Mister President, meine Damen und Herren, ich will die Zeit des Anflugs nutzen, um die technischen Hintergründe dieses Projekts genauer zu erläutern. Wie Sie sich vielleicht erinnern – es ging damals durch die Presse – ist es Ende 1999 in Berkeley Wissenschaftlern erstmals gelungen, die Augen einer Katze so an einen Computer anzuschließen, daß auf dem Bildschirm erschien, was diese Augen sahen. Kurze Zeit später – wie soll ich sagen? – fanden die wichtigsten Mitglieder dieses Forscherteams das Angebot attraktiv, von Berkeley nach Langley zu wechseln und die Ergebnisse ihrer Arbeit nicht mehr zu publizieren, im Austausch für die Gewißheit, ihrem Land und der Freiheit zu dienen – und für eine Menge Geld, natürlich. Im Jahr darauf funktionierte das, was mit Katzenaugen geglückt war, auch mit den Augen von Vögeln, und 2001 waren die zugehörigen Sender klein und leicht genug, um sie den Tieren auch einzupflanzen. Sie erinnern sich an die Aufnahmen aus Muammar Ghaddafis Garten? Ein Falke, den wir ihm über einen Mittelsmann zukommen ließen. Ein schönes Tier. Und Sie wissen ja, wie diese Orientalen sind – vernarrt in Falken und Hengste und all solches Zeug.
Hmm, ja. Das ist leider wahr – man hatte vergessen, die Ohren des Tieres anzuschließen. Wir konnten Ghaddafi bei zahlreichen Gesprächen beobachten, aber nichts hören. Ja, korrekt; das führte zu einem überraschenden Wechsel an der Spitze des CIA. Nein, wir haben natürlich Lippenleser eingesetzt, auch solche, die des Arabischen mächtig sind, aber diese Schnauzbärte… Aussichtslos.
So, wir sehen nun Peking, meine Damen und Herren, aus etwa fünfzig Metern Höhe. Das Auge einer Fliege an einen Computer anzuschließen, ich kann es Ihnen versichern, ist eine technische Meisterleistung. Wie Sie vielleicht wissen, hat eine Fliege, wie alle Insekten, Facettenaugen, die völlig anders funktionieren als die Augen von Säugetieren oder Vögeln. Eine Vielzahl von einzelnen starren Augen, nicht wahr, die eine Vielzahl von einzelnen Bildern liefern… Aber da sie alle an einen Computer angeschlossen sind, kann man mit entsprechender Software die Informationen der einzelnen Facetten zu einem Gesamtbild umrechnen, das uns Menschen verständlich ist.
Ja, richtig, das ist das, was Sie hier auf dem Bildschirm sehen, Herr Verteidigungsminister. Peking, wie es eine Fliege sieht. Das, was wir gerade überfliegen, müßte der T’ien-T’an-Park sein, dieses Gebäude da unten die Gebetshalle für gute Ernten… Stammt natürlich noch aus der Zeit vor der Revolution. Dort vorne sieht man schon das große Mao-Standbild, wir sind also tatsächlich im Ch’ung-Wen-Distrikt… Achten Sie auf das niedrige gelbe Gebäude schräg dahinter, ungefähr in Bildmitte, das ist der Sitz des chinesischen Ministerpräsidenten. Wir halten direkt darauf zu.
Wie bitte? Ja, selbstverständlich, wir können die Fliege steuern. Sonst würden wir wahrscheinlich im nächsten Misthaufen landen, nicht wahr, ha ha? Dirigieren ist das bessere Wort, ja. Kleine elektrische Impulse, die die Flugrichtung beeinflussen. Es funktioniert ziemlich gut – jedenfalls haben die Jungs eine Menge erstklassiger Aufnahmen aus Damenumkleideräumen… Oh, Verzeihung, Frau Außenminister.
