Conway hatte sich während des gesamten Rückflugs zum Hospital über das Problem des Fleischkloßes Gedanken gemacht, doch erst in den letzten zwei Stunden nahm dieser Vorgang konstruktive Züge an. Das war der Zeitpunkt gewesen, als er sich endlich selbst eingestanden hatte, daß er das Problem allein nicht lösen konnte, und damit begonnen hatte, an Namen und berufliche Fähigkeiten von einigen der terrestrischen und extraterrestrischen Wesen zu denken, die ihm möglicherweise dabei behilflich sein konnten, eine Lösung zu finden. Weil er sich gerade auf so angestrengte und konstruktive Art Gedanken machte, bemerkte er gar nicht, daß sich ihr Schiff schon die vorgeschriebenen dreißig Kilometer vom Hospital entfernt materialisiert hatte, bis die ausdruckslose Translatorstimme der Anmeldezentrale aus dem Lautsprecher des Kontrollraums schepperte.
„Identifizieren Sie sich bitte. Patient, Besucher oder Mitarbeiter? Und welche Spezies?“
Der Lieutenant des Korps, der das Schiff flog, sah nach hinten zu Conway und Edwards, dem medizinischen Offizier des Mutterschiffs, und zog eine Braue hoch.
Edwards räusperte sich nervös und antwortete: „Hier ist Aufklärungsschiff Dl-835, Anlandungs- und Kommunikationsschiff des Vermessungs- und Kontaktschiffs des Monitorkorps mit Namen Descartes. Wir haben vier Besucher und einen Personalangehörigen an Bord. Drei sind menschlich, und zwei sind gebürtige Dramboner, die verschiedenen Spezies angehören.“
„Teilen Sie bitte die physiologischen Klassifikationen mit, oder stellen Sie vollen Sichtkontakt her. Alle intelligenten Spezies nennen sich selbst menschlich und betrachten andere als nichtmenschlich. Deshalb ist es völlig belanglos, wie Sie sich selbst nennen, insbesondere was Ihre Unterbringung und Ihren Weitertransport im Hospital angeht.“
Edwards schaltete das Mikrofon stumm und fragte Conway hilflos: „Was wir sind, weiß ich ja; aber wie zum Teufel soll ich diesem medizinischen Bürokraten Surreshun und diese andere Gestalt beschreiben?“
Conway betätigte mit dem Daumen die Sprechtaste und sagte: „Dieses Schiff enthält drei Terrestrier der physiologischen Klassifikation DBDG. Es handelt sich um Major Edwards und Lieutenant Harrison vom Monitorkorps und mich, Chefarzt Conway. Wir befördern zwei drambonische Bewohner. Drambo ist der einheimische Name des Planeten, der bei Ihnen vielleicht noch unter der Bezeichnung Fleischkloß aufgeführt ist. So haben wir ihn jedenfalls genannt, bevor wir wußten, daß auf ihm intelligentes Leben existiert. Einer der Bewohner ist ein CLHG, ein Wasseratmer mit einem warmblütigen, auf Sauerstoff basierendem Stoffwechsel. Der zweite ist vorläufig als SRJH einzustufen und scheint sich sowohl in Luft als auch in Wasser wohl zu fühlen.
Der Transfer ist nicht dringend“, fuhr Conway fort. „Allerdings steckt der CLHG in einem körperlich unangenehmen Lebenserhaltungsmechanismus und würde sich zweifellos auf einer unserer wassergefüllten Ebenen sehr viel wohler fühlen, weil er dort normal herumrollen kann. Können Sie uns an Schleuse dreiundzwanzig oder vierundzwanzig andocken lassen?“
„Schleuse dreiundzwanzig, Doktor. Benötigen die Besucher für den Transfer spezielle Transport- oder Schutzvorrichtungen?“
„Nein.“
„Na gut. Unterrichten Sie bitte die Abteilung für Ernährungsfragen über Nahrungs- und Flüssigkeitsbedarf sowie die Periodizität der Mahlzeiten. Ihre Ankunft ist bereits zur Kenntnis genommen worden, und Colonel Skempton würde Major Edwards und Lieutenant Harrison gerne so bald wie möglich sehen. Und Major O’Mara möchte Doktor Conway sogar umgehend sprechen.“
„Danke.“ An Edwards gerichtet sagte er: „Wenn man nicht in einem Hospital mit vielfältigen Umweltbedingungen arbeitet, kommt man normalerweise immer nur mit Extraterrestrier einer Spezies zur gleichen Zeit zusammen und bezeichnet sie nach ihrem Herkunftsplaneten. Aber hier, wo die schnelle und genaue Kenntnis der physiologischen Beschaffenheit ankommender Patienten lebenswichtig ist, weil die sich allzuoft nicht in dem Zustand befinden, diese Informationen selbst geben zu können, haben wir das aus vier Buchstaben bestehende Klassifikationssystem entwickelt. Ganz kurz gefaßt funktioniert es folgendermaßen.
Der erste Buchstabe zeigt den Stand der physikalischen Evolution an, der zweite die Art und Verteilung der Gliedmaßen und Sinnesorgane und der dritte und vierte den Metabolismus sowie die erforderlichen Druck- und Schwerkraftverhältnisse, was zugleich ein Hinweis auf die physische Masse und auf die Beschaffenheit der Außenhaut eines Wesens ist. An diesem Punkt müssen wir unsere Studenten normalerweise darauf hinweisen, daß sie wegen des ersten Buchstabens der für sie zutreffenden Klassifikation keine Minderwertigkeitskomplexe bekommen müssen, da der Stand der physikalischen Evolution keinerlei Rückschlüsse auf den Grad der Intelligenz zuläßt.“
Weiterhin erklärte er, daß alle Wesen mit A, B oder C als erstem Buchstaben Wasseratmer seien. Auf den meisten Planeten war das Leben im Wasser entstanden, und diese Wesen hatten eine hohe Intelligenz entwickelt, ohne das nasse Element verlassen zu müssen. D bis F waren warmblütige Sauerstoffatmer — unter diese Klassifikation fielen die meisten intelligenten Wesen der Galaxis. G bis K waren auch Sauerstoffatmer, aber insektenartige Wesen von Planeten mit geringer Schwerkraft, ebenso wie die vogelartigen Wesen der Kategorie L und M. Die Chloratmer waren in die Gruppen O und P eingeteilt, darauf folgten die eher exotischen, physikalisch hochentwickelten und völlig absonderlich anmutenden Spezies — Strahlungsverwerter; starrblütige oder kristalline Wesen; Kreaturen, die ihre physische Gestalt beliebig verändern konnten. Diejenigen, die verschiedene Arten übersinnlicher Kräfte besaßen und bereits so weit entwickelt waren, daß sie nicht einmal mehr Fortbewegungs- oder Greiforgane benötigten, hatten unabhängig ihrer Form oder Größe als ersten Buchstaben ein V.
„Zwar ist dieses System nicht ganz fehlerfrei“, fuhr Conway fort, „aber schuld daran ist einfach die mangelnde Vorstellungskraft der Urheber gewesen, und man hat es deshalb auch hin und wieder ändern müssen. AACPs sind zum Beispiel eine Spezies mit vegetarischem Metabolismus. Normalerweise weist das A als deren erster Buchstabe auf Wasseratmer hin. Da das System mit seiner Klassifikation jedoch erst bei den fischähnlichen Lebensformen beginnt und die AACPs als pflanzliche Wesen noch vor den Fischen eingestuft werden müßten, hat man sie einfach dieser Gruppe zugeordnet.“
„Entschuldigung, Doktor“, unterbrach ihn der Pilot. „Wir docken in fünf Minuten an, und Sie haben gesagt, Sie wollten die Besucher auf den Transfer vorbereiten.“
Conway nickte und Edwards sagte: „Ich helfe Ihnen, Doktor.“
Das Aufklärungsschiff lief in die gigantische würfelförmige Höhle ein, die Schleuse dreiundzwanzig darstellte. Währenddessen legten sie die leichten Anzüge an, die man in Umgebungen trug, in denen die Flüssigkeit oder das Gas zwar tödlich waren, ansonsten aber ziemlich normaler Druck herrschte. Sie spürten, wie die Greifer das Schiff in das verstellbare Hängegerüst zogen, und taumelten ein wenig, als die künstlichen Schwerkraftgitter eingeschaltet wurden. Die Außenluke der Schleuse schlug dröhnend zu, und man hörte das Rauschen von Wasserfällen, die über Felsen aus Metall herabstürzten.
Conway war gerade damit fertig, seinen Helm zu befestigen, als sein Funkempfänger meldete: „Hier ist Harrison, Doktor. Der Leiter des Abfertigungsteams dieser Schleuse sagt, es würde einige Zeit dauern, die Schleuse vollständig mit Wasser zu füllen. Darüber hinaus wäre es erforderlich, die restlichen fünf Inneneingänge dem kompletten Dekontaminierungsverfahren zu unterziehen. Das hier ist nämlich eine große Schleuse, und auf den übrigen Luken wird ein starker Wasserdruck lasten, wenn man sie.“
„Es ist nicht notwendig, sie ganz zu füllen“, unterbrach ihn Conway. „Der drambonische CLHG wird sich nur dann einigermaßen wohl fühlen, wenn das Wasser bis zur Oberkante der Frachtluke reicht.“
„Der Mann läßt Ihnen ein herzliches Dankeschön ausrichten“, antwortete Harrison spöttisch.
Sie betraten den Laderaum des Aufklärungsschiffs und gingen dem Lebenserhaltungsmechanismus behutsam aus dem Weg, der einen Eigenantrieb besaß und den ersten Dramboner fortwährend wie eine organische Gebetsmühle drehte, während sie die Befestigungsgurte von den Frachtvertäuungspunkten lösten.
„Wir sind da, Surreshun“, sagte Conway. „In ein paar Minuten können Sie sich für ein paar Tage von diesem Apparat verabschieden. Wie geht es Ihrem Freund?“
Das war eine rein rhetorische Frage, weil der zweite Dramboner bisher noch nie etwas gesagt hatte und vielleicht auch gar nicht sprechen konnte. Aber wenn er sich vielleicht auch nicht unterhalten konnte, so war er doch wenigstens in der Lage zu reagieren. Wie eine große durchsichtige Qualle schwamm der Dramboner in Wellenbewegungen auf sie zu — hätte er keine schimmernde Haut und ein paar milchige Innenorgane besessen, wäre er im Wasser vollkommen unsichtbar gewesen. Er legte sich einen Moment lang wie ein dicker, durchsichtiger Kokon um Conway und wandte dann seine Aufmerksamkeit Edwards zu.
