Epilog

Wieder in unserer eigenen Welt zu landen war, als komme man nach langen Jahren wieder nach Hause. Alles fühlte sich so richtig an, so normal und so willkommen. Trumans unterirdische Basis krachte um uns herum in unser Bewusstsein und Molly und ich trafen hart auf dem Boden auf. Wir rollten eine Weile in einem Chaos von Gliedern herum, wie Laub in einem andersdimensionalen Sturm. Schließlich hielten wir schlitternd am Rand der gewaltigen Grube an, die Truman für den Turm gegraben hatte. Eine Weile lagen wir einfach nur da, zerschlagen und mit blauen Flecken und schwer atmend. Molly war wieder sie selbst und sie klammerte sich an mich, als wolle sie mich nie wieder gehen lassen. Wir waren wieder zu Hause, da, wo wir hingehörten, und es fühlte sich so gut an, dass ich laut gelacht hätte, hätte ich nur die Energie besessen.

Molly und ich kamen langsam wieder auf die Füße und halfen einander dabei. Wir sahen uns erst um, als wir hörten, dass Schritte nahten. Harry Drood und Roger Morgenstern rannten den Korridor hinunter. Sie sahen beide - wahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt - froh aus, uns zu sehen. Sie blieben abrupt vor uns stehen, Harry schnappte sich meine Hand und schüttelte sie mit seinen beiden.

»Ihr seid zurück! Endlich! Wo zur Hölle wart ihr?«, fragte Harry und behandelte meine Hand immer noch wie einen Pumpenschwengel. »Wir haben schon seit Ewigkeiten auf euch gewartet!«

»Wir haben uns schon gefragt, ob ihr überhaupt wieder auftaucht«, fügte Roger hinzu.

»Ach, verdammt«, sagte ich. »Nicht schon wieder ein Zeitsprung. Ich hätte damit rechnen müssen, wenn Ivor mit drinhängt. In Ordnung, wie lange waren wir diesmal weg?«

»Beinahe zwölf Stunden!«, sagte Harry.

»Wir haben angefangen, uns ernsthafte Sorgen zu machen«, meinte Roger. »Na ja, ich sage wir, aber …«

»Zwölf Stunden?«, erwiderte ich. »Das ist für Ivor schon nicht schlecht. Mit zwölf Stunden kann ich leben. Harry, ich hätte diese Hand jetzt bitte gern zurück. Danke. Ich entnehme dem albernen Grinsen auf deinem Gesicht, dass wir Erfolg hatten. Was ist passiert, während wir weg waren?«

»Jeder Abscheuliche auf dieser Erde ist tot«, sagte Harry. »Alle, in jedem Nest in jedem Land. Es war klar, dass ihr Erfolg gehabt hattet und dass wir jetzt sicher vor den Hungrigen Göttern sind, also haben wir hier eine Wache aufgestellt, um auf eure Rückkehr zu warten. Ich habe mich freiwillig für die erste gemeldet. Die Matriarchin sagte, hier würde immer jemand auf dich warten, egal, wie lange es dauert.«

»Für immer, wenn nötig«, sagte Roger. »Die Matriarchin war da sehr entschieden. Sentimentale alte Schachtel.«

»Großmutter hatte schon immer einen Sinn für große Gesten«, meinte ich. Ich sah zum Turm, in die Grube. Das Ding war ganz offenbar tot. Es schmolz langsam, der Stahl und die Technologie und die lebenden Teile rutschten und glitten langsam voneinander fort, vergammelten und fielen auseinander. Sie tropften in das Loch, das Truman dafür gegraben hatte und ich konnte mir keinen besseren Ort vorstellen, um es zu begraben.

»Ich fühle mich scheiße«, sagte Molly plötzlich. Sie schüttelte den Kopf, als müsse sie ihn von Spinnweben befreien und zog dann eine Schnute. »Verdammt, es fühlt sich an, als hätte jemand seinen Abfall in meinem Kopf abgeladen. Habe ich richtig gehört, wir haben die Hungrigen Götter getötet? Scheint, als könnte ich mich an nicht viel von dem erinnern, was auf der anderen Seite passiert ist …«

»Vielleicht nur der Stress interdimensionalen Reisens«, sagte ich schnell. »Das stellt immer großen Mist mit der Erinnerung an.«

»Wenigstens bist du nicht mehr infiziert«, sagte Roger. »Der Abscheuliche, der in dir wuchs, ist völlig verschwunden.«

Wir alle sahen ihn an. »Molly war infiziert?«, fragte Harry.

