4.

Kaiser Dervon XIV. hatte den Meldungen aus dem Aldryne-System mehr als nur seine gewöhnliche Aufmerksamkeit geschenkt. Ja, er hatte sich sogar derart intensiv mit den Vorkommnissen in diesem System befaßt, daß dabei kaum noch Zeit für die Lösung der Probleme vieler anderer Welten geblieben war.

Aber, so sein Gefühl, die Zeit war nicht unnütz vertan. Mehr als jeder andere war er sich der Wackligkeit seines Thrones bewußt und sah von Aldryne große Probleme auf sich zukommen.

»Ist heute schon ein Bericht von Ihrem Legaten auf Dykran eingetroffen, Govleq?« fragte der Kaiser den Minister.

»Noch nicht, Majestät.«

»Hm. Sorgen Sie dafür, daß die Überbringung schneller vonstatten geht. Dies ist ein ernstes Problem, Govleq.«

»Selbstverständlich, Majestät.«

Der Kaiser fuhr sich über den haarlosen Kopf und nahm den letzten Report des Legaten zur Hand. »Können Sie sich das vorstellen? Da haben sie auf Dykran den Sohn dieses Priesters Duyair in ihren Händen gehalten und ihn laufengelassen! Der Hammer — dieser Narr von einem Legaten erzählt mir hier allen Ernstes, daß er ein Mythos ist. Ein Mythos, der uns allen den Untergang bringen wird, Govleq. Wer ist dieser Legat?«

»Olon Domyel ist einer unserer besten Leute, Sire. Ich habe ihn persönlich für diesen Auftrag bestimmt.«

»Spricht nicht für Sie«, sagte Dervon scharf.

Eine Lampe leuchtete zweimal auf. »Es sind Nachrichten eingetroffen«, schnauzte der Kaiser. »Holen Sie sie und lesen Sie vor.«

»Unverzüglich, Sire.«

Govleq durchquerte den Raum zu einem Korb, in den durch eine Rohrpostleitung zwei kleine Nachrichtenkristalle hereingekommen waren. »Einer ist von Dykran, der andere von Aldryne«, sagte er.

»Na also, lesen Sie. Ich will wissen, was drinsteht, nicht, woher sie kommen.«

Der Minister befeuchtete seine Lippen und brach eines der Kristalle mit einem Fingernagel auf. Er überflog die Nachricht, holte erschrocken Luft, öffnete dann den zweiten Kristall. Der Imperator schaute ihm aus wäßrigen Augen ungeduldig zu.

»Nun?« herrschte Dervon Govleq an. Seine Stimme klang wie das Krächzen eines Raben.

»Eine von Aldryne und eine von Dykran«, wiederholte Govleq wie benommen. »Welche Nachricht wollen Sie zuerst hören, Sire?«

»Ist das wichtig?«

»Nein, Sire. Die von Dykran ist etwas älter. Sie stammt von Legat Domyel. Er berichtet, daß es Gerüchte darüber gibt, daß sich irgendwo auf dem Planeten eine Rebellenarmee zusammentut. Er weiß aber nicht genau, wo.«

»Dieser Idiot! Was berichtet Aldryne?«

Govleq fröstelte ein wenig. »Die von Aldryne stammt von Prokonsul Darhuel. Sie besagt…«

»Nun machen Sie endlich!« tobte Dervon.

»Darhuel sagt, daß er alle Streitkräfte des Imperiums vom Planeten Aldryne abzieht und seine Basis auf eine Nachbarwelt verlegen will. Es scheint, daß auch auf Aldryne ein Aufstand ausgebrochen ist. Er wird angeführt von einem Priester namens Lugaur Holsp, der behauptet, den Hammer von Aldryne zu besitzen!«


Ras Duyair hörte zu, wie der dervonarische Aufrührer seine Pläne erläuterte.

»Man weiß ganz sicher, was auf Dykran vor sich geht«, sagte Marsh. »Dafür haben wir zahlreiche Beweise. Gestern ist dieser Legat aus der Hauptstadt gekommen, dieser Olon Domyel. Er erließ prompt ein Verbot für den Verkehr zwischen Dykran und Aldryne, und dann weitete dieser Narr es auf alle Welten in diesem System aus.

