»Wir sind natürlich nicht der Boston Globe«, sagte Vince.
»Wir sind nicht mal die Daily News aus Bangor. Aber Stephanie, wenn ein Erwachsener völlig aus der Spur läuft, dann sucht jeder Journalist, egal ob in einer Klein- oder Großstadt, nach einer Erklärung. Es ist unwichtig, ob am Ende die halbe Picknickgesellschaft der Methodisten vergiftet ist oder ob sich nur die männliche Hälfte eines Ehepaares eines Wochentags morgens leise verdrückt und nie wieder lebendig gesehen wird. Jetzt sag mir mal – ohne dass du bedenkst, wo James Cogan gelandet ist und wie unwahrscheinlich der Weg dahin ist –, was es für Gründe geben könnte, aus der Spur zu laufen. Zähle sie auf! Ich will mindestens vier Finger in der Luft sehen.«
Es gibt wieder Unterricht, dachte Stephanie. Dann fiel ihr etwas ein, was Vince einen Monat zuvor fast beiläufig gesagt hatte: Um im Nachrichtengewerbe erfolgreich zu sein, schadet es nicht, eine schmutzige Phantasie zu haben, mein Mädchen. Damals hatte sie seine Bemerkung abwegig gefunden, ja sogar leicht senil. Jetzt meinte sie, seinen Ausspruch besser zu verstehen.
»Sex«, sagte sie und streckte den linken Zeigefinger aus, den Finger namens Colorado Kid. »Will sagen: eine andere Frau.« Der nächste Finger. »Geld – Schulden oder Diebstahl.«
»Vergiss nicht das Finanzamt«, sagte Dave. »Manche Leute verdrücken sich, wenn sie merken, dass sie Onkel Sam was schuldig sind.«
»Damit kennt sie sich noch nicht aus, das kann man ihr nicht vorwerfen«, sagte Vince. »Weiter, Steffi, du machst das gut.«
Sie hatte noch nicht genug Gründe an den Fingern abgezählt, um ihn zufrieden zu stellen, aber ihr fiel nur noch einer ein.
»Der Wunsch, ein neues Leben zu beginnen?«, fragte sie zaghaft, eher sich selbst als die beiden Männer. »Einfach … keine Ahnung … alle Brücken hinter sich abzubrechen und als anderer Mensch an einem anderen Ort noch mal neu anzufangen?«
Dann fiel ihr doch noch etwas ein: »Wahnsinn?« Jetzt hielt sie vier Finger hoch: einen für Sex, einen für Geld, einen für Veränderung, einen für Wahnsinn. Zweifelnd betrachtete sie die letzten beiden: »Vielleicht sind Veränderung und Wahnsinn dasselbe?«
»Vielleicht«, entgegnete Vince. »Und man könnte argumentieren, dass der Begriff ›Wahnsinn‹ alle möglichen Abhängigkeiten einschließt, vor denen man weglaufen möchte. Manchmal wird einem ja geraten, aus dem alten Umfeld wegzuziehen. Ich denke in erster Linie an Drogen und Alkohol. Auch bei Spielsucht versuchen es die Menschen mit Weglaufen, aber die fällt ja wohl eher unter den Oberbegriff ›Geld‹.«
»Hatte er Probleme mit Drogen oder Alkohol?«
»Aria Cogan verneinte es, und ich denke, sie hätte es gewusst. Und da sie sechzehn Monate Zeit hatte und er längst tot war, glaube ich, dass sie es mir gesagt hätte.«
»Aber, Steffi«, warf Dave vorsichtig ein, »wenn man es recht bedenkt, muss es schon irgendwas mit Wahnsinn zu tun haben, meinst du nicht?«
Sie dachte an James Cogan oder Colorado Kid, der tot am Hammock Beach mit dem Rücken an der Mülltonne leimte, ein Stück Fleisch in der Kehle, die geschlossenen Augen auf Tinnock und das Meer gerichtet. Sie dachte daran, dass die Finger der einen Hand gekrümmt gewesen waren, als umfasse er noch immer den Rest seines Mitternachtssnacks, ein Stück Steak, das eine hungrige Möwe ihm zweifellos gestohlen hatte, so dass nur noch ein klebriges Sandmuster auf der fettigen Innenfläche seiner Hand zurückgeblieben war. »Ja«, sagte sie.