»Wir lange hast du das gewusst?«, fragte ich.

»Beinahe von Anfang an«, sagte Roger. »Man kann so was nicht vor meinen überlegenen Halbdämonensinnen verstecken.«

»Warum hast du dann nichts gesagt?«, fragte Molly.

»Ging mich nichts an«, sagte Roger leichthin. »Deine Magie hat es perfekt unterdrückt und es war klar, dass Eddie es wusste - und außerdem wollte ich wissen, was passieren würde.«

»Und wann wolltest du mir davon erzählen?«, fragte Harry. »Keiner sagt mir je was.«

»Also bin ich wieder ganz ich?«, fragte Molly. Sie grinste plötzlich. »Noch mehr in dieser Art und ich glaube an Happy Ends.«

»Wo ist Giles?«, fragte Roger. »Hat er's nicht geschafft?«

»Giles ist zu Hause«, sagte ich. »Jedenfalls hoffe ich das. Wo ist Mr. Stich?«

»Hier«, sagte die ruhige, kalte Stimme des unsterblichen Serienkillers. Er kam hinter dem zerfallenden Turm hervor und nickte Molly und mir kurz zu. »Ich habe dem Turm beim Sterben zugesehen. Sehr faszinierend. Ich habe ein paar besonders interessante Stücke als Souvenirs herausgeschnitten. Seltsame Augenbälle und so etwas. Ich hoffe, keiner hat etwas dagegen.«

»Hast du das die ganzen zwölf Stunden gemacht?«, fragte Molly.

»Ich habe mir die Zeit vertrieben«, sagte Mr. Stich. »Ich wusste, ihr kommt zurück. Und ich wollte Lebewohl sagen, bevor ich gehe. Ich werde nicht mit ins Herrenhaus zurückkommen. Für mich gibt es dort nichts mehr, jetzt, wo Penny tot ist. Und ich bin sicher, dass der größte Teil der Familie einen Groll gegen mich hegt. Anwesende eingeschlossen.«

»Ich habe dir vertraut!«, meinte Molly. »Ich habe für dich gebürgt!«

»Du hättest es wirklich besser wissen sollen«, sagte Mr. Stich. »Besonders die Verdammten müssen ihrer Natur treu bleiben. Wenn ich dächte, dass man mich töten kann, dann würde ich vielleicht wieder mitkommen, aber so, wie es sich jetzt verhält … Ich werde wieder in die Welt zurückgehen, und in ihr herumwandern und schreckliche Dinge tun. Weil ich das muss. Bis ich irgendwann etwas so Furchtbares tue, dass ihr einen Weg finden müsst, um mich zu zerstören. Lebt wohl, alle miteinander. Bis wir uns wiedersehen.«

Er verbeugte sich kurz, wandte sich um und ging fort. Wir ließen ihn gehen. Was hätten wir auch schon tun können?

»Wenigstens gibt es jetzt kein Manifestes Schicksal mehr«, sagte Harry nach einer Weile. »Truman ist tot, zusammen mit all seinen Leuten hier, und seine Basis ist zerstört. Zumindest ein Böser weniger in der Welt, um den man sich Sorgen machen muss.«

»Sei nicht so naiv, Harry«, sagte Molly müde. »Das Manifeste Schicksal ist eine Idee, eine Philosophie. Das wird es immer geben, in der einen oder anderen Form. Es wird immer die kleinen, verbitterten Leute geben, die bereit sind, einem charismatischen Führer zu folgen, der ihnen Frieden und Glück verspricht, um damit Gewalt und das Töten von Sündenböcken zu rechtfertigen.«

»Aber das muss uns heute nicht kümmern«, sagte ich fest. »Also los, lasst uns nach Hause gehen.«

Merlins Spiegel erschien plötzlich vor uns und öffnete sich in den Lageraum. Wir gingen der Reihe nach hindurch und schallender Applaus empfing uns. Jeder rief meinen und Mollys Namen. Der Waffenmeister wartete auf uns, um uns zu begrüßen.