Es kann nur einen Grund dafür geben: Der Kaiser vermutet Schwierigkeiten mit diesem System, und die schnellste und sicherste Art, diese Probleme zu lösen, ist, die Welten voneinander zu isolieren, so daß der Bazillus des Aufstands nicht überspringen kann.« Marsh kicherte. »Unglücklicherweise sind doch einige Sporen durch den Äther fortgetrieben worden. Der junge Duyair, zum Beispiel. Aber der Kontakt zwischen Dykran und Aldryne ist unterbrochen.

So weit, so gut. Erst kommt also ein Legat und verhängt Reisebeschränkungen. Jetzt ist es Zeit für uns, loszuschlagen, und zwar bevor der Kaiser eine Million Soldaten hierher entsendet. Wir haben unsere Organisation. Wir müssen angreifen. Unsere einzige Hoffnung ist, Kontakt mit anderen Planeten zu bekommen, um sie aufzufordern, es uns gleichzutun. Der Kaiser hat eine große Flotte, aber sie kann nicht überall zugleich sein. Gleichzeitige Revolutionen auf einhundert Welten würden das Imperium innerhalb einer Woche zusammenbrechen lassen.«

Ein Mann neben Duyair hob eine Hand. »Sag mir, Bluir: Wieviele Welten, glaubst du, werden sich uns anschließen?«

»Es gibt Untergrundorganisationen auf mindestens vierzehn Welten in zwölf Systemen«, sagte Marsh. »Ich habe sie selbst in den letzten zehn Jahren errichtet. Die auf Dykran ist die stärkste, deshalb starten wir die ganze Sache auch hier. Aber das Feuer wird sich ausbreiten. Das Imperium ist ein Relikt der Vergangenheit; niemand möchte mehr an eine nutzlose Monarchie Steuern zahlen. Duyair, wie steht es auf Aldryne?«

Duyair sagte: »Auf meinem Planeten interessiert sich kaum jemand mehr für das Imperium. Wir haben natürlich die Legende vom Hammer. Sie hält den Haß gegen das Imperium wach — man weiß, daß er eines Tages das Kaiserreich zerschlagen wird.«

Bluir Marsh runzelte die Brauen. »Der Hammer, ja — ich kenne die Legende. Steckt tatsächlich ein wahrer Kern in ihr?«

»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht«, erklärte Duyair. »Mein Vater wußte vielleicht etwas, aber die Folterknechte haben ihn vernichtet. Er hat mir gegenüber immer darauf beharrt, daß es einen Hammer gibt und daß er wüßte, wo er sich befindet, aber er starb, ohne es mir zu sagen. Und sein Nachfolger als Hoherpriester weiß auch nichts darüber.«

»Zu schade; ein psychologisches Symbol wie der Hammer könnte nützlich sein. Wir könnten auch einen Hammer erfinden, denke ich. Sobald die Sache auf Dykran losgegangen ist, bringen wir Sie zurück nach Aldryne, um dort unsere Nachricht zu verbreiten.«

»Das will ich tun«, versprach Duyair.

»Gut.« Marsh schaute sich in der Runde um. »Jeder weiß, was er zu tun hat?«

Allgemeine Zustimmung. Jetzt überzog das erstemal ein Grinsen das Gesicht des alten Revolutionärs. »Dann sind wir bereit. Als erstes nehmen wir den Legaten und den Prokonsul gefangen, dann informieren wir die ganze Galaxis darüber, was wir getan haben.«


Ein wilder Haufen fiel über das Büro des Prokonsuls auf Dykran her. Sie waren etwa einhundert Leute, bewaffnet mit provisorischen Waffen aller Art.

Als der größte und kräftigste Mann der Gruppe zog es Duyair beinahe unbewußt an die Spitze des Mobs, als sie sich dem Büro näherten. Zwei Imperiums-Soldaten schauten die Angreifer nur kurz ungläubig und verängstigt an, dann war der Mob über ihnen und erstickte ihre ansatzweisen Drohgebärden.

Duyair machte einen schnellen Griff und entriß einem der Wächter einen Strahler, rammte ihn dem zweiten in die Rippen, forderte ihn auf, sich umzudrehen und schlug ihn nieder. Andere Männer der Rebellen schafften die beiden Überrumpelten dann fort.

»Hinein!« schrie Duyair. Ihm wurde bewußt, daß er irgendwie der Anführer des Aufstands geworden war. Bluir Marsh war nirgends zu sehen — offensichtlich behagte ihm ein echter Kampf nicht.