»Irgendetwas hat es mit Wahnsinn zu tun. Wusste sie das? Seine Frau?«
Die beiden Männer sahen sich an. Vince seufzte und rieb sich die messerscharfe Nase. »Möglicherweise, aber sie musste sich um ihr eigenes Leben kümmern, Steffi. Um ihres und das ihres Sohnes. Wenn ein Mann einfach so verschwindet, hat es die zurückgelassene Frau verdammt schwer. Sie konnte in ihren alten Job zurück, bei einer Bank in Boulder, aber das Haus in Nederland konnte sie nicht halten –«
»Hernando’s Hideaway«, murmelte Stephanie und empfand Mitleid für die Frau.
»Ah jo, genau das. Sie schlug sich wacker, musste sich nicht allzu viel Geld von der Familie leihen, von seiner schon gar nicht, aber sie brauchte so gut wie alle Ersparnisse auf, die sie für die Ausbildung des kleinen Michael zur Seite gelegt hatten. Als wir sie trafen, Stephanie, wollte sie meiner Meinung nach zweierlei: etwas Praktisches und etwas, das man vielleicht … spirituell nennen könnte.« Skeptisch blickte er Dave an, der mit den Schultern zuckte und nickte, als wolle er sagen, das Wort würde schon passen.
Vince nickte ebenfalls und fuhr tort: »Sie wollte die Ungewissheit loswerden. Lebte er noch oder war er tot? War sie eine verheiratete Frau oder eine Witwe? Durfte sie die Hoffnung aufgeben oder weiterhoffen? Vielleicht klingt die letzte Frage etwas hartherzig, mag sie auch sein, aber ich denke, dass Hoffnung nach sechzehn Monaten eine verdammt große Last ist, die schwer auf den Schultern wiegt.
Was das Praktische anging, das war einfach: Sie wollte, dass die Lebensversicherung zahlt. Ich weiß, dass Aria Cogan nicht der einzige Mensch auf der Welt ist, der Versicherungen hasst, aber bei ihr ging das schon ziemlich weit, so abgrundtief war ihr Hass. Sie hatte sich am Riemen gerissen, war über die Runden gekommen, zusammen mit Michael in der Drei- oder Vierzimmerwohnung in Boulder, eine beträchtliche Umstellung nach dem schönen Haus in Nederland, sie musste ihn tagsüber betreuen lassen, von Babysittern, denen sie nicht unbedingt vertrauen konnte, sie hatte eine Stelle, die sie eigentlich nicht mochte, lag nachts allein im Bett, nachdem sie sich jahrelang an jemanden hatte kuscheln können, machte sich Sorgen über die Rechnungen, sah immer auf die Tankanzeige, weil Diesel damals schon teuer war … und die ganze Zeit war sie im Innersten überzeugt, dass er tot war, aber die Versicherung wollte nicht zahlen, weil es keine Leiche gab und schon gar keine Todesursache. Sie fragte mich immer wieder, ob ›die Schweine‹ – so nannte sie die Leute von der Versicherung – sich irgendwie ›davonstehlen‹ könnten, ob sie sich mit Selbstmord herausreden konnten. Ich sagte ihr, dass ich noch nie von jemandem gehört hätte, der seinen eigenen Erstickungstod mit Hilfe eines Stücks Fleisch herbeigeführt hätte, und als sie später in Cathcarts Gegenwart das Totenbild offiziell identifizierte, erklärte er ihr dasselbe. Das schien ihr ein wenig Ruhe zu verschaffen. Cathcart legte sich schwer ins Zeug, sagte, er würde den Versicherungsvertreter in Brighton, Colorado, anrufen und das mit den Fingerabdrücken und der Identifizierung per Foto erklären. Er wollte alles niet-und nagelfest machen. Sie musste ein bisschen weinen – ein wenig aus Erleichterung und aus Dankbarkeit, ein bisschen vor Erschöpfung, nehme ich an.«
»Ja, sicher«, murmelte Stephanie.
»Ich fuhr mit ihr auf der Fähre nach Moosie und brachte sie im Red Roof Motel unter«, sagte Vince.
»Da hast du am Anfang auch übernachtet, als du noch neu hier warst, stimmt’s?«
»Ja«, bestätigte Stephanie. Im vergangenen Monat war sie in einer Pension untergekommen, wollte sich aber im Oktober nach etwas Festem umsehen. Das hieß, falls diese zwei alten Vögel sie behalten wollten.