»Wusste ich doch, dass ihr wiederkommt«, sagte er schroff. »Hab ich nie bezweifelt. Wie war es in der höheren Dimension? Wie sahen die Hungrigen Götter aus? Habt ihr mir ein paar interessante Souvenirs mitgebracht?«

»Hallo, Onkel Jack«, sagte ich. »Schön, wieder hier zu sein.«


Natürlich musste es eine große Feier geben. Die Familie ist schon immer groß in Zeremonien und Festivitäten gewesen. Also ging - nachdem Molly und ich direkt ins Bett gefallen waren und einmal rund um die Uhr geschlafen hatten -, das Gerücht um, dass wir im Ballsaal erwartet wurden. Wir warfen uns in unsere besten Klamotten und machten uns auf den Weg. Nur um festzustellen, dass wahrscheinlich die ganze, verdammte Familie sich an einem Ort versammelt hatte und tanzte, trank und sich den Bauch vollschlug vor lauter Freude darüber, dass die Welt doch nicht untergegangen war. Es sah so aus, als hätten sie das schon eine ganze Zeit getan. Der Lärm war ohrenbetäubend. Seltsam hatte sein rosiges Leuchten oben an der hohen Decke angebracht und übertrug Tanzmusik aus dem Nichts. Die Leute tanzten wie verrückt, tranken großzügig und schwatzten laut miteinander, während sie die riesige Menge Essen vertilgten, das auf den Büffettischen an den vier Wänden aufgetischt war.

Erst wurde alles still, als wir hereinkamen. Dann drehte sich jeder zu uns um, um uns zuzujubeln, klatschte in die Hände und trampelte mit den Füßen, und geriet bei unserem Anblick völlig aus dem Häuschen. Die schiere Lautstärke und das Gefühl waren so überwältigend, dass ich tatsächlich rot anlief. Ich nickte steif, lächelte und winkte zögerlich. Molly lächelte süß und badete in all dem. Ihr war noch nie in ihrem Leben etwas peinlich gewesen.

Wir bahnten uns unseren Weg in den Ballsaal und jeder begann sofort wieder damit zu tanzen, zu trinken und zu essen. Wir sind schon immer eine sehr pragmatische Familie gewesen. Die Matriarchin hatte Molly und mich zu Ehrengästen ernannt, mit Reden und Präsentationen und all dem, aber ich hatte mein Veto eingelegt. Das war eine Feier von der Familie für die Familie. Wir hatten alle etwas dazu beigetragen. Wir alle hatten unsere Pflicht getan.

Molly und ich wanderten einen Büffettisch entlang und versuchten etwas von diesem und jenem. Das meiste Essen im Angebot waren die bekannten Partysnacks im Familienstil. Molly liebte die mit Pastete gefüllten Babymäuse auf Cocktailspießchen, ich hielt mich lieber an den jungen Oktopus an Kaviar. Es gab Lemming-Mousse, Teufelshirn in Schwefelsoße und jede Menge gerösteten Schwan. Wir mögen es nicht, wenn der See zu bevölkert ist. Ihre Majestät die Königin hat uns eine Sondergenehmigung gegeben, Schwan essen zu dürfen. Als ob uns das interessiert hätte.

Ich war immer noch müde trotz der vielen Stunden tiefen und traumlosen Schlafs. Selbst Molly fehlte noch das gewisse Etwas. Also schlenderten wir einfach ein wenig herum, sagten den Leuten Hallo und schüttelten Hände. Wir gestatteten uns, auf die Schulter geklopft zu werden, und ließen einfach alle erzählen, wie großartig sie uns fanden. Bekannte Gesichter tauchten hier und da auf. Die Bibliothekare William und Rafe nickten uns kurz im Vorbeigehen zu, zeigten aber sonst die feste Absicht, alles auf dem Büffettisch zu vertilgen, was nicht selbst von seinem Teller wegrennen konnte. Harry und Roger segelten vorbei, sie drehten sich zu den Klängen eines Strauß-Walzers. Sie sahen wirklich schneidig aus. Der junge Freddie Drood tanzte mit der Matriarchin, die beiden schwebten glatt und graziös über den Boden und für einen Moment konnte ich erahnen, was für eine prachtvolle Frau Martha in ihren besten Jahren gewesen sein musste.

