichts außer der anonymen Menschenmenge.

Fortgesetzt tauchte Odals Gesicht auf. Dulaq kämpfte sich durch die Menschentrauben zu seinem Widersacher hin, aber jedesmal löste der sich in Luft auf. Auf den Wegen schien es zu wimmeln von hochgewachsenen blonden Männern, die kreuz und quer vor Dulaqs entsetzten Augen umherspazierten.

Die Schatten wurden länger. Die Sonne sank. Dulaq schlug das Herz zum Zerspringen, und von jedem Quadratzentimeter seiner Haut spürte er Schweiß rinnen.

Da steht er! Ja, das ist er. Ohne Zweifel ist er es! Dulaq drängte sich durch die heimwärtsstrebende Menge zu einem großen blonden Mann hin, der lässig am Schutzgeländer der Hauptpromenade lehnte. Es war Odal, der verdammte, lächelnde, selbstsichere Odal.

Dulaq zog den Strahler aus der Tunika und kämpfte sich ^ durch das Gewühl zu der Stelle vor, wo Odal reglos stand, die Hände in den Taschen, und ihm kühl entgegensah. Dulaq kam bis auf Armeslänge heran…


»DIE ZEIT IST UM, GENTLEMEN. DAS DUELL IST BEENDET.«

Der Sternhaufen Acquatainia — Acquataine Cluster genannt — war ein funkelndes Geschmeide aus gut dreihundert Sonnen, direkt vor den Toren des Terranischen Commonwealth gelegen. Mehr als tausend bewohnte Planeten umkreisten diese Sonnen. Auf dem Zentralplaneten — Acquatainia — lag die größte Stadt des Clusters. In dieser Stadt befand sich die älteste Universität. Und in dieser Universität stand die Duellmaschine.

Hoch über dem Boden des antiseptisch weißen Raums, der die Duellmaschine beherbergte, verlief eine schmale Galerie. Bevor die Maschine installiert worden war, hatte der Raum als Hörsaal gedient. Nun waren die Sitzreihen verschwunden, das Vortragspult des Dozenten und die Tribüne. In dem Raum stand nur noch die Maschine, ein bizarres Gewirr von Konsolen, Kontrollpulten, Energieaggregaten, Assoziationsfeldern und den beiden Kabinen für die Duellanten.

Auf der Besuchergalerie — leer bei gewöhnlichen Duellen — saß eine Handvoll privilegierter Journalisten.

»Die Zeit ist um«, sagte einer von ihnen. »Dulaq hat ihn nicht erwischt.«

»Stimmt. Aber Odal ihn auch nicht.«

Der erste Reporter zuckte die Achseln. »Jetzt muß er mit Odal nach dessen Regeln kämpfen.«

»Wart mal, da kommen sie raus.«

Unter ihnen traten Dulaq und sein Gegner aus ihren isolierten Kabinen.

Einer der Journalisten pfiff durch die Zähne. »Schaut euch mal Dulaqs Gesicht an…ganz grau.«

»So erschöpft habe ich den Premierminister noch nie gesehen.«

»Und schaut euch doch mal Kanus’ bezahlten Killer an.« Die Reporter wandten sich Odal zu, der vor seiner Kabine stand und sich leise mit seinen Sekundanten unterhielt.

»Der reinste Block gefrorenen Ammoniaks.«

»Dem scheint es richtig Spaß zu machen.«

Einer der Reporter stand auf. »Ich habe gleich Redaktionsschluß. Haltet mir den Platz frei.«

Er ging durch die bewachte Tür hinaus und die spiralförmige Rampe hinunter, die außen um das Bauwerk lief, zu der mobilen Tri-Di-Kamera, deren Einsatz die acquatainische Regierung genehmigt hatte, damit die Reporter ihre Berichte durchgeben konnten.

Der Journalist konferierte ein paar Minuten mit seinen Technikern, dann trat er vor die Kamera.

»Emile Dulaq, der Premierminister des Acquataine Clusters und Führer des Koalitionsbündnisses gegen Kanzler Kanus von den Kerak-Welten, ist im ersten Teil des psychonischen Duells gegen Major Per Odal aus Kerak nicht zum Zuge gekommen. Die beiden Duellanten unterziehen sich gerade den üblichen medizinischen und psychologischen Tests, bevor sie ihr Duell fortsetzen…«

Bis der Reporter wieder auf seinem Platz auf der Galerie zurückgekehrt war, stand das Duell kurz vor seinem Fortgang.

Vor dem hochaufragenden unpersönlichen Gewirr der Maschine stand Dulaq inmitten seiner Berater. Ihm gegenüber wartete Odal mit seinen beiden Sekundanten.

»Sie brauchen nicht sofort zur zweiten Runde des Duells anzutreten«, sagte gerade ein Berater des Premierministers. »Warten Sie bis morgen. Ruhen Sie sich aus und sammeln Sie frische Kraft.«

Dulaqs rundes Gesicht kräuselte sich finster. Er warf dem leitenden Meditechniker, der in der Nähe der kleinen Gruppe wartete, einen fragenden Blick zu.

Der Meditechniker, der zum Bedienungspersonal der Duell maschine gehörte, gab zu bedenken: »Der Premierminister hat die Tests bestanden. Nach den Regeln des Duells ist er in der Lage, weiterzumachen.«

»Aber er kann doch für heute aufhören, stimmts?«

»Sofern Major Odal einverstanden ist.«

Ungeduldig schüttelte Dulaq den Kopf. »Nein. Ich mache weiter. Jetzt.«

»Aber…«

Die Züge des Premierministers wurden hart. Seine Berater verfielen in respektvolles Schweigen. Der leitende Meditechniker führte Dulaq zu seiner Kabine. Am anderen Ende der Maschine warf Odal den Acquatainiern einen Blick zu, lächelte unterkühlt und schlenderte zu seiner eigenen Kabine.

Dulaq blieb reglos sitzen und versuchte jeden Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen, während die Meditechniker die Neurokontakte an seinem Kopf und Oberkörper anbrachten. Sie beendeten ihre Arbeit und zogen sich zurück. Er war jetzt allein in der Kabine und blickte die kalkweißen Wände an, die bis auf den großen Bildschirm direkt vor seinen Augen völlig kahl waren. Der Schirm begann schwach zu glimmen, strahlte dann ein Kaleidoskop von Farben aus, die ineinander übergingen, sich dabei veränderten und vor seinem Blickfeld vorüberwallten. Dulaq fühlte sich in sie hineingezogen, unmerklich, unwiderstehlich, fühlte sich völlig in sie eintauchen…


Die Nebel verschwanden nach und nach, und Dulaq fand sich auf einer endlosen öden Ebene wieder. Kein Baum, kein Grashalm, nichts als felsiger Boden, der sich in allen Himmelsrichtungen bis zum Horizont erstreckte; darüber ein bedrückend gelber Himmel. Er blickte vor sich auf den Boden und sah die Waffe, die Odal ausgewählt hatte. Eine primitive Keule.

Mit einem unguten Gefühl hob Dulaq die Keule auf und spähte nach allen Seiten. Nichts. Kein Hügel, kein Baum, kein Strauch, wo man sich verstecken konnte. Weglaufen — wohin?

Und fern am Horizont entdeckte er eine hochgewachsene, geschmeidige Gestalt mit einer identischen Keule in der Hand. Der Mann kam ohne Hast, aber zielbewußt näher.


Die Pressetribüne war praktisch leer. Das Duell endete erst in einer guten Stunde, und die meisten Reporter standen draußen und übermittelten ihre hastig zusammengestellten Kommentare zu Dulaqs Mißerfolg, das Duell mit seinen eigenen Waffen und seiner selbstgewählten Umgebung für sich zu entscheiden.

Dann passierte etwas Merkwürdiges.

Am Hauptkontrollpult der Duellmaschine blinkte ein rotes Licht auf. Der leitende Meditechniker blinzelte überrascht und drückte dann eine Reihe von Tasten. Weitere rote Lämpchen leuchteten auf. Der Meditechniker griff nach einem separaten Schalter und legte ihn um.

Einer der Journalisten wandte sich an seinen Kollegen. »Was ist da unten los?«

»Scheint vorbei zu sein… Ja, sieh mal, die öffnen die Kabinen. Einer hat das Rennen gemacht.«

»Aber wer?«

Gespannt sahen die beiden zu, während die anderen Journalisten hastig wieder auf die Galerie zurückkehrten.

»Da ist Odal. Er strahlt.«

»Das heißt wohl…«

»Allmächtiger! Sieh dir mal Dulaq an!«


Mehr als zweitausend Lichtjahre entfernt von Acquatainia befand sich der Sternhaufen Carinae. Trotz der weit größeren Distanz zur Erde lag Carinae noch innerhalb der Grenzen des Terranischen Commonwealth. Dr. Leoh, der Erfinder der Duellmaschine, hielt gerade eine Vorlesung an der Carinae-Universität, als ihn die Nachricht von Dulaqs Duell erreichte. Ein Hilfsdozent beging den ungeheuerlichen Frevel, die Vorlesung zu unterbrechen und ihm die Neuigkeit ins Ohr zu flüstern.

Leoh nickte grimmig, beendete hastig die Vorlesung und begleitete dann den Hilfsdozenten ins Büro des Rektors. Schweigend standen sie auf dem Laufband, das sie an herumschlendernden Studenten und den üppigen Grünanlagen des geschäftig-stillen Campus vorbeitrug.

Leoh war schon ziemlich kahl und hatte ein Doppelkinn; er war das älteste Universitätsmitglied und in den Augen der Studenten überhaupt der älteste bekannte Mensch. Aber die Falten in seinem Gesicht stammten von dem Lächeln, das schon Teil seines Wesens geworden war, und seine Augen funkelten lebhaft und wach. Jetzt lächelte er allerdings nicht, als sie das Laufband verließen und den Verwaltungsbau betraten.

Sie nahmen die Liftröhre ins Rektorat hinauf. Leoh fragte an der offenstehenden Tür des Rektorats den Hilfsdozenten: »Er war im Zustand katatonischen Schocks, sagen Sie, als man ihn aus der Maschine geholt hat?«

»Und er ist es noch«, antwortete der Rektor vom Schreibtisch her. »Ohne jeden Bezug zur realen Welt. Kann nicht sprechen, nicht hören, nicht sehen. Ein lebender Leichnam.«

Leoh warf sich in einen Sessel und fuhr sich über das fleischige Gesicht. »Verstehe ich nicht. So was ist noch nie in einer Duellmaschine passiert.«

»Ich verstehe es auch nicht«, erwiderte der Rektor. »Aber das ist Ihr Problem.« Er betonte das vorletzte Wort ein wenig, unbewußt vielleicht.

»Wenigstens leidet der Ruf der Universität nicht darunter. Deswegen habe ich ja Psychonics als privates Unternehmen gegründet.« Leoh grinste und setzte hinzu: »An den finanziellen Aspekt habe ich dabei erst in zweiter Linie gedacht.«

Der Rektor lächelte gezwungen. »Natürlich.«

»Die Acquatainier wollen vermutlich mit mir sprechen?« Es war eine überflüssige Frage.

»Sie warten am Tri-Di.«

»Die halten eine Transmissionsfrequenz über zweitausend Lichtjahre offen?« Leoh machte ein beeindrucktes Gesicht.

»Sie sind der Erfinder der Duellmaschine und der Chef von Psychonics Incorporated. Sie sind der einzige Mensch, der ihnen sagen kann, was schiefgegangen ist.«

»Tja, dann will ich sie nicht länger warten lassen.«

»Sie können das Gespräch hier führen«, sagte der Rektor und machte Anstalten, sich zu erheben.

»Nein, nein, bleiben Sie nur«, wehrte Leoh ab. »Und Sie auch«, fügte er, zu dem Hilfsdozenten gewandt, hinzu.

Der Rektor drückte eine Taste an seinem Schreibtisch-Kommunikator. Die gegenüberliegende Wand leuchtete einen Moment und schien sich dann aufzulösen. Sie blickten in ein anderes Arbeitszimmer, auf dem fernen Acquatania gelegen. Nervös aussehende Männer in Geschäftsanzügen und Uniformen drängten sich darin.

»Gentlemen«, sagte Dr. Leoh.

Mehrere Acquatainier versuchten ihm gleichzeitig zu antworten. Nach ein paar Sekunden wirren Durcheinanderredens blickten alle einen Mann in ihrer Mitte an — einen großen, intelligent und entschlossen wirkenden Zivilisten mit einem gepflegten schwarzen Vollbart.

»Ich bin Fernd Massan, der Vize-Premier von Acquatainia. Sie sind sich hoffentlich im klaren über die Krise, in die meine Regierung durch dieses Duell gestürzt wurde?«

Leoh blinzelte verwirrt. »Ich weiß nur, daß es offenbar Schwierigkeiten gegeben hat mit einer in Ihrem Cluster installierten Duellmaschine. Politische Krisen gehören nicht in mein Fach.«

»Aber Ihre Duellmaschine hat den Premierminister arbeitsunfähig gemacht«, rief einer der Generale erregt.

»Noch dazu gerade jetzt«, fiel ein Minister ein, »mitten in den Auseinandersetzungen mit den Kerak-Welten.«

Mit einer Handbewegung brachte sie Massan zum Schweigen.

»Die Duellmaschine«, sagte Leoh gelassen, »ist nichts weiter als ein psychonischer Apparat… genauso ungefährlich wie ein Tri-Di-Communicator. Sie versetzt lediglich zwei Männer in die Lage, eine gemeinsam geschaffene Traumwelt miteinander zu teilen. Sie können in dieser Traumwelt tun und lassen was sie wollen — können einen Streit auf die denkbar blutigste Weise bereinigen, und doch tragen sie genausowenig körperlichen Schaden davon wie in einem echten Traum. Menschen können sich der Duellmaschine bedienen als Ventil für ihre Aggressionen, für aufgestauten Frust und Haß, ohne dabei sich oder die Gesellschaft zu schädigen.«

»Ihre eigene Regierung hat eine der Maschinen getestet und vor über drei Jahren den Gebrauch auf Acquatainia zugelassen. Einigen der anwesenden Herren habe ich die Maschine persönlich demonstriert. Duellmaschinen sind inzwischen weit verbreitet im Terranischen Commonwealth und in benachbarten Nationen, wie auch in Acquatainia. Ich bin sicher, daß viele von Ihnen die Maschine selbst benutzt haben. Sie zum Beispiel, General.«

Der General war peinlich berührt. »Das hat überhaupt nichts mit dem gegenwärtigen Problem zu tun.«

»Zugegeben«, räumte Leoh ein. »Aber ich verstehe nicht, wie ein therapeutisches Gerät eine politische Krise auslösen sollte.«

»Lassen Sie mich bitte erklären«, sagte Massan. »Unser Staat hat außerordentlich heikle Verhandlungen mit den Regierungen benachbarter Nationen geführt. Es ging um die Wiederbewaffnung der Kerak-Welten. Sie haben von Kanus aus Kerak gehört?«

»Am Rande«, meinte Leoh. »Er ist eine Art politischer Führer, nicht wahr?«

»Von der schlimmsten Art. Er hat eine totale Diktatur auf den Kerak-Welten errichtet und will diese jetzt kriegsmäßig aufrüsten. Das ist ein eklatanter Bruch des Acquatainischen Vertrags, der erst vor dreißig terranischen Jahren abgeschlossen wurde.«

»Verstehe. Der Vertrag beendete den acquatainisch-kerakischen Krieg, stimmt’s?«

»Einen Krieg, den wir gewonnen haben«, betonte der General.

»Und jetzt wollen die Kerak-Welten wiederaufrüsten und noch einmal ihr Glück versuchen«, riet Leoh.

»Genau.«

Leoh zuckte die Achseln. »Warum rufen Sie nicht die Star Watch zu Hilfe? Das ist doch eine typische Sache für die Raumpolizei. Und was hat das alles mit der Duellmaschine zu tun?«

»Lassen Sie mich erklären«, sagte Massan geduldig. Er winkte einem Assistenten, und hinter ihm auf der Wand erglomm eine riesige Tri-Di-Sternkarte.

Leoh erkannte sie sofort: die spiralförmige Galaxie der Milchstraße. Vom Rand, wo sich Sonne und Erde befanden, bis zum Sternenreichen Herzen der Milchstraße erstreckte sich das Terranische Commonwealth — Tausende von Sonnen und Myriaden von Planeten. Auf Massans Karte glomm das Commonwealth-Territorium in zartgrüner Farbe. Direkt anschließend lag der goldene Sternhaufen von Acquatania. Darum verteilt gab es Namen, die Leoh nur flüchtig kannte: Safad, Szarno, Etra und ein stecknadelgroßer Punkt mit der Bezeichnung Kerak.

»Weder der Acquataine Cluster noch unsere Nachbarnationen haben sich je dem Terranischen Commonwealth angeschlossen«, sagte Massan. »Kerak übrigens auch nicht. Deshalb kann die Star Watch nur intervenieren, wenn alle Betroffenen damit einverstanden sind. Natürlich würde Kanus niemals die Star Watch akzeptieren. Er will aufrüsten.«

Leoh schüttelte den Kopf.

»Was die Duellmaschine betrifft«, fuhr Massan fort, »so hat Kanus sie in eine politische Waffe verwandelt… «

»Aber das ist unmöglich! Ihre Regierung hat strikte Gesetze für den Gebrauch der Maschine erlassen. Die Duellmaschine darf nur für private Streitigkeiten benutzt werden. Sie ist völlig unpolitisch.«

Massan schüttelte betrübt den Kopf. »Mein lieber Professor, Gesetze sind eine Sache, Menschen eine andere. Und Politik wird von Menschen gemacht, nicht von auf Tape gespeicherten Worten.«

»Da komme ich nicht mit«, meinte Leoh.

»Vor etwas mehr als einem terranischen Jahr brach Kanus einen Streit vom Zaun mit einer Nachbarnation — der Safad Federation. Er wollte ein besonders vorteilhaftes Handelsabkommen mit ihr abschließen. Der safanische Handelsminister lehnte sehr entschieden ab. Ein Mitglied der kerakischen Verhandlungsdelegation — ein gewisser Major Odal — hatte einen Wortwechsel mit dem Minister. Bevor die anderen es so richtig mitbekamen, hatten sich die beiden gegenseitig zum Duell herausgefordert. Odal siegte, und der Minister trat zurück. Er sagte, er könne Odals und Keraks Forderungen nicht länger abwehren… er sei psychisch unfähig dazu. Zwei Wochen später war er tot — offenbar Selbstmord, obwohl ich da meine Zweifel habe.«

»Das ist… außerordentlich interessant«, murmelte Leoh.

»Vor drei Tagen«, fuhr Massan fort, »verwickelte der gleiche Major Odal unseren Premierminister Dulaq in einen hitzigen Disput. Odal ist jetzt Militärattache bei der kerakischen Botschaft hier auf Acquatainia. Der Wortwechsel wurde so laut —vor einer größeren Gruppe von Zuhörern auf einem Botschaftsempfang —, daß dem Premierminister gar nichts mehr anderes übrigblieb, als Odal zu fordern. Und jetzt… «

»Jetzt liegt Dulaq im Koma, und Ihre Regierung wackelt.«

Massan richtete sich kerzengerade auf. »Unsere Regierung wird nicht stürzen, noch wird der Acquataine Cluster die Wiederbewaffnung der Kerak-Welten ruhig hinnehmen. Aber…« er senkte die Stimme, »… ohne Dulaq zerbröckeln unter Umständen unsere Bündnisse mit den Nachbarnationen. Alle unsere Verbündeten sind kleiner und schwächer als Acquatainia. Kanus könnte sie einzeln unter Druck setzen und sicherstellen, daß sie nichts gegen seine Aufrüstung unternehmen. Alleine kann Acquatainia Kanus nicht stoppen.«

»Aber wenn Kanus Sie angreift, können Sie doch die Star Watch zu Hilfe rufen und…«

»So einfach liegt die Sache nicht. Kanus wird eine kleine Nation nach der anderen schlucken. Er kann einen Überraschungsschlag führen und eine Nation unterwerfen, bevor die Star Watch herbeigerufen werden kann. Schließlich hat er uns völlig isoliert, ohne einen einzigen Verbündeten. Dann wird er Acquatainia angreifen oder vielleicht einen Umsturz von innen her versuchen. Wenn Acquatainia fällt, wird das nur seinen Appetit auf fettere Beute wecken: die Unterwerfung des Terranischen Commonwealth. Kanus schreckt vor nichts zurück.«

»Und die Duellmaschine benutzt er als Werkzeug für seine ehrgeizigen Ziele«, sinnierte Leoh. »Gentlemen, mir bleibt wohl nichts übrig, als in den Acquataine Cluster zu reisen. Die Duellmaschine fällt in meinen Verantwortungsbereich, und wenn ein technischer Fehler oder ein Bedienungsfehler aufgetreten ist, werde ich mein Bestes tun, ihn zu beheben.«

»Darum wollten wir Sie bitten«, sagte Massan. »Danke.«

Die acquatainische Szene verblaßte, und die drei Männer im Rektorat sahen wieder eine solide Wand vor sich.