„Falls Sie soweit sind, Doktor Conway und Doktor Edwards, wir wären bereit.“
„Diesmal klappt das ja viel besser als bei Ihrem ersten Besuch im Hospital“, bemerkte Conway an Surreshun gewandt, während ihm Edwards half, das Lebenserhaltungssystem des Dramboners aus dem Laderaum zu manövrieren. „Dieses Mal wissen wir wenigstens, was wir tun.“
„Es besteht keinerlei Notwendigkeit, sich zu entschuldigen, Freund Conway“, entgegnete Surreshun mit ausdrucksloser Translatorstimme. „Für ein Lebewesen von meiner enormen Intelligenz, das zudem mit hohen moralischen Werten ausgestattet ist, machen das Verständnis für die geistigen Mängel geringerer Wesen und natürlich die Vergebung jeglichen Unrechts, das diese mir möglicherweise zugefügt haben, lediglich einen geringen Teil meiner großmütigen und facettenreichen Persönlichkeit aus.“
Conway war sich gar nicht bewußt gewesen, daß er sich entschuldigt hatte, doch für ein Wesen, dem der Begriff Bescheidenheit vollkommen fremd war, hatten seine Äußerungen möglicherweise so geklungen. Er verhielt sich diplomatisch und entgegnete lieber nichts.
Das Abfertigungsteam der Schleuse dreiundzwanzig kam, um ihnen dabei zu helfen, Surreshuns Rad zum Eingang zu den wassergefüllten AUGL-Stationen zu bringen. Der Teamleiter, dessen schwarzer Anzug rot- und gelbgestreifte Ärmel und Hosenbeine hatte, die ihn wie einen der Neuzeit angepaßten Hofnarren aussehen ließen, schwamm nach oben zu Conway und berührte dessen Helm mit seinem.
„Tut mir leid, daß ich das auf diese Art tun muß, Doktor“, sagte er mit deutlicher, wenn auch durch das Übertragungsmedium leicht verzerrter Stimme, „aber es ist plötzlich ein Notfall eingetreten, und ich will nicht die Anzugfrequenz einstellen. Ich möchte, daß Sie sich alle so schnell wie möglich auf die Station begeben. Surreshun ist ja schon vorher einmal durch unsere Hände gegangen, deshalb brauchen wir uns um ihn keine Sorgen zu machen. Sie müssen also nur die Verantwortung für das andere Wesen übernehmen, wo immer sich das auch gerade befindet. Was, zum Teufel, ist das?“
Das zweite Wesen hatte sich um Kopf und Schultern des Leiters gewickelt, fesselte seine Arme und beschnupperte ihn wie ein Hund mit einem Dutzend unsichtbarer Köpfe.
„Vielleicht mag er Sie“, sagte Conway. „Wenn Sie ihn eine Minute lang gar nicht beachten, geht er von selbst weg.“
„Tiere finden mich immer unwiderstehlich“, entgegnete der Teamleiter trocken. „Ich wollte, von den Frauen meiner eigenen Spezies könnte man dasselbe sagen.“
Conway schwamm um den SRJH herum und dann über ihn, packte zwei kräftige Handvoll der elastischen transparenten Haut des Dramboners und strampelte seitlich mit den Beinen im Wasser, bis das vordere Ende des Wesens auf den Stationseingang gerichtet war. Große langsame Wellen liefen den Körper des SRJH entlang, und es begann mit wogenden Bewegungen wie ein schimmernder fliegender Teppich auf den Korridor zuzuschwimmen, der zur AUGL-Station führte. Dicht hinter ihm folgte Surreshuns Riesenrad mit weniger Anmut.
„Ein Notfall, sagten Sie?“
„Ja, Doktor“, antwortete der Teamleiter über Anzugfunk. „Aber die nächsten zehn Minuten wird wohl nichts passieren, deshalb kann ich den Anzugfunk benutzen, wenn wir uns kurz fassen. Meines Wissens ist eine kelgianische Schwester, die im hudlarischen OP arbeitet, während einer Operation durch einen Muskelkrampf und eine unwillkürliche Bewegung der vorderen Tentakeln des Patienten verletzt worden. Die Verletzungen werden durch die Auswirkungen der Kompression kompliziert und zusätzlich durch die Tatsache, daß die Bestandteile dieser unter hohem Druck stehenden Suppe, die die Hudlarer atmen, für den Stoffwechsel der Kelgianer hochgiftig sind. Doch zu einem Notfall hat sich das Ganze erst durch die enormen Blutungen entwickelt. Sie kennen ja die Kelgianer.“
„Ja, allerdings“, sagte Conway.
Selbst eine kleine Stich- oder Schnittwunde stellte für Kelgianer eine sehr ernsthafte Angelegenheit dar. Sie waren riesige, pelzige Raupen, und lediglich ihr Gehirn, das im stumpfen, kegelförmigen Kopfteil lag, wurde von etwas geschützt, das einer Knochenstruktur ähnelte. Der Körper eines kelgianischen Wesens setzte sich aus einer Reihe von kreisförmigen Muskelbändern zusammen, die nicht nur zur Fortbewegung dienten, sondern darüber hinaus auch die lebenswichtigen Organe im Körperinnern schützten. Dieser Schutz war vom Standpunkt eines Lebewesens, dessen Körper von einem üppigeren Knochengerüst gestützt wurde, allerdings alles andere als ausreichend.
Die Schwierigkeit war, daß Puls und Blutdruck der Kelgianer nach terrestrischen Maßstäben abnorm hoch waren, damit diese gewaltigen Muskelbänder ausreichend mit Blut versorgt werden konnten.
„Man hat es nicht geschafft, die Blutungen hinreichend unter Kontrolle zu bekommen“, fuhr der Teamleiter fort, „und deshalb wird die Kelgianerin von der Hudlarerstation, die sich zwei Ebenen über uns befindet, in den kelgianischen OP genau unter uns verlegt. Um Zeit zu sparen, transportiert man sie durch die wassergefüllten Ebenen. Entschuldigen Sie mich, Doktor, da kommen sie gerade.“
Genau in diesem Augenblick passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Mit einem unübersetzbaren Vergnügungsgluckser löste sich Surreshun vom Rad, rollte schwerfällig auf dem Boden entlang und fuhr langsam im Zickzack auf die Gruppe von Patienten und Schwestern zu, deren Zusammensetzung sich von den gedrungenen, krabbenähnlichen Melfanern bis zu den zwölf Meter langen Krokodilen mit Tentakeln erstreckte, die von dem mit Ozeanen überzogenen Planeten Chalderescol stammten. Der andere Dramboner hatte sich aus Conways Griff gewunden und schwamm fort, während sich hoch oben an der gegenüberliegenden Wand eine Luke öffnete, durch die die verletzte Kelgianerin gerade hereingebracht wurde. Dabei wurde sie von so vielen Wesen begleitet, daß Conways Hilfe weder notwendig noch erwünscht war.
Es handelte sich um fünf Terrestrier, die wie Conway leichte Anzüge trugen, zwei Kelgianer und einen Illensaner, durch dessen durchsichtige Hülle man das neblige Gelb des Chlors im Innern sehen konnte. In einem der terrestrischen Helme steckte ein Kopf, den Conway als den seines Freunds Mannon erkannte, der Spezialist für hudlarische Chirurgie war. Sie umschwärmten die kelgianische Verletzte wie ein Schwarm unbeholfener Fische und schoben und zogen sie zur anderen Seite der Station. Der Schwarm wuchs noch an, als der Leiter des Abfertigungsteams mit seinen Männern näher heranschwamm, um die Lage zu sondieren. Die drambonische Qualle näherte sich ebenfalls.
Zuerst dachte Conway, der SRJH wäre bloß neugierig, doch dann sah er, daß der schillernde Teppich mit voller Absicht auf das verletzte Wesen zuschwamm.
„Halten Sie ihn auf!“ schrie Conway.
Alle Anwesenden konnten ihn hören, denn er sah, wie sie zusammenzuckten, als seine Stimme ohrenbetäubend aus den Kopfhörern in ihren Anzügen dröhnte. Aber sie wußten nicht, wer oder was aufzuhalten war, und nicht einmal wie — und es blieb auch keine Zeit, ihnen irgend etwas zu erklären.
Während er auf die Trägheit des Wassers fluchte, schwamm Conway wie wild auf die verletzte Kelgianerin zu, um zu versuchen, den Dramboner rechtzeitig abzufangen. Doch die große blutdurchtränkte Stelle im Pelz an der Seite der Kelgianerin zog die Qualle wie einen Magneten an, und die Anziehungskraft wuchs — ebenfalls wie bei einem Magneten — im doppelten Quadrat zur Entfernung. Conway blieb keine Zeit mehr, eine Warnung zu rufen, als der Dramboner auch schon leicht gegen die Kelgianerin stieß und sich festklammerte.
Es gab eine leichte Luftblasenexplosion, als die gallertartigen Tentakel der drambonischen Qualle die Drucktragbahre der Kelgianerin zerrissen, in den bereits beschädigten Anzug vordrangen, den die Kelgianerin bereits im hudlarischen OP getragen hatte, und sich unter das dicke silberne Fell schoben. Innerhalb weniger Sekunden nahm der durchsichtige Körper des SRJH einen sich vertiefenden Rotton an, während der Dramboner das Blut aus der verletzten Kelgianerin saugte.
„Schnell!“ brüllte Conway, „bringen Sie beide auf die nächste mit Luft gefüllte Station!“
Er hätte sich die Worte sparen können, denn alle redeten jetzt wie wild durcheinander und überlasteten damit den Anzugfunk. Das Außenmikrofon war auch keine Hilfe — alles, was er hören konnte, war das tiefe, durch das Wasser übertragene Brummen der Notsirene und zu viele Stimmen, die gleichzeitig plapperten, bis die sehr laute Translatorstimme eines Chalders die anderen übertönte.
„Tier! Tier!“
Conways unermüdliches Schwimmen hatte das Trockenmittel im Anzug bereits überlastet, doch diese Worte ließen den heißen Schweiß, in dem sein Körper badete, eiskalt werden.
Nicht alle Bewohner des Orbit Hospitals waren Vegetarier, und ihre Nahrungsbedürfnisse machten es erforderlich, gewaltige Fleischmengen per Schiff einzuführen, die sowohl extraterrestrischen als auch terrestrischen Ursprungs waren. Aber das Fleisch traf immer gefroren oder auf andere Weise konserviert ein, und das aus einem sehr guten Grund — so sollten nämlich Fälle von Verwechslung seitens der größeren fleischfressenden Lebensformen vermieden werden, die sehr oft in Berührung mit kleineren Wesen kamen, die häufig eine körperliche Ähnlichkeit mit der Lieblingsspeise der Erstgenannten aufwiesen.