Callan humpelte zu uns herüber, in einer Hand einen großen Drink und eine noch größere Hähnchenkeule in der anderen. »Hallo, ihr beiden! Willkommen zurück! Was sollte das, zu glauben, dass ihr die Welt ohne mich retten könnt! Ich bin in einem Krankenhausbett aufgewacht und musste mir mit einer Bettpfanne und einer Krücke den Weg frei prügeln. Nur um zu sehen, dass ihr schon weg wart! Ich verpasse immer das Beste.«

»Vielleicht das nächste Mal«, sagte Molly freundlich. »Hast du auf der Krankenstation Janitscharen Jane getroffen?«

»Oh, aber sicher. Sie erholt sich. Langsam. Eine zähe alte Braut.« Callan holte tief Luft und sah plötzlich kleinlaut aus. »Eine ganze Menge anderer haben es nicht geschafft. Allein die Beerdigungen werden Wochen dauern. Die Familie wird eine lange Zeit brauchen, um darüber wegzukommen.«

»Umso wichtiger ist es, dass gute Leute nach vorne treten und den Staffelstab übernehmen«, sagte ich. »Ich habe schon mit der Matriarchin darüber gesprochen, dich zu einem vollen Frontagenten zu machen.«

Callan grinste. »Wurde auch Zeit. Ich werde euch allen zeigen, wie man das macht.«

Und weg war er, um seine Persönlichkeit irgendwo anders glänzen zu lassen.

Der Waffenmeister schlenderte vorbei. Er hielt eines seiner speziellen langstieligen Gläser, die er extra entworfen hatte, um nie auch nur einen Tropfen zu verschütten, egal, was man damit tat. Sah man auf die Weinflecken, die überall auf seinem Laborkittel zu sehen waren, war Version 15 nicht erfolgreicher als die Vorgängermodelle. Der Waffenmeister lächelte Molly und mir schwach zu, dann erinnerte er sich, warum er zu uns herübergekommen war und brachte uns schnell auf den neuesten Stand der Dinge. Er hatte noch nie viel für Small Talk übrig gehabt.

»Dass die Hungrigen Götter tot waren, wussten wir in dem Moment, in dem es passiert ist, denn jede Drohne in jedem Nest auf der ganzen Welt starb oder verschwand exakt im gleichen Moment. Sie verschwanden sogar aus dem Inneren der armen besessenen Seelen, die wir in den Isolationszellen festgehalten haben. Alle Spuren der Infektion waren weg, einfach so. Die meisten der armen Teufel leiden immer noch unter den inneren Veränderungen und sogar Hirnschäden, aber die Mediziner können viel tun. Wenn nicht - nun ja, die Familie wird für sie bis zu dem Tag sorgen, an dem sie sterben, wenn es sein muss. Das Wichtigste ist, dass nicht ein Abscheulicher auf der weiten Welt mehr existiert! Da habt ihr beiden verdammt viel erreicht!«

»Danke, Onkel Jack«, sagte ich. »Weißt du, wir hätten es nicht geschafft, wenn du nicht gewesen wärst. Dein Teleport-Armband war also doch noch nützlich.«

»Ich wusste es!«, sagte er glücklich. »Ich bin froh, dass du es endlich geschafft hast, es für mich zu testen. Ich war beinahe sicher, dass es funktioniert.«

Er wanderte wieder davon, bevor ich ihm eine reinhauen konnte. Beinahe sicher? Molly schauderte plötzlich neben mir.

»Ich erinnere mich nicht genau daran, wie es war, infiziert zu sein. Etwas in mir zu haben, das meinen Verstand und meine Seele zerfraß. Vielleicht genau so.«

»Ja«, sagte ich. Ich hatte ihr nicht erzählt, dass die Drohne zeitweise die Kontrolle über ihren Körper übernommen hatte und sie dazu benutzt hatte, um ihre alte Freundin U-Bahn Ute zu töten. Wozu wäre das gut gewesen? Manchmal besteht die Liebe darin, dem anderen etwas nicht zu sagen.