Wie auch immer, diese Fliege ist vor einigen Tagen von einem ferngelenkten Miniatur-U-Boot an der nordchinesischen Küste ausgesetzt worden und hat sich in langen Flugetappen Richtung Peking bewegt. Die Funksignale sind natürlich verschlüsselt und werden per Satellit… Die Energie? Ja, Sie haben recht. Das ginge nicht, wenn wir der Fliege auch noch eine Batterie hätten aufbürden müssen; damit wäre sie auch nicht weit gekommen. Nein, die elektrischen Anschlüsse im Körper der Fliege beziehen ihre Energie direkt aus den Zellen, über einen elektrochemischen Prozeß, den ich, ehrlich gesagt, nicht verstanden habe. Der Professor kann Ihnen das nachher sicher besser erklären als ich. Nein, billiger ist es auf keine Fall. Die Umrüstung dieser Fliege hat ungefähr fünfzehn Millionen US-Dollar gekostet. Wobei man berücksichtigen muß, daß sich dieser Betrag reduzieren wird, sobald wir über das Prototyp-Stadium hinaus sind. Ich sage das, weil der Herr Staatssekretär hier einen Moment blaß wurde… Nichts für ungut, Jim!
So – das müßte das Fenster zum Büro des Ministerpräsidenten sein. Wir lassen die Fliege auf der Fensterscheibe landen, so daß wir hineinschauen können. Hervorragend. Punktlandung. Die Fliege dreht sich einmal auf der Stelle, damit unsere Jungs in der Steuerung sich in Ruhe umschauen können. Ich schätze mal, sie werden die Lüftungsklappe dort oben nehmen… Richtig. Sicherheitshalber bleibt die Fliege am Boden, beziehungsweise an der Scheibe, weil… fünfzehn Millionen Dollar, dafür kann man eine Menge Cadillacs kaufen, nicht wahr?
Ah! Fliegengitter! Das ist jetzt natürlich ein Hindernis. Aber ich schätze, jeder von Ihnen kennt das – man glaubt, man hat das ganze Haus abgedichtet, und trotzdem kommen die Biester irgendwie rein. Ja, und was soll ich sagen: seit wir mit der Fliege durch die Gegend schwirren, wissen wir auch, warum. Wie die das machen. Sehen Sie, hier hat das Fliegengitter im Fenster des chinesischen Ministerpräsidenten eine Lücke. Die haben nicht wir gefunden, die hat die Fliege selber gefunden. Die Burschen aus der Steuerzentrale haben ihr nur das dringende Bedürfnis eingegeben, in den Raum dahinter zu gelangen, und siehe da, unsere Fliege findet einen Weg. Und drin sind wir!
Das ist der besondere Vorteil dieses Verfahrens – daß das Tier lebt. Es ist kein Roboter, kein ferngesteuertes Flugobjekt – es ist ein Lebewesen, das wir lediglich dorthin lenken, wo wir es haben wollen. Alles andere macht es selber. Es fliegt, es versorgt sich mit Nahrung – um all das müssen wir uns nicht kümmern.
So, Ladies und Gentlemen, das ist jetzt der Anflug auf den Schreibtisch. Nein, nein, das ist keine Aufzeichnung, das ist alles live. Natürlich laufen Recorder mit, außerdem sitzen Agenten mit hervorragenden Kenntnissen des Chinesischen im Nebenraum… Wie bitte? Ja, ich glaube, Sie haben recht – die zweite Person ist der Verteidigungsminister! Gut möglich, daß die Papiere auf dem Tisch geheime militärische Unterlagen sind. Sehen Sie nun, wie wunderbar das ist? Eine unscheinbare, absolut unverdächtige Fliege ist unser Auge und unser Ohr. Bitte sehen Sie mir meine Begeisterung nach. Ein harmloses Insekt, nicht der Rede wert, krabbelt am Rand des Tisches, an dem diese beiden Männer sitzen, und sie kommen nicht im Traum auf die Idee, daß sie belauscht und beobachtet werden. Eine kleine Schmeißfliege, die ein besserer Agent ist, als James Bond es je…
Oh! Das ist jetzt natürlich ziemlich… wie soll ich sagen? Bitte – einen Moment… Kann ich eben mal kurz telefonieren? Sicher gibt es dafür einen Grund…
Hi, George? Was ist los? Ihr habt den Funkkontakt verloren.
Nein? Aber hier ist alles tot. Der Bildschirm zeigt nur noch Schneegestöber, und ich glaube nicht, daß es im Sommer in Peking…
Wie? Nein, das habe ich jetzt nicht verstanden. Was hat das letzte Bild damit zu tun? Ihr habt es analysiert, ja, und? Was ist darauf zu sehen?
Ah. Die Peking Rundschau…?
© 1999