Die Regel im Orbit Hospital lautete: Jedes Wesen, das lebt, ist auch intelligent — egal, welche Größe oder Gestalt es hat oder möglicherweise annimmt.
Ausnahmen von dieser Regel waren sehr selten und bestanden aus Haustieren — natürlich ungefährlichen —, die Personalmitgliedern oder wichtigen Besuchern gehörten. Falls zufällig ein nichtintelligentes Lebewesen in das Hospital eindrang, mußte man sehr schnell geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen, damit den kleineren intelligenten Lebensformen kein Schaden zugefügt werden konnte.
Weder das mit dem Transport des Verletzten beschäftigte medizinische Personal noch das Abfertigungsteam war bewaffnet, doch innerhalb weniger Minuten würde die Alarmsirene bewaffnete Mitglieder des Monitorkorps herbeirufen. Inzwischen näherte sich einer der chalderischen Patienten — die allesamt über ihre gesamte Länge von zwölf Metern gepanzert waren und viele Tentakeln besaßen — dem festgeklammerten Dramboner, um ihn mit einem oder höchsten zwei Bissen seiner gewaltigen Kiefer von der Kelgianerin loszureißen.
„Edwards! Mannon! Helfen Sie mir, ihn da zurückzuhalten!“ brüllte Conway, aber es schrien immer noch zu viele Stimmen durcheinander, als daß sie ihn hätten hören können. Er packte zwei Handvoll Haut des Dramboners und blickte wild umher. Der Teamleiter hatte den Ort des Geschehens zur gleichen Zeit erreicht, ein Bein zwischen die verletzte Kelgianerin und den festgeklammerten SRJH geschoben und versuchte jetzt, die beiden mit den Händen auseinanderzustemmen. Conway drehte sich um, zog die Knie bis zum Kinn an und stieß den Teamleiter mit beiden Füßen weg — entschuldigen konnte er sich später. Der Chalder kam gefährlich nah.
Dann kam Edwards an, sah, was Conway tat, und beteiligte sich. Zusammen traten sie nach der riesigen Schnauze des Chalders und versuchten so, ihn zu vertreiben. Sie konnten ihm zwar keinen Schmerz zufügen, vertrauten jedoch darauf, daß der Extraterrestrier nicht zwei intelligente Wesen angreifen würde, um ein scheinbares Tier zu töten, das ein drittes intelligentes Wesen attackierte. Die Situation war jedoch so verworren, daß leicht ein Fehler auftreten konnte. Es war sehr gut möglich, daß Edwards’ und Conways Beine von der Taille abwärts durch einen einzigen Biß amputiert werden könnten.
Plötzlich wurde Conways Fuß von einem Paar großer, starker Hände gepackt, und sein Freund Mannon schwamm an seinem Körper entlang, bis sich ihre Helme berührten.
„Conway, was, zum Teufel, machen.“
„Ich hab keine Zeit für Erklärungen“, antwortete er. „Bringen Sie die beiden nur schleunigst in eine mit Luft gefüllte Abteilung. Passen Sie auf, daß niemand den SRJH verletzt; er richtet keinen Schaden an.“
Mannon blickte auf das Wesen, das die Kelgianerin wie eine riesige blutrote Blase bedeckte. Man konnte tatsächlich sehen, wie das Blut der verletzten Schwester in den großen kugelartigen Körper des Dramboners floß — der jetzt nicht mehr transparent war und bis zum Platzen gefüllt zu sein schien — und sich dort überall ausbreitete.
„Da hab ich mich wohl getäuscht“, sagte Mannon und schwamm weg. Mit einer Hand packte er einen der gewaltigen Zähne des Chalders, drehte sich um, bis er in ein Auge von der ungefähren Größe eines Fußballs starrte, und vollführte mit der zweiten Hand ruckartige Bewegungen zur Seite. Der Chalder blickte verwirrt drein und entfernte sich; und ein paar Sekunden später befand sich Conway mit Edwards und der eingehüllten Kelgianerin in der Schleuse, die zu einer mit Luft gefüllten Abteilung führte.
Das Wasser lief heraus, die Schleuse öffnete sich und zwei grünuniformierte Monitore kamen zum Vorschein, die mit der Waffe im Anschlag in der Schleusenvorkammer standen. Der erste der beiden drückte ein riesige Automatikwaffe mit Mehrfachmagazinen an sich, mit der man sämtliche Wesen sofort betäuben konnte, die der Klasse der warmblütigen Sauerstoffatmer angehörten, während der zweite eine kleine und viel weniger gefährlich aussehende Waffe in der Hand hielt, die aber das Lebenslicht eines Elefantenbullen oder jedes extraterrestrischen Gegenstücks im Nu ausblasen konnte.
„Moment mal!“ sagte Conway und rutschte und schlitterte über den immer noch nassen Boden, um sich vor den Dramboner zu stellen. „Das hier ist ein prominenter Besucher. Geben Sie uns ein paar Minuten. Das kommt schon alles in Ordnung, glauben Sie mir.“
Die beiden Monitore behielten ihre Waffen im Anschlag, und sie sahen auch nicht so aus, als wenn sie Conway glauben würden.
„Das sollten Sie wohl besser erklären“, riet ihm der Teamleiter ruhig, aber mit deutlicher Zornesröte im Gesicht.
„Ja“, erwiderte Conway. „Ich. ehm. ich hoffe, ich hab Sie nicht verletzt, als ich Sie vorhin getreten hab.“
„Nein, nur meinen Stolz. Aber ich will trotzdem.“
„Hier O’Mara“, brüllte eine Stimme aus dem Kommunikator an der gegenüberliegenden Wand. „Ich will Sichtkontakt haben! Was geht da unten eigentlich vor?“
Edwards stand am nächsten. Er stellte Richtung und Schärfe der Kamera laut Anweisung ein und sagte: „Die Situation ist ziemlich kompliziert, Major.“
„Natürlich, wenn Conway etwas damit zu tun hat, ist das kein Wunder“, entgegnete O’Mara in bissigem Ton. „Was macht er denn da? Um Erlösung beten?“
Conway kniete neben der verletzten Kelgianerin und prüfte ihren Zustand. Nach dem, was er sehen konnte, hatte sich der Dramboner so festgeklammert, daß nur sehr wenig Wasser in die Drucktragbahre oder den beschädigten Druckanzug eingedrungen war — die Schwester atmete normal und es gab keine Anzeichen, daß sie Wasser in den Lungen hatte. Die Farbe des Dramboners hatte sich wieder aufgehellt; sie war jetzt nicht mehr tiefrot, sondern wieder fast völlig transparent mit einem leicht rosa schimmernden Farbton. Unter Conways Augen löste sich der SRJH von der Kelgianerin und rollte wie ein großer, mit Wasser gefüllter Ballon davon, bis er an der Wand zum Stillstand kam.
Edwards erklärte gerade: „Vor drei Tagen wurde ein vollständiger Bericht über diese Lebensform eingereicht. Mir ist klar, daß drei Tage kein allzu langer Zeitraum sind, um die Ergebnisse in einer Einrichtung dieser Größe zu verbreiten, aber nichts von all dem wäre geschehen, wenn der Dramboner nicht mit einem schwerverletzten Wesen konfrontiert worden wäre, das.“
„Bei allem Respekt, Major“, unterbrach ihn O’Mara mit einer Stimme, die von allem triefte, nur nicht von Respekt, „ein Hospital ist ein Ort, an dem jedermann jederzeit damit rechnen muß, auf eine schwere Krankheit oder Verletzung zu stoßen. Hören Sie endlich auf, Ausreden zu suchen, und erzählen Sie mir, was passiert ist!“
„Der Dramboner da drüben“, fügte der Teamleiter ein, „hat die verletzte Kelgianerin angegriffen.“
„Und?“ fragte O’Mara.
„Hat sie sofort geheilt“, antwortete Edwards süffisant.
Daß es O’Mara die Sprache verschlug, kam nicht oft vor. Conway trat zur Seite, um es der Kelgianerin, die jetzt keine Verletzte mehr war, zu ermöglichen, auf die zahlreichen Beine zu kommen. Er erklärte: „Der drambonische SRJH ist das einem Arzt ähnlichste Wesen, das wir auf dem Planeten gefunden haben. Er stellt eine blutegelartige Lebensform dar, die ihren Beruf praktiziert, indem sie dem Patienten das Blut entzieht und von allen Infektionen und giftigen Substanzen reinigt, bevor sie es in den Körper des Patienten zurückleitet. Sie heilt auch einfache physische Schäden. Angesichts einer schweren Krankheit oder Verwundung reagiert sie instinktiv. Als eben die verletzte Kelgianerin plötzlich auftauchte, wollte der SRJH helfen. Die Schwester hat an einer Vergiftung gelitten, die durch die toxische Substanz in der Umweltbedingung des hudlarischen Operationssaals hervorgerufen worden war und die die Wunde infiziert hat. Für den Dramboner war das allerdings ein ganz einfacher Fall.
Doch wird nicht das gesamte entzogene Blut wieder zurückgeleitet“, fuhr Conway fort. „Wir konnten allerdings noch nicht nachweisen, ob es für das Wesen physiologisch unmöglich ist, das ganze Blut zurückzuleiten, oder ob es ein paar Deziliter als Bezahlung für geleistete Dienste behält, sozusagen als Blutzoll.“
Die Kelgianerin stieß ein tiefes Hupen aus, das wie ein moduliertes Nebelhorn klang. Der Ton wurde als „Mir soll’s recht sein“ übersetzt.
Die kelgianische Raupe entfernte sich, dann folgten ihr die beiden bewaffneten Korpsmitglieder. Mit einem verdutzten Blick auf den Dramboner winkte der Teamleiter seine Männer auf ihre Posten zurück, und für einen Moment trat Stille ein.
Schließlich sagte O’Mara: „Sobald Sie Ihre beiden Besucher untergebracht haben und wenn keine physiologischen Gründe dagegen sprechen, schlage ich vor, daß wir uns in drei Stunden in meinem Büro treffen, um die Angelegenheit genauer zu besprechen.“
O’Maras Stimme hatte bedrohlich mild geklungen. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, für das Treffen mit dem Chefpsychologen nicht nur medizinische, sondern auch moralische Unterstützung mitzubringen, sagte sich Conway.