»Also«, meinte Leoh und blickte den Rektor an, »es scheint, ich muß um einen längeren Urlaub bitten.«

Der Rektor runzelte die Stirn. »Und es scheint, ich muß ihnen diesen Urlaub gewähren — obwohl das Studienjahr kaum angefangen hat.«

»Tut mir leid, aber es ist unumgänglich«, sagte Leoh. Mit einem breiten Grinsen fügte er hinzu: »Mein Assistent hier kann ohne Schwierigkeiten die Kurse zu Ende führen. Vielleicht gelingt es ihm sogar, die Vorlesungen ohne Störungen abzuhalten.«

Der Hilfsdozent bekam einen hochroten Kopf.

»Und jetzt«, murmelte Leoh, »möchte ich doch gerne wissen, wer dieser Kanus ist und warum er die Kerak-Welten in ein Waffenarsenal verwandeln will.«

Kanzler Kanus, Oberster Führer der Kerak-Welten, stand am äußersten Rand des Balkons und blickte hinaus über die tiefe und schroffe Schlucht zu den zerklüfteten Bergen.

»Das sind die Kräfte, welche den Menschen prägen«, sagte er zu der kleinen Gruppe von Funktionären und Beratern. »Der heulende Sturm, das mächtige Gebirge, der offene Himmel und die dunklen Mächte der Wolken.«

Die Männer nickten und murmelten zustimmend.

»So wie die Berge aus dem unbedeutenden Flachland aufsteigen, so werden wir uns über die anonyme Masse Mensch erheben«, fuhr Kanus fort. »So wie sie Donner und Blitz fürchten, so werden sie uns fürchten und sich unserem Willen beugen.«

»Wir werden die Vergangenheit tilgen«, sagte einer der Minister.

»Und uns für die Niederlage rächen«, fügte Kanus hinzu. Er wandte sich um und betrachtete die kleine Gruppe von Männern. Kanus war der Kleinste auf dem Balkon: zierlich, schlank, mit einem hageren Gesicht. Die protzige Uniform paßte nicht recht zu ihm — zu groß und zu schwer, zu überladen mit Litzen, Tressen und Orden. Aber er verfügte über stechende schwarze Augen und eine befehlsgewohnte Stimme.

Er schlenderte durch die Gruppe und blieb vor einem großen schlanken, blonden jungen Mann stehen, der eine hellblaue Uniform trug. »Und Sie, Major Odal, sind ein wichtiges Werkzeug auf dem Weg zum Sieg.«

Odal verbeugte sich ungelenk. »Ich hoffe, meinem Führer und meinen Welten dienen zu können.«

»Das werden Sie. Und das haben Sie bereits«, sagte Kanus, und sein Gesicht leuchtete auf. »Schon reagieren die Acquatainier völlig konfus wie eine Schlange, der man den Kopf abgehackt hat. Ohne Dulaq fehlt ihnen die starke Führung. Was Ihren Anteil an diesem Triumph betrifft…« Kanus schnalzte mit den Fingern, worauf ein Mitarbeiter zu ihm trat und ihm eine kleine Ebenholz-Schatulle gab. »Ich überreiche Ihnen dies als Zeichen der Dankbarkeit der Kerak-Welten und als Ausdruck meiner persönlichen Wertschätzung.«

Odal klappte die Schatulle auf und entnahm ihr eine kleine juwelenbesetzte Anstecknadel.

»Der Stern von Kerak«, verkündete Kanus. »Es ist das erste Mal, daß er an einen anderen als einen todesmutigen Krieger auf dem Schlachtfeld verliehen wird. Aber wir haben schließlich ihre sogenannte zivilisierte Duellmaschine zu unserem eigenen Schlachtfeld gemacht, nicht wahr?«

Odal lächelte. »Jawohl, Sir, das haben wir. Ich danke Ihnen untertänigst, Sir. Das ist der größte Moment meines Lebens.«

»Bis jetzt, Major, bis jetzt. Es wird noch weitere Höhepunkte geben, noch größere Triumphe. Kommen Sie ins Haus. Wir haben viele Pläne zu besprechen… weitere Duelle… weitere Triumphe.«

Sie traten alle in Kanus’ großes, durchdacht eingerichtetes Arbeitszimmer. Der Führer ging durch den luxuriösen Raum und nahm hinter seinem erhöht angebrachten Schreibtisch Platz, während seine Untergebenen sich auf die Sessel und Sofas davor verteilten. Odal blieb in der Nähe der Tür stehen.

Kanus ließ seine Finger über die Tasten einer kleinen, in der Tischplatte versenkten Kontrollkonsole fliegen, und eine dreidimensionale Sternkarte erschien an der gegenüberliegenden Wand. In der Mitte leuchteten die elf Sonnen der Kerak-Welten. Zum Rand hin war der Acquataine Cluster zu sehen — reich, mächtig, die wirtschaftlich und politisch bedeutendste Nation in diesem Sektor der Galaxie. Noch weiter entfernt von Kerak erschien der äußerste Zipfel des Terranischen Commonwealth; um das ganze Commonwealth auf der Karte darzustellen, hätte man Acquatainia winzig und Kerak mikroskopisch klein machen müssen.

Kanus deutete auf die Karte und begann einen seiner obligatorischen Vorträge. Politische und militärische Ziele. Schon hatte er die Kerak-Welten durch seinen eisernen Willen geeint. Das Volk würde ihm folgen, wohin er es auch führte. Schon begannen die politischen Bündnisse, die nach dem letzten Krieg von den Acquatainiern abgeschlossen worden waren, zu zerbröckeln, jetzt, nachdem Dulaq ausgeschaltet war. Kerak rüstete auf. Ein politischer Handstreich hier, gegen die Szarno Confederation, um sie und ihre Rüstungsindustrie Kerak dienstbar zu machen. Dann eine diplomatische Allianz mit dem Etra Dominium, das zwischen dem Acquataine Cluster und dem Terranischen Commonwealth lag, um die Acquatainier zu isolieren. Dann schließlich der militärische Schlag gegen Acquatainia.

»Eine überraschende Offensive, schnelle, überfallartige Angriffe, und das acquatainische Regime wird zusammenbrechen wie ein Kartenhaus. Selbst wenn die Star Watch intervenieren sollte, würden wir als Sieger hervorgehen, bevor sie dem Acquataine Cluster zu Hilfe kommen kann. Und wenn wir die Rohstoffe und Hilfsquellen Acquatainias zu unserer Verfügung haben, können wir es mit jeder Macht in der Galaxie aufnehmen — sogar mit dem Terranischen Commonwealth!«

Die Männer im Zimmer nickten und lächelten.

Sie haben diesen Vortrag schon oft gehört, dachte Odal. Für ihn war es das erste Mal. Wenn man die Augen schloß oder nur die Sternkarte betrachtete, klang der Plan bizarr, weit hergeholt, nachgerade undurchführbar. Aber wenn man Kanus ansah und sich von diesen durchdringenden, fast hypnotischen Augen in Bann schlagen ließ, dann klangen die wildesten Visionen des Führers nicht nur erregend, sondern plausibel und fast wie selbstverständlich.

Odal lehnte sich mit der Schulter an die holzgetäfelte Wand und betrachtete die anderen Männer im Zimmer.

Da war der dicke Greber, Vizekanzler von Kerak, der krampfhaft versuchte wach zu bleiben, nachdem er beim Essen und danach zuviel Wein getrunken hatte. Und Modal, auf der Couch neben ihm, mit glänzenden und wachsamen Augen, dachte nur an den Geld- und Machtzuwachs für sich als Industrieminister, wenn das Rüstungsprogramm einmal auf vollen Touren lief.

Für sich auf einer anderen Couch saß Kor, der Stille, Chef der Geheimdienste und offiziell Odals Vorgesetzter. Der schweigsame Kor, dessen wenige Worte meist Terror auslösten bei denjenigen, denen sie galten. Kor verfügte über einen unerschöpflichen Vorrat an Grausamkeiten.

Marschall Lugal sah gelangweilt aus, solange Kanus über Politik sprach, aber sein Gesichtsausdruck änderte sich, als militärische Dinge zur Sprache kamen. Der Marshall lebte nur einem Ziel: die schmachvolle Niederlage seiner Streitkräfte in dem Krieg gegen Acquatainia wieder wettzumachen. Er war sich jedoch nicht im klaren darüber — wie Odal wußte —, daß Kanus ihn in die Wüste schicken und durch Jüngere ersetzen wollte, sobald er die Streitkräfte reorganisiert und wiederbewaffnet hatte. Jüngere Männer, deren Loyalität nicht dem Militär galt, nicht einmal den Kerak-Welten und ihren Völkern, sondern dem Führer persönlich.

Gebannt an den Lippen des Führers hing der kleine Tinth. Von aristokratischem Geblüt, Absolvent der Geisteswissenschaften, ein Student der Philosophie, hatte Tinth auf sein Erbe verzichtet und sich Kanus angeschlossen. Sein Lohn war das Ministerium für Erziehung. Zahllose Lehrer hatten unter ihm gelitten.

Und schließlich war da Romis, der Minister für Äußeres. Ein Berufsdiplomat, eines der wenigen Regierungsmitglieder aus der Zeit vor Kanus’ Machtübernahme, die bis jetzt überlebt hatten. Es war klar, daß Romis den Kanzler haßte. Aber er hatte den Kerak-Welten loyal gedient. Das Diplomatische Corps hatte die Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Handelsabkommen in Safad tadellos geführt, wenn sie auch niemals von Erfolg gekrönt worden wären ohne Odals Arbeit mit der Duellmaschine. Odal wußte, daß es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis Romis und Kanus einander an die Gurgel gingen.

Der Rest von Kanus’ Zuhörern bestand aus Hofberichterstattern, ehemaligen Schlägern, die in den Rang von Leibwächtern aufgestiegen waren, und ein paar treuen Anhängern, die noch aus der Zeit stammten, als Kanus seine politischen Reden in Kellern gehalten hatte und sich vorzugsweise in dunklen Altstadtgassen herumtrieb, um der Polizei nicht in die Hände zu laufen. Kanus hatte es weit gebracht: von einem unbekannten Nichts bis zu den hehren Höhen des Kanzler-Landsitzes.

Geld, Macht, Ruhm, Rache, Patriotismus: jede im Raum, der Kanus lauschte, hatte seinen privaten Beweggrund, dem Kanzler zu dienen.

Und meine Motive? fragte sich Odal. Warum folge ich ihm? Durchschaue ich meine Beweggründe so leicht wie die der anderen?

Natürlich gab es da Pflichtbewußtsein. Odal war Soldat, Kanus der offiziell gewählte Regierungschef. Nachdem er gewählt worden war, hatte er allerdings das Parlament aufgelöst und seine eigene Macht so ausgebaut, daß er zum uneingeschränkten Herrscher über die Kerak-Welten geworden war.

Es lohnte sich, gute Arbeit unter Kanus zu leisten. Unabhängig von seinen politischen Ambitionen und seiner Tyrannei belohnte er großzügig, wer ihn zufriedenstellte. Der Orden — der Stern von Kerak — brachte eine Rente mit sich, von der eine Familie bequem leben konnte. Sofern ich eine hätte, dachte Odal. Auch um eine gewisse Macht ging es. Wenn er die Duellmaschine auf seine spezielle Weise benutzte und einen Mann zu einem Nichts zerquetschte, die Schwachstellen in dessen Persönlichkeit suchte und sie ausnutzte, wenn er seinen Intellekt mit anderen maß, wenn er dünkelhaft hochmütige Männer wie Dulaq in hilflose gezüchtigte Köter verwandelte — das war Macht. Und es war Macht, die in Kerak nicht unbemerkt blieb. Auf der Straße wurde Odal bereits erkannt; vor allem Mädchen schienen sich zu ihm hingezogen zu fühlen.

»Am wichtigsten ist es«, sagte Kanus, »und das kann ich gar nicht genug betonen, eine Aura der Unbesiegbarkeit zu schaffen. Deshalb ist Ihre Arbeit so wichtig, Major Odal. Sie müssen unbesiegbar sein! Denn Sie verkörpern den Willen der Kerak-Welten. Sie sind das Instrument meines Willens, und Sie müssen bei jedem Einsatz siegen. Das Schicksal Ihres Volkes und Ihres Kanzlers ruht jedesmal auf Ihren Schultern, wenn Sie eine Duellmaschine betreten. Dieser Verantwortung haben Sie sich bis jetzt würdig gezeigt. Können Sie es auch weiterhin?«

»Das kann ich, Sir«, antwortete Odal, »und ich werde es.«

Kanus strahlte. »Ausgezeichnet. Denn Ihr nächstes Duell — und alle kommenden — werden auf Leben und Tod sein.«


Das Raumschiff brauchte zwei Wochen für die Reise von Carinae zum Acquataine Cluster. Dr. Leoh verbrachte die Zeit damit, über eine direkte Tri-Di-Verbindung die acquatainische Duellmaschine zu überprüfen. Die acquatainische Regierung stellte ihm alle nötigen Techniker und Sendekanäle zur Verfügung.

Seine freie Zeit verbrachte Leoh soweit wie möglich mit den anderen Passagieren. Sie waren alle ungeheuer reich, wie es Raumschiffreisende nun einmal sein mußten, oder sie reisten in offizieller Regierungsmission — und auf Regierungskosten. Leoh war gesellig, ein guter Unterhalter, und er verfügte über einen ausgewogenen Humor. Besonders beliebt war er bei jüngeren Damen, da er inzwischen ein Alter erreicht hatte, in dem er ihnen gefahrlos die schmeichelhaftesten Komplimente machen konnte. Trotzdem gab es lange einsame Stunden in seiner Luxsuskabine mit nichts weiter als seinen Erinnerungen. Bei solchen Gelegenheiten war es ihm unmöglich, nicht an den langen Weg zu denken, den er bis hierher zurückgelegt hatte.


Albert Robertus Leoh, Doktor der Philosophie, Professor der Physik, Professor der Elektronik, Magister der Computer-Technologie, Erfinder der interstellaren Tri-Di-Kommunikation. Und, noch nicht solange zurückliegend, Student der Psychologie, Professor der Psychophysiologie, Begründer von Psychonics Incorporated, Erfinder der Duellmaschine.

Während seiner Jugendjahre, mit einem von Erfahrung noch ungetrübten Enthusiasmus, hatte Leoh es als seine Aufgabe angesehen, der Menschheit dabei zu helfen, ihre Kolonien und Zivilisationen über die gesamte Galaxie auszubreiten. Das bittere Jahrhundert der galaktischen Kriege hatte in seiner Kindheit geendet, und nun waren die menschlichen Gesellschaftssysteme von Planet zu Planet in mehr oder weniger friedlichen Koalitionen vereint.

In diesen menschlichen Kulturen gab es zwei große treibende Kräfte, die jedoch entgegengesetzten Zielen zustrebten. Einerseits gab es den Drang zu erforschen, neue Sterne, neue Planeten zu erreichen, die Grenzen menschlicher Zivilisation auszudehnen und neue Kolonien, neue Staaten zu gründen. Gegen diesen Drang zur Expansion stand eine ähnlich starke Kraft: die Erkenntnis, daß auf allen von Menschen zivilisierten Welten die Technologie körperliche Arbeit ganz und Armut fast abgeschafft hatte. Der Drang, zu neuen Grenzen vorzustoßen, war eingepfercht und lebendig begraben unter dem verweichlichenden Zivilisationskomfort.

Das Resultat war unausweichlich. Auf den zivilisierten Welten wurde es immer voller. Sie wurden zu dichtgepackten menschlichen Inseln, dünn gesprenkelt über einen Kosmos, der nach wie vor übersät war mit unbewohnten Planeten. Die Kosten und Schwierigkeiten interstellarer Reisen wurden oft als Entschuldigung angeführt. Die Raumschiffe waren tatsächlich teuer: ihr Energieverbrauch war unfaßbar. Sie konnten für kommerzielle Zwecke eingesetzt werden, zum Vergnügen für die wenigen Superreichen, für offizielle Missionen; aber ganze Kolonien von Farmern und Facharbeitern zu transportieren, kam praktisch nicht in Frage. Nur die entschlossensten (und am besten finanzierten) Kolonistengruppen konnten sich das leisten. Die restliche Menschheit akzeptierte die Bequemlichkeit und Sicherheit der Zivilisation und lebte in den aus allen Nähten platzenden Städten der übervölkerten Planeten.

Ihr Lebensraum war eingeschränkt durch ihre Nachbarn und durch Gesetze und Verordnungen. Wachsende Bevölkerungsdichte bedeutete laufend eingeschränkte Freiheiten. Die Freiheit zu träumen, sich ungebunden zu bewegen, sich fortzupflanzen, all das wurde zu verstaatlichten, staatlich kontrollierten Privilegien.

Und Leoh hatte zu dieser Situation beigetragen.

Er hatte mit seinen Ideen und mit seiner Arbeit dazu beigetragen. Hatte oft und regelmäßig seinen Beitrag geleistet. Das interstellare Kommunikationssystem war lediglich eine herausragende Leistung unter vielen. Leoh hatte fast das vorzeitige Pensionierungsalter für Wissenschaftler erreicht, als er erst begriff, was er und seine Kollegen angerichtet hatten. Ihre Anstrengungen, das Leben reicher und erfüllter zu gestalten, hatten es lediglich weniger mühsam und stärker reglementiert gemacht. Leoh entdeckte, daß jede neue physische Bequemlichkeit einherging mit einem Ansteigen seelischer Störungen — Neurosen, Gewaltverbrechen, Gemütskrankheiten. Zum ersten Mal seit Generationen brachen sinnlose Konkurrenzkämpfe zwischen Sternenwelten aus. Abgesehen von bedeutungslosen Scharmützeln war der Friede der Galaxie nach außen hin gesichert; aber unter der polierten Oberfläche menschlicher Zivilisation entwickelte sich ein Vulkan, von der Star Watch durchgeführte Polizeiaktionen nahmen beängstigend zu. Kleinkriege zwischen ehemals stabilen Völkergruppen flammten andauernd auf.

Sobald Leoh begriff, welche Rolle er in alldem gespielt hatte, sah er sich mit zwei Empfindungen konfrontiert: einem tiefen Schuldgefühl, sowohl persönlicher wie auch fachlicher Natur, und, als Gegensatz dazu, dem festen Willen, etwas zu tun, irgend etwas, um der Menschheit ihren gestörten Seelenfrieden zurückzugeben.

Leoh kehrte Physik und Elektronik den Rücken und widmete sich der Psychologie. Statt sich zur Ruhe zu setzen, stellte er einen Immatrikulationsantrag für sein neues Fach. Die Gesetze und Vorschriften des Commonwealth mußten sehr großzügig gedehnt und ausgelegt werden, aber für einen Mann von Leohs Format konnten Mittel und Wege gefunden werden. Leoh wurde noch einmal Student, dann Forscher und schließlich Professor für Psychophysiologie.

Greifbares Ergebnis war die Duellmaschine. Eine Kombination aus Elektroenzephalograph und Autocomputer. Eine Traummaschine, welche die Phantasie eines Menschen so verstärkte, daß er völlig in eine selbstgeschaffene Welt eintauchen konnte. Leoh sah die Maschine als ein Instrument, mit dem die Menschheit sich gefahrlos ihrer Aggressionen und Verklemmungen entledigen konnte. Psychiater und Psychotechniker setzten die Maschine bei der Behandlung ihrer Patienten ein. Aber Leoh sah weiter, sah, daß der psychonische Apparat — als eine Duellmachine — benutzt werden konnte, um geistigen und seelischen Störungen vorzubeugen. Und er überredete viele Regierungen, zu diesem Zweck Duellmaschinen aufzustellen.