Die auf Lautsignale reagierende Tür brach unter dem Ansturm der Männer zusammen. Von drinnen hörten sie verwirrte Rufe: »Wachen! Wachen! Schützt den Prokonsul!«

Der Legat Olon Domyel erschien. Er war unbewaffnet, eingehüllt in seine strahlende Robe. Duyairs scharfem Blick entging nicht, daß er hochhackige Schuhe und Schulterwatte trug, um seine Größe zu betonen.

»Zurück, Gesindel!« schrie der Legat. »Das ist das Büro des Prokonsuls! Welches Recht haben Sie hier?«

»Das Recht freier Männer«, sagte Duyair und fuchtelte mit seinem Strahler in der Hand herum. »Das Recht all derer, die sich nicht länger vor dem Kaiser verneigen!«

»Rebellion! Offene Rebellion! Sie müssen wahnsinnig sein!« schrie Domyel zurück. »Zurück! Hinaus!«

Hinter sich hörte Duyair einige Männer zweifelnd flüstern. Die imposante Erscheinung des Legaten begann die Wirkung zu zeigen, die sich Domyel gewünscht hatte.

»Festnehmen und binden«, befahl Duyair.

»Ich bin Legat des Kaisers! Meine Person ist unantastbar!«

»Fesselt ihn!« wiederholte Duyair, und diesmal reagierten vier Dykraner und zogen einen Strick hervor, mit dem sie den sich wehrenden Legaten fesselten. Domyel trat um sich, aber in dem Augenblick, in dem seine Arme auf dem Rücken verschnürt waren, gab er seinen Widerstand auf.

»Prokonsul Quarloo!« rief Duyair. »Kommen Sie heraus — unbewaffnet!«

»Das dürfen Sie nicht!« kam eine unsichtbare Stimme zurück. »Das ist illegal. Sie können nicht gegen das Imperium revoltieren!«

»Kommen Sie heraus!« wiederholte Duyair. Quarloo erschien zitternd.

»Was hat das zu bedeuten?« fragte Quarloo.

»Es ist das Ende der Imperiumsherrschaft über das Aldryne-System«, sagte Duyair. Er wandte sich um und befahl: »Den auch binden! Dann suchen wir das Haus nach Waffen ab!«

»Wir haben noch drei weitere Wachtposten gefangen, Sir«, flüsterte ihm ein Mann zu. »Sie wollten sich hinten hinausstehlen.«

»Bewaffnet?«

»Ja, Sir.«

Duyair lachte. »Diese Feiglinge. Nun, wir werden ihre Waffen unter uns aufteilen und die beiden mit den anderen festhalten. Wir brauchen jeden Strahler, dessen wir habhaft werden können.«


Innerhalb von fünf Minuten befand sich das Anwesen vollständig im Besitz der Revolutionäre. Jetzt erschien von irgendwo aus dem Nichts auch Bluir Marsh.

»Gute Arbeit«, sagte er. »Mir hat gefallen, wie Sie den Angriff geführt haben, Duyair.«

»Danke — aber wo waren Sie?«

Marsh lächelte verschlagen. »Ein Anführer setzt sein Leben niemals unnötig aufs Spiel. Außerdem sind Sie eine viel imposantere Gestalt als ich. Irgendwie folgen die Leute allein Ihrer Größe — man kann Sie gut sehen

Duyair grinste den kleinen Revolutionär an. »Ich verstehe. Was nun?«

»Wir haben das gesamte Gebäude in der Hand, ja?«

Duyair nickte.

»Gut. Dann übernehmen wir jetzt den Sender und verbreiten unsere Nachricht an so viele Welten wie möglich. Dann fahren wir fort, so viele Kaiserliche auf Dykran festzunehmen, wie wir finden. Sie sind unsere Geiseln.«

Duyair und Marsh stiegen über eine Bank, die jemand in dem verzweifelten Versuch, eine Barrikade zu errichten, umgeworfen hatte und betraten das Büro des entmachteten Prokonsuls. An einer Wand stand eine ganze Batterie von Kommunikationsgeräten.

Marsh ging sofort zum Hyperfunkgerät und begann, Koordinaten einzugeben. Duyair wühlte in einigen Unterlagen, die auf Quarloos Tisch herumlagen.

Er las in ihnen, blinzelte, las sie erneut. Marshs Stimme ertönte — er informierte andere Welten und Systeme von der Rebellion auf Dykran.