Conway hatte nicht nur seinen empathischen Freund Prilicla gebeten, an dem Treffen teilzunehmen, sondern auch die Monitoroffiziere Colonel Skempton und Major Edwards, Dr. Mannon, die beiden Dramboner, Thornnastor, den leitenden Diagnostiker der Pathologie, und zwei Ärzte von Hudlar und Melf, die zur Zeit Lehrgänge am Hospital absolvierten. Es dauerte mehrere Minuten, bis sie alle O’Maras gewaltiges Vorzimmer betreten hatten — einen Raum, der normalerweise nur von dem Berater des Majors besetzt war, und in dem mehr als zwanzig Möbelstücke standen, die für die ETs geeignet waren, mit denen O’Mara beruflichen Kontakt hatte. Zu diesem Anlaß war es der Chefpsychologe selbst, der am Schreibtisch seines Assistenten saß und mit sichtlich beherrschter Ungeduld darauf wartete, daß sich endlich alle in die Möbel setzten, legten oder auf sonstige Art Platz nahmen.
Als sie das getan hatten, sagte O’Mara ruhig: „Seit der hochdramatischen Phase, mit der Ihre Ankunft eingeläutet wurde, hab ich es nachgeholt, die letzten Berichte über den Fleischkloß zu lesen. Und alles zu wissen heißt, alles zu verzeihen — natürlich außer Ihrer Anwesenheit hier, Conway. Sie sollten doch erst in frühestens drei.“
„Drambo, Sir“, unterbrach Conway ihn. „Wir benutzen jetzt den Klang des einheimischen Worts für den Fleischkloß.“
„Das gefällt uns besser“, schloß sich Surreshuns Translatorstimme an. „Fleischkloß ist kein treffender Name für einen Planeten, der nur von einer relativ dünnen Schicht tierischen Lebens bedeckt ist. Und auch nicht für einen Planeten, den wir für den schönsten der Galaxis halten, obwohl wir bisher noch keine Gelegenheit hatten, einen der anderen zu besuchen. Außerdem verrät mir Ihr Translator, daß es dem Namen „Fleischkloß“ an Genauigkeit, Ehrfurcht und Respekt fehlt. Doch selbst die fortgesetzte Verwendung Ihres Namens für unseren herrlichen Planeten wird mich nicht ärgern. Mein Verständnis für das oftmals oberflächliche Denken, mit dem sich Ihre Spezies abgibt, ist dafür zu groß, und ich hab ein zu starkes Mitleid mit diesen geistigen Mängeln, um mich zu ärgern oder auch nur aufzuregen.“
„Sie sind zu liebenswürdig“, entgegnete O’Mara.
„Das kommt auch noch hinzu“, bestätigte Surreshun.
„Der Grund, weshalb ich zurückgekehrt bin“, sagte Conway hastig, „ist einfach der, Hilfe zu holen. Ich hab beim Problem mit dem Planeten Drambo einfach keinerlei Fortschritte erzielen können, und das hat mir Kopfzerbrechen bereitet.“
„Sich den Kopf zu zerbrechen ist eine besonders unnütze Tätigkeit“, erwiderte O’Mara trocken. „Natürlich nicht, wenn Sie es laut und in Gesellschaft tun. Aha, jetzt verstehe ich auch, warum Sie das halbe Hospital mitgebracht haben.“
Conway nickte und fuhr fort: „Der Planet benötigt dringend medizinische Hilfe, aber das Problem unterscheidet sich gänzlich von den Schwierigkeiten, auf die wir bislang auf Planeten oder in Kolonien von Terrestriern oder ETs gestoßen sind. Normalerweise muß man einfach die Krankheiten untersuchen und bestimmen, die angezeigten Medikamente einführen und vorschlagen, wie man sie am wirkungsvollsten verteilt, um sie dann durch ortsansässige Ärzte und Einrichtungen verabreichen zu lassen. Auf Drambo ist alles ganz anders. Es geht nicht darum zu versuchen, eine große Anzahl von Individuen zu untersuchen und Diagnosen zu erstellen, sondern dort haben wir es mit relativ wenigen, dafür aber wirklich sehr, sehr großen Patienten zu tun.
Der Grund dafür ist, daß Surreshuns Spezies innerhalb der letzten paar Jahre gelernt hat, wie man Atomenergie freisetzt“, fuhr Conway fort und fügte dann hinzu: „Natürlich explosiv, wobei große Mengen radioaktiven Mülls anfallen. Sein Volk ist sehr.“ — er stockte und versuchte, ein diplomatisches Wort für „gedankenlos“ oder „auf kriminelle Weise dumm“ oder „selbstmörderisch“ zu finden, hatte damit aber keinen Erfolg — „…stolz auf die neugewonnene Fähigkeit, große Flächen dieser Schichtkreaturen zu töten und die flachen Meeresstellen um diese lebenden Küsten herum für die stetig wachsende Bevölkerung sicher zu machen.
Aber in oder unter diesen Schichtkreaturen lebt noch eine andere intelligente Spezies, die vielleicht die Kontrolle über diese Schichtkreaturen hat und deren Land um sie herum buchstäblich abzusterben droht“, setzte Conway seine Erklärungen fort. „Diese Wesen haben das Werkzeug hergestellt, das an Bord der Descartes gekommen ist. Nach dem Gerät zu urteilen, muß es sich um eine hochentwickelte Kultur handeln, von der wir aber noch immer nichts wissen.
Als uns klar wurde, daß Surreshuns Mitwesen nicht die Werkzeughersteller waren, haben wir uns gefragt, wo sie am wahrscheinlichsten zu finden sein würden. Die Antwort lautete, in den Gebieten, wo ihr lebendes Land Angriffen ausgesetzt war“, fuhr Conway fort. „In diesen Verhältnissen erwartete ich, auch auf ihre Ärzte zu stoßen, und bin dabei tatsächlich auf unseren durchsichtigen Freund hier gestoßen. Er hat mir auf seine etwas verwirrende Weise das Leben gerettet, und ich bin davon überzeugt, daß er das drambonische Gegenstück eines Arztes ist. Leider scheint er nicht in der Lage zu sein, auf irgendeine mir verständliche Weise zu kommunizieren. Und wenn man die Tatsache im Auge behält, daß man seine Innereien ohne Röntgenstrahlen direkt sehen kann, scheint er auch keine lokalisierbare Gruppe von Ganglienzellen zu besitzen oder überhaupt irgend etwas, das einem Gehirn gleicht.
Wir brauchen dringend die Hilfe seiner Spezies“, fügte Conway ernst hinzu, „und das ist auch der Grund, warum wir ihn hierhergebracht haben, damit nämlich ein Experte in ET-Kommunikation vielleicht dort Erfolg hat, wo die Erstkontaktspezialisten des Monitorschiffs und ich gescheitert sind.“
Er blickte O’Mara direkt in die Augen, der wiederum nachdenklich auf den blutegelartigen Dramboner sah. Dieser hatte seinerseits eins der Augen in ein zur Decke ausgestrecktes Scheinfüßchen gesteckt, damit er sich die zerbrechliche, insektenartige Gestalt des Empathen Prilicla anschauen konnte. Prilicla selbst besaß genügend Augen, um überall gleichzeitig hinzusehen.
„Ist es nicht merkwürdig“, fragte auf einmal Colonel Skempton, „daß der eine Dramboner herzlos ist und der andere hirnlos zu sein scheint?“
„An hirnlose Ärzte bin ich ja gewöhnt“, entgegnete O’Mara trocken. „Ich verständige mich jeden Tag mit ihnen, im großen und ganzen sogar erfolgreich. Aber das ist doch nicht Ihr einziges Problem, Doktor, oder?“
Conway schüttelte den Kopf. „Ich hab ja bereits gesagt, daß wir eine kleine Anzahl sehr großer Patienten behandeln müssen. Selbst mit Unterstützung sämtlicher drambonischer Ärzte würde ich immer noch Hilfe benötigen, um das ganze Ausmaß des Leidens so genau wie möglich erfassen zu können — und ich meine damit die Erfassung durch Bildaufklärung — und auch um Bereiche unter der Oberfläche zu untersuchen. In diesem Maßstab sind Röntgenstrahlen unmöglich. Auch umfassende Bohroperationen, um tiefe Gewebeproben zu entnehmen, wären nur von geringem Nutzen, da die Bohrer lediglich kurze und unglaublich dünne Nadeln sein würden. Deshalb werden wir die erkrankten oder beschädigten Stellen persönlich untersuchen müssen, indem wir gepanzerte Bodenfahrzeuge und, wo möglich, Hände und Füße benutzen, die natürlich in schweren Anzügen stecken. Der Zutritt zu den befallenen Stellen erfolgt durch natürliche Körperöffnungen, und das Manöver wird viel schneller vonstatten gehen, wenn wir Hilfe von medizinisch ausgebildeten Wesen erhalten, die keinen Schutz durch gepanzerte Fahrzeuge oder Anzüge brauchen. Ich denke dabei an Spezies wie die Chalder, Hudlarer und Melfaner, die ja bereits gepanzert sind.
Von der Pathologie“, fuhr er fort und blickte zu Thornnastor hinüber, „hätte ich gern Vorschläge, wie man in diesem Fall eine Heilung nicht durch Medikamente, sondern durch einen chirurgischen Eingriff erzielen kann. Nach den gegenwärtigen Anzeichen ist das Leiden zum größten Teil Folge einer Strahlenverseuchung. Und während mir auf der einen Seite klar ist, daß wir heutzutage in der Lage sind, selbst fortgeschrittene Fälle atomarer Verseuchung medikamentös zu behandeln, kann es auf der anderen ohne weiteres sein, daß diese Behandlungsform an Patienten von dieser Größe nicht durchführbar ist. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß die für nur einen dieser Patienten benötigte Arzneimenge vielleicht den Gesamtausstoß dieses Medikaments von einem Dutzend unserer Planeten über viele Jahre hinweg bedeuten würde. Aus diesem Grund ist eine chirurgische Lösung unbedingt erforderlich.“
Skempton räusperte sich und sagte: „Ich begreife allmählich den Umfang Ihres Problems, Doktor. Ich werde mich an diesem Projekt durch die Organisation des Transports und die Versorgung Ihrer medizinischen Mitarbeiter beteiligen. Außerdem würde ich vorschlagen, ein komplettes Bataillon von Technikern mitzunehmen, die die Spezialausrüstung aufbauen und warten kann.“
„Das wäre allenfalls ein Anfang“, warf Conway ein.