Wenn zwei Männer eine ernste Meinungsverschiedenheit hatten, gewichtig genug, um gerichtliche Schritte zu ergreifen, konnten sie zur Duellmaschine gehen statt vor Gericht. Statt untätig zuzusehen, wie die Mühlen der Justiz unpersönlich und langsam mahlten, konnten sie in der Duellmaschine ihrer aggressiven Phantasie freien Lauf lassen. Sie konnte ihre Differenzen so gewalttätig beilegen, wie sie wollten, ohne sich selbst oder einen anderen dabei zu verletzen. Auf den meisten zivilisierten Welten wurde das Ergebnis eines sachgerecht durchgeführten Duells als juristisch bindend angesehen.

In der Duellmaschine konnte man sich der Zivilisationszwänge entledigen — zeitweise zumindest. Es war ein machtvolles Instrument, zu gefährlich, um es zur wahllosen Benutzung freizugeben. Leoh schützte daher seine Erfindung durch die Gründung eines privaten Unternehmens, Psychonis Incorporated, und sicherte sich eine Exklasiolizenz vom Terranischen Commonwealth, die Maschinen herzustellen, zu vertreiben, aufzustellen und zu warten. Seine Kunden waren staatliche Gesundheitsämter und Justizbehörden. Gesetzlich war er dem Commonwealth gegenüber verantwortlich, moralisch der gesamten Menschheit und persönlich seinem eigenen rastlosen Gewissen.

Die Duellmaschinen waren ein durchschlagender Erfolg. Sie funktionierten so gut und sogar noch besser, als Leoh vorausgesehen hatte. Aber er wußte, daß sie nur ein Notbehelf waren, Flickwerk an einem immer wieder überspülten Damm. Die eigentlich notwendige, die wirkliche Lösung des Problems war irgendein Mittel, die Menschen zu überzeugen, daß sie nach diesen vielen unbesiedelten, unerforschten Sternen in der Galaxie greifen, daß sie die Annehmlichkeiten der Zivilisation gegen die erregende Freiheit neuer Horizonte eintauschen sollten.

Leoh hatte nach diesem Mittel geforscht, als ihn die Nachricht von Dulaqs Duell erreichte. Nun raste er über Lichtjahre und hoffte inbrünstig, daß seine Duellmaschine nicht versagt haben möge.

Der zweiwöchige Flug endete. Das Raumschiff nahm eine Parkbahn um den Zentralplaneten des Acquataine Clusters ein. Die Passagiere wurden mit einer Shuttle zum Raumhafen gebracht.

Am Landeterminal wurde Dr. Leoh von einer offiziellen Abordnung erwartet, angeführt von Massan, dem amtierenden Premierminister. An der Landeluke tauschten sie formelle Grüße aus, während die anderen Passagiere neugierig und verwundert vorbeiströmten. Als sie mit dem Gleitband zu einem gesonderten Eingang des Verwaltungsgebäudes fuhren, bemerkte Leoh:

»Wie Sie wahrscheinlich wissen, habe ich während der vergangenen zwei Wochen Ihre Duellmaschine auf Herz und Nieren überprüft. Ich konnte keinen Fehler finden.«

Massan hob die Schultern. »Vielleicht hätten Sie statt dessen die Maschine auf Szarno inspizieren sollen.«

»Die Szarno Federation? Deren Duellmaschine?«

»Ja. Heute morgen hat Kanus’ Killer einen Mann darin getötet.«

»Er hat wieder mal ein Duell gewonnen, meinen Sie.«

»Sie verstehen nicht«, erwiderte Massan grimmig. »Major Odals Gegner — ein Industrieller, der sich gegen Kanus ausgesprochen hatte — wurde in der Duellmaschine umgebracht. Der Mann ist tot!«


Commander-in-Chief der Star Watch zu sein, hat auch ein paar Vorzüge, sinnierte der alte Mann, man kann jeden Planeten im Commonwealth besuchen.

Er stand auf einer kleinen Erhebung und blickte über die grasbewachsene Tafelebene von Kenia. Dies war sein Geburtsland, Terra sein Heimatplanet. Das offizielle Hauptquartier der Star Watch befand sich im Herzen eines Sternhaufens, der wesentlich näher am Zentrum des Commonwealth lag, aber die Erde war der Ort, nach dem der Commander sich zurücksehnte, als er älter und müder wurde.

Ein Adjutant, der dem Commander in respektvollem Abstand gefolgt war, unterbrach plötzlich die Tagträumerei des alten Mannes.

»Sir, eine Nachricht für Sie.«

Der Commander warf dem jungen Offizier einen finsteren Blick zu. »Habe ich nicht ausdrücklich Order gegeben, daß ich nicht gestört sein will?«

Der Offizier, schlank und kerzengerade in seiner schwarzsilbernen Uniform, antwortete: »Ihr Stabschef hat die Nachricht an Sie weitergeleitet, Sir. Sie stammt von Dr. Leoh von der Carinae-Universität. Persönlich und dringend, Sir.«

Der alte Mann brummte unwirsch, nickte aber. Der Adjutant stellte eine kleine Kristallkugel vor dem Commander auf den Boden. Die Luft über der Kugel begann zu flimmern und zu glühen.

»Hier ist Sir Harold Spencer«, sagte der Commander.

Die wirbelnde Luft schien sich zusammenzuziehen und eine feste Form anzunehmen. Dr. Leoh saß auf seinem Schreibtischstuhl und blickte zu dem stehenden Commander auf.

»Harold, freut mich ehrlich, dich mal wiederzusehen«, sagte Leoh und stand auf.

Spencers strenger Blick wurde weich, und sein fleischiges Gesicht verzog sich zu einem faltenreichen Lächeln. »Albert, du alter Hexenmeister! Was soll das heißen, meinen ersten Heimataufenthalt seit fünfzehn Jahren zu stören?«

»Es dauert nicht lange«, versprach Leoh. »Ich wollte dich nur über etwas informieren…«

»Du hast meinem Stabschef gesagt, es sei dringend«, grollte Sir Harold.

»Ist es auch. Aber es ist keine Sache, die größere Aktionen von deiner Seite erfordert. Noch nicht. Bist du mit der jüngsten politischen Entwicklung auf den Kerak-Welten vertraut?«

Spencer schnaubte abfällig. »Ich weiß, daß ein Barbar namens Kanus dort den Diktator spielt. Ein Unruhestifter. Ich habe vom Commonwealth Council die Genehmigung zu bekommen versucht, ihn zu neutralisieren, bevor er Unheil anrichtet, aber du kennst ja das Council… die warten erst ab, bis es brennt, und rufen dann jammernd nach der Star Watch!«

Grinsend erwiderte Leoh: »Temperamentvoll wie eh und je, unser Harold.«

»Mein Charakter ist sicher nicht das Thema dieser ziemlich teuren Unterhaltung. Was ist mit Kanus, und wie kommst du dazu, dich mit Politik zu befassen? Willst du mal wieder den Beruf wechseln?«

»Nein, ganz und gar nicht«, antwortete Leoh lachend. Dann wieder ernst: »Es scheint, daß Kanus eine Methode entdeckt hat, sich mit Hilfe der Duellmaschine politische Vorteile über seine Nachbarn zu verschaffen.«

Leoh erklärte die Umstände von Odals Duell mit Dulaq und dem Szarnoter Industriellen.

»Dulaq liegt im Koma, und der andere arme Kerl ist tot?« Spencers Gesicht verdüsterte sich. »Du hattest recht, mich anzurufen. Das ist eine Situation, die sehr schnell untragbar werden kann.«

»Ganz meine Meinung«, sagte Leoh. »Aber Kanus hat offensichtlich keine Gesetze oder interstellaren Vereinbarungen verletzt. Äußerlich sind es nur zwei bedauerliche Unfälle, beide allerdings zum Vorteil von Kanus.«

»Glaubst du, daß es Unfälle waren?«

»Natürlich nicht. Die Duellmaschine kann keine körperlichen oder geistigen Schäden verursachen — es sei denn, jemand hätte daran herumgebastelt.«

Spencer schwieg einen Moment und ließ sich die Sache durch den Kopf gehen. »Also gut. Die Star Watch kann offiziell nichts unternehmen, aber niemand hindert mich daran, einen Offizier zum Acquataine Cluster abzukommandieren, der Verbindung zwischen uns beiden hält.«

»Gut. Das dürfte für den Augenblick die beste Lösung sein.«

»Ich erledige das.«

Sie Harolds Adjutant machte sich eine Notiz.

»Besten Dank«, sagte Leoh. »Jetzt will ich deinen Urlaub nicht länger stören.«

»Urlaub? Das ist kein Urlaub. Ich feiere zufällig meinen Geburtstag.«

»So? Na, denn herzlichen Glückwunsch. Ich versuche an meinen nicht zu denken.«

»Dann mußt du älter sein als ich«, versetzte Spencer und erlaubte sich die Andeutung eines Lächelns.

»Könnte möglich sein.«

»Aber nicht sehr wahrscheinlich, wie?«

Sie lachten und verabschiedeten sich. Bis zum Sonnenuntergang spazierte der Commander der Star Watch durch das Grasland und genoß den Blick auf das Grün und die fernen, purpurnen Berge, die ihm seit seiner Kindheit vertraut waren. Als es dämmrig wurde, bedeutete er seinem Adjutanten, daß er jetzt abreisebereit sei.

Der Adjutant aktivierte eine Taste an seinem Gürtel, und ein zweisitziges Aero-Car stieg von einem fernen Hügel auf und kam geräuschlos herangeschwebt. Spencer kletterte schwerfällig hinein, wobei der Adjutant diskret an seiner Seite blieb. Als der Commander seinen Platz eingenommen hatte, eilte der Adjutant um das Aero-Car herum und stieg auf der anderen Seite ein. Der Gleiter hob ab und schwebte zu Spencers Planetenschiff, das auf einem nahe gelegenen Landeplatz wartete.

»Vergessen Sie nicht, einen Offizier für Dr. Leoh abzustellen«, murmelte Spencer, zu seinem Adjutanten gewandt. Dann drehte er sich um und genoß die unübertroffene Schönheit eines terranischen Sonnenuntergangs.

Der Adjutant vergaß den Auftrag nicht. An diesem Abend, während Sir Harolds Planetenschiff dem Rendezvous mit seinem Raumkreuzer entgegenflog, diktierte der Adjutant die nötigen Instruktionen in einen Autodispatcher, der sie sofort zum nächsten Kommunikationscenter der Star Watch auf dem Mars abstrahlte.

Der Befehl wurde vollautomatisch ausgewertet, mit Leitvermerken versehen und schließlich an den Kommandanten einer Star-Watch-Einheit abgestrahlt, die dem Acquataine Cluster am nächsten stationiert war, auf dem sechsten Planeten der Sonne Perseus Alpha. Hier wurde der Befehl erneut automatisch bearbeitet und über das lokale Hauptquartier an die Personalkartei weitergeleitet. Die Computerkartei wählte selbsttätig drei Mikrofilm-Dossiers aus, die zu den Spezifikationen des Befehls paßten.

Die drei Mikrofilme und der Originalbefehl erschienen simultan auf dem Schreibtischterminal des Star-Watch-Personaloffiziers von Perseus Alpha VI. Er schaute sich den Befehl an, studierte dann die Dossiers. Er drückte eine Taste, die ihm den aktualisierten Status der drei Kandidaten gab. Einer stand kurz vor seinem Urlaub nach einem verlängerten Dienstturnus.

Der zweite war der Sohn eines guten Freundes des örtlichen Kommandanten. Der dritte war erst vor ein paar Wochen eingetroffen, frisch von der Star-Watch-Akademie.

Der Personaloffizier entschied sich für den dritten Mann, gab dessen Dossiers und Sir Harolds Order wieder in das automatische Bearbeitsystem ein und widmete sich erneut dem Film mit den primitiven Tänzerinnen, den er betrachtet hatte, bevor diese entscheidungfordernde Angelegenheit auf seinem Schreibtisch gelandet war.


Die Raumstation, die Acquatainias Zentralplanet umkreiste, diente gleichzeitig als Transitpunkt zwischen Raumschiffen und Planetenschiffen, als Touristenattraktion, meteorologische Station, wissenschaftliches Laboratorium, Kommunikationscenter, Sternwarte, Zuflucht für Allergie- und Herzkranke und als militärischer Stützpunkt. Genau betrachtet war es eine mittelgroße Stadt mit eigenen Supermärkten, eigener Verwaltung und einer eigenen Lebensform.

Dr. Leoh hatte gerade die Abflugrampe des Raumschiffs aus Szarno verlassen. Der Trip dorthin war sinnlos und erfolglos gewesen. Aber er war trotzdem geflogen, in der schwachen Hoffnung, einen Fehler an jener Duellmaschine zu finden, in der ein Mensch umgebracht worden war. Ein Schauder überlief ihn, als er sich durch die automatischen Zoll-Scanner und Identifizierungs-Robots drängte. Was konnten das für Menschen sein auf Kerak? Die vorsätzlich ein Leben auslöschten?

Die kaltblütig den Tod eines Mitmenschen planten? Schlimmer als Barbaren. Wilde waren das.

Er fühlte sich erschöpft, als er die Zollkontrolle verließ und’ das Gleitband zu der planetarischen Shuttle nahm. Sogar das zivilisierte Stimmengewirr der Reisenden und Touristen störte ihn, trotz der schalldämmenden Plastikverkleidung des Gleitbandkorridors. Er beschloß, sich am Infoschalter nach deponierten Nachrichten zu erkundigen. Dieser Star-Watch-Offizier, den ihm Sir Harold vor einer Woche versprochen hatte, müßte inzwischen eingetroffen sein.

Der Infoschalter bestand aus einer kleinen Kabine, die ein Computerterminal und ein attraktives dunkelhaariges Mädchen beherbergte. Leoh kam zudem Schluß, daß trotz aller Automatisierung keine Maschine das Lächeln eines hübschen Mädchens ersetzen konnte.

Ein schlaksiger Bursche mit schmalem Gesicht lehnte an der Theke, die Beine nervös gekreuzt. Er versuchte eine Unterhaltung mit dem Mädchen in Gang zu bringen. Er hatte krause blonde Haare und kristallblaue Augen; bekleidet war er mit einer schlechtsitzenden Hose und einer Tunika. Eine kleine Reisetasche stand neben ihm auf dem Boden.

»Na ja, da habe ich mir also gedacht… vielleicht könnte mich jemand… äh… ein bißchen herumführen«, stammelte er, zu dem Mädchen gewandt. »Ich war noch nie hier… ich meine, äh, auf Acquatainia… es ist das erste Mal, meine ich…«

»Das ist der herrlichste Planet in der ganzen Galaxie«, erklärte das Mädchen. »Die Städte sind wunderschön.«

»Ja… also, ich habe mir gedacht… na ja, vielleicht… vielleicht könnten Sie…?«

Sie setzte ein kühles Lächeln auf. »Ich verlasse die Station nur sehr selten. Hier gibt es so viel zu sehen und zu tun.«

»So…«

»Das ist ein Fehler«, mischte sich Leoh ein. »Wenn Sie solch einen herrlichen Planeten vor der Haustür haben, warum im Namen aller Götter des Intellekts besuchen Sie ihn dann nicht und genießen ihn? Ich wette, Sie waren in keiner einzigen dieser wunderschönen Städte, von denen Sie gerade gesprochen haben, seit Sie hier auf der Station zu arbeiten begannen.«

»Aber ja, Sie haben recht!« erwiderte sie ganz verdutzt.

»Sehen Sie? Ihr Jungen seid doch alle gleich. Ihr denkt nie über eure Nasenspitze hinaus. Sie sollten auf den Planeten zurückkehren, junge Dame, und mal wieder echten Sonnenschein tanken. Warum besuchen Sie nicht mal die Universität in der Hauptstadt? Großzügige Anlagen und Grünflächen, eine Menge Sonne und eine Menge unbeweibter junger Männer.«

Leoh grinste breit, und das Mädchen lächelte zurück. »Keine schlechte Idee«, meinte sie.

»Fragen Sie nach mir, wenn Sie zur Universität kommen. Ich bin Dr. Leoh. Ich sorge dafür, daß Sie mit ein paar Studenten bekannt gemacht werden.«

»Aber… ja, vielen Dank, Dr. Leoh. Ich nehme mir das kommende Wochenende dafür frei.«

»Fein. Jetzt — haben Sie irgendwelche Nachrichten für mich? Sucht jemand auf der Station nach mir?«

Das Mädchen wandte sich um und drückte ein paar Tasten am Computerterminal. Eine Reihe roter Lämpchen blinkte kurz auf. Sie drehte sich wieder zu Leoh um.

»Nein, Sir. Tut mir leid, nichts.«

»Hm. Sehr merkwürdig. Trotzdem, vielen Dank… Und ich erwarte Sie an diesem Wochenende.«

Das Mädchen lächelte zum Abschied. Leoh machte sich auf den Weg, zurück zum Gleitband. Der junge Mann trat einen Schritt auf ihn zu, stolperte über seine Reisetasche und taumelte ein paar Meter, bevor er sein Gleichgewicht wiederfand. Leoh wandte den Kopf und sah, daß der junge Mann ein merkwürdiges Gesicht machte, eine Mischung aus Unentschlossenheit und Neugier.

»Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte er und blieb am Rande des Gleitbands stehen.

»Wie… wie haben Sie das gemacht, Sir?«

»Was gemacht?«

»Das Mädchen dazu gebracht, die Universität zu besuchen.

Ich habe, äh, eine halbe Stunde auf sie eingeredet, und sie… äh…wollte mich nicht mal ansehen.«

Leoh lachte verhalten. »Nun ja, junger Mann, zuerst einmal waren Sie viel zu nervös. Das hat Sie zu begierig erscheinen lassen. Andererseits bin ich in einem Alter, in dem ich das Väterliche herauskehren kann. Sie war ihnen gegenüber auf der Hut, mir gegenüber jedoch nicht.«

»Ich verstehe… glaube ich jedenfalls.«

»Ja.« Leoh deutete auf das Gleitband. »Hier trennen sich unsere Wege wohl.«

»O nein, Sir. Ich komme mit Ihnen. Das heißt, ich meine… Sie sind doch Dr. Leoh, oder?«

»Ja, der bin ich. Und Sie müssen… « Leoh zögerte. Kann das ein Star-Watch-Offizier sein? fragte er sich.

Der junge Mann nahm Haltung an, und einen absurden Moment lang dachte Leoh, er würde salutieren. »Junior Lieutenant Hector, Sir, zum Sondereinsatz abkommandiert vom Kreuzer SW4-J188, Heimatbasis Perseus Alpha VI.«

»Aha«, brummte Leoh. »Hmm… Ist Hector Ihr Vorname oder Ihr Familienname?«

»Beides, Sir.«

Hätte ich mir denken können, stöhnte Leoh innerlich. Laut sagte er: »Na schön, Lieutenant, begeben wir uns lieber zur Fähre, bevor sie ohne uns abfliegt.«

Sie betraten das Gleitband. Eine halbe Sekunde darauf sprang Hector wieder ab und raste zum Infoschalter, um seine Reisetasche zu holen. Dann eilte er zu Leoh zurück, stieß mit sieben verdutzten Reisenden zusammen und brach sich fast die Beine, als er auf das rollende Gleitband aufsprang und dabei stürzte. Er fiel aufs Gesicht, je eine Körperhälfte auf zwei verschieden schnell laufenden Bändern, und benötigte die Hilfe einer älteren Dame, bevor er wieder auf den Füßen war und neben Leoh stand.

»Ich… entschuldigen Sie den, äh, Trubel, Sir.«

»Nicht schlimm. Sie haben sich doch nicht verletzt, oder?«

»Äh, nein… anscheinend nicht. Ist mir nur schrecklich peinlich.«

Leoh sagte nichts. Schweigend fuhren sie mit dem Gleitband durch die belebte Station und hinaus zu den Bays, wo die planetarischen Shuttles angedockt hatten. Sie betraten eines der Schiffe und suchten sich zwei Sitzplätze.