»He«, sagte Duyair, als Marsh fertig war. »Hören Sie sich das mal an, ich habe es gerade auf Quarloos Tisch entdeckt: Eine Nachricht von Aldryne.«

»Worüber?«

»Sie kommt von Prokonsul Darhuel auf Aldryne. Er kündigt an, daß er Aldryne evakuieren und seine Basis nach Moorhelm — Aldryne VI — verlegen will. Es scheint, daß es auch auf Aldryne einen Aufstand gegeben hat.«

Marsh starrte ihn überrascht an. »Aber es gab doch gar keine Organisation auf Aldryne! Eine spontane Rebellion? Wer führt sie an — schreibt Darhuel das auch?«

»Ja«, sagte Duyair befremdet. »Der Anführer ist ein Priester namens Lugaur Holsp. Er hat über Nacht eine ungeheure Gefolgschaft hinter sich gebracht. Er… er behauptet, er habe den Hammer von Aldryne!«


Bei Einbruch der Dunkelheit fand sich auf Dykran keine Spur kaiserlicher Herrschaft mehr: der Prokonsul und die Handvoll Männer, die ihn bewacht hatten, waren Gefangene, der Kaiserliche Gesandte ebenfalls. Eine provisorische Regierung mit einem Fulmor Narzin war eingesetzt worden, die blau-goldene Flagge von Dykran erschien überraschend auf dem Dach des Hauptquartiers des Prokonsuls.

Im Hauptquartier waren Bluir Marsh und mehrere seiner Mitstreiter damit befaßt, ihre nächsten Schritte zu planen.

»Das mit dem Hammer verstehe ich nicht«, sagte Duyair. »Holsp kann den Hammer nicht haben, es sei denn, er hat ein Wunder vollbracht. Soweit ich weiß, ist das Geheimnis seines Verbleibs mit meinem Vater gestorben.«

»Ob er den echten Hammer hat oder nicht«, führte Marsh aus, »er hat irgendeinen Hammer. Die Leute scheinen es zu glauben, da sie ihren Prokonsul vertrieben haben. Ich denke, wir sollten Kontakt mit diesem Lugaur Holsp aufnehmen und uns ihm anschließen. Das Symbol des Hammers ist in der ganzen Galaxis als das bekannt, das das Imperium zerschlagen wird. Wenn wir die Bewegung schnell genug machen können…«

Duyair schüttelte den Kopf. »Ich kenne Holsp. Er hat kein Interesse daran, das Imperium zu zerschlagen — es sei denn, für seine eigenen Interessen und seinen persönlichen Vorteil. Ich traue ihm nicht, Marsh.«

»Trauen? Was zählt das schon. Die Revolution kommt zuerst«, erklärte Marsh. »Ist das Reich zerschlagen, kümmern wir uns darum, wer vertrauenswürdig ist und wer nicht. Gehen Sie nach Aldryne, Duyair, setzen Sie sich mit Holsp in Verbindung. Und kein Gedanke daran, ob der Hammer echt ist oder nicht. Wichtig ist, woran wir glauben, und wenn die Galaxis auch glaubt, daß der Hammer gegen das Imperium losgelassen ist, ist das Imperium zum Untergang verurteilt.« Marsh wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er wandte sich an einen seiner Männer und fragte: »Schon Nachricht von Thyrol über den Aufstand dort?«

»Großer Widerstand der Imperiumsstreitmacht dort. Man weicht zurück.«

»Verdammt. Wahrscheinlich verlieren wir Thyrol.« Marsh schaute finster drein. »Ich hoffe, wir haben die Sache nicht vor ihrer Zeit gestartet. Bisher rebellieren nur ein halbes Dutzend Welten, zwei davon in diesem System. Tausende sind immer noch loyal. Verflixt, Duyair — wir brauchen den Hammer! Er ist das Symbol, auf das jeder wartet!«

Plötzlich stürzte einer der Männer, die bisher an den Funkgeräten gesessen hatten, heran. »Marsh!«

»Nun — was gibt es? Neues von Thyrol?«

»Nein! Ich habe versucht, Aldryne zu erreichen und bin zufällig auf eine geheime Frequenz zwischen Aldryne und dem Kaiser gestoßen!«

»Was?«

»Ich geriet in ein Gespräch zwischen Lugaur Holsp und dem Kaiser persönlich! Wir werden betrogen! Holsp verrät uns alle!«

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