»Haben sie schon herausgefunden, wer Sebastian umgebracht hat?«, fragte sie plötzlich.

»Scheinbar nicht«, sagte ich. »Wahrscheinlich wurde er von dem eigentlichen Verräter getötet, der die Abscheulichen erst in unsere Welt brachte. Vermutlich wusste Sebastian etwas oder der Verräter glaubte das.«

»Und du machst dir keine Sorgen darum, dass der Bastard immer noch hier ist?«

Ich musste lächeln. »Wenn ich glauben könnte, dass es nur einen Verräter in der Familie gibt, dann wäre ich glücklich. Früher oder später wird er oder sie sich verraten. Das tun Verräter immer. Aber das - ist eine Geschichte für einen anderen Tag.«

Die Matriarchin kam zu uns herüber, aufrecht und majestätisch wie immer und jeder beeilte sich, ihr aus dem Weg zu gehen.

»Gut gemacht«, sagte sie, knapp wie immer. »Eine Krise erledigt, und so viele sind noch übrig.«

»Für die Familie läuft also alles wie immer«, sagte ich.

»So ziemlich.« Sie sah mich nachdenklich an. »Wenn du einverstanden bist, bin ich bereit, das tägliche Geschäft der Familie zu leiten, was dir Zeit lässt, um die Politik auszurichten und strategische Entscheidungen zu treffen. Du wärst immer noch verantwortlich, aber es gäbe auch eine Menge, das ich für die Familie tun kann.«

»Natürlich gibt es das«, sagte ich. »Ich kann deine Erfahrung gut gebrauchen. Aber ich plane nicht, die Dinge für immer zu leiten. Ich habe kein Verlangen danach, Patriarch zu sein. Je eher ich eine Art demokratisches System in der Familie etabliere, damit wir unsere Führer wählen können, desto eher kann ich wieder Frontagent werden. Wo ich hingehöre.«

Die Matriarchin zuckte mit den Achseln. »Die Familie hat so ziemlich alles ausprobiert, wie man am besten mit den Dingen fertig wird, aber wir sind immer auf die Matriarchin zurückgekommen. Weil das funktioniert. Aber du hast dir das Recht verdient, deine eigenen kleinen Experimente mit der Demokratie zu machen.«

»Danke Großmutter«, sagte ich trocken. »Ist dir klar, dass ich die ganze Zeit Leute auf dich ansetzen werde, die dich für den Fall der Fälle beobachten werden?«

»Aber natürlich«, sagte sie. »Ich erwarte nichts anderes.« Sie machte eine Pause und sah über die große Menge tanzender Paare, die sich im Ballsaal tummelten. »Ich vermisse Cyril. Er war als Junge ein so guter Tänzer.«

»Er?«, fragte ich. »Der Seneschall? Der Mann war ein Schläger und ein Tyrann!«

»Das war nur sein Job«, sagte die Matriarchin. »Cyril war immer so viel mehr als das. Er war so ein vielversprechender Schüler … Sag mir, Eddie, dass er gut gestorben ist.«

»Ja«, sagte ich. »Er starb gut. Er stand gegen eine Übermacht, so dass wir anderen davonkommen konnten. Er hat der Familie Ehre gemacht.«

»Natürlich«, sagte die Matriarchin. »Ich habe nichts anderes erwartet. Wir werden so bald wie möglich einen neuen Seneschall ernennen müssen. Er repräsentiert Disziplin und Hingabe an die Familie.« Sie sah mich streng an. »Aber was im Namen Gottes hast du dir dabei gedacht, einen Halbelben ins Herrenhaus zu bringen? Jetzt hat der Elbenrat einen eigenen goldenen Torques! Du musst ihn zurückholen, Edwin!«

»Das steht auf meiner To-do-Liste ganz oben«, sagte ich.