»Wie lange sind Sie eigentlich schon bei der Star Watch, Lieutenant?«

»Sechs Wochen, Sir. Drei Wochen an Bord eines Schiffes, das mich nach Perseus Alpha brachte, eine Woche auf der Planetenbasis dort und zwei Wochen an Bord des Kreuzers… äh, SW4-J188. Die Besatzung nannte ihn den Alten Fetteimer… nach dem Captain, glaube ich. Ich meine natürlich sechs Wochen nachdem ich mein Patent bekam… ich war vier Jahre auf der, äh, Akademie.«

»Sie haben die Akademie in vier Jahren geschafft?«

»Das ist die Regelstudienzeit.«

»Ja, ich weiß.«

Das Schiff erhob sich langsam aus seiner Bay. Einen Moment lang befanden sie sich im freien Fall, dann zündeten die Haupttriebwerke, und die Schwerkraft kehrte zurück.

»Sagen Sie, Lieutenant, wie sind Sie für diesen Einsatz ausgewählt worden?«

»Wenn ich das nur wüßte«, erwiderte Hector, das Gesicht in verwirrte Falten gelegt. »Ich habe an einem Programm für den Navigationsoffizier gearbeitet… auf dem Kreuzer. Ich bin sehr geschickt in solchen Dingen… Computerprogramme kann ich so ziemlich im Kopf ausarbeiten. Mathematik war mein bestes Fach auf der Akademie.«

»Interessant.«

»Ja, also, ich arbeitete an diesem Programm, und da kam der Captain persönlich auf das Deck, schüttelte mir die Hand und eröffnete mir, daß ich aufgrund eines direkten Befehls des Commanders-in-Chief für einen Sondereinsatz nach Acquatainia abgestellt sei. Er sah sehr glücklich aus… der Captain, meine ich.«

»Wahrscheinlich hat er sich darüber gefreut, daß Sie mit solch einem ungewöhnlichen Auftrag betraut wurden«, sagte Leoh taktvoll.

»Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte Hector treuherzig. »Ich glaube, er hat mich als… na ja, so eine Art Problemfall betrachtet. An Bord des Kreuzers teilte er mich praktisch jeden Tag für einen anderen Dienst ein.«

»Jetzt sagen Sie«, wechselte Leoh das Thema, »was wissen Sie über Psychonik?«

»Über was, Sir?«

»Äh… Elektroenzephalographie?«

Hector machte ein verständnisloses Gesicht.

»Psychologie vielleicht?« fragte Leoh hoffnungsvoll. »Physiologie? Computer Moletronics, also elektronischer Computermißbrauch?«

»Von Mathematik verstehe ich ziemlich viel!«

»Ja, ich weiß. Haben Sie, rein zufällig, einen Lehrgang in Diplomatie mitgemacht?«

»Auf der Star-Watch-Akademie? Nein, Sir.«

Leoh fuhr sich durch das schüttere Haar. »Warum hat dann die Star Watch ausgerechnet Sie für diesen Job ausgesucht. Ich muß gestehen, daß ich die Arbeitsweise einer militärischen Organisation nicht ganz begreife.«

Geknickt schüttelte Hector den Kopf. »Ich auch nicht, Sir, ich auch nicht.«


Die folgende Woche zog sich qualvoll in die Länge für Dr. Leoh, der seine Zeit zu gleichen Teilen darauf verwendete, die einzelnen Komponenten der Duellmaschine auf Herz und Nieren zu überprüfen und schändliche Tricks zu erfinden, um Hector so oft und so weit wie möglich von der Maschine fernzuhalten.

Der Star Watchman war begierig darauf zu helfen, und seine Fähigkeit, komplexe mathematische Aufgaben im Kopf zu lösen, grenzte schon an Genialität. Aber er war auch, wie Leoh fand, ein tolpatschiges, plapperndes, pfeifendes, flatterhaftes Nerven- und Geräuschbündel. Konzentriertes Arbeiten war in seiner Gegenwart unmöglich.

Vielleicht beurteilst du ihn zu streng, ermahnte sich Leoh. Möglicherweise hat dich der Ärger über die Maschine aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht.

Der Professor saß in dem Arbeitszimmer, das die Acquatainier ihm zur Verfügung gestellt hatten, in der einen Ecke des ehemaligen Hörsaals, in dem jetzt die Duellmaschine stand. Leoh konnte die reglose Metallmasse durch die offene Tür sehen. Der Raum, in dem er saß, gehörte zu einer ganzen Büroflucht, die normalerweise das Bedienungspersonal der Duellmaschine beherbergte. Es war jedoch bis auf den letzten Mann ausgezogen, aus Rücksicht auf Leoh (vielleicht auch aus gekränkter Eitelkeit), und die acquatainische Regierung hatte die kleinen Büros in Aufenthaltsräume für Leoh und den Star Watchman umbauen lassen.

Leoh lehnte sich zurück und betrachtete müde den dicken Papierstapel, auf dem die letzten Probeläufe der Maschine aufgezeichnet waren. Heute morgen hatte er die EEG-Aufzeichnungen klinischer Fälle von Katatonie in die Maschine eingespeist. Die Duellmaschine hatte sie sofort zurückgewiesen und sich geweigert, sie in den Verstärker-Units und den Assoziationsfeldern zu verarbeiten. Mit anderen Worten, die Maschine hatte diese EEG-Hirnstromkurven als eine für Menschen schädliche Anomalie erkannt.

Aber wie ist das mit Dulaq passiert? fragte er sich zum tausendsten Mal. An der Maschine konnte es nicht liegen; es mußte etwas in Odals Geist sein, das Dulaq überwältigt hatte.

Überwältigt? Ein verdammt laienhafter Ausdruck, schimpfte Leoh innerlich.

Bevor er seine private Debatte fortsetzen konnte, hörte er den Haupteingang des großen Hörsaals aufgleiten und wieder zuknallen, dann hallte Hectors schrilles und unmelodisches Pfeifen durch den hohen Raum.

Leoh seufzte und verschob sein innerliches Streitgespräch. Im Beisein von Hector logisch zu denken, war ein hoffnungsloses Unterfangen.

»Sind Sie da, Professor?« erklang die Stimme des Star Watchmans.

»Hier drinnen.«

Hector kam durch die Tür geschossen und verstaute seine langen Glieder auf der Couch. »Wie läuft’s, Professor?«

Leoh zuckte die Achseln. »Leider nicht besonders gut. Ich kann keinen Fehler an der Duellmaschine finden. Ich kann sie nicht einmal dazu bringen, fehlerhaft zu arbeiten.«

»Na, das ist doch prima, oder?« trällerte Hector vergnügt.

»In gewisser Weise schon«, räumte Leoh ein, leicht verärgert über Hectors grenzenlosen und unbegründeten Optimismus. »Aber, verstehen Sie, das bedeutet, daß Kanus’ Leute Sachen mit der Maschine anstellen können, die ich nicht fertigbringe.«

Hector ließ sich das Problem durch den Kopf gehen. »Hmm… ja, das stimmt auch wieder.«

»Haben Sie das Mädchen sicher zu ihrem Schiff zurückgebracht?« fragte Leoh.

»Yessir«, bestätigte Hector und nickte nachdrücklich. »Sie ist schon auf dem Rückweg zu ihrem Infoschalter in der Raumstation. Sie bedankt sich herzlich bei Ihnen und läßt Ihnen ausrichten, daß sie den Besuch sehr genossen habe.«

»Fein. Nett von Ihnen, daß Sie das Mädchen auf dem Campus herumgeführt haben. Dadurch ist sie mir wenigstens nicht in die Quere gekommen.«

Hector grinste. »Ach, es hat mir Spaß gemacht, ihr alles zu zeigen… na ja, und außerdem bin ich Ihnen dadurch nicht in die Quere gekommen, richtig?«

Leohs Brauen schossen in die Höhe.

Lachend sagte Hector: »Professor, ich bin vielleicht etwas tolpatschig, und ein Wissenschaftler bin ich ganz bestimmt nicht… aber für völlig hirnlos dürfen Sie mich nicht halten.«

»Tut mir leid, wenn ich diesen Eindruck gemacht habe.«

»Nein, nein… Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. So habe ich es nicht gemeint… das heißt, na ja, ich weiß, daß ich Ihnen im Weg bin… « Er wollte gehen.

Leoh winkte ihn auf die Couch zurück. »Nur mit der Ruhe, mein Junge. Wissen Sie, ich habe hier den ganzen Nachmittag gesessen und überlegt, was ich jetzt tun soll. Irgendwie bin ich in diesem Moment zu einem Entschluß gekommen.«

»Ja?«

»Ich werde den Acquataine Cluster verlassen und nach Carinae zurückkehren.«

»Was? Das können Sie doch nicht tun! Ich meine…«

»Warum nicht? Hier erreiche ich nichts. Egal was hinter Kanus’ oder Odals Aktionen steckt, es ist im Grunde genommen ein politisches Problem, kein wissenschaftliches. Das Bedienungspersonal der Maschine wird Odal früher oder später auf die Schliche kommen.«

»Aber, Sir, wenn Sie schon die Antwort nicht finden können, wie sollen die es dann schaffen?«

»Offengestanden, ich weiß es nicht. Aber, wie gesagt, es ist eher ein politisches als ein technisches Problem. Ich bin müde und frustriert und spüre meine Jahre. Ich möchte nach Carinae zurückkehren und die nächsten paar Monate herrliche abstrakte Probleme wälzen, wie zum Beispiel die technischen Möglichkeiten verzögerungsfreien Transports. Sollen sich Massan und die Star Watch mit Kanus herumärgern.«

»Oh! Deswegen bin ich eigentlich zu Ihnen gekommen. Massan wurde von Odal zum Duell gefordert.«

»Was?«

»Heute nachmittag. Odal ging zur Zentralen Verwaltung, begann mitten in der Haupthalle einen Streit mit Massan und forderte ihn heraus.«

»Massan hat angenommen?« fragte Leoh.

Hector nickte.

Leoh beugte sich vor und griff nach dem Tri-Di-Communicator. Es dauerte ein paar Minuten, und zahlreiche Sekretärinnen, Sekretäre und Assistenten waren zu überwinden, aber schließlich erschien Massans dunkles, bärtiges Gesicht auf dem Bildschirm über dem Schreibtisch.

»Sie haben Odals Herausforderung angenommen?« erkundigte sich Leoh, ohne lange Vorrede.

»Wir treffen nächste Woche zusammen«, erwiderte Massan ernst.

»Sie hätten ablehnen sollen.«

»Unter welchem Vorwand?«

»Kein Vorwand. Eine entschiedene Ablehnung, gegründet auf die Gewißheit, daß Odal oder sonst jemand aus Kerak die Duellmaschine manipuliert.«

Betrübt schüttelte Massan den Kopf. »Verehrter Professor, Sie begreifen die politische Lage nicht ganz. Die Regierung von Acquatainia steht dichter vor dem Kollaps, als ich es öffentlich zuzugeben wage. Die Koalition von Sternennationen, die Dulaq gezimmert hatte, um Kerak zu neutralisieren, ist völlig auseinandergebrochen. Kerak rüstet bereits auf. Heute morgen hat Kanus erklärt, daß er Szarno mit seiner enormen Rüstungsindustrie annektieren wolle. Heute nachmittag fordert mich Odal… «

»Ich verstehe, glaube ich…«

»Natürlich. Die acquatainische Regierung ist jetzt gelähmt, bis der Ausgang des Duells bekannt ist. In der Szarno-Krise können wir nicht wirkungsvoll intervenieren, solange wir nicht wissen, wer nächste Woche die Regierung führt. Und ganz offen gesagt, mehr als nur ein paar Kabinettsangehörige sympathisieren jetzt offen mit Kanus und argumentieren, wir sollten freundschaftliche Beziehungen zu ihm herstellen, bevor es zu spät dazu sei.«

»Um so mehr Grund haben Sie, das Duell zu verweigern«, beharrte Leoh.

»Und mich in meinem eigenen Kabinett der Feigheit bezichtigen lassen?« Massan schüttelte den Kopf. »In der Politik, mein lieber Professor, bedeutet das Image eines Mannes sehr viel — gelegentlich mehr als das, was dahintersteckt. Als ein Feigling könnte ich mich nicht sehr lange im Amt halten. Aber als Sieger in einem Duell gegen den unüberwindlichen Odal… oder selbst als Märtyrer… erreiche ich vielleicht etwas Positives.«

Leoh schwieg.

»Ich habe mir eine Woche Zeit ausbedungen«, fuhr Massan fort, »länger wagte ich das Duell nicht hinauszuzögern. Ich hoffe, daß Sie in dieser Frist Odals Geheimnis entdecken. So wie es aussieht, kann die politische Situation jeden Moment explodieren.«

»Ich nehme die Maschine auseinander und setze sie wieder zusammen, Molekül für Molekül«, versprach Leoh.

Als Massans Bild auf dem Schirm verblaßte, wandte sich Leoh zu Hector um. »Es bleibt uns eine Woche, sein Leben zu retten.«

»Und, äh, vielleicht einen Krieg zu verhindern.«

»Ja.« Leoh lehnte sich zurück und starrte ins Leere.

Hector scharrte mit den Füßen, kratzte sich die Nase, pfiff eine schrille Melodie und platzte schließlich heraus: »Wie können Sie die Duellmaschine auseinandernehmen?« wiederholte Hector. »Ich meine… na ja, es ist doch ein Riesenjob für eine Woche.«

»Allerdings. Aber, mein Junge, vielleicht schaffen wir es —wir beide zusammen.«

Hector kratzte sich am Schädel. »Tja, wissen Sie, Sir… ich bin nicht besonders… also meine Noten in Praktischer Mechanik auf der Akademie…«

Leoh lächelte ihm zu. »Sie brauchen keine handwerklichen Fähigkeiten, mein Junge. Sie wurden doch für den Kampf ausgebildet, stimmt’s? Wir können diesen Job im Kopf erledigen.«


Es wurde die merkwürdigste Woche ihres Lebens.

Leohs Plan war einfach: die Duellmaschine zu testen, sie bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu bringen, durch praktischen Einsatz — durch Duelle.

Sie begannen ganz langsam, ließen vorsichtig ihre geistigen Muskeln spielen. Leoh hatte die Maschine früher häufig benutzt, aber nur für routinemäßige Leistungstests. Nie im echten Kampf gegen einen anderen Mann. Für Hector war die Maschine natürlich völlig neu.

Das acquatainische Bedienungspersonal machte sich ohne große Fragen an die Arbeit und erwies sich für Leoh als unschätzbare Hilfe bei der Überwachung und Analyse der Duelle.

Zuerst spielten Leoh und Hector nichts weiter als Verstecken, wobei der eine sich eine bestimmte Umgebung auswählte, und er andere ihn suchen mußte. Sie wanderten durch Dschungel und Großstädte, über Gletscher und durch interplanetarische Räume, alles ohne je die Kabinen der Duellmaschine zu verlassen.

Dann, als Leoh zufriedengestellt war, daß die Maschine Gedankenmuster originalgetreu reproduzierte und verstärkte, begannen sie leichte Duelle auszutragen. Sie fochten mit stumpfen Klingen. Leoh stellte sich ungeschickt an, denn er verstand nichts vom Säbelfechten, und seine Reflexe waren viel langsamer als Hectors. Die Maschine veränderte nicht das Wissen und Können eines Mannes oder seine körperlichen Fähigkeiten; sie projizierte sie lediglich in einen Traum, den er mit einem anderen Mann teilte. Sie paarte Leohs Wissen und Erfahrung mit Hectors. Dann versuchten sie andere Waffen — Pistolen, Sonic-Strahler, Granaten —, aber immer dachten sie sich vorsichtshalber in Schutzkleidung gehüllt. Obwohl Hector an diesen Waffen ausgebildet war, gewann Leoh seltsamerweise die meisten Runden. Er war weder schneller noch akkurater beim Scheibenschießen. Aber wenn sich die beiden Auge in Auge gegenüberstanden, siegte Leoh irgendwie fast immer.

Die Maschine projiziert mehr als nur Gedanken, dämmerte es Leoh. Sie projiziert Persönlichkeit.

Sie arbeiteten jetzt Tag und Nacht mit der Duellmaschine, saßen zwölf Stunden am Tag oder länger in den Kabinen, trieben sich und das Bedienungspersonal an den Rand der Erschöpfung. Wenn sie zwischen Duellen ihre Mahlzeiten hinunterschlangen, fühlten sie sich körperlich zerschlagen und schlechtgelaunt. Über der täglichen Manöverkritik in Leohs Büro schliefen sie gewöhnlich ein.

Nach und nach wurden die Duelle ernster. Leoh trieb jetzt die Maschine an ihre Leistungsgrenze, vergrößerte bei jedem Waffengang vorsichtig die Härte. Obwohl er bei jeder Runde ganz genau wußte, wie weit er gehen wollte, mußte er sich oft mit Gewalt daran erinnern, daß es sich tatsächlich nur um eingebildete Kämpfe handelte.

Als die Duelle gefährlicher wurden und die künstlich verstärkten Halluzinationen mit Blutvergießen und Tod zu enden begannen, siegte Leoh immer häufiger. Ein Teil seines Verstandes versuchte die Ursache für den Dauererfolg zu ergründen. Aber ein anderer Teil von ihm fing an, die Überlegenheit zu genießen.

Die Anstrengungen gingen an Hector nicht spurlos vorüber. Die körperlichen Strapazen des praktisch pausenlosen Einsatzes waren schon beträchtlich. Aber der emotionale Effekt, wiederholt »verletzt« oder »getötet« zu werden, war noch weit schlimmer.

»Vielleicht sollten wir eine Weile aufhören«, schlug Leoh am vierten Tag vor.

»Nein, ich bin okay.«

Leoh betrachtete ihn. Hectors Gesicht war eingefallen, seine Augen blutunterlaufen.

»Sie sind fix und fertig«, stellte Leoh fest.

»Hören Sie jetzt nicht auf«, bat Hector. »Ich… ich kann jetzt nicht aufhören. Geben Sie mir bitte die Chance. Ich werde besser… heute nachmittag habe ich zweimal so lange ausgehalten wie bei den Duellen heute morgen. Bitte, machen Sie jetzt nicht Schluß… nicht solange ich völlig am Boden zerstört bin…«

Leoh starrte ihn an. »Sie wollen weitermachen?«

»Ja, Sir.«

»Und wenn ich nein sage?«

Hector zögerte. Leoh spürte, wie er mit sich rang. »Wenn Sie nein sagen«, antwortete er dumpf, »dann bleibt es eben dabei. Ich habe nicht mehr die Kraft, mich mit Ihnen zu streiten.«

Leoh schwieg einen langen Moment. Schließlich zog er eine Schreibtischlade auf und nahm eine kleine Flasche heraus. »Hier, nehmen Sie eine Schlafkapsel. Wenn Sie aufwachen, versuchen wir es noch einmal.«

Bei Morgengrauen machten sie weiter. Leoh war entschlossen, Hector gewinnen zu lassen. Er überließ dem jungen Star Watchman die Wahl der Waffen und Umweltbedingungen. Hector entschied sich für einsitzige Scout-Schiffe in einer planetarischen Umlaufbahn. Ihre Waffen waren konventionelle Laser-Strahler. Aber trotz seiner festen Absicht stellte Leoh fest, daß er am Gewinnen war! Die Schiffe umkreisten einen namenlosen Planeten, und ihre Bahnen kreuzten sich mindestens einmal pro Umlauf. Das Problem war, die orbitale Position des Gegners vorauszuschätzen und dann das eigene Schiff so zu programmieren, daß es entweder hinter oder neben dem »Feind« auftauchte. Dann konnte man die Geschütze auf ihn richten, bevor er selbst feuerbereit war.

Das Problem hätte leicht zu lösen sein sollen für Hector, mit seinen phantastischen Kopfrechenfähigkeiten. Aber Leoh erzielte den ersten Treffen. Hector hatte sein Schiff in eine ausgezeichnete Schußposition manövriert, aber die Salve lag weit daneben. Leoh manövrierte unbeholfen, sein Schuß streifte jedoch Hectors Schiff an der Seite.