Wovon sie ausging. Sie nahm an, dass dieses Gespräch auch irgendwie davon handelte.
»Am nächsten Morgen frühstückten wir drei gemeinsam«, berichtete Dave, »und wie die meisten Menschen, die nichts Böses getan und nicht viel Erfahrung im Umgang mit Zeitungen haben, nahm sie kein Blatt vor den Mund. Sie hatte keine Bedenken, dass irgendetwas von dem, was sie erzählte, später auf Seite eins auftauchen könnte.« Er hielt inne. »Natürlich haben wir nur sehr wenig gebracht. Aber es war eh nie die Art von Story, die als Aufmacher taugt, wenn erst mal die Fakten berichtet sind: ›Toter an Hammock Beach gefunden, Coroner sieht keinen Hinweis auf Verbrechen.‹ Und das war damals eh schon alles kalter Kaffee.«
»Kein Seil zum Festhalten«, warf Stephanie ein.
»Genau!«, rief Dave und lachte dann, bis er husten musste. Er räusperte sich und wischte sich mit einem großen Paisley-Taschentuch, das er aus der Gesäßtasche seiner Hose zog, die Tränen aus den Augen.
»Was hat sie euch gesagt?«, fragte Stephanie.
»Was konnte sie uns sagen?«, entgegnete Vince. »In erster Linie stellte sie Fragen. Ich fragte sie lediglich, ob der Tscherwonetz ein Talisman oder ein Souvenir oder sonst was sei.« Er schnaubte verächtlich. »Ein toller Journalist war ich damals.«
»Der was?«, fragte Stephanie kopfschüttelnd.
»Die russische Münze in seiner Tasche, beim übrigen Kleingeld«, sagte Vince. »Das war ein Tscherwonetz, ein Zehn-Rubel-Stück. Ich fragte Aria, ob ihr Mann ihn als Glücksbringer oder so was bei sich trüge. Sie hatte keine Ahnung. Jim hätte nie etwas mit Russland zu tun gehabt, sie hätten sich mal den James-Bond-Film Liebesgrüße aus Moskau ausgeliehen, das war aber auch schon alles.«
»Er könnte die Münze am Strand gefunden haben«, sagte Stephanie nachdenklich. »Da liegt alles Mögliche herum.« Sie selbst hatte einmal bei einem Spaziergang an Little Hay Beach, knapp drei Kilometer von Hammock entfernt, einen Damenschuh mit hohem Absatz entdeckt, fremdartig weichgespült vom Meer.
»Kann schon sein, ah jo«, stimmte Vince zu. Er blickte Stephanie an, seine Augen blitzten in den tiefen Höhlen. »Willst du wissen, an was ich mich am besten erinnern kann, an dem Morgen nach ihrem Gespräch mit Cathcart drüben in Tinnock?«
»Ja, sicher.«
»Wie erholt sie aussah. Und an ihren gesunden Appetit, als wir zusammen frühstückten.«
»Das stimmt«, bestätigte Dave. »Man sagt ja immer, dass ein zum Tode Verurteilter besonders viel isst, aber ich glaube, dass keiner mit so viel Appetit isst wie ein Mensch, der in letzter Minute begnadigt wurde. Und so erging es ihr auf gewisse Weise. Sie mag nicht gewusst haben, was er bei uns zu suchen hatte oder was ihm hier widerfuhr, und ihr wurde wohl klar, dass sie es vielleicht niemals erfahren würde …«
»Das war ihr klar«, stimmte Vince zu. »Das sagte sie mir, als ich sie zurück zum Flughafen brachte.«
»Aber eins wusste sie, und das war das Wichtigste: Er war tot. Tief im Innern mochte sie das die ganze Zeit geahnt haben, aber vom Kopf her brauchte sie einen Beweis, um weitermachen zu können.«
»Ganz zu schweigen davon, dass sie die verflixte Versicherung überzeugen musste«, ergänzte Dave.
»Hat sie das Geld wenigstens bekommen?«, wollte Stephanie wissen.