»Gut«, sagte die Matriarchin. Sie erlaubte sich ein halbes Lächeln. »Du hast dich gut geschlagen, Enkel. Du hast erreicht, wozu du aufgebrochen bist und hast die Macht der Droods in der Welt wiederhergestellt, indem du die Abscheulichen ein für alle Mal ausgeschaltet und gleichzeitig die Welt gerettet hast. Du hast die Familienehre wiederhergestellt und unseren Wert in den Augen derer, die eine Rolle spielen, bewiesen. Weiter so.«

Und weg war sie, um sich weiter in der Familie zu zeigen und sicherzugehen, dass niemand zu viel Spaß hatte.

Harry und Roger kamen vorbei und sprachen leise, aber angeregt miteinander. Molly und ich schlichen hinterher und lauschten schamlos.

»Was meinst du damit, du wurdest geschickt, um mich zu verführen?«, fragte Harry.

»Was ich sagte«, erwiderte Roger geduldig. »Ich wurde in diesem Pariser Nachtclub platziert, um dich mit meinem Charme einzuwickeln. Die Idee bestand darin, dass wenn wir ein Paar würden, du mich hierher bringen würdest, um die Familie zu treffen und dann hätte die Hölle ihren eigenen Agenten und Informanten hier. Mitten im Herzen der Droods. Die schiere Anzahl an Informationen, die ich hätte weitergeben können, all die Jahre …! Die Hölle denkt da immer gern langfristig.«

»Aber … du hast dein Leben riskiert, um meins zu retten, indem du die Seelenkanone abgewehrt hast!«, sagte Harry.

»Ja«, antwortete Roger. »Naja, scheint, als hätte auch eine Höllenbrut mal frei. Entspann dich, Süßer. Ich sage dir das nur, um dir zu zeigen, wie sehr ich dir vertraue. Die Dinge zwischen uns haben sich geändert. Eine getürkte Beziehung hat sich als echt erwiesen, sehr zu meiner Überraschung. Wer hätte auch ahnen können, dass eine Höllenbrut der Liebe fähig wäre?«

»Ja«, meinte Harry. »Wer hätte das geahnt.«

Sie gingen Arm in Arm weiter und Molly und ich ließen sie gehen.

»Ich glaube, ich bin beleidigt«, sagte sie. »Er und ich waren Monate zusammen und in mich hat er sich nicht verliebt.«

»Er war dich nicht wert«, sagte ich.

»Oh, natürlich«, erwiderte sie. »Das versteht sich von selbst.«

Wir sahen über die versammelte Familie, die den ganzen Ballsaal von Wand zu Wand füllte, der vor Fröhlichkeit und Feierlaune vibrierte.

»Wenigstens ist jetzt alles vorbei«, sagte Molly.

»Das weißt du besser«, erwiderte ich. »Es ist nie vorbei. Deshalb sind die Droods so nötig. Menschen sind sterblich, aber Dämonen wird es immer geben.«

»Lass uns hier verschwinden«, sagte Molly. »Wieder ins Bett.«

»Bist du müde?«

»Nein«, grinste sie.

»Na prima«, antwortete ich. »Ich glaube, die kommen hier ohne uns aus. Lass uns gehen. Ich muss dir was zeigen.«

»Na, das hoffe ich doch«, sagte Molly.


Als wir wieder in meinem Zimmer waren, oben im Herrenhaus, hatte ich meine Überraschung bereits installiert: Merlins Spiegel, aufrecht und an einem Ort am hinteren Ende des Zimmers platziert. Ich sprach die Worte. Unsere Spiegelbilder verschwanden und wurden von einem Portal in den Wilden Wald ersetzt, der Mollys Zuhause war. Sie schnappte nach Luft und klatschte entzückt in die Hände. Dann umarmte sie mich leidenschaftlich.

»Ein permanentes Portal«, sagte ich. »Eine direkte Verbindung zwischen meinem Raum und deinem geliebten Wald, damit du kommen und gehen kannst, wie es dir gefällt und niemals weiter als eine Tür von mir entfernt bist. Das Beste aus beiden Welten. Wenn es das ist, was du willst …«

»Oh, ich will es«, sagte Molly und schubste mich aufs Bett. »Ich will es.«

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