Bei den nächsten drei Begegnungen erzielte Leoh zwei weitere Treffer. Hectors Fahrzeug war jetzt stark beschädigt. Der Star Watchmann hatte einen Streifschuß anbringen können. Bei der nächsten Begegnung hatte Leoh wiederum besser vorausgeschätzt als sein junger Gegner. Er richtete seine Geschütze auf Hectors Schiff, zögerte dann aber, die Hand reglos über der Feuertaste.

Bring ihn nicht wieder um, mahnte er sich. Eine weitere Niederlage kann er seelisch nicht verkraften.

Aber Leohs Hand senkte sich, wie von einem fremden Willen gesteuert, auf die Feuertaste und berührte sie leicht; noch ein Gramm Druck, und die Geschütze würden Feuer speien.

In diesem Moment des Zögern riß Hector sein waidwundes Schiff herum und zielte auf Leoh. Der Watchmann schoß einen blendenden Strahl ab, der Leohs Fahrzeug von Bug bis Heck erschütterte. Leohs Hand drückte die Feuertaste nieder; ob es ein reiner Reflex oder volle Absicht war, das wußte er nicht.

Leohs Salve beharkte Hectors Schiff, stoppte es aber nicht. Die beiden Raumfahrzeuge rasten direkt aufeinander zu. Verzweifelt versuchte Leoh, einer Kollision zu entgehen, aber Hector kam grimmig näher und paßte sich jedem Ausweichmanöver Leohs an.

Die beiden Schiffe prallten zusammen und explodierten.

Unvermittelt fand sich Leoh in der engen Kabine der Duellmaschine’ wieder, schweißüberströmt und mit zitternden Händen.

Er kletterte aus der Kabine und holte tief Atem. FreundlicheSonnenstrahlen fielen in den hohen Raum. Die weißen Wände schimmerten blendend hell. Durch die hohen Fenster konnte er Bäume sehen und die ersten Studenten und die Wolken am Himmel.

Hector gesellte sich zu ihm. Zum ersten Mal seit mehreren Tagen lächelte der Watchman wieder. Nicht viel, aber immerhin. »Also… dieses Mal war es ein Unentschieden.«

Leon lächelte zurück, leicht gequält. »Ja. Es war eine… interessante Erfahrung. Ich bin noch nie gestorben.«

»So schlimm ist es nicht, finde ich«, erwiderte Hector etwas verlegen. »Es… es nimmt einen aber doch ganz schön mit.«

»Ja. Das kann ich jetzt nachempfinden.«

»Wollen wir noch mal«, fragte Hector und machte eine Kopfbewegung zur Maschine.

»Nein. Jetzt nicht. Verschwinden wir ein paar Stunden. Haben Sie Hunger?«

»Und ob!«

In den nächsten anderthalb Tagen trugen sie noch zahlreiche weitere Duelle aus. Hector gewann drei davon. Es war später Nachmittag, als Leoh haltmachte.

»Wir können noch ein paar Runden schaffen«, meinte der Watchman.

»Nicht nötig«, erwiderte Leoh. »Ich habe alle Daten, die ich brauche. Morgen trifft sich Massan mit Odal, falls wir es nicht verhindern können. Vor morgen früh haben wir noch eine Menge zu tun.«

Hector plumpste auf die Couch. »Ist mir ganz recht. Ich glaube, ich bin in den letzten sieben Tagen um sieben Jahre gealtert.«

»Nein, Hector«, sagte Leon sanft, »du bist nicht gealtert. Du bist gereift.«

Finsteres Zwielicht herrschte, als der Roadster auf seinem Luftkissen vor der kerakischen Botschaften zum Halten kam.

»Ich halte es nach wie vor für einen Fehler, dort hineinzugehen«, sagte Hector. »Ich meine, Sie hätten ihn doch auch über Tri-Di anrufen können, oder?«

Leoh schüttelte den Kopf. »Einer Regierungsbehörde darfst du nie die Möglichkeit geben zu sagen: ›Augenblick bitte, ich verbinden.‹ Sie hocken sich zusammen und beratschlagen, was sie mit dir anfangen sollen. In neunzehn von zwanzig Fällen leiten sie deinen Anruf in eine Abwimmel-Abteilung weiter oder gar zu einem automatischen Anrufbeantworter, der ›Tut uns leid, Sir‹ flötet.«

»Trotzdem«, beharrte Hector, »Sie begeben sich auf, gewissermaßen feindliches Territorium.«

»Die würden es nicht wagen, uns ein Haar zu krümmen.«

Hector schwieg, schien aber nicht überzeugt zu sein.

»Paß auf«, sagte Leoh, »es gibt nur zwei Menschen, die Licht in diese Angelegenheit bringen können. Dulaq ist der eine, und sein Geist ist uns auf unbestimmte Zeit verschlossen. Odal ist der einzige Mensch, der weiß, was sich bei diesen Duellen abgespielt hat.«

Zweifelnd schüttelte Hector den Kopf. Leoh zuckte die Achseln und öffnete die Tür des Roadsters. Hector blieb nichts übrig, als ebenfalls auszusteigen und Leoh den Weg entlang zum Haupteingang der Botschaft zu folgen. Das Gebäude stand öde und grau in der Abenddämmerung, umgeben von einer säuberlich gestutzten Hecke. Der Eingang wurde von zwei Evergreenbäumen flankiert, schlank wie zwei Schildwachen.

Direkt hinter der Tür trafen Leoh und Hector auf eine Empfangsdame. Sie sah ein wenig zerzaust aus, als sei sie erst vor einer Sekunde an ihren Tisch beordert worden. Sie fragten nach Odal, wurden in ein Zimmer geführt und erfuhren wenige Minuten später von dem Mädchen — zu Hectors großem Erstaunen —, daß Major Odal in Kürze zu sprechen sei.

»Siehst du«, bemerkte Leoh jovial, »wenn du persönlich erscheinst, haben sie kaum Gelegenheit, sich zu überlegen, wie sie dich wieder loswerden sollen.«

Hector sah sich in dem fensterlosen Raum um und betrachtete die massive, fest geschlossene Tür. »Hinter dieser Tür dürfte es jetzt ziemlich hektisch hergehen. Ich meine… vielleicht überlegt man gerade, wie man uns am besten los wird… auf Dauer!«

Leoh setzte gerade zu einer Antwort an, als die Tür aufging und Odal ins Zimmer trat. Er trug eine hellblaue Uniform mit Rangabzeichen an der Schulter und dem Stern von Kerak auf der Brust.

»Dr. Leoh — es ist mir eine Ehre«, sagte er mit einer leichten Verbeugung. »Und Mr. Hector… oder ist es Leutnant Hector?«

»Junior Lieutenant Hector«, erwiderte der Watchman mit einer Schärfe, die Leoh überraschte.

»Lieutenant Hector assistiert mir«, erklärte der Professor, »und er ist Verbindungsoffizier zu Commander Spencer.«

»So«, kommentierte Odal. Er bedeutete ihnen, Platz zu nehmen. Hector und Leoh setzten sich auf eine luxuriöse Couch, während Odal sich einen Holzstuhl heranzog und sich ihnen gegenübersetzte. »Also, was führt Sie zu mir?«

»Ich möchte, daß Sie Ihr morgiges Duell mit Minister Massan verschieben«, sagte Leoh.

Odals schmales Gesicht verzog sich zu einem dünnen Lächeln. »Hat Massan einer Verschiebung zugestimmt?«

»Nein.«

»Warum sollte ich dann zustimmen?«

»Um ganz offen zu sein, Major, ich befürchte, daß jemand an der Maschine, die Sie für Ihre Duelle benutzen, herummanipuliert hat. Unterstellen wir mal, daß Sie nichts davon wissen. Ich ersuche Sie, von weiteren Duellen abzusehen, bis wir dieser Sache auf den Grund gegangen sind. Die Duellmaschinen dürfen auf keinen Fall für politische Attentate benutzt werden.«

Odals Lächeln verschwand. »Ich bedaure, Professor, aber ich kann das Duell nicht verschieben. Was eine Manipulation an der Maschine betrifft, so kann ich Ihnen versichern, daß weder ich noch sonst ein Keraker die Maschinen in unzulässiger Weise angerührt hat.«

»Vielleicht sind Sie sich nicht der vollen Tragweite dieser Angelegenheit bewußt«, sagte Leoh. »In der vergangenen Woche haben wir die Duellmaschine hier auf Acquatainia ausgiebig getestet. Wir stellten fest, daß die Leistung der Maschine erheblich beeinflußt werden kann durch die Persönlichkeit und die Geisteshaltung eines Benutzers. Sie haben zahlreiche Duelle ausgefochten. Ihre Erfahrung, sowohl als Berufssoldat wie auch mit der Maschine, verschafft Ihnen einen entschiedenen Vorteil gegenüber Ihren Gegnern.«

»Aber selbst wenn ich das alles berücksichtige, bin ich doch nach wie vor überzeugt, daß man in der Maschine niemand umbringen kann — unter normalen Bedingungen. Wir haben diese Tatsache in unseren Tests demonstriert. Eine unmanipulierte Maschine kann keine körperlichen Schäden verursachen.«

»Trotzdem haben Sie bereits einen Mann getötet und einen zweiten zum Invaliden gemacht. Wo soll das enden?«

Odals Gesicht blieb ausdruckslos, bis auf ein schwaches Glitzern tief in den Augen. Seine Stimme war leise, aber sie besaß die Schärfe einer fachmännisch geschliffenen Klinge. »Meinen Background und meine Erfahrung können Sie mir nicht zum Vorwurf machen. Und an Ihrer Maschine habe ich nicht herumgepfuscht.«

Die Tür öffnete sich, und ein stämmiger, rundschädeliger Mann trat ein. Er trug einen dunklen Straßenanzug, so daß es unmöglich war, seine Funktion in der Botschaft zu erraten.

»Darf ich den Gentlemen Erfrischungen anbieten?« fragte er mit tiefer Stimme.

»Nein danke«, wehrte Leoh ab.

»Ein Glas kerakischen Wein vielleicht?«

»Nun…«

»Wir… äh, möchten nichts trinken«, murmelte Hector. »Trotzdem vielen Dank.«

Der Mann zuckte die Achseln und setzte sich auf einen Stuhl neben der Tür.

Odal wandte sich wieder Leoh zu. »Sir, ich muß meine Pflicht erfüllen. Massan und ich duellieren uns morgen. Ich sehe mich außerstande, das Duell zu verschieben.«

»Na schön«, sagte Leon. »Erlauben Sie mir wenigstens, ein paar spezielle Instrumente in Ihrer Kabine anzubringen, damit wir das Duell besser überwachen können? Bei Massan würden wir das gleiche tun. Ich weiß, Duelle sind normalerweise Privatsphäre, und rein rechtlich gesehen könnten Sie meine Bitte ablehnen, aber moralisch…«

Auf Odals Gesicht erschien wieder das Lächeln. »Sie möchten gerne meine Gedanken überwachen. Sie aufzeichnen und feststellen, wie ich mich während des Duells verhalte. Interessant…« Der Mann an der Tür erhob sich und sagte: »Wenn Sie keine Erfrischungen wünschen, Gentlemen…«

Odal drehte sich zu ihm um. »Nein, besten Dank.«

Ihre Blicke trafen sich einen Moment lang. Der Mann schüttelte unmerklich den Kopf und ging dann.

Odal wandte seine Aufmerksamkeit wieder Leoh zu. »Tut mir leid, Professor, aber ich kann Ihnen nicht gestatten, meine Gedanken während des Duells zu überwachen.«

»Aber…«

»Ich bedaure. Wie Sie selbst unterstrichen haben, gibt es keine gesetzliche Grundlage für solch eine Forderung. Ich muß ablehnen und hoffe nur, daß Sie Verständnis dafür haben.«

Leoh erhob sich langsam. »Nein, dafür habe ich absolut kein Verständnis. Sie sitzen hier und verschanzen sich hinter Gesetzen, wo wir beide sehr genau wissen, daß Sie morgen Massan umbringen wollen.« Mit zornbebender Stimme fuhr Leoh fort: »Sie haben meine Erfindung in ein Mordinstrument verwandelt. Aber mich haben Sie sich damit zum Feind gemacht. Ich finde heraus, wie Sie es getan haben, und dann werde ich nicht ruhen, bis Sie und Ihresgleichen unschädlich gemacht sind — auf einem Planeten für gemeingefährliche Verrückte!«

Hector öffnete die Tür. Er und Leoh gingen aus dem Zimmer und ließen Odal allein zurück. Nach ein paar Minuten kam der Mann im dunklen Anzug zurück.

»Ich habe gerade mit dem Führer am Tri-Di gesprochen und die Genehmigung für eine kleine Planänderung erhalten.«

»Eine Planänderung, Minister Kor?«

»Nach Ihrem Duell morgen heißt Ihr nächster Gegner Dr. Leoh«, sagte Kor. »Er ist der nächste, der sterben muß.«


Dicht und undurchdringlich wirbelten die Nebel um Fernd Massan. Blind starrte er durch die nutzlose Sichtscheibe seines Helms, dann griff er über den Kopf und brachte den Infrarot-Detektor vor seinem Blickfeld an.

Ich hätte nie geglaubt, daß eine Halluzination so realistisch sein kann, dachte Massan.

Seit Odals Herausforderung war ihm die Umwelt fast unwirklich erschienen. Eine Woche lang hatte er mechanisch gelebt und gehandelt, sich dabei wie ein Unbeteiliger gefühlt, wie ein Zuschauer, der seinen eigenen Körper aus einiger Entfernung beobachtete. Die Zusammenkunft seiner Freunde und Kollegen letzte Nacht, am Vorabend des Duells — diese schweigende Gruppe von Leuten mit Leichenbittermienen —, all das war ihm ganz unwirklich vorgekommen.

Aber jetzt, in diesem künstlichen Trauma, jetzt schien er kraftvoll lebendig zu sein. Jede Empfindung war dicht, geballt, stimulierend. Er spürte das Blut in seinen Adern pochen. Er wußte, daß Odal irgendwo draußen in diesem Nebel steckte. Und der Gedanke, sich mit diesem Killer zu messen, erfüllte ihn mit einer merkwürdigen Befriedigung.

Massan hatte viele Jahre im Auftrag seiner Regierung auf den reichen, aber unwirtlichen Hochgravitationsplaneten des Acquataine Clusters verbracht. Dies war die Umgebung, die er sich ausbedungen hatte: erdrückende Schwerkraft; extrem hoher Luftdruck; eine Atmosphäre aus Ammoniak und Wasserstoff, mit freiem Schwefel und sonstigen wertvollen, aber tödlichen Chemikalien angereichert; Ozeane aus flüssigem Methan und Ammoniak; »fester Boden«, der aus rasch zerfallendem, erodierendem Eis bestand; extreme Winde, die einen Eisberg um den halben Planeten wirbeln konnten; Finsternis; Gefahr; Tod.

Er steckte in einer Schutzausrüstung, die halb gepanzerte Raumkombination, halb Transportmaschine war. Ein internes Flüssigkeitspolster ließ ihn die vierfach höhere Schwerkraft einigermaßen ertragen, trotzdem war der Anzug plump und klobig, und man konnte sich nur langsam damit vorwärts bewegen, trotz der unterstützenden Servomotoren.

Die Waffe, die er gewählt hatte, war denkbar einfach: eine kleine Sauerstoffkapsel. Aber in einer Wasserstoff/Ammoniak-Atmosphäre wirkte Sauerstoff wie ein hochbrisanter Sprengstoff. Massan trug mehrere dieser »Bomben« am Gürtel. Odal ebenfalls. Aber der Trick dabei ist dachte Massan, sie unter diesen extremen Bedingungen zielgenau zu werfen; die korrekte Entfernung, die korrekte Wurfbahn. Nicht einfach zu erlernen, jedenfalls nicht ohne jahrelange Übung.

Die Bedingungen des Duells waren einfach: Massan und Odal befanden sich auf einem zerklüfteten Eisberg, der in einer tückischen Strömung in dem Methan/Ammoniak-Ozean entlanggewirbelt wurde. Das Eis zerfiel rasch. Das Duell sollte enden, wenn der Eisberg geschmolzen war.

Massan stelzte durch das zerklüftete Terrain. Die Greifer und Laufrollen seines Schutzanzugs paßten sich automatisch dem unebenen Gelände an. Er konzentrierte sich auf den Infrarot-Detektor, der vor seiner Sichtscheibe hing.

Ein kopfgroßer Eisbrocken kam mit der steilen Flugbahn, wie sie typisch für hohe Gravitation ist, durch die trübe Atmosphäre gesegelt und krachte gegen die Schulter von Massans Anzug. Der Aufprall war so stark, daß Massan einen Moment das Gleichgewicht verlor, bevor die Servos kompensieren konnten. Massan zog den Arm aus dem Ärmelteil und betastete von innen das Schultergelenk. Verbogen, aber nicht durchschlagen. Ein Leck wäre verhängnisvoll, tödlich gewesen. Dann erinnerte er sich: Natürlich, ich kann nur getötet werden durch eine direkte Aktion meines Gegners. Das ist eine der Spielregeln. Trotzdem tastete er sorgfältig den Schultersaum ab, um sich zu überzeugen, daß er nicht leckte. Die Duellmaschine und ihre Regeln schienen so entrückt und unwesentlich, verglichen mit diesem heulenden Inferno.

Eifrig durchkämmte er den Eisberg, entschlossen, Odal aufzuspüren und zu töten, bevor ihr schwimmendes Eiland sich aufgelöst hatte. Gewissenhaft erkundete er jeden Vorsprung, jede Spalte, jeden Hang, arbeitete sich langsam von einem Ende des Eisbergs zum anderen vor. Hin und zurück, kreuz und quer, und mit den Infrarot-Sensoren tastete er die gesamten 360 Grad um sich herum ab.

Es war zeitraubend. Sogar mit den Servomotoren und den Rückstoßdüsen kam er auf dem Eis und gegen die heftigen Böen nur mühsam voran. Aber Massan kämpfte sich weiter und unterdrückte die wachsende Angst, daß Odal überhaupt nicht hier sein mochte.

Und dann nahm er einen flüchtigen Schatten auf seinem Detektor wahr. Etwas, oder jemand, war hinter einen Eisvorsprung geschlüpft, ziemlich an der Kante des Eisbergs.

Langsam und vorsichtig arbeitete sich Massan zum Fuß der Eisklippe vor. Er löste eine der Sauerstoffbomben vom Gürtel und packte sie mit der rechten Greifklaue. Vorsichtig schob er sich am Fuß der Eisklippe entlang und stand schließlich auf einem schmalen Vorsprung zwischen der Klippe und der brodelnden See. Niemand war zu sehen. Er stellte seine Detektoren auf maximale Reichweite und ließ seinen Blick an der steilen Eiswand emporwandern.

Da war er! Die schattenhaften Umrisse eines Mannes schoben sich auf den Detektorschirm. Und im gleichen Moment hörte Massan ein gedämpftes Brausen, dann ein rumpelndes, polterndes Geräusch, das rasch lauter und bedrohlicher wurde. Ein weiterer Blick zur Klippe zeigte ihm eine kleine Eislawine, die auf ihn zurutschte, rollte, polterte. Dieser Teufel hat oben auf der Klippe eine Bombe ausgelöst!

Massan versuchte auszuweichen, aber es war schon zu spät. Der erste Eisbrocken prallte harmlos von seinem Helm ab, aber die folgenden brachten ihn in so dichter Folge aus dem Gleichgewicht, daß die Servos nicht mehr schnell genug kompensieren konnten. Hilflos torkelte er ein paar Augenblicke, während immer mehr Eis auf ihn herabrauschte, dann stürzte er von dem schmalen Vorsprung in die kochende See.

Ruhig bleiben! befahl er sich. Keine Panik! Der Anzug ist schwimmfähig. Die Servos halten dich aufrecht. Durch einen Unfall kannst du nicht getötet werden. Odal muß dir persönlich den Gnadenstoß geben.

