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Nacheinander gingen sie zur Toilette. Sie lag versteckt in einer Nische hinter der alten Offsetpresse, die nicht mehr in Gebrauch war (die Zeitung wurde inzwischen in Ellsworth gedruckt, schon seit 1998). Als Dave an der Reihe war, stellte Stephanie die Kaffeemaschine an. Wenn die Geschichte, die keine war, noch eine Stunde dauern würde (und sie hatte so das Gefühl), wären alle froh über eine Tasse Kaffee.

Als sie wieder zusammensaßen, schnupperte Dave in Richtung Küchenzeile und nickte wohlwollend. »Ich mag Frauen, für die Hausarbeit keine Sklavenarbeit ist, bloß weil sie ihr eigenes Geld verdienen.«

»Geht mir bei Männern genauso«, gab Stephanie zurück, und als er lachte und nickte (das war ein guter Spruch gewesen – der zweite an diesem Nachmittag, ein Rekord), wies sie auf die gewaltige alte Presse. »Das Ding sieht für mich nach Sklavenarbeit aus«, sagte sie.

»Sieht schlimmer aus, als es war«, entgegnete Vince, »die Presse davor war hingegen wirklich furchtbar. Wenn man nicht aufpasste, war der Arm ab, da konnte man sich noch so in Acht nehmen. Aber wo waren wir stehen geblieben?«

»Bei der Frau, die gerade erfahren hatte, dass sie Witwe war«, sagte Stephanie. »Vermutlich hat sie die Leiche abgeholt, oder?«

»Ja«, bestätigte Dave.

»Hat einer von euch beiden Mrs Cogan vom Flughafen in Bangor abgeholt?«

»Was meinst du, mein Mädchen?«

Stephanie brauchte nicht lange nachzudenken. Ende Oktober oder Anfang November 1981 war Colorado Kid für den Bundesstaat Maine absolut kalter Kaffee … und als Erstickter hatte er sowieso nicht oberste Priorität. Eigentlich war er ja nur eine unbekannte Leiche.

»Na klar habt ihr sie abgeholt. Ihr beiden wart praktisch die einzigen Leute in Maine, die sie kannte.«

Diese Feststellung hatte bei Stephanie die eigentümliche Erkenntnis zur Folge, dass Aria Cogan ein Mensch aus Fleisch und Blut war (wahrscheinlich bis zum heutigen Tage) und keine Figur in einem Krimi von Agatha Christie oder in einer Folge von Mord ist ihr Hobby.

»Ich bin hingefahren«, sagte Vince leise. Er beugte sich vor und betrachtete seine Hände, knorrig wie Treibholz, die er unter den Knien verschränkt hatte.

»Sie war anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Ich hatte mir ein falsches Bild von ihr gemacht. Ich hätte es besser wissen müssen, ich bin schließlich seit fünfundsechzig Jahren im Zeitungsgeschäft – so lange wie mein alter Freund und Kupferstecher hier auf der Erde weilt, und der ist auch nicht mehr der junge Hüpfer, für den er sich hält. In der Zeit habe ich so manche Leiche gesehen. Meistens vergisst man ganz schnell diese romantische Vorstellung nach dem Motto ›Sah eine Maid ich sanft dort ruhn‹. Leichen sind was Grässliches. Manchmal sind sie gar nicht mehr als Menschen zu erkennen. Aber von Colorado Kid konnte man das nicht behaupten. Er sah noch so gut aus, dass Mr Poe fast eins von seinen romantischen Gedichten über ihn hätte schreiben können. Natürlich hatte ich ihn vor der Autopsie fotografiert, das darfst du nicht vergessen. Wenn man das Bild etwas länger ansah, merkte man natürlich, dass er mausetot war (fand ich jedenfalls), aber trotzdem hatte er etwas Schönes an sich mit seinen aschfahlen Wangen, den blassen Lippen und diesem lila Schatten auf den Augenlidern.«

»Brrr«, machte Stephanie, aber sie verstand schon, was Vince sagen wollte, und tatsächlich kam ihr ein Gedicht von Poe in den Sinn. Das über die verlorne Leonor.

»Ah jo, hört sich nach der großen Liebe an«, sagte Dave und stand auf, um sich Kaffee einzuschenken.

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