Dave grinste. »Na sicher. Die ließen sich Zeit – Versicherungen sind ganz schnell dabei, wenn sie einem was andrehen wollen, aber wenn man Ansprüche geltend machen will, schalten sie plötzlich auf Schneckentempo. Aber doch, irgendwann hat sie ihr Geld bekommen. Aria schrieb uns einen Brief, in dem sie sich für alles bedankte, was wir getan hätten. Ohne uns, schrieb sie, hätte sie noch immer keine Sicherheit und die Versicherung würde behaupten, James Cogan könne genauso gut in Brooklyn oder Tangiers leben.«
»Was für Fragen hat sie euch gestellt?«
»Die zu erwarten waren«, sagte Vince. »Zuerst wollte sie wissen, wo er hinging, als er von der Fähre stieg. Wir konnten es ihr nicht sagen. Das haben wir auch viele Leute gefragt, stimmt’s, Dave?«
Dave Bowie nickte.
»Aber keiner konnte sich erinnern, ihn gesehen zu haben«, fuhr Vince fort. »Natürlich war es fast stockdunkel, als er von Bord ging, warum sollte sich also jemand an ihn erinnern? Die anderen Passagiere – und zu der Jahreszeit waren es nicht viele, schon gar nicht auf der letzten Fähre – werden direkt zu ihren Autos auf dem Parkplatz in der Bay Street gegangen sein, den Kopf eingezogen, weil der Wind vom Meer herüberblies.«
»Sie erkundigte sich nach seiner Brieftasche«, erzählte Dave.
»Wir konnten ihr nur sagen, dass sie nie gefunden wurde … zumindest wurde sie nie bei der Polizei abgegeben. Es ist möglich, dass ein Dieb sie ihm auf der Fähre aus der Tasche stahl, das Geld herausnahm und die Börse über Bord ins Wasser warf.«
»Es ist auch möglich, dass im Himmel schwer was abgeht, aber nicht sehr wahrscheinlich«, warf Vince trocken ein. »Wenn er Geld im Portemonnaie hatte, warum sollte er dann noch mehr – siebzehn Dollar in Scheinen – in der Hosentasche haben?«
»Für alle Fälle?«, schlug Stephanie vor.
»Vielleicht«, willigte Vince ein, »aber das leuchtet mir nicht ein. Und ehrlich gesagt, finde ich die Vorstellung, dass ein Taschendieb die Sechs-Uhr-Fähre zwischen Tinnock und Moosie heimsucht, noch unwahrscheinlicher, als dass ein Illustrator aus einer Werbeagentur in Denver ein Flugzeug chartert und damit nach Neuengland fliegt.«
»Wir konnten ihr jedenfalls nicht sagen, wo sein Portemonnaie war«, schloss Dave, »genauso wenig wussten wir, wo sich sein Mantel und seine Anzugjacke befanden oder warum er lediglich in Hemd und Hose draußen am Strand war.«
»Und die Zigaretten?«, fragte Stephanie. »Das hat sie doch bestimmt interessiert.«
Vince lachte bellend. »›Interessiert‹ ist leicht untertrieben. Die Zigarettenschachtel machte sie fast wahnsinnig. Sie konnte sich nicht erklären, warum er Zigaretten dabeihatte. Und sie brauchte uns nicht zu sagen, dass er nicht zu der Sorte Mensch gehörte, die eine Zeit lang mit dem Rauchen aufhört und dann wieder anfängt. Cathcart hatte seine Lunge bei der Obduktion gründlich untersucht, du wirst bestimmt wissen, warum –«
»Er wollte sichergehen, dass Colorado Kid nicht doch ertrunken war?«, fragte Stephanie.
»Genau«, sagte Vince. »Wenn Dr. Cathcart Wasser in der Lunge gefunden hätte, wäre das ein Hinweis gewesen, dass jemand versucht hatte, die wahre Todesursache von Cogan zu verschleiern. Zwar noch kein Beweis für einen Mord, aber sicherlich ein Indiz. Cathcart fand jedoch kein Wasser in Cogans Lunge und er fand auch keinen Hinweis auf Zigarettenkonsum. Alles rosa und sauber, sagte er. Doch irgendwo zwischen seinem Büro und dem Flughafen Stapleton muss Cogan, obwohl er es unglaublich eilig hatte, den Fahrer gebeten haben anzuhalten, um sich eine Schachtel zu kaufen. Oder aber er hatte sie von Anfang an dabei, was ich eher glaube. Vielleicht zusammen mit der russischen Münze.«
»Hast du ihr das gesagt?«, fragte Stephanie.