Am Rückenteil seines Anzugs befand sich ein Hilfstriebwerk. Wenn er sich korrekt orientierten konnte, würde ein Druck auf die Kontrolltaste an seinem Gürtel die Raketen zünden und ihn auf den Eisberg zurücktragen. Er drehte etwas den Kopf im Helm und versuchte in dem Infrarot-Detektor die Entfernung zu dem Eisberg abzuschätzen. Es war schwierig, weil der Anzug in der brodelnden Strömung wie ein Korken tanzte.

Am Ende entschloß er sich, die Raketen zu zünden und notwendige Kurskorrekturen während des Flugs vorzunehmen. Doch er konnte seine Hand nicht bewegen.

Er versuchte es, aber sein gesamter rechter Arm war verklemmt. Er konnte ihn keinen Millimeter bewegen. Das gleiche galt für den linken Arm. Etwas, oder jemand, hielt ihn an den Armen fest. Er konnte sie nicht einmal aus den Ärmelteilen herausziehen.

Massan warf sich hin und her und versuchte die Fessel abzuschütteln. Ohne Erfolg.

Dann wurde der Detektorschirm von der Sichtscheibe abgehoben. Er spürte leichte Erschütterungen an seinem Helm. Die Sauerstoffschläuche! Jemand machte sich daran zu schaffen.

Er schrie und versuchte sich freizukämpfen. Sinnlos. Mit einem Zischen lösten sich die Luftschläuche vom Helm. Massan spürte seinen Pulsschlag am ganzen Körper, während er sich krampfhaft wehrte.

Und nun wurde er unter die Oberfläche gedrückt. Erneut schrie er und wand sich verzweifelt. Die brodelnde See stieg über seine Sichtscheibe. Er war untergetaucht. Und jetzt… jetzt schraubte jemand die Sichtscheibe auf.

Nein! Nicht! Die ätzende Methan/Ammoniak-See gurgelte durch die halboffene Sichtscheibe.

»Es ist nur ein Traum!« brüllte Massan. »Nur ein Traum! Ein Traum! Ein…«

Dr. Leoh starrte auf das Tischtuch, ohne es wirklich wahrzunehmen. Der Restaurantbesuch war Hectors Idee gewesen. Vor drei Stunden hatte man Massan aus der Duellmaschine geholt — tot.

Teilnahmslos saß Leoh am Tisch, die Hände im Schoß gefaltet, seine Gedanken in Aufruhr. Hector war telefonieren gegangen, um die neuesten Nachrichten von den Meditechnikern zu erfragen. Odal hatte beiläufig sein Bedauern ausgedrückt und war dann in die kerakische Botschaft gefahren, eskortiert von seinen eigenen Leibwächtern in Zivil. Die Regierung des Acquataine Clusters zerfiel praktisch, nachdem keiner den Vorsitz übernehmen wollte… niemand wollte sich exponieren. Eine Stunde nach dem Duell landeten Kanus’ Truppen auf allen größeren Planeten der Szarno Federation; die Annexion war bittere Wirklichkeit geworden.

Und was habe ich getan, seit ich hier angekommen bin? fragte sich Leoh. Nichts. Absolut nichts. Ich habe mich in den Lehnstuhl gesetzt wie ein zerstreuter Professor und akademische Spielchen mit der Maschine gespielt, während jüngere, energischere Männer die Maschine für ihre privaten Machenschaften BENUTZTEN.

Benutzten. Sich der Maschine bedienten. Da war der Keim eines Gedankens. Eine nebulöse Idee, der man sich ganz behutsam nähern mußte, damit sie sich nicht in Luft auflöste. Die Maschine benutzen… sich ihrer bedienen… Leoh spielte einen Moment mit diesen Begriffen, dann gab er mit einem resignierten Seufzer auf.

Mein Gott, ich bin zu müde, um einen klaren Gedanken zu fassen.

Er wandte seine Aufmerksamkeit der Umgebung zu und betrachtete den belebten Speisesaal. Es war wirklich ein hübsches Lokal, dekoriert mit Kristall und echtem Holz und Stoffgardinen. Nichts Synthetisches war zu sehen. Die Gerüche der vorzüglichen Speisen, das gedämpfte Murmeln höflicher Konversation. Die Bedienungen und Köche und Pikkolos waren Menschen aus Fleisch und Blut, nicht die Autoköche und Autokellner, wie man sie in den meisten Restaurants fand.

Unvermittelt war Leoh gerührt über Hectors Versuch, ihn auf andere Gedanken zu bringen — und das mit dem Sold eines Junior Lieutenants.

Er sah den jungen Watchman vom Telefon zurückkommen. Auf dem Weg stieß Hector mit zwei Kellnern zusammen und stolperte über einen Stuhl, bevor er die relative Sicherheit seines eigenen Sitzplatzes erreichte.

»Wie ist das Verdikt?« fragte Leoh.

Hectors hageres Gesicht war blaß. »Sie konnten ihn nicht wiederbeleben. Zerebrale Blutungen, sagen die Meditechniker…hervorgerufen durch Schock.«

»Schock?«

»Genau das behaupten sie. Irgend etwas muß sein Nervensystem, äh, überlastet haben… würde ich sagen.«

Leoh schüttelte den Kopf. »Das begreife ich einfach nicht. Kann ich ruhig zugeben. Ich bin von einer Lösung genausoweit entfernt wie bei meiner Ankunft. Vielleicht hätte ich schon vor Jahren in Pension gehen sollen, bevor die Duellmaschine erfunden wurde.«

»Nein…«

»Im Ernst«, beharrte Leoh. »Das ist seit Jahren das erste wirkliche intellektuelle Problem für mich. An Maschinen herumzubasteln, das ist einfach. Du weißt, was du willst, und du brauchst die Maschine nur richtig zum Laufen zu bringen. Aber das hier… ich fürchte, ich bin zu alt für solch eine harte Nuß.«

Hector kratzte sich nachdenklich die Nase. »Wenn Sie das Problem nicht lösen können, Sir, dann haben wir in ein paar Monaten Krieg… oder vielleicht schon in ein paar Wochen. Ich meine, Kanus gibt sich bestimmt nicht mit der Szarno Federation zufrieden. Der Acquataine Cluster ist als nächster dran… und kampflos bekommt er den nicht.«

»Dann wird die Star Watch eingreifen«, sagte Leoh.

Hector beugte sich eifrig vor, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Aber… schauen Sie, es braucht Zeit, die Star Watch zu mobilisieren. Kanus kann viel schneller operieren als wir. Natürlich könnten wir einen kleinen Kampfverband an die Front werfen. Aber Keraks Streitkräfte würden ihn ziemlich schnell ausradieren. Ich… ich bin kein Politiker, aber ich glaube, es passiert folgendes… also Kerak vereinnahmt den Acquataine Cluster und vernichtet in einem Aufwasch einen Star-Watch-Verband. Dann haben wir Krieg zwischen Kerak und dem Commonwealth. Und das wird ein blutiger Krieg werden, denn Kanus hat die gesamten Reserven und Hilfsquellen von Acquatainia zur Verfügung.«

Leoh setzte zu einer Antwort an, hielt dann inne. Sein Blick hing wie gebannt an der Tür des Speisesaals. Plötzlich erstarb jegliche Unterhaltung in dem belebten Restaurant. Kellner standen wie angewurzelt zwischen Tischen. Essen, Trinken, Konversation hörten auf.

Hector drehte sich um und sah an der Eingangstür die hochgewachsene, blauuniformierte Gestalt von Odal.

Der Augenblick des Schweigens endete. Jeder wandte sich wieder seiner Beschäftigung zu und vermied es, den kerakischen Major anzusehen. Mit einem dünnen Lächeln auf dem schmalen Gesicht schlenderte Odal langsam zu dem Tisch, an dem Hector und Leoh saßen.

Sie erhoben sich und begrüßten ihn frostig. Odal zog sich einen Stuhl heran und setzte sich unaufgefordert zu ihnen.

»Was wünschen Sie?« fragte Leoh unfreundlich.

Bevor Odal antworten konnte, trat der zuständige Kellner an den Tisch, stellte sich mit dem Rücken zu dem kerakischen Major und fragte mit fester Stimme: »Ihr Dinner ist fertig, Gentlemen. Darf ich jetzt servieren?«

»Ja«, erwiderte Hector, bevor Leoh etwas sagen konnte. »Der Major geht gleich wieder.«

Wieder spielte das dünne Lächeln um Odals Lippen. Der Kellner verbeugte sich und ging.

»Ich habe über unsere Unterhaltung gestern abend nachgedacht«, sagte Odal zu Leoh.

»Ach ja?«

»Sie haben mich beschuldigt, ich würde bei meinen Duellen betrügen.«

Leoh hob die Brauen. »Ich sagte, jemand betrügt.«

»Eine Beschuldigung ist eine Beschuldigung.«

Leoh schwieg.

»Nehmen Sie Ihre Worte zurück, oder unterstellen Sie mir nach wie vor vorsätzlichen Mord? Ich bin bereit, Ihre Entschuldigung anzunehmen und Sie in Frieden ziehen zu lassen.«

Hector räusperte sich geräuschvoll. »Hier ist nicht der passende Ort für eine Auseinandersetzung… außerdem kommt unser Essen.«

Odal ignorierte den Watchman und wandte seine eisblauen Augen nicht von Leoh. »Sie haben es gehört, Professor. Wollen Sie abreisen? Oder möchten Sie lieber…«

Hector schlug mit der Faust auf den Tisch und schoß aus seinem Stuhl hoch — genau in dem Moment, als der Kellner ein großes Tablett mit Hors d’oeuvres und Suppen brachte. Es gab ein lautes Scheppern. Eine Suppenterrine, zwei Salatschüsseln, diverse Brötchen, verschiedene Käsesorten und sonstige Delikatessen ergossen sich über Odal.

Der kerakische Major sprang auf und fluchte lästerlich in seiner Muttersprache. Im Lokal gab es brüllendes Gelächter.

Odal verfiel in Pidgin-Terranisch und schrie: »Du tolpatschiger, vertrottelter Hornochse! Wurmhirniger, hergelaufener Bauerntrampel…!«

Gelassen pflückte Hector ein Salatblatt vom Ärmel seiner Tunika, während Odal vor Wut fast erstickte.

»Kann durchaus sein, daß ich tolpatschig bin«, sagte Hector grinsend. »Gegen ›vertrottelt‹ und all die anderen Adjektive muß ich mich allerdings verwahren. Um ehrlich zu sein, ich fühle mich sogar gröblichst beleidigt.«

In Odals Augen blitzte es ahnungsvoll auf. »Verstehe. Selbstverständlich. Der Disput hat nichts mit Ihnen zu tun. Ich entschuldige mich.« Er drehte sich wieder zu Leoh um, der jetzt ebenfalls stand.

»Genügt mir nicht«, reklamierte Hector. »Mir gefällt der, äh, Ton Ihrer Entschuldigung nicht…ich meine…«

Leoh hob die Hand, wie um Hector zum Schweigen zu bringen.

»Ich habe mich entschuldigt«, erwiderte Odal mit zornrotem Gesicht. »Das reicht.«

Hector trat einen Schritt auf Odal zu. »Ich könnte dir Lump ja ein paar exquisite Schimpfwörter an den Kopf werfen oder deinen famosen Führer beleidigen… aber das dürfte wirkungsvoller sein!« Er nahm eine Wasserkaraffe vom Tisch und goß sie Odal seelenruhig über den Kopf.

Die Gäste im Lokal tobten vor Begeisterung. Odal wurde kalkweiß. »Du willst also unbedingt sterben, Watchman.« Er wischte sich das Wasser aus den Augen. »Ich duelliere mich mit dir, bevor die Woche zu Ende ist. Und gerettet hast du damit niemanden.« Er drehte sich um und stolzierte davon.

Jedermann im Raum stand auf und applaudierte. Hector verneigte sich grinsend.

»Ist dir eigentlich klar, was du getan hast?« fragte Leoh entgeistert.

»Er wollte Sie herausfordern…«

»Er wird mich nach wie vor herausfordern, nach deinem Tod.«

Achselzuckend meinte Hector: »Ja, möglich. Vermutlich haben Sie recht. Aber immerhin haben wir etwas Zeit gewonnen.«

»Vier Tage.« Leoh schüttelte den Kopf. »Vier Tage bis zum Wochenende. Also los, komm mit, auf uns wartet Arbeit.«

Hector grinste breit, als sie das Lokal verließen. Er begann zu pfeifen.

»Worüber freust du dich denn so?« brummte Leoh.

»Über Sie, Sir. Als wir hierherkamen, waren Sie, na ja… beinahe am Aufgeben. Jetzt sind Sie wieder voll im, äh, Einsatz.«

Leoh starrte ihn an. »Hector, auf deine Art, deine sehr eigenwillige Art, bist du gar nicht ohne… meine ich.«


Ihr Roadster kam vom Parkdeck zur Zugangsrampe des Lokals geglitten, herbeigerufen durch ein Radiosignal des Portiers. Minuten später kreuzten Hector und Leoh durch die City, in der die hereinbrechende Nacht immer längere Schatten warf.

»Es gibt nur einen Menschen«, sinnierte Leoh, »der Odal gegenübergestanden und überlebt hat.«

»Dulaq«, sagte Hector. »Aber… von einem Toten bekämen wir genausowenig Informationen wie von ihm.«

»Liegt er immer noch im Koma?«

Hector nickte. »Die Medicos meinen, daß sie ihn… na ja, mit Medikamenten und Therapie und solchem Zeugs… daß sie ihn in ein paar Monaten wieder hinkriegen.«

»Das ist zu spät. Wir haben nur vier Tage.«

»Ich weiß.«

Leoh schwieg mehrere Minuten. Dann: »Wer sind Dulaqs nächste Angehörige? Hat er eine Frau?«

»Hmmm, ich glaube, seine Frau ist tot. Da gibt es allerdings eine Tochter. Hübsches Mädchen. Bin ihr im Krankenhaus ein- oder zweimal in die Arme gelaufen.«

Leoh lächelte im Dunkeln. Hectors Redewendung »in die Arme gelaufen« konnte man wahrscheinlich wörtlich nehmen.

»Vielleicht gibt es eine Methode, wie wir Dulaq dazu bringen, uns den Ablauf des Duells zu schildern«, sagte Leoh. »Aber es ist eine gefährliche Methode. Vielleicht sogar lebensgefährlich.«

Hector wartete.

»Los, mein Junge«, fuhr Leoh fort. »Suchen wir diese Tochter und reden wir mit ihr.«

»Heute abend?«

»Jetzt.«


Sie ist wirklich hübsch, dachte Leoh, als er Geri Dulaq schonend beibrachte, was er beabsichtigte. Sie saß still und höflich in dem geräumigen Wohnzimmer der Villa Dulaq. Der glitzernde Kristallüster warf feurige Blitze auf ihr kastanienbraunes Haar. Ihre schlanke Gestalt war etwas verkrampft, die Hände hatte sie im Schoß gefaltet. Ihr Gesicht, das sonst sehr ausdrucksvoll sein mochte, blickte jetzt ernst und verkniffen. »Und das wäre alles«, schloß Leoh. »Ich halte es für möglich, mit Hilfe der Duellmaschine die Gedanken Ihres Herrn Vaters zu ergründen und festzustellen, was damals in dem Duell mit Major Odal passierte. Vielleicht hilft es sogar, ihn aus seinem Koma aufzuwecken.«

»Aber es könnte auch solch ein Schock für ihn sein, daß er es nicht überlebt, richtig?« fragte sie leise.

Leoh nickte wortlos.

»Dann tut es mir sehr leid, Professor, aber ich muß nein sagen.« Sehr entschieden.

»Ich habe volles Verständnis für Ihre Gefühle«, erwiderte Leoh, »aber hoffentlich sind Sie sich im klaren, daß sehr wohl ein Krieg mit Millionen von Opfern ausbrechen kann, wenn wir Odal nicht aufhalten.«

Sie nickte. »Ich weiß. Aber wir sprechen vom Leben meines Vaters. Kanus wird auf jeden Fall einen Krieg anfangen, ganz egal, was ich tue.«

»Möglich«, gab Leoh zu. »Möglich.«


Hector und Leoh fuhren zurück zur Universität und zu ihren Quartieren im Gebäude der Duellmaschine. Keiner der beiden schlief in dieser Nacht besonders gut.

Am nächsten Morgen, nach einem lustlosen Frühstück, fanden sie sich in dem antiseptisch weißen Saal ein, vor dem hochaufragenden unpersönlichen Gewirr der Duellmaschine.

»Möchtest du ein bißchen trainieren?« fragte Leoh.

Düster schüttelte Hector den Kopf. »Vielleicht später.«

Das Tri-Di in Leohs Büro läutete. Sie gingen beide hinein. Geri Dulaqs Gesicht erschien auf dem Bildschirm.

»Ich habe gerade die Nachricht gehört«, sagte sie, ein wenig atemlos. »Gestern abend wußte ich noch nicht, daß Lieutenant Hector Odal herausgefordert hat.«

»Er forderte Odal«, antwortete Leoh, »um den Killer daran zu hindern, mich zu fordern.«

»Ach so.« Ihre Miene drückte Sorge, aber auch Widerstreben aus. »Sie sind ein tapferer Mann, Lieutenant.«

Hectors Gesicht verzerrte sich zu einem Dutzend verschiedener Grimassen, alle davon sprachlos.

»Möchten Sie Ihren Entschluß nicht noch einmal überdenken?« erkundigte sich Leoh. »Hectors Leben hängt vielleicht davon ab.«

Sie schloß kurz die Augen und sagte dann: »Ich kann nicht. Das Leben meines Vaters geht vor. Tut mir leid.« Ihre Stimme klang gequält.

Sie sprachen noch ein paar belanglose Worte — ohne jeden Beitrag von Hector, der nach wie vor mit Sprachlosigkeit geschlagen war —, und dann endete das Gespräch in einer höflichen, aber gespannten Atmosphäre.

Geistesabwesend rieb Leoh mit dem Daumen über die Telefontaste, dann wandte er sich abrupt Hector zu. »Hör zu, mein Junge, ich halte es für eine gute Idee, wenn du sofort ins Hospital fährst und dich nach Dulaqs Zustand erkundigst.«

»Aber… wieso…«

»Keine Widerrede, mein Sohn. Das kann von entscheidender Bedeutung sein. Schau dir Dulaq an. Persönlich, nicht über Tri-Di.«

Hector zuckte die Achseln und ging. Leoh setzte sich an seinen Schreibtisch und wartete. Nach einer Weile stand er auf und schlenderte in den großen Saal, durch den Haupteingang und hinaus auf den Campus. Er ging an einem Dutzend von Gebäuden vorbei, bog dann ab und marschierte bis zu dem dekorativen Zaun, der das eigentliche Universitätsgelände begrenzte. Studenten und Kollegen ignorierte er. Wie ein Wachtposten patrouillierte er den ganzen Campus und versuchte damit die Zeit totzuschlagen.

Als er sich wieder einmal dem Gebäude mit der Duellmaschine näherte, sah er Hector auf sich zukommen. Ausnahmsweise pfiff der Watchman nicht. Leoh nahm eine Abkürzung quer über ein Rasenstück.

»Nun?« fragte er.

Hector schüttelte den Kopf, als wolle er einen inneren Nebel vertreiben. »Woher wußten Sie, daß sie im Krankenhaus sein würde?«

»Die Weisheit des Alters. Was war los?«

»Sie hat mir einen Kuß gegeben. Mitten im Korridor bei der…«

»Verschone mich mit geographischen Einzelheiten«, unterbrach ihn Leoh. »Was hat sie gesagt?«

»Ich bin ihr auf dem Korridor in die Arme gelaufen. Wir, äh, haben eine Unterhaltung angefangen. Sie schien sich… na ja, Sorgen zu machen wegen mir… war irgendwie ganz durcheinander. Seelisch, verstehen Sie? Wahrscheinlich habe ich einen ziemlich geknickten Eindruck gemacht… ich meine, so ein Held bin ich auch nicht… ich habe Angst, und das muß sie mir angesehen haben.«

»Du hast ihre mütterlichen Gefühle geweckt.«

»Ich… ich glaube nicht, daß es mütterliche Gefühle waren… nicht direkt. Na ja, jedenfalls sagte sie, wenn ich bereit sei, mein Leben für Sie zu riskieren, dann könne sie das Leben ihres Vaters nicht länger schützen. Es sei im Grunde genommen selbstsüchtig von ihr gewesen, da sie außer ihm keine Angehörigen mehr habe… ich glaube ihr zwar nicht ganz, aber jedenfalls das hat sie gesagt.«

Mittlerweile hatten sie das Gebäude erreicht. Leoh packte Hector am Arm und ersparte ihm dadurch eine Kollision mit der halboffenen Tür.