Der Colonel entgegnete ein wenig kühl: „Natürlich werden wir Sie auch weiter bei allem unterstützen, was Sie.“
„Sie haben mich mißverstanden, Sir“, unterbrach ihn Conway. „Ich bin mir zwar nicht sicher, wieviel Hilfe wir zur Zeit wirklich brauchen, aber ich hab an die Größenordnung eines Untergeschwaders eines ganzen Sektors gedacht, das mit weitreichenden Lasern, die Oberfläche durchdringenden Torpedos, taktischen Nuklearwaffen — natürlich sauberen — und allen anderen Formen des Schreckens bewaffnet ist, die Sie sich vorstellen können. Diese Waffen und Hilfsmittel müssen sowohl massiert als auch punktuell eingesetzt werden können.
Wie Sie sehen, Colonel“, schloß Conway, „stellt ein chirurgischer Eingriff in diesem Maßstab eher eine militärische als eine chirurgische Operation dar.“ An O’Mara gewandt fügte er hinzu: „Das sind einige der Gründe für meine außerplanmäßige Rückkehr. Die restlichen sind weniger dringend und.“
„Können verdammt gut warten, bis das hier alles geklärt ist“, führte O’Mara den Satz zu Ende.
Kurz darauf löste sich die Versammlung auf, weil weder Surreshun noch Conway irgendwelche zusätzliche Informationen über den Planeten Drambo geben konnten, die nicht schon in den Korpsberichten erwähnt worden wären. O’Mara zog sich mit dem drambonischen Arzt in sein Büro zurück, Thornnastor und Skempton begaben sich wieder in ihre Unterkünfte. Edwards, Mannon, Prilicla und Conway gingen, nachdem sie sich nach Surreshuns Wohlergehen im Wassertank der AUGLs erkundigt hatten, zur Kantine für warmblütige Sauerstoffatmer, um neue Kräfte zu tanken. Die hudlarischen und melfanischen Ärzte begleiteten sie, um mehr über den Planeten Drambo zu erfahren und den anderen beim Essen zuzusehen — als ganz frische Neuzugänge des Hospitalpersonals, die noch auf der ersten Woge der Begeisterung schwammen, verbrachten sie fast jede freie Minute damit, fremdartige Wesen zu beobachten und sich mit ihnen zu unterhalten.
Conway kannte das Gefühl; er verspürte selbst auch noch immer diesen Drang. Doch war er heutzutage praktisch genug veranlagt, um die Begeisterung der Neuen nicht nur zu bewundern, sondern auch zu benutzen.
„Die Chalder sind so widerstandsfähig und beweglich, daß sie sich gegen die einheimischen Raubtiere behaupten können“, sagte Conway, als sie sich um einen für tralthanische FGLIs gebauten Tisch verteilten — die Tische für terrestrische DBDGs waren alle besetzt, und zwar von Kelgianern — und ihre Bestellungen aufgaben. „Die Melfaner bewegen sich auf dem Meeresboden sehr schnell, und Ihre Beine, die hauptsächlich aus Knochensubstanz bestehen, sind gegen die giftigen Dornen- und Stachelpflanzen gefeit, die auf dem Meeresgrund wachsen. Und Sie als Hudlarer brauchen sich trotz Ihrer relativ trägen Fortbewegungsart allenfalls vor panzerbrechenden Granaten zu fürchten, zudem ist das Wasser auf dem ganzen Planeten voll von pflanzlichem und tierischem Leben, das praktisch nur darauf wartet, sich an jede glatte Fläche zu heften, so daß Sie Ihre Spezialgeräte zum Aufsprühen von Nahrung wegwerfen und vollkommen vom Meer leben können.“
„Das klingt ja wie der Himmel auf Hudlar“, entgegnete der Hudlarer, und wegen seiner ausdruckslosen Translatorstimme konnte man unmöglich sagen, ob er das ironisch gemeint hatte oder nicht. „Aber wir werden eine große Anzahl Ärzte aller drei Spezies benötigen — viel zu viele, als daß sie allein vom Hospital gestellt werden könnten, selbst wenn man sämtlichen Mitarbeitern gestatten würde, sich freiwillig zu melden.“
„Wir werden allein Hunderte Ihrer Spezies benötigen“, antwortete Conway, „und der Planet ist selbst für Hudlarer kein Paradies. Andererseits hab ich gedacht, gibt es vielleicht Ärzte — junge, noch rastlose, frisch qualifizierte Leute —, die auf Erfahrungen mit ETs aus sind.“
„Ich bin zwar nicht Prilicla“, sagte Mannon lachend, „aber selbst ich spüre, daß Sie offene Türen einrennen. Mögen Sie lauwarmes Steak, Conway?“
Mehrere Minuten lang konzentrierten sie sich auf das Essen, damit die kühle Brise, die Priliclas Flügel erzeugten — er zog es vor, während der Mahlzeiten zu schweben, und behauptete, das fördere die Verdauung —, mit Ausnahme der Eiscreme wenigstens nicht alles ruinierten.
„Beim Treffen haben Sie weitere, weniger dringende Probleme erwähnt“, sagte Edwards plötzlich. „Ich nehme an, eins davon war das Rekrutieren einiger dickhäutiger Wesen wie Garoth hier. Ich scheue mich direkt, nach den anderen Problemen zu fragen.“
Conway antwortete: „Wir werden während dieser großangelegten medizinischen Untersuchung vor Ort fachlichen Rat benötigen. Das heißt, wir brauchen Ärzte, Schwestern und medizinische Techniker, die Erfahrung in der Bearbeitung und Analyse von Proben der verschiedensten Spezies haben. Ich werde Thornnastor überreden müssen, mir einen Teil seines Pathologiepersonals zur Verfügung zu stellen.“
Prilicla rutschte plötzlich zur Seite und steckte beinahe eins seiner bleistiftdünnen Beine in Mannons Nachtisch. Er zitterte leicht, während er flog, ein sicheres Zeichen, daß irgend jemand am Tisch heftige und komplizierte Gefühle ausstrahlte.
„Ich bin zwar immer noch nicht Prilicla“, sagte Mannon, „aber nach dem Verhalten unseres empathischen Freunds vermute ich, Sie suchen noch eine viel engere Verbindung mit der pathologischen Abteilung und im besonderen mit einer frischgebackenen Pathologin namens Murchison und versuchen, diese Verbindung zu rechtfertigen. Hab ich recht, Doktor?“
„Meine Gefühle sollten eigentlich vertraulich bleiben“, antwortete Conway und blickte Prilicla an.
„Ich hab kein einziges Wort gesagt“, entschuldigte sich Prilicla, der immer noch Schwierigkeiten hatte, ein ruhiges Schweben beizubehalten.
Edwards fragte: „Wer ist Murchison?“
„Oh, ein weibliches Wesen der terrestrischen Klassifikation DBDG“,
erklärte Gareth durch seinen Translator. „Einst eine äußerst fähige Schwester mit einer über mehr als dreißig verschiedene Lebensformen umfassenden OP-Erfahrung, die sich kürzlich als Pathologin in leitender Position qualifiziert hat. Ich persönlich hab sie als angenehm und freundlich empfunden, und zwar so sehr, daß ich in der Lage bin, die für mich körperlich abstoßenden Fettpolster zu übersehen, von denen ein nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Muskulatur überzogen ist.“
„Und die wollen Sie wirklich mit auf den Planeten nehmen, Conway?“ hakte Edwards nach. Das Monitorkorps und seine Offiziere hatten sehr altmodische Vorstellungen über gemischte Besatzungen, selbst bei langfristig angelegten Expeditionen.
„Nur dann, wenn wenigstens halbwegs die Möglichkeit dazu besteht“, sagte Mannon ernst.
„Sie sollten die Frau heiraten, Conway.“
„Das hat er schon.“
„Oh.“
„Das Orbit Hospital ist in mehrerer Hinsicht eine sehr merkwürdige Anstalt, Major“, erläuterte Mannon lächelnd, „voll von seltsamen und eigenartigen Bräuchen. Nehmen Sie zum Beispiel Sex. Für eine große Anzahl der Lebewesen hier ist er entweder ein fortwährender unwillkürlicher Prozeß und so geheimnisvoll und stimulierend wie der Atmungsvorgang, oder er ist ein physiologisches Erdbeben, das sie im Jahr vielleicht drei Tage lang erschüttert. Solche Wesen sind von den für sie verwirrenden Komplikationen und den rituellen Verhaltensweisen befremdet, die bei unserer Spezies mit der Bildung von Paaren und der Paarung selbst verbunden sind — obwohl zugegebenermaßen einige Aliens ein Sexualleben führen, gegen das unsere Fortpflanzungsmethode so schlicht wie eine Pollenbestäubung wirkt.