»Nein«, erwiderte Vince und in dem Moment klingelte das
Telefon. »Entschuldigt mich«, sagte er und hob den Hörer ab. Das Gespräch dauerte nicht lange, er sagte mehrmals »Ah jo« und legte dann auf. »Das war Ellen Dunwoodie«, verkündete er und streckte den Rücken durch.
»Sie ist jetzt bereit, über ihr großes Trauma zu sprechen, weil sie den Hydranten umgefahren und ›sich zum Affen gemacht hat‹. Das waren ihre Worte. Ich glaube allerdings nicht, dass sie in meiner atemberaubenden Schilderung des Zwischenfalls auftauchen werden. Nun, ich glaube, ich muss gleich mal rüber; mir die Geschichte anhören, solange Ellen sich noch klar erinnern kann und bevor es Abendessen gibt. Ich kann von Glück sagen, dass sie und ihre Schwester immer so spät essen. Sonst habe ich meistens Pech.«
»Und ich muss mich unbedingt um die Rechnungen kümmern«, verkündete Dave. »Ich habe das Gefühl, dass da jetzt zehn mehr liegen als eben, bevor wir zum Grey Gull aufgebrochen sind. Ich schwöre es: Wenn man sie allein auf dem Schreibtisch liegen lässt, vermehren sie sich wie die Karnickel.«
Voller Entsetzen starrte Stephanie die beiden an. »Ihr könnt doch jetzt nicht aufhören! Ihr könnt mich doch nicht so sitzen lassen!«
»Wir haben keine Wahl«, gab Vince freundlich zurück. »Wir sitzen ja auch fest, Steffi, und das seit fünfundzwanzig Jahren. In dieser Geschichte gibt es keine verlassene Gemeindesekretärin.«
»Und keine Lichter von Ellsworth, die von den Wolken reflektiert werden«, fügte Dave hinzu. »Nicht mal einen Teodore Riponeaux, einen armen alten Seemann, der wegen eines mutmaßlichen Schatzes umgebracht und dann in seinem eigenen Blut auf dem Vorderdeck liegen gelassen wird, nachdem die anderen Matrosen über Bord geworfen wurden – und warum? Als Warnung an andere Möchtegern-Schatzjäger, du lieber Himmel! Na, das ist mal ein Seil zum Festhalten, was, mein Mädchen?«
Dave grinste, doch dann wurde er ernster. »Das alles fehlt im Fall von Colorado Kid; es gibt keine Schnur, auf die sich die Perlen fädeln ließen, verstehst du? Ist ja auch kein Sherlock Holmes oder Ellery Queen da, um sie aufzureihen. Nur zwei alte Zeitungshasen, die jede Woche rund hundert Meldungen bringen müssen. Keine davon schlägt große Wellen, verglichen mit dem Boston Globe, aber trotzdem wollen die Leute auf der Insel sie lesen. Wo wir gerade dabei sind: Wolltest du nicht mit Sam Gernerd reden? Damit du alles über seine berühmte Heuwagenfahrt mit anschließendem Picknick erfährst?«
»Wollte ich … ich bin … natürlich will ich das! Könnt ihr das glauben? Dass ich tatsächlich mit ihm über dieses blöde Fest reden will?«
Vince Teague lachte laut los, Dave fiel ein.
»Ah jo«, sagte Vince, als er sich wieder beruhigt hatte.
»Keine Ahnung, was dein Lehrer an der Journalistenschule davon halten würde, Steffi, wahrscheinlich würde er weinend zusammenbrechen, aber ich verstehe das.« Er schaute Dave an.
»Wir verstehen das.«
»Und ich weiß, dass ihr noch zu tun habt, aber ihr müsst doch gewisse Theorien haben … irgendwelche Hypothesen … nach so vielen Jahren.« Flehend schaute Stephanie vom einen zum anderen. »Ich meine, ihr müsst doch …«
Die beiden Männer tauschten einen Blick aus, und wieder spürte sie die Telepathie zwischen ihnen, nur dass sie diesmal nicht wusste, welcher Gedanke transportiert wurde. Dave sah sie an. »Was genau willst du wirklich wissen, Stephanie? Raus mit der Sprache!«