»Sie ist damit einverstanden, daß wir Dulaq an die Duellmaschine anschließen?«

»Nicht ganz.«

»Wie?«

»Die Ärzte sind gegen eine Verlegung… insbesondere hierher. Geri hat sich dieser Meinung angeschlossen.«

Leoh stieß ein Schnauben aus. »Na schön. Ist mir eigentlich ganz recht. Die Keraker brauchen nicht zu sehen, daß wir Dulaq zu der Duellmaschine bringen. Statt dessen werden wir die Duellmaschine ins Krankenhaus schmuggeln!«

Sie machten sich sofort an die Arbeit. Leoh zog es vor, das reguläre Bedienungspersonal der Duellmaschine nicht einzuweihen, und so mußten er und Hector die ganze Nacht durcharbeiten und den größten Teil des folgenden Vormittags. Hector begriff kaum, was er eigentlich tat, aber unter Leohs Anleitung gelang es ihm, die Steuerelektronik zum Teil zu demontieren, einige geheimnisvolle schwarze Boxen anzuschließen, die der Professor aus den Ersatzteilen im Keller zusammengezaubert hatte, und dann alles wieder so zu montieren, daß man der Maschine äußerlich keine Veränderungen ansah.

Zwischen häufigen Inspektionstrips zur Überwachung von Hectors Arbeit hatte Leoh einen ziemlich sperrigen Kopfhelm zusammengebastelt, sowie eine handtellergroße Fernbedienung mit einem Notschalter. Die Vormittagssonne stand bereits hoch am Himmel, als Leoh Hector alles erklärte.

»Eine einfache technische Improvisation«, sagte er zu dem verwirrten Watchman. »Du hast einen Transceiver mit geringer Reichweite in der Maschine installiert, und dieser Kopfhelm ist ein tragbarer Transceiver für Dulaq. Jetzt kann er in seinem Krankenbett liegen und trotzdem ›in‹ der Maschine sitzen.«

Leoh zog lediglich drei der verläßlichsten Ärzte ins Vertrauen, und sie waren alles andere als begeistert von dem Plan.

»Es ist reine Zeitverschwendung«, erklärte der Chefpsychotechniker und schüttelte heftig seine silberweiße Mähne. »Sie können nicht erwarten, daß ein Patient, der nicht auf Medikamente angesprochen hat, in Ihrer Maschine eine positive Reaktion zeigt.«

Leoh widersprach, und Geri Dulaq bestand nachdrücklich darauf, daß der Versuch durchgeführt werden sollte. Schließlich erklärten sich die Mediziner einverstanden. Nur zwei Tage blieben ihnen noch bis zu Hectors Duell mit Odal, als sie endlich begannen, Dulaqs Geist zu erforschen. Geri blieb an der Seite ihres Vaters, während ihm die drei Ärzte den klobigen Transceiver aufsetzten und die Elektroden für die medizinischen Überwachungsgeräte anschlossen. Leoh und Hector begaben sich zur Duellmaschine und hielten über Tri-Di Kontakt mit dem Krankenhaus.

Leoh nahm eine letzte Überprüfung der Schalt- und Steuerelektronik vor, dann rief er noch einmal die gespannt wartende kleine Gruppe in Dulaqs Krankenzimmer an. Alles war bereit.

Begleitet von Hector, ging er zur Maschine. Ihre Schritte hallten laut in dem leeren Saal. Leoh blieb vor der einen Kabine stehen.

»Jetzt paß genau auf«, sagte er eindringlich. »Ich behalte die Fernbedienung in der Hand. Mit dem Notschalter kann ich jederzeit das Duell abbrechen. Trotzdem mußt du notfalls rasch reagieren, wenn etwas schiefgeht. Beobachte genau meine Körperfunktionen; ich habe dir die betreffenden Instrumente an der Kontrollkonsole gezeigt.«

»Geht in Ordnung, Sir.«

Leoh nickte und holte tief Atem. »Also, dann wollen wir mal.«

Er trat in die Kabine und setzte sich. Hector half ihm, die Neurokontakte anzubringen, und ließ ihn dann allein. Leoh lehnte sich zurück und wartete auf das Einsetzen jenes semihypnotischen Effekts. Dulaqs Wahl der Stadt und des Stat-Strahlers waren bekannt. Aber alles Weitere lag versiegelt in seinem unzugänglichen Geist. Konnte die Maschine dieses Siegel erbrechen?

Langsam, einlullend umhüllten die künstlichen und doch so realen Nebel der Maschine Dr. Leoh. Als sie sich verzogen, stand er auf der oberen Fußgängerebene in der Hauptgeschäftsstraße der Stadt. Einen langen Augenblick tat sich nichts.

Habe ich Kontakt aufgenommen? Mit wessen Augen sehe ich, mit meinen eigenen oder mit Dulaqs Augen?

Und dann spürte er es — ein amüsiertes, leicht verwirrtes Staunen über die Wirklichkeitstreue dieser Illusion. Dulaqs Gedanken!

Verdränge alles aus deinem Kopf, befahl sich Leoh. Halte Augen und Ohren offen. Sei völlig passiv.

Er wurde zum Zuschauer, der die Welt mit Dulaqs Augen und Ohren sah und hörte und den acquatainischen Premierminister durch seinen Alptraum begleitete. Er spürte die Bestürzung, die Frustration, die schlimmen Vorahnungen und den wachsenden Terror, als Odal andauernd in der Menge auftauchte — nur um sich in jemand anderen zu verwandeln und zu entkommen.

Die erste Runde des Duells endete, und ein Wirrwarr von Gedanken und Eindrücken stürmte plötzlich auf Leoh ein. Dann wurden die Gedanken langsam klarer und ruhiger.

Leoh sah eine endlose und völlig öde Ebene. Kein Baum, kein Grashalm, nichts als nackter und felsiger Boden, der sich in allen Himmelsrichtungen bis zum Horizont erstreckte; darüber ein bedrückend grellgelber Himmel. Zu seinen Füßen lag die Waffe, die Odal gewählt hatte. Eine primitive Keule.

Er teilte Dulaqs ungutes Gefühl, als er die Keule aufhob. Fern am Horizont sah er eine hochgewachsene, geschmeidige Gestalt, die eine gleichartige Keule in der Hand hielt und sich ihm näherte.

Leoh fühlte seine eigene, unwillkürliche Erregung. Er hatte die durch Schock verursachte Mauer um Dulaqs Geist durchbrochen. Dulaq durchlebte noch einmal den Teil des Duells, der den Schock ausgelöst hatte.

Zögernd ging er Odal entgegen. Aber als er näher kam, schien sich sein Gegner zu teilen. Jetzt waren es plötzlich zwei, vier, sechs Gestalten. Sechs Odals, sechs Spiegelbilder, alle mit massiven, bösartigen Keulen bewaffnet, und alle kamen sie auf ihn zu. Sechs schlanke blonde Killer mit eiskaltem Lächeln auf den entschlossenen Gesichtern.

Entsetzt, von Panik ergriffen, rannte er davon, versuchte den sechs Gegnern mit den sechs erhobenen und schlagbereiten Keulen zu entkommen.

Ihre jungen Beine holten ihn mühelos ein. Ein Schlag in den Rücken streckte ihn zu Boden. Einer kickte ihm die Waffe aus der Hand. Eine Sekunde lang standen sie feindselig und hämisch grinsend über ihn gebeugt. Dann fuhren sechs kräftige Arme nieder, wieder und wieder, unbarmherzig. Schmerzen und Blut, qualvolle Agonie zum schrecklichen Takt der schweren Knüppel, die auf verletzliches Fleisch und Knochen einschlugen, unaufhörlich, unablässig…

Plötzlich gab es nur noch Leere.

Leoh schlug die Augen auf und sah Hector, der sich über ihn beugte.

»Alles in Ordnung, Sir?«

»Ich… ich glaube schon.«

»Die Instrumente haben alle gleichzeitig im Gefahrenbereich ausgeschlagen. Sie haben… na ja, geschrien haben Sie.«

»Glaub’ ich dir aufs Wort«, murmelte Leoh.

Auf Hectors Arm gestützt, schleppte sich Leoh in sein Arbeitszimmer, wo er erschöpft auf die Couch sank. »Das war wirklich ein… ein Erlebnis«, ächzte er.

»Was ist geschehen? Was hat Odal gemacht? Wodurch wurde Dulaqs Schock verursacht? Wie ist…«

Mit einer Handbewegung brachte der alte Mann Hector zum Schweigen. »Eine Frage nach der anderen, bitte.«

Leoh lehnte sich bequem zurück und gab Hector einen detaillierten Bericht über beide Phasen des Duells.

»Sechs Odals«, murmelte Hector nachdenklich. »Sechs gegen einen.«

»Genau. Es ist leicht zu verstehen, daß ein Mann, der ein höfliches und korrektes Duell erwartet, durch solch einen gemeinen, hinterhältigen Angriff völlig die Nerven verliert. Und die Maschine verstärkt jeden Impuls, jede Empfindung.« Leoh schüttelte sich.

»Aber wie macht er das?« Hectors Stimme klang plötzlich herausfordernd.

»Das frage ich mich auch. Die Duellmaschine haben wir auf Herz und Nieren geprüft. Technisch ist es unmöglich für Odal, einfach fünf Helfer anzukoppeln…es sei denn…«

»Es sei denn?«

Leoh zögerte und schien mit sich zu Rate zu gehen. Schließlich nickte er heftig und antwortete: »Es sei denn, Odal ist ein Telepath.«

»Ein Telepath? Aber…«

»Ich weiß, es klingt abwegig, aber es gibt tatsächlich wissenschaftlich bestätigte Fälle von Telepathie.«

Stirnrunzelnd sagte Hector: »Klar, jeder hat schon davon gehört… natürliche Telepathen… aber ihr Talent ist so unberechenbar… ich meine, wie kann…«

Leoh beugte sich und stützte das Kinn auf die gefalteten Hände. »Die terranische Rasse hat Telepathie oder andere paranormale Fähigkeiten nie gezielt entwickelt und gefördert. Sie brauchte es nicht zu tun, nachdem sie über Tri-Di-Kommunikation und Raumschiffe verfügte. Aber vielleicht sind die Keraker andersgeartet…«

»Es sind Menschen wie wir«, argumentierte Hector. »Außerdem, wenn sie, äh, telepathische Fähigkeiten hätten, würden sie die dann nicht permanent einsetzen? Warum nur in der Duellmaschine?«

»Aber natürlich!« rief Leoh. »Odal zeigt nur in der Maschine telepathische Fähigkeiten!«

Hector blinzelte verwirrt.

»Stell dir vor, Odal ist ein natürlicher Telepath«, erklärte Leoh aufgeregt, »so wie es bewiesenermaßen Dutzende von Terranern waren. Er verfügt über ein erratisches, labiles Talent. Ein minimales Talent. Dann setzt er sich in die Duellmaschine. Die Maschine verstärkt seine Gedanken. Sie verstärkt auch seine extrasensorischen Fähigkeiten!«

»Ohhh!«

»Kapierst du? Außerhalb der Maschine ist er nichts weiter als ein drittklassiger Wahrsager, wie man sie in jeder Großstadt findet. Aber die Duellmaschine verstärkt und reproduziert seine natürlichen Fähigkeiten auf kontrollierbare Weise.«

»Verstehe.«

»Dadurch ist es ziemlich einfach für ihn, fünf Helfer, die vermutlich in der Kerakischen Botschaft sitzen, an dem Duell zu ›beteiligen‹ Vielleicht sind es auch natürliche Telepathen, aber das ist nicht unbedingt notwendig.«

»Sie, äh, koppeln sich gewissermaßen zu einem Superhirn zusammen? Und in dem Duell gibt es plötzlich sechs Gegner…ziemlich raffiniert.« Hector warf sich in den Schreibtischstuhl. »Und was machen wir jetzt?«

»Jetzt?« Leoh blinzelte irritiert. »Ich würde sagen, wir rufen zuerst mal im Krankenhaus an, wie Dulaq es überstanden hat.«

»Ach ja… ich habe sie ganz vergessen… ich meine ihn…«

Leoh stellte die Verbindung her. Geris ausdrucksloses Gesicht erschien auf dem Bildschirm.

»Wie gehts ihm?« stieß Hector hervor.

»Es war zuviel für ihn«, sagte sie tonlos. »Er ist tot. Die Ärzte haben alles versucht, aber…«

»Nein«, stöhnte Leoh.

»Es… es tut mir leid«, stammelte Hector. »Ich komme sofort. Bleiben Sie, wo Sie sind!«

Der Star Watchman stürzte aus dem Büro, während Geri die Verbindung trennte. Leoh starrte ein paar Minuten auf den leeren Schirm, dann lehnte er sich auf der Couch zurück und schloß die Augen. Er war plötzlich erschöpft, körperlich und geistig. Er schlief ein und träumte von toten und sterbenden Männern. Manchmal war es Odal, der sie tötete, manchmal Leoh selbst.


Hectors nervtötendes Pfeifen weckte ihn. Draußen war tiefe Nacht.

»Worüber freust du dich so?« murrte Leoh, als Hector in das Arbeitszimmer geschossen kam.

»Ich? Mich freuen?«

»Du hast gepfiffen.«

Hector zuckte die Achseln. »Ich pfeife immer, Sir. Heißt nicht unbedingt, daß ich mich freue.«

»Na schön.« Leoh rieb sich die Augen. »Wie hat Geri den Tod ihres Vaters aufgenommen?«

»Ist ihr sehr nahegegangen. Sie hat eine Menge geweint. Es… es hat uns beide ziemlich mitgenommen.«

Leoh blickte den Jüngeren an. »Gibt sie… mir die Schuld?«

»Ihnen? Aber nein! Warum sollte sie denn? Odal, Kanus… den Kerak-Welten. Aber nicht Ihnen.«

Der Professor seufzte erleichtert. »Sehr schön. Okay, wir haben eine Menge Arbeit, und es bleibt nicht viel Zeit.«

»Was soll ich tun?« fragte Hector eifrig.

»Ruf den Star-Watch-Commander an…«

»Meinen Kommandanten, auf Perseus Alpha VI? Das sind über hundert Lichtjahre!«

»Nein, nein, nein.« Leoh schüttelte den Kopf. »Den Commander-in-Chief, Sir Harold Spencer. Im Hauptquartier der Star Watch, oder wo immer er sich herumtreibt, egal wie weit es von hier ist. Schaff ihn so schnell wie möglich an den Apparat. Per R-Gespräch bitte.«

Hector pfiff ehrfürchtig durch die Zähne und begann Tasten an dem Communicator zu drücken.


Der Morgen des Duells brach an, und genau zur vereinbarten Stunde trat Odal mit einem kleinen Gefolge von Sekundanten durch die Doppeltür in den ehemaligen Hörsaal.

Hector und Leoh warteten bereits dort. Bei ihnen stand ein Mann in der schwarz-silbernen Uniform der Star Watch. Er war ein stämmiger, breitgesichtiger Veteran mit eisgrauem Haar und harten Augen.

Die beiden Grüppchen trafen vor der Kommandokonsole zusammen. Die weißgekleideten Meditechniker kamen durch einen Seiteneingang und warteten ein Stück entfernt.

Odal wahrte die Form und schüttelte Hector die Hand. Der kerakische Major machte eine Kopfbewegung zu dem älteren Watchman hin. »Ihr Ersatzmann?« fragte er boshaft.

Der leitende Meditechniker trat dazwischen. »Da Sie die herausgeforderte Partei sind, Major Odal, haben Sie die Wahl der Waffen und der Umgebung für die erste Runde. Sind besondere Hinweise oder Instruktionen nötig, bevor das Duell beginnt?«

»Ich glaube kaum«, erwiderte Odal. »Die Situation spricht für sich selbst. Ich gehe natürlich davon aus, daß Star Watchmen erfahrene Krieger und nicht nur Waffentechniker sind. In der von mir gewählten Situation haben sich schon viele Krieger mit Ruhm und Ehren bedeckt.«

Hector schwieg.

»Ich beabsichtigte«, sagte Leoh fest, »dem Bedienungspersonal bei der Überwachung des Duells zu assistieren. Ihren Sekundanten steht es selbstverständlich frei, sich zu mir an die Kontrollkonsole zu setzen.«

Odal nickte.

»Wenn Sie bereit sind, Gentlemen…« sagte der leitende Meditechniker.

Hector und Odal begaben sich zu ihren Kabinen. Leoh setzte sich an die Kontrollkonsole, und ein Keraker nahm neben ihm Platz. Die anderen setzten sich auf die lange halbrunde Bank vor der Maschine.


Verkrampft saß Hector in der Kabine, spürte jeden einzelnen Muskel, trotz aller guten Vorsätze, sich zu entspannen. Aber allmählich wich die Nervosität, und er begann sich schläfrig zu fühlen. Die Kabinenwände schienen zu schmelzen…

Hector hörte hinter sich ein Schnauben und fuhr herum. Er blinzelte verdutzt und sperrte Mund und Nase auf.

Es hatte vier Beine und war offenbar ein Tragtier. Zumindest trug es einen Sattel auf dem Rücken. Oben auf dem Sattel waren Objekte aufgetürmt, die Hector zuerst für Schrott hielt. Mißtrauisch näherte er sich dem vierbeinigen Wesen und untersuchte die Objekte eingehend. Der »Schrotthaufen« erwies sich als eine lange Lanze, eine mehrteilige Rüstung, Helm, Schwert, Schild, Streitaxt und Dolch.

In der von mir gewählten Situation haben sich viele Krieger mit Ruhm und Ehren bedeckt.

Verwirrt betrachtet Hector das Waffenarsenal. Es mußte noch aus Keraks Mittelalter stammen. Wahrscheinlich hatte Odal monatelang damit geübt, vielleicht sogar jahrelang. Kann gut sein, daß er seine fünf Helfer überhaupt nicht braucht dachte Hector.

Unbeholfen legte er den Harnisch an. Der Brustpanzer schien zu groß zu sein, und mit den Beinröhren kam er irgendwie nicht zurecht. Der Visierhelm saß ihm wie eine vorsintflutliche Öldose auf dem Kopf und drückte ihm Nase und Ohren platt. Er mußte die Augen zusammenkneifen, um durch den schmalen Visierschlitz sehen zu können. Zuletzt gürtete er sich das Schwert um und entdeckte für die anderen Waffen Befestigungen am Sattel. Den Schild konnte er kaum heben, und nur mit erheblicher Mühe gelang es ihm, sich und die diversen Einzelteile in den Sattel zu hieven.

Und dort blieb er stocksteif sitzen. Langsam kam er sich fast lächerlich vor. Wenn es nun regnet? Aber natürlich würde es nicht regnen.

Nach endlosem Warten erschien Odal auf einem mächtigen Streitroß. Sein Harnisch war schwarz wie das All, sein Pferd ebenfalls. Natürlich, dachte Hector.

Jenseits der Wiese salutierte Odal gravitätisch mit der Lanze. Hector versuchte es ihm nachzutun und verlor dabei fast seine Lanze.

Dann senkte Odal die Lanze und zielte — so schien es Hector zumindest — direkt auf die Rippen des Watchman. Er spornte sein Streitroß zu einem leichten Trab. Hector tat das gleiche, und sein Vierbeiner verfiel in einen holprigen Galopp. Die beiden Streiter preschten über die Wiese aufeinander zu, wobei Hector vollauf damit beschäftigt war, nicht aus dem Sattel zu rutschen.

Und plötzlich waren da sechs schwarzgewappnete Gestalten, die alle auf Hector einstürmten.

Dem Watchman drehte sich der Magen um. Instinktiv versuchte er seinen Vierbeiner herumzureißen. Aber das Biest galoppierte stur geradeaus. Die kerakischen Krieger kamen unaufhaltsam näher, zu sechst nebeneinander, mit sechs bedrohlich eingelegten Lanzen.