Aber das Argument, das ich anzubringen versuche“, fuhr Mannon fort, „ist, daß die überwältigende Mehrheit der ETs im Hospital einfach nicht versteht, warum das Weibchen unserer Spezies ihre Identität verlieren und das Kostbarste von allen Besitztümern hergeben sollte: ihren Namen. Für viele von ihnen riecht das leicht nach Sklaverei oder zumindest nach Bürger zweiter Klasse, und für den Rest nach purer Dummheit. Sie begreifen nicht, warum eine terrestrische Ärztin, Schwester oder Technikerin aus rein emotionalen Gründen ihre Identität wechseln und einen Namen annehmen sollte, der zu einem anderen Wesen gehört — und das kann der Computer, der die Unterlagen über die Bürger speichert, ebenfalls nicht, wenn es dazu kommt. Deshalb behalten die Frauen ihren gewohnheitsmäßigen Namen bei, so, wie Schauspielerinnen und ähnlich beruflich engagierte Frauen, und achten sehr darauf, ihn immer zu benutzen, um Identitätsunklarheiten bei ETs zu vermeiden, die.“
„Er hat verstanden, worum es geht“, unterbrach ihn Conway ungeduldig. „Aber es wäre schön, wenn Sie irgendwann einmal den Unterschied zwischen häuslich und beruflich engagierten Frauen erklären würden.“
„Sie benehmen sich natürlich im Privatleben unterschiedlich“, fuhr Mannon fort, indem er Conway gar nicht beachtete. „Einige sind moralisch sogar derart verdorben, daß sie sich wie vor Jahrhunderten gegenseitig mit ihren Vornamen ansprechen.“
„Wir brauchen ein Pathologenteam“, sagte Conway, der nun seinerseits Mannon überhörte. „Aber noch dringender benötigen wir medizinische Hilfe vor Ort. Surreshuns Volk kann uns aus physiologischen Gründen nur moralische Unterstützung geben, das heißt, alles hängt davon ab, die Mitarbeit unserer blutegelartigen Freunde zu gewinnen. Und hier treten Sie auf den Plan, Prilicla. Sie haben die emotionale Strahlung des SRJHs während der Versammlung überwacht. Haben Sie irgendwelche Vorstellungen gewonnen?“
„Leider nicht, mein Freund“, antwortete der Empath. „Der drambonische Arzt war zwar während des gesamten Treffens wach und bei Bewußtsein, aber er hat auf nichts reagiert, was gesagt oder getan wurde, oder sich mit konzentriertem Denken beschäftigt. Er hat nur Gefühle der Behaglichkeit, Sättigung und Selbstzufriedenheit ausgestrahlt.“
„Das mit der Kelgianerin hat er ja auch sauber hingekriegt“, mischte sich Edwards ein, „und als professioneller Blutsauger hat er sich eben ungefähr einen halben Liter Blut abgezapft.“
Prilicla wartete höflich das Ende der Unterbrechung ab und fuhr dann fort: „Es war eine sehr kurze Verstärkung des Interesses feststellbar, als die Versammlungsteilnehmer zum erstenmal das Zimmer betreten haben. Die Emotion bestand jedoch nicht aus Neugier, sondern ähnelte eher einer für die flüchtige Identifizierung der Anwesenden notwendigen Steigerung des Bewußtseins.“
„Gab es irgendwelche Anzeichen, daß ihn der Flug hierher angegriffen hat?“ fragte Conway. „Oder seine körperlichen oder geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt hat oder irgend etwas anderes in der Art?“
„Er hat nur zufriedene Gedanken gehabt“, antwortete Prilicla, „deshalb würde ich sagen, nein.“
Sie sprachen noch eine Weile über den drambonischen Arzt, und als sie schließlich im Begriff waren, die Kantine zu verlassen, sagte Conway zu Prilicla: „O’Mara wird bestimmt froh sein, wenn Sie ihm dabei behilflich sind, unseren blutsaugenden Freund durch seine psychologische Mangel zu drehen. Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn sie die emotionale Strahlung des SRJHs überwachen könnten, während der Kontakt hergestellt wird. Der Major will vielleicht warten, bis die Verständigung vollständig klappt und für den Dramboner ein spezieller Translator programmiert worden ist, bevor er mit mir Verbindung aufnimmt. Aber ich würde gern jede brauchbare Information erhalten, sobald Sie irgend etwas über SRJH herausbekommen haben.“
Drei Tage später, als er gerade mit Edwards und dem ersten Trupp von neuen Mitarbeitern — einer sehr sorgfältig ausgewählten Handvoll Leute, die durch ihren Enthusiasmus, so hoffte er, noch viele andere anziehen und in der Arbeit unterweisen würden — an Bord der Descartes gehen wollte, fing die Lautsprecheranlage an, Dr. Conway mit stiller Beharrlichkeit zu bitten, sofort mit Major O’Mara in Verbindung zu treten. Dabei wurde ihre Hartnäckigkeit noch durch den doppelten Gongton verstärkt, der den meisten dringenden Nachrichten vorausging. Conway gab den anderen durch einen Wink zu verstehen, schon einmal voranzugehen und begab sich zum Schleusenkommunikator.
„Freut mich, daß ich Sie noch erwischt hab“, sagte der Chefpsychologe, bevor Conway mehr tun konnte, als sich zu melden. „Sie sollen zuhören und nicht reden. Prilicla und ich kommen mit Ihrem drambonischen Arzt nicht weiter. Er strahlt zwar Emotionen aus, aber wir können ihn für nichts begeistern. Deshalb sind wir nicht mal in der Lage festzustellen, was er mag und was nicht.
Wir wissen zwar, daß er sieht und empfindet“, fuhr O’Mara fort, „aber wir sind uns nicht sicher, ob er hören oder sprechen kann und wie er es bewerkstelligt, falls er es können sollte. Prilicla glaubt, er besitzt vielleicht schwach ausgebildete empathische Fähigkeiten, doch bevor wir nicht ein paar krause Gefühlswellen auf seinem ansonsten spiegelglatten Gemüt erzeugen können, gibt es keine Möglichkeit, das zu beweisen. Ich gebe mich keineswegs geschlagen, Conway, aber Sie haben uns da ein Problem aufgehalst, das vielleicht eine ganz einfache Lösung hat.“
„Haben Sie es mit dem gedankengesteuerten Werkzeug probiert?“
„Das war die erste, zweite und achtundzwanzigste Sache, die wir ausprobiert haben“, entgegnete O’Mara griesgrämig. „Prilicla hatte dabei jedesmal ein ganz leicht gesteigertes Interesse wahrgenommen, das, wie er sagte, dem Erkennen eines vertrauten Gegenstands entsprach. Aber der Dramboner hat keinen Versuch unternommen, das Gerät zu steuern oder anderweitig zu benutzen. Ich hab ja schon gesagt, daß Sie uns ein ganz schönes Problem aufgehalst haben. Vielleicht wäre es für Sie die einfachste Lösung, uns noch so eins aufzuhalsen.“
Der Chefpsychologe hatte fast die gleiche Abneigung dagegen, unnötige Erklärungen geben zu müssen, wie gegen Leute, die schwer von Begriff waren. Deshalb dachte Conway einen Augenblick nach, bevor er fragte: „Sie möchten also, daß ich noch einen weiteren drambonischen Arzt herbringe, damit Sie, wenn sich die beiden treffen, das Gespräch beobachten und belauschen können, um deren Verständigung auf dem Translator zu reproduzieren, richtig?“ „Ja, Doktor“, bestätigte O’Mara, „und zwar schnell, bevor Ihr Chefpsychologe einen Psychiater braucht. Ende.“
Nach seiner Rückkehr auf den Planeten Drambo war es Conway nicht sofort möglich, einen weiteren blutegelartigen SRJH ausfindig zu machen, zu entführen oder auf andere Art und Weise an Bord eines Schiffes zu schaffen. Er mußte sich um eine Gruppe von ETs kümmern, die vielschichtiger Nahrungs-, Atmosphäre- und Gravitationserfordernisse bedurften. Und obwohl alle drei Lebensformen ohne allzu große Schwierigkeiten im drambonischen Ozean existieren konnten, mußten ihre Unterkünfte auf der Descartes doch etwas von dem Komfort von zu Hause haben.
Darüber hinaus mußte man sie ein wenig über den Umfang des medizinischen Problems unterrichten, zu dessen gemeinsamer Lösung man sie gebeten hatte; und das war mit vielen Hubschrauberflügen über die Schichtkreaturen verbunden. Conway zeigte ihnen die großen Flächen des lebenden „Lands“, das von den kleinen, tief verwurzelten Pflanzen bedeckt war, die vielleicht als Augen der Schichttiere dienten — vielleicht aber auch nicht. Die Blätter rollten sich fest zusammen, um ihre helle Unterseite zum Vorschein zu bringen, als der Hubschrauber über sie hinwegflog, und entfalteten sich ein paar Sekunden später wieder, nachdem er sich entfernt hatte. Es war, als wenn der Hubschrauberschatten ein hochbeständiger gelber Punkt auf einem hellgrünen Radarschirm wäre. Conway zeigte den anderen auch die Küstenstriche, an denen es viel dramatischer zuging.
Hier rissen sich große und kleine Meeresraubtiere gegenseitig und zerrten an dem lebenden „Küstenstreifen“, der zu den riesigen Landtieren gehörte, und schlugen dabei das dickflüssige Meerwasser zu gelbgrünem Schaum auf, der mit roten Flecken und Streifen durchzogen war. In solch einem Gebiet wie diesem, wo Conway das Schutzbedürfnis des Schichttiers für am größten gehalten hatte, war er damals auf die blutegelartigen SRJHs gestoßen. Und hier mußte er, sobald er die Zeit dazu hatte, nach einem weiteren suchen.
Dieses Mal würde er jedoch eine Menge bereitwilliger und fachlich kompetenter Helfer an seiner Seite haben.
Jeden Tag traf eine Mitteilung von O’Mara ein, die sich von der vorherigen nur durch die zwischen den Zeilen offensichtlich werdende zunehmende Ungeduld unterschied. Prilicla und der Chefpsychologe hatten mit dem drambonischen Arzt keinen Erfolg und waren zu dem Schluß gekommen, daß er eine der exotischen visuell-sensorischen Sprachen benutzte, die ohne einen ausführlichen Sicht- und Tastwortschatz praktisch unmöglich wiederzugeben war.
Die erste Expedition zur Küste hatte eher den Charakter einer Übung — zumindest fing sie so an. Camsaug und Surreshun übernahmen die Führung und rollten wackelnd wie ein Paar großer organischer Doughnuts über den unebenen Meeresboden. Sie wurden von zwei krabbenähnlichen Melfanern flankiert, die ohne die geringste Schwierigkeit in der Lage waren, doppelt so schnell zu krabbeln wie die Dramboner rollen konnten. Über ihnen schwamm schwerfällig ein zwölf Meter langer und mit Tentakeln versehener Chalder, bereit, hiesige Raubtiere mit seinen Zähnen, Klauen und seiner knöchernen Riesenkeule von einem Schwanz abzuwehren — obwohl nach Conways Meinung ein Blick aus seinen vier ausstreckbaren Augen genügt hätte, um alles abzuwehren, was auch nur ein Fünkchen Überlebenswillen hatte.
Conway, Edwards und Garoth fuhren in einem amphibienartigen Bodenfahrzeug des Korps, das sich nicht nur jeder vorstellbaren topographischen Beschaffenheit anpassen konnte, sondern auch die Fähigkeit besaß, eine begrenzte Zeitlang in der Luft zu schweben. Sie hielten sich gerade so weit hinten, daß sie alle anderen noch im Auge behielten.
Sie wurden zu einem toten Teil der Küste geführt, einem breiten Streifen des Schichttiers, das von Surreshuns Volk getötet worden war, um sich mehr geschützten Raum zum Rollen zu schaffen. Diese „Heldentat“ hatten sie bewerkstelligt, indem sie eine Reihe sehr schmutziger Atombomben fünfzehn Kilometer weit landeinwärts abgeworfen hatten. Danach brauchten sie nur noch abzuwarten, bis der lebende Küstenstreifen aufhörte zu töten, zu fressen und zu trinken, und die Raubtiere das Interesse an dem toten Fleisch verloren und verschwanden.
Der atomare Fallout scherte die rollenden Dramboner nicht, weil der vorherrschende Wind landeinwärts blies. Aber Conway hatte absichtlich diese Stelle ausgesucht, die nur wenige Kilometer von einem Küstenstück entfernt lag, das noch immer äußerst lebendig war, damit sich ihre erste Untersuchung mit ein wenig Glück zu etwas mehr als nur einer Autopsie entwickelte.
Mit dem Rückzug der Raubtiere hatte das pflanzliche Leben des Meeres Einzug gehalten. Auf dem Planeten verlief die Trennungslinie zwischen pflanzlichem und tierischem Leben selten scharf, und sämtliche Tiere waren Allesfresser. Das Untersuchungsteam mußte fast einen Kilometer an der Küste entlangfahren, bevor es ein Maul fand, das weder zu fest geschlossen noch zu stark überwuchert war, um das Hineinfahren zu ermöglichen. Doch die Zeit war nicht vergeudet, weil Camsaug und Surreshun so auf große Mengen gefährlicher Pflanzen aufmerksam machen konnten, denen selbst die schwer gepanzerten ETs in Zukunft lieber aus dem Weg gehen sollten.
Extraterrestrische Medizin zu praktizieren wurde enorm durch die Tatsache vereinfacht, daß die Krankheiten und Infektionen einer Spezies nicht auf eine andere übertragbar waren. Das bedeutete jedoch nicht, daß Gifte und andere von extraterrestrischen Tieren und Pflanzen abgesonderte toxische Substanzen nicht töten konnten — und auf dem drambonischen Meeresboden war die Vegetation besonders heimtückisch. Mehrere Arten waren von giftigen Dornen übersät, und eine weitere verhielt sich so, als ob sie die Wahnvorstellung hätte, eine pflanzliche Krake zu sein.
Das erste brauchbare Maul sah wie eine gigantische Höhle aus. Als der Trupp den rollenden Drambonern hineinfolgte, zeigten die Scheinwerfer des Fahrzeugs blasse Pflanzen, die sich, so weit das Auge reichte, schlängelnd hin- und herbewegten. Surreshun und Camsaug rollten in unsicheren Achten über den dichtbewachsenen Boden und entschuldigten sich dafür, daß sie die anderen nicht noch weiter in die Höhle begleiten könnten, ohne Gefahr zu laufen, zum Stillstand gebracht zu werden.
„Das verstehen wir“, sagte Conway, „und wir danken Ihnen.“
Als sie tiefer in das gigantische Maul eindrangen, wurde die Vegetation allmählich spärlich und blasser; dadurch kamen große Gewebeflächen der Kreatur zum Vorschein. Das Gewebe selbst sah grobkörnig, faserig und eher nach pflanzlicher als nach tierischer Substanz aus, selbst wenn man die Tatsache berücksichtigte, daß die Kreatur schon vor mehreren Jahren gestorben war. Plötzlich fiel die Höhlendecke flach ab, und die Frontleuchten zeigten die erste ernsthafte Barriere: ein Gewirr von langen hauerähnlichen Zähnen, die so dick waren, daß sie wie der Rand eines versteinerten Walds aussahen.
Als erster berichtete einer der Melfaner. „Bevor die Pathologie meine Proben nicht überprüft hat, kann ich mir zwar nicht absolut sicher sein, Doktor Conway, aber anscheinend bestehen die Zähne eher aus pflanzlichen Stoffen als aus tierischer Knochensubstanz. Sie wachsen sowohl auf der oberen als auch auf der unteren Fläche des Mauls und erstrecken sich bis an die Grenze unseres Blickfelds. Die Wurzeln sind quer gewachsen, so daß sich die Zähne unter festem Druck frei nach vorn und hinten biegen können. In der normalen Position sind sie im scharfen Winkel auf die Außenöflhung gerichtet und dienen als tödliche Barriere für große Raubtiere — also nicht als Mittel, um sie zu kleinen Stücken zu zermahlen.
Wegen der Lage und dem Zustand mehrerer großer Kadaver in diesem Bereich würde ich sagen, daß das Nahrungsaufnahmesystem der Kreatur sehr einfach ist“, fuhr der Melfaner fort. „Meerwasser, das Nahrung in Form von Tieren aller Größen enthält, wird in einen Magen oder Vormagen gesogen. Kleine Tiere rutschen durch die Zähne hindurch, während sich größere selbst aufspießen, woraufhin die nach innen verlaufende Strömung und der Überlebenskampf der betreffenden Tiere bewirken, daß sich die Zähne nach innen biegen und die Tiere freigeben. Ich nehme an, die kleinen Tiere stellen kein Problem dar, aber die großen könnten schwere Schäden im Magen verursachen, bevor sie vom Verdauungssystem neutralisiert werden, deshalb müssen sie tot sein, bevor sie den Magen erreichen.“
Conway richtete den Scheinwerfer auf den Bereich, in dem sich der Melfaner befand, und sah, wie dieser mit einem seiner Mundwerkzeuge winkte.
„Das klingt vernünftig, Doktor“, entgegnete Conway. „Es würde mich nicht überraschen, wenn die Verdauungsprozesse wirklich sehr langsam vonstatten gingen.
Ich beginne mich nämlich allmählich zu fragen, ob diese Kreatur nicht mehr pflanzlicher als tierischer Natur ist. Ein Organismus dieser Größe aus normalem Fleisch, Blut, Knochen und Muskeln wäre zu schwer, um sich überhaupt zu bewegen. Aber dieser hier bewegt sich, wenn auch sehr langsam, wie er eben auch alles andere sehr langsam tut.“ Er brach ab, bündelte den Strahl zu maximaler Helligkeit und Reichweite und fuhr dann fort: „Sie sollten lieber an Bord kommen, damit wir uns einen Weg durch diese Zähne brennen können.“
„Nicht nötig, Doktor“, antwortete der Melfaner. „Die Zähne sind verfault und völlig weich und spröde. Sie können einfach durchfahren, und wir folgen Ihnen.“
Edwards ließ das Fahrzeug auf den Boden herabsinken und bewegte es dann mit einer für Melfaner bequemen Krabbelgeschwindigkeit vorwärts. Hunderte dieser langen verfärbten Pflanzenzähne brachen und taumelten langsam durch das trübe Wasser, bis sie diese Barriere plötzlich überwunden hatten.
„Wenn die Zähne eine spezialisierte Form pflanzlichen Lebens sind“, sagte Conway nachdenklich, „dann nehmen sie nur ein sehr scharf umrissenes Gebiet ein, was darauf hindeutet, daß jemand für ihre Anpflanzung verantwortlich ist.“
Edwards brummte zustimmend, hielt an, um zu sehen, ob alle durch den Tunnel gekommen waren, den sie eben geschlagen hatten, und sagte dann: „Der Kanal wird wieder breiter und tiefer, und ich kann eine weitere, vermutlich spezialisierte pflanzliche Lebensform erkennen. Ganz schön groß, nicht? Und dahinten ist noch eine. Die Dinger sind über die ganze Gegend verteilt.“
„Das ist weit genug“, sagte Conway. „Wir wollen nicht den Weg nach draußen aus den Augen verlieren.“
Edwards schüttelte den Kopf. „Ich kann an beiden Seiten genau solche Öffnungen wie die da sehen. Wenn das hier ein Magen ist, und dafür sieht er groß genug aus, dann hat er mehrere Zuleitungen.“
Conway wurde plötzlich böse und entgegnete: „Wir wissen doch, daß es allein in diesem toten Abschnitt Hunderte von diesen Mäulern gibt; und die Anzahl der Mägen ist reine Vermutungssache. Wenn uns der Radarschirm keine Lügen erzählt hat, handelt es sich dabei um große, flache, leere Höhlen mit einem Durchmesser von mehreren Kilometern. Wir haben das Problem noch nicht einmal angeknabbert!“
Edwards gab einen verständnisvollen Laut von sich und zeigte nach vorn. „Das sieht wie Stalaktiten aus, die in der Mitte weich geworden sind. Ich hätte nichts dagegen, darauf mal einen genaueren Blick zu werfen.“
Selbst der Hudlarer stieg aus, um sich die großen, scharf gebogenen Säulen, die das Dach trugen, genauer anzusehen. Indem sie ihre tragbaren Analysegeräte benutzten, konnten sie nachweisen, daß diese Säulen einen Teil der Muskulatur des Schichttiers darstellten und nicht, wie sie zuvor gedacht hatten, eine weitere pflanzliche Lebensform waren — obwohl die Oberfläche aller Muskelstützen in diesem Bereich von etwas bedeckt war, das Ähnlichkeit mit übergroßen Algen hatte. Diese blasenartigen Gebilde maßen fast einen Meter im Durchmesser und sahen aus, als wenn sie jeden Moment platzen würden. Ein Melfaner, der dem tiefer liegenden Muskelgewebe eine Probe entnehmen wollte, berührte aus Versehen eine: sie platzte und löste in der Nähe ungefähr zwanzig weitere Blasen aus. Sie sonderten eine dicke milchige Flüssigkeit ab, die sich schnell ausbreitete und sich im Wasser der Umgebung auflöste.
Der Melfaner gab unübersetzbare Geräusche von sich und krabbelte zurück.
„Was ist los?“ fragte Conway in scharfem Ton. „Ist das Zeug giftig?“
„Nein, Doktor. Es hat zwar einen starken Säuregehalt, ist aber nicht unmittelbar schädlich. Wenn man ein Wasseratmer wäre, würde man sagen, sie stinkt. Aber sehen Sie sich die Auswirkung auf den Muskel an.“
Die große Muskelsäule, die sowohl im Boden als auch in der Decke fest verwurzelt war, zuckte, und ihr scharfer Bogen begann, sich gerade zu machen.
„Ja“, sagte Conway lebhaft, „das erhärtet unsere Theorie über den Verdauungsvorgang der Kreatur. Aber ich glaube, wir sollten jetzt lieber zur Descartes zurückkehren; diese Gegend scheint nicht so tot zu sein, wie wir gedacht haben.“
Spezialisierte Zahnpflanzen dienten als Filter und tödliche Barriere für Nahrung, die in den Magen der Kreatur gesogen wurde. Weitere symbiotische Pflanzen, die auf den Muskelsäulen wuchsen, sonderten ein Sekret ab, das die Muskeln steif werden und den Magen sich ausweiten ließ, und zogen große Mengen nahrungsreiches Wasser herein. Vermutlich hatte das Sekret auch den Zweck, die Nahrung aufzulösen und sie für die Aufnahme durch die Magenwand oder andere spezialisierte Pflanzen vorzuverdauen. Sie hatten jedenfalls genügend Proben entnommen, damit Thornnastor den Mechanismus der Verdauung in allen Einzelheiten herausfinden konnte. Wenn die Stärke des Verdauungssekrets von der in den Magen gelangten Nahrung verdünnt worden war, verringerte sich auch die Wirkung des Sekrets auf die Muskeln und ermöglichte so den Säulen, zum Teil wieder zusammenzuklappen und unverdaute Substanzen auszustoßen.