Unvermittelt vernahm Hector Hufgetrappel neben sich. Durch einen Seitenschlitz in seinem Helm sah er mindestens zwei weitere Berittene, die gemeinsam mit ihm Odals Truppe entgegenstürmten.

Leohs Plan war aufgegangen. Der Transceiver, durch den Dulaq von seinem Krankenbett aus an die Maschine angeschlossen worden war, ermöglichte es jetzt fünf Star-Watch-Offizieren, Hector zu Hilfe zu kommen, obwohl sie in Wirklichkeit in einem Raumkreuzer hoch über dem Planeten saßen.

Die Chancen waren jetzt ausgeglichen. Die fünf zusätzlichen Watchmen waren die härtesten, erfahrensten, aggressivsten Einzelkämpfer, die die Star Watch innerhalb eines Tages hatte mobilisieren können.

Zwölf mächtige Streitrösser prallten frontal aufeinander, zwölf kräftige Männer ließen mit ohrenbetäubendem Krachen Eisen auf Eisen klirren. Lanzenteile stieben durch die Luft, Menschen und Tiere stürzten.

Hector wurde im Sattel nach hinten gerissen, brachte es aber irgendwie fertig, nicht herunterzufallen. Andererseits konnte er sein Gleichgewicht nicht richtig wiederfinden. Staub und Waffengeklirr erfüllten die Luft. Ein Schwert zischte an seinem Kopf vorbei und prallte an seinem Schild ab.

Unter Aufbietung aller Kräfte riß Hector sein eigenes Schwert heraus und drosch auf den nächstbesten Berittenen ein. Es war zufällig ein Watchman, doch der Hieb prallte harmlos von dessen Helm ab.

Es war alles so verwirrend. Die auskeilenden, schnaubenden Tiere. Brüllende und kämpfende Männer. Ein schwarzgewappneter Reiter mit hocherhobener Streitaxt griff Hector an. Ein mächtiger Hieb, und der Schild des Watchman zersplitterte. Erneut holte er aus — Hector versuchte sich zu ducken, verlor völlig das Gleichgewicht und plumpste scheppernd zu Boden, während die Axt an der Stelle die Luft zerschnitt, wo sich noch vor einer Sekunde sein Kopf befunden hatte.

Irgendwie verdrehte sich sein Helm. Hector konnte sich nicht entscheiden, ob er blind daran herumfummeln oder sein Schwert weglegen und mit beiden Händen den Helm zurechtrücken sollte. Das Problem löste sich von selbst durch einen schmetternden Schlag auf seinen Hinterkopf. Der Hieb ließ ihn einen Salto schlagen und riß ihm den Helm vom Kopf.

Halb betäubt rappelte sich Hector wieder auf. Erst nach mehreren Sekunden ging ihm auf, daß eine Kampfpause eingetreten war.

Der aufgewirbelte Staub legte sich, und er stellte fest, daß alle kerakischen Streiter am Boden lagen — bis auf einen. Der schwarzgewappnete Krieger nahm seinen Helm ab und warf N ihn beiseite. Es war Odal. Aber war er es wirklich? Spielt eigentlich keine Rolle, überlegte Hector. Es kommt allein auf Odals Geist an.

Mit gespreizten Beinen, das Schwert in der Hand, stand Odal da und beobachtete unsicher die anderen Star Watchmen. Drei von ihnen waren zu Fuß, zwei saßen noch im Sattel. Der kerakische Major schien genauso verwirrt zu sein wie Hector. Der Schock, einer zahlenmäßig gleichen Streitmacht gegenüberzustehen, hatte sein Selbstvertrauen schwer erschüttert.

Vorsichtig näherte er sich Hector, das Schwert vor sich ausgestreckt. Die anderen Watchmen sahen untätig zu, wie Hector langsam zurückwich, wobei er mehrmals auf dem unebenen Boden ins Stolpern geriet.

Odal machte einen Ausfall und zielte auf Hectors Arm. Der Watchman parierte im letzten Augenblick. Eine Finte zum Kopf und ein Stoß zur Brust; Hector mißlang die Parade, aber sein Harnisch rettete ihn. Odal griff ungestüm an. Finte, Parade, Ausfall — ein Klirren, und Hectors Schwert flog durch die Luft.

Einen kurzen Moment lang erstarrten alle. Dann stürzte sich Hector unbewaffnet auf den völlig verdutzten Odal und rang ihn zu Boden, wo er ihm das Schwert entriß und es wegschleuderte. Aber Odal versetzte ihm mit der linken Hand einen Faustschlag gegen die Schläfe und schleuderte ihn auf den Rücken. Beide Männer sprangen auf und suchten nach herumliegenden Waffen.

Odal griff sich eine gefährlich aussehende zweischneidige Streitaxt. Einer der berittenen Star Watchmen reichte Hector einen riesigen Pallasch. Er packte das Schwert mit beiden Händen, verlor aber beinahe das Gleichgewicht, als er es über dem Kopf schwingen wollte.

Mit hocherhobenem Pallasch stürmte Hector auf Odal zu, der ihn verbissen, atemlos und schweißüberströmt erwartete. Der Pallasch war ziemlich schwer, selbst für einen beidhändigen Griff. Und Hector übersah bis zum Schluß, daß sein eigener zerbeulter Visierhelm vor ihm auf dem Boden lag.

Odal wiederum hatte sich Hectors Angriff und seinen beabsichtigten Schwertstreich genau ausgerechnet. Er würde den Hieb unterlaufen und dem Watchman mit der Streitaxt die Brust spalten. Dann wollte er sich um die anderen kümmern. Mit dem Tod ihres Anführers würde das Duell vermutlich enden. Aber natürlich wäre Hector nicht wirklich tot; Odal konnte jetzt nur noch hoffen, das Duell zu gewinnen.

Hector griff genau nach Plan an, aber sein Timing war viel schlechter als von Odal erwartet. Gerade als der Watchman zu dem Hieb mit dem mächtigen Pallasch ansetzte, stolperte er über den Helm. Odal duckte sich und sah dann Hector kopfüber nach vorne stürzen, beide Beine wild rudernd in der Luft. Der schwere Pallasch hatte sich selbständig gemacht.

Verdutzt schrak Odal zurück, wurde aber trotzdem von dem wildgewordenen Schwert mit voller Kraft über dem Handgelenk getroffen. Odal ließ die Streitaxt fallen und griff unwillkürlich mit der Linken nach dem verletzten Arm. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor.

Verbittert schüttelte Odal den Kopf, wandte dem hingeschlagenen Hector den Rücken und ging davon.

Die Szene verblaßte allmählich, und Hector saß wieder in der Kabine der Duellmaschine.


Leoh riß die Tür auf und drängte sich in die Kabine.

»Lebst du noch, Junge?«

Blinzelnd kehrte Hector wieder in die Wirklichkeit zurück. »Ich glaube schon…«

»Alles gut abgelaufen? Sind die Watchmen zu dir durchgekommen?«

»Glücklicherweise! Es wäre trotzdem fast schiefgegangen.«

»Aber du hast überlebt.«

»Bis jetzt.«

Am anderen Ende der Maschine stand Odal und massierte sich den Arm, während Kor ihn anfuhr: »Wie sind die auf unser Geheimnis gekommen? Wo ist die undichte Stelle? Wer hat geredet?«

»Das ist jetzt unwichtig«, erwiderte Odal gelassen. »Wesentlich ist doch, daß sie unseren Trick nicht nur entdeckt, sondern ihn sogar irgendwie kopiert haben.«

Kors haarloser runder Schädel — der Odal kaum bis ans Kinn reichte — war dunkelrot angelaufen.

»Diese scheinheiligen Heuchler!« fauchte er. »Werfen uns Betrug vor, und dann tun sie genau das gleiche.«

»Ganz abgesehen von der moralischen Bewertung unserer Handlungsweise«, erwiderte Odal trocken, »ist es jetzt offensichtlich sinnlos, telepathisch meine Helfer anzukoppeln. In der zweiten Runde trete ich dem Watchman allein gegenüber.«

»Können Sie sich darauf verlassen, daß die das gleiche tun?«

»Ja. Sie haben meine Helfer außer Gefecht gesetzt und uns dann ungestört unseren Zweikampf austragen lassen.«

»Und Sie haben ihn nicht schlagen können?«

Odal runzelte die Stirn. »Ich wurde durch einen unglücklichen Zufall verwundet. Hector ist ein sehr… ungewöhnlicher Gegner. Ich komme nicht dahinter, ob er tatsächlich so tölpelhaft ist, oder ob er Theater spielt, um mich zu verunsichern. Auf jeden Fall ist er völlig unberechenbar.« Im stillen fügte er hinzu: Ist er vielleicht auch ein Telepath?

Kors graue Augen blickten hart und ausdruckslos. »Sie wissen natürlich, wie der Führer reagiert, wenn es Ihnen nicht gelingt, diesen Watchman zu töten. Es genügt nicht, ihn im Duell zu schlagen. Er muß sterben. Die Aura der Unbesiegbarkeit muß aufrechterhalten werden.«

»Ich werde mein Bestes tun«, versicherte Odal.

»Er muß sterben.«

Die Glocke, die das Ende der Pause anzeigte, schlug an. Odal und Hector kehrten in ihre Kabinen zurück. Jetzt hatte Hector die Wahl der Waffen und der Umweltbedingungen.


Um Odal herrschte tiefe Finsternis. Nur allmählich gewöhnten sich seine Augen daran. Er steckte in einer Raumkombination. Mehrere Minuten lang stand reglos, spähte in die Dunkelheit, alle Muskeln angespannt. Verschwommen konnte er die Umrisse gezackter Felsen vor einem sternübersäten Himmel ausmachen. Probeweise hob er einen Fuß. Zäh, beinahe klebrig haftete der Stiefel am Boden. Magnetsohlen. Das muß ein Planetoid sein.

Als seine Augen sich an das Zwielicht gewöhnten, sah er, daß er richtig geraten hatte. Es war ein kleiner Planetoid, vielleicht eine Meile im Durchmesser. Schwerkraft fast null. Keine Atmosphäre.

Odal drehte den Kopf in dem Kuppelhelm und sah, über seine rechte Schulter, Hectors Gestalt — hochaufgeschossen und linkisch sogar in dem plumpen Raumanzug. Einen Moment rätselte Odal, welche Waffen benutzt werden sollten. Dann bückte sich Hector, hob einen Stein auf und warf ihn an Odals Kopf vorbei. Er sah dem Geschoß nach, wie es vorbeisegelte und in den nachtschwarzen Raum flog, um nie zurückzukehren. Ein Warnschuß.

Steine? überlegte Odal. Steine als Waffen? Er muß übergeschnappt sein. Dann erinnerte er sich, daß die Masse eines Objekts immer gleich blieb, mit oder ohne Schwerkraft. Auf diesem Planetoiden ließe sich ein Fünfzig-Kilo-Brocken zwar leicht tragen, es würde aber genausoviel Kraft erfordern, ihn zu werfen — und er würde bei einem Aufprall genausoviel Schaden anrichten, unabhängig von seinem relativen Gravitationsgewicht.

Odal bückte sich und suchte einen faustgroßen Stein. Vorsichtig stand er auf, visierte Hector an und warf mit aller Kraft.

Die Wurfbewegung riß ihn von den Beinen, und der Stein flog weit am Ziel vorbei. Er fiel auf Hände und Knie, prallte wieder ab und kam rutschend zur Ruhe. Sofort zog er die Beine an den Leib und preßte die Magnetsohlen seiner Stiefel auf den eisenhaltigen Boden.

Aber bevor er wieder aufstehen konnte, schepperte ein kleiner Stein gegen seinen Sauerstoffzylinder. Der Star Watchman hatte sich bereits eingeschossen! Hastig kroch Odal hinter einen größeren Felsbrocken und ging dort in Deckung. Ein Glück, daß ich mir den Anzug nicht aufgerissen habe, sagte er sich. Eine Salve von drei Steinen prallte von dem Felsen ab, hinter dem er kauerte. Einer streifte seinen Kuppelhelm.

Odal klaubte eine Handvoll Gesteinssplitter auf und schleuderte sie in Hectors ungefähre Richtung. Das wird ihn in Deckung gehen lassen. Vielleicht stolpert er sogar und schlägt sich den Helm kaputt.

Er grinste bei dem Gedanken. Das ist es! Kor will seinen Tod, und das ist genau die richtige Methode. Ich werde ihn mit einem schweren Brocken außer Gefecht setzen und ihn dann lebendig unter Steinen begraben. Schön langsam, ein Steinchen aufs andere. Zwischendurch breche ich ihm ein paar Knochen und lasse ihn schwitzen, während sein Luftvorrat zur Neige geht. Das müßte sein Nervensystem so stark belasten, daß er mindestens krankenhausreif ist. Anschließend könnte er auf konventionelle Weise liquidiert werden. Vielleicht ist er auch so entgegenkommend wie Massan und stirbt an einem Schlaganfall.

Ein großer Brocken. Leicht genug zum Hochheben und Werfen, gleichzeitig aber groß genug, um ihn ein paar Sekunden zu betäuben. Wenn er am Boden liegt, kann ich leicht weitere Steine über ihn häufen.

Odal erspähte ein paar Meter entfernt einen passenden Felsbrocken. Rückwärts kroch er darauf zu und schleuderte dabei kleine Steine in Hectors Richtung, um den Watchman beschäftigt zu halten. Postwendend kam ein Trommelfeuer zurück. Mehrmals wurde er getroffen, einmal so wirkungsvoll, daß er fast das Gleichgewicht verloren hätte.

Langsam und unbeirrt näherte sich Odal seiner gewählten Waffe: einem länglichen Felsklumpen von der Größe eines Hockers. Er kauerte dahinter und lupfte probeweise daran. Der Brocken bewegte sich. Wieder traf ihn ein Geschoß schmerzhaft am Arm. Er konnte Hector jetzt klar erkennen, wie er auf einem kleinen Hügel stand und seelenruhig Steine nach ihm schleuderte. Odal grinste, während er sich wie eine Sprungfeder zusammenrollte und alle Muskeln spannte. Er packte den Felsbrocken mit ausgestreckten Armen.

Dann streckte er sich mit einer einzigen, flüssigen Bewegung, riß dabei den Fels hoch, wirbelte herum und schleuderte ihn auf Hector. Die schwungvolle Bewegung ließ ihn stolpern, als er den Felsbrocken abschoß. Er stürzte zu Boden, ließ aber den Felsen nicht aus dem Auge, wie er um die eigene Achse trudelnd auf den Watchman zuflog.

Einen unendlichen Moment blieb der Watchman wie hypnotisiert stehen. Dann sprang er beiseite und schwebte zeitlupenhaft in der niedrigen Gravitation, während der Felsbrocken majestätisch an ihm vorbeisegelte.

Erbost hieb Odal mit der Faust auf den Boden. Er stand auf, wurde aber von einem größeren Stein an der Schulter getroffen und wieder zu Boden geworfen. Er hob gerade rechtzeitig den Blick, um Hector erneut feuern zu sehen. Direkt neben Odals Helm schlug ein Stein ein. Der kerakische Major warf sich flach auf den Boden. Weitere Steine klapperten gegen seinen Helm und seinen Sauerstofftank. Dann kam nichts mehr.

Odal hob den Kopf und sah Hector am Boden kauern und Munition sammeln. Der kerakische Kämpfer stand rasch auf, beide Hände mit Steinen gefüllt. Er holte mit dem rechten Arm aus…

Irgend etwas veranlaßte ihn, sich umzudrehen und hinter sich zu schauen. Der Felsklumpen türmte sich vor ihm auf, immer noch langsam rotierend, so wie er ihn geworfen hatte. Er war zu groß und bereits zu nah, um ihm noch ausweichen zu können. Er prallte gegen Odal, riß ihn von den Beinen und schleuderte ihn ein paar Meter weiter gegen einen Felsvorsprung.

Noch bevor Odal den Schmerz fühlte, versuchte er bereits den Felsbrocken wegzustemmen. Aber er brachte nicht genügend Kraft dazu auf. Dann sah er den Star Watchman vor sich stehen.

»Hab eigentlich nicht gedacht, daß Sie darauf hereinfallen würden«, erklang Hectors Stimme in seinem Kopfhörer. »Ich meine… war Ihnen denn nicht klar, daß der Brocken zuviel Masse hatte, um sich völlig aus dem Schwerefeld zu lösen, nachdem er mich verfehlt hatte? Sie haben ihn lediglich in eine Kreisbahn beschleunigt, eine, äh, orbitale Umlaufbahn von ungefähr zwei Minuten Dauer. Er mußte zurückkommen… Ich brauchte Sie lediglich für ein paar Minuten an der gleichen Stelle festzunageln.«

Odal antwortete nicht, spannte aber alle Muskeln in seinem schmerzenden Körper an, um den Felsbrocken hochzustemmen. Hector griff ihm über die Schulter und machte sich an den Ventilen am Rücken zu schaffen.

»Tut mir leid… aber ich will Sie nicht umbringen… nur schlagen. Also, eins davon ist das Sauerstoffventil, das andere gehört, glaube ich, zum Rückstoßrucksack. Aber was ist was?«

Hector drehte an einem Ventil. Brüllend zündete eine Rakete, katapultierte Odal unter dem Felsbrocken hervor und schoß ihn in den Weltraum. Der Gasdruck riß Hector von den Beinen und ließ ihn um den halben Planetoiden kollern.

Odal versuchte das Drosselventil des Raketenantriebs zu erreichen, aber die Schmerzen waren zu stark. Bewußtlosigkeit nahte. Er kämpfte dagegen an. Er mußte auf den Planetoiden zurückkehren und irgendwie seinen Gegner töten. Aber allmählich überwältigte ihn der Schmerz. Die Lider waren so schwer, so schwer…

Und unvermittelt saß er wieder in der Kabine der Duellmaschine. Es dauerte ein paar Sekunden, bevor er begriff, daß er wieder in die Wirklichkeit zurückgekehrt war. Dann konnte er wieder klar denken. Es war ihm nicht gelungen, Hector zu töten. Es war ihm nicht einmal gelungen, ihn zu besiegen.

Und an der Kabinentür stand mit unheilverkündender Miene Geheimdienstchef Kor.


Leohs Büro hinter der Duellmaschine sah gegenwärtig aus wie ein großes Doppelzimmer. Eine Wand war durch einen Tri-Di-Schirm ersetzt worden, der jetzt aufgelöst schien und den Blick freigab in das streng funktionale Innere eines Raumschiffs.

Spencer sprach gerade. »Dieser Meuchelmörder ist also auf seine Heimatwelt zurückgekehrt, nachdem er vier Menschen getötet und fast eine Regierung gestürzt hat.«

Leoh nickte. »Unter Bewachung. Vermutlich ist; er in Ungnade gefallen, oder er stand sogar unter Arrest.«

»Wer einem Diktator dient, muß auf seinen Hals ganz besonders achten«, lachte Spencer. »Und der Watchman, dieser Lieutenant Hector, wo steckt der?«

»Geri Dulaq hat ihn mit Beschlag belegt. Eine ganz neue Erfahrung für ihn, plötzlich ein Held zu sein.«

Spencer schlug die Beine übereinander. »Ich habe mir immer geschmeichelt, daß ein Star-Watch-Offizier grundsätzlich jeder Situation gewachsen ist. Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben meine Überzeugung etwas erschüttert. Aber Junior Lieutenant Hector scheint über sich selbst hinausgewachsen zu sein.«

»Hector ist mir zu einer unentbehrlichen Hilfe geworden«, erwiderte Leoh lächelnd. »Ich glaube, du hast da einen erstklassigen Offizier.«

Spencer brummte zustimmend.

»Okay«, fuhr Leoh fort, »damit hätte ich dich auf den aktuellen Stand gebracht. Odal können wir vergessen, glaube ich. Aber die Kerak-Welten haben die Szarno-Federation annektiert und rüsten in großem Maßstab auf. Und die acquatainische Regierung ist noch immer recht wacklig. In ein paar Tagen finden Premierministerwahlen statt — ein halbes Dutzend Kandidaten, keiner mit einer klaren Mehrheit. Und es war auch bestimmt nicht das letzte Mal, daß wir von Kanus gehört haben.«

Spencer hob eine buschige Braue. »Von uns wird er auch noch hören!« grollte er.

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