Auch von den anderen Säulen begannen jetzt Blasen abzuplatzen. Das bedeutete nicht automatisch, daß das Tier noch lebendig war, sondern nur, daß ein toter Muskel noch immer auf den richtigen Reiz reagierte — doch das Höhlendach wurde angehoben, und automatisch strömte immer mehr Wasser herein.
„Ich bin auch ihrer Meinung, Doktor“, stimmte Edwards zu, „lassen Sie uns hier verschwinden. Aber könnten wir nicht durch ein anderes Maul raus? Vielleicht stoßen wir dadurch auf irgend etwas Neues.“ „Gut“, antwortete Conway mit dem unguten Gefühl, er hätte nein sagen sollen. Wenn schon tote Muskeln zucken konnten, zu welchen anderen Formen unwillkürlicher Bewegungen war der gigantische Kadaver dann noch fähig? Er fügte hinzu: „Sie fahren. Ich bleibe draußen bei den ETs, aber lassen Sie die Ladeluke und die Besatzungsschleuse offen…“
Ein paar Minuten später hielt sich Conway an einem handlichen Vorsprung fest, während das Fahrzeug den ETs in eine andere Rachenöffnung folgte. Er hoffte jedenfalls, es wäre ein Maul und keine Verbindung zu irgend etwas anderem, das tiefer im Tier lag, denn Edwards berichtete, der Gang schlängele sich auf einen lebenden Küstenabschnitt zu. Noch bevor sich Conways sinkende Fußtemperatur so auf sein Sprachzentrum auswirken konnte, daß er sie alle den Weg zurückbeorderte, den sie gekommen waren, gab es eine Unterbrechung.
„Major Edwards, halten Sie bitte das Fahrzeug an“, sagte einer der Melfaner. „Hier unten, Doktor Conway. Ich glaube, ich hab einen toten. Kollegen gefunden.“
Es war ein drambonischer SRJH, nicht mehr durchsichtig, sondern milchig und verschrumpelt und mit einer langen, quer über seinen Körper verlaufenden Schnittwunde, der holpernd über den Boden trieb.
„Thornnastor wird mit Ihnen zufrieden sein, mein Freund“, lobte ihn Conway begeistert. „O’Mara und Prilicla ebenfalls. Lassen Sie uns mit den restlichen Proben an Bord gehen. Ahm. ich bin zwar kein Wasseratmer, aber ist er nicht.“
„Nein“, antwortete der Melfaner auf die unausgesprochene Frage. „Ich würde sagen, er ist noch nicht lange genug tot, um direkt abstoßend zu sein.“
Der Chalder rauschte zurück, griff mit seinen Tentakeln den toten SRJH, trug ihn zum gekühlten Aufbewahrungsfach für die Proben und kehrte dann an seinen Platz zurück. Wenige Sekunden später krächzte ein flaches, tonloses Translatorwort in ihren Empfängern.
„Gesellschaft.“
Edwards richtete sämtliche Lichter nach vorn und machte so eine kämpfende und sich windende Menagerie sichtbar, die praktisch den gesamten Rachen vor ihnen ausfüllte. Conway erkannte zwei Arten großer Meeresraubtiere, die offenbar in der Lage gewesen waren, sich einen Weg durch die spröden Zähne zu schlagen, mehrere kleinere, ungefähr zehn SRJHs und ein paar Fische mit Tentakeln und großen Köpfen, die er noch nie gesehen hatte. Zuerst war es unmöglich zu sagen, wer mit wem kämpfte oder ob die betroffenen Wesen überhaupt selbst wußten, worum es ging.
Edwards ließ das Fahrzeug zu Boden sacken. „Kommen Sie wieder rein! Schnell!“
Halb auf das Fahrzeug zurennend, halb schwimmend, beneidete Conway die Melfaner so sehr um ihre Beweglichkeit unter Wasser, daß es wehtat. Er holte einen Hudlarer ein, um dessen Panzer sich die Kiefer eines großen Raubtiers geschlossen hatten. Genau über ihm umhüllte ein SRJH eine der neuen Lebensformen, und der drambonische Arzt färbte sich bereits rot, während er seinen Patienten auf die einzige Art behandelte, die er kannte. Es ertönte ein tiefes nachhallendes Dröhnen, als eines der Raubtiere auf das Fahrzeug losging und zwei der vier Lampen einschlug.
„In den Laderaum!“ schrie Edwards mit heiserer Stimme. „Wir haben keine Zeit, an Besatzungsschleusen herumzufummeln!“
„Laß mich los, du Dummkopf“, sagte der Hudlarer mit dem Raubtier auf dem Rücken. „Ich bin ungenießbar.“
„Conway, hinter Ihnen!“
Zwei große Raubtiere kamen über den Boden auf ihn zu, während der Chalder von der Seite herbeischoß. Plötzlich war ein drambonischer Arzt da, der in Wellenbewegungen schnell zwischen das vordere Raubtier und Conway schwamm. Er berührte den Angreifer kaum, doch das Raubtier bekam einen solch heftigen Muskelkrampf, daß Teile seines Skeletts weiß durch die Haut stießen.
Also kannst du auch töten, und nicht nur heilen, dachte Conway dankbar, während er versuchte, dem zweiten Raubtier auszuweichen. Der herbeigeeilte Chalder befreite gerade mit einem einzigen Schlag seines gepanzerten Schwanzes den Rücken des Hudlarers von seiner Last, während sich praktisch gleichzeitig sein riesiges Maul öffnete und krachend um den Hals des zweiten Raubtiers zusammenschnappte.
„Dankeschön, Doktor“, sagte Conway. „Ihre Amputationstechnik ist zwar ein wenig brutal, aber effektiv.“
„Allzuoft müssen wir leider die Eleganz der Geschwindigkeit opfern.“, entgegnete der Chalder trocken.
„Hören Sie auf zu schwatzen und kommen Sie endlich rein!“ brüllte Edwards.
„Warten Sie! Wir brauchen für O’Mara noch einen Arzt von hier“, erwiderte Conway, während er sich am Rand der Luke festhielt. Ein paar Meter entfernt trieb ein drambonischer Arzt, leuchtendrot und offenbar um seinen Patienten gewickelt. Conway deutete auf ihn und sagte zum Chalder: „Schubsen Sie ihn rein, Doktor. Aber machen Sie das sanft, er kann nämlich auch töten.“
Als die Luke ein paar Minuten später dröhnend zuschlug, enthielt der Laderaum zwei Melfaner, einen Hudlarer, einen Chalder, den drambonischen SRJH mit seinem Patienten und Conway. Der Raum war pechschwarz. Das Fahrzeug bebte alle paar Sekunden, wenn die Raubtiere gegen seinen Rumpf krachten, und es herrschten so beengte Verhältnisse, daß alle außer dem gepanzerten Hudlarer zerquetscht worden wären, wenn sich der Chalder auch nur ein klein wenig bewegt hätte. Es schienen mehrere Jahre zu vergehen, bevor Edwards Stimme in Conways Helm erklang.
„Wir haben an einigen Stellen Lecks bekommen, Doktor, aber keine schlimmen, und Wasseratmern sollte das sowieso keine Sorgen bereiten. Die automatischen Kameras haben ganz gutes Material von einheimischen Lebensformen aufgenommen, denen gerade von hiesigen Ärzten geholfen wird. O’Mara wird sehr zufrieden sein. Oh, vor uns kann ich Zähne sehen. Bald sind wir raus aus diesem.“
Conway sollte sich an dieses Gespräch mehrere Wochen später im Hospital erinnern, als man die lebenden und toten Proben und die Filme untersucht, seziert und sie sich so oft angesehen hatte, daß der blutegelartige Dramboner schon wogend durch jeden seiner Träume schwamm.
O’Mara war nicht zufrieden. Tatsächlich war er sogar äußerst unzufrieden, und zwar mit sich selbst, was die Angelegenheit für die Lebewesen in seiner näheren Umgebung noch viel schlimmer machte.
„Wir haben die drambonischen Ärzte einzeln und zusammen untersucht, mein Freund“, berichtete Prilicla in dem vergeblichen Versuch, die emotionale Atmosphäre im Raum ein wenig angenehmer zu gestalten. „Es gibt keinen Beweis, daß sie verbal, visuell, sensorisch, telepathisch, durch Geruch oder irgendein anderes uns bekanntes System kommunizieren. Die Qualität ihrer emotionalen Ausstrahlung läßt mich vermuten, sie kommunizieren im herkömmlichen Sinne überhaupt nicht. Sie bemerken einfach nur andere Wesen und Gegenstände in ihrer Umgebung und sind in der Lage, Freund und Feind zu unterscheiden, indem sie ihre Augen und einen Mechanismus benutzen, der Ähnlichkeit mit der empathischen Fähigkeit hat, die meine Spezies besitzt. Erinnern Sie sich: Sie haben die drambonischen Raubtiere angegriffen, ohne zu zögern, den optisch viel furchterregenderen chalderischen Arzt jedoch, der Freundschaft für sie empfunden hat, unbeachtet gelassen.
Soweit wir feststellen konnten“, fuhr Prilicla fort, „ist ihre empathische Fähigkeit hochentwickelt und nicht mit Intelligenz verbunden. Das gleiche gilt für den zweiten Dramboner, den sie mitgebracht haben, nur daß er.“
„Viel schlauer ist“, beendete O’Mara mürrisch den Satz. „Fast so schlau wie ein sehr weit zurückgebliebener Hund. Mir macht es nichts aus zuzugeben, daß ich eine Zeitlang schon geglaubt hab, unser vergeblicher Versuch zu kommunizieren könnte von meiner mangelnden beruflichen Kompetenz herrühren. Aber jetzt ist klar, daß Sie nur unsere Zeit vergeudet haben, indem Sie uns dazu veranlaßt haben, drambonische Tiere anspruchsvollen Tests zu unterziehen.“ „Aber dieser SRJH hat mein Leben gerettet“, wandte Conway ein.
„Ein hochspezialisiertes, aber nichtintelligentes Tier“, entgegnete O’Mara in energischem Ton. „Es beschützt und heilt Freunde und tötet Feinde, aber es denkt nicht darüber nach. Und was das neue Exemplar angeht, das Sie mitgebracht haben, so hat es, als wir es dem gedankengesteuerten Werkzeug ausgesetzt haben, zwar Kenntnis davon genommen und eine gewisse Vorsicht ausgestrahlt — ähnlich unserer emotionalen Ausstrahlung, wenn wir dicht an einer unabgeschirmten Stromleitung stehen —, aber laut Prilicla nicht an das Gerät gedacht oder gar darüber nachgedacht.
Also, es tut mir leid, Conway“, schloß er, „wir suchen immer noch nach der Spezies, die für die Herstellung dieser Werkzeuge verantwortlich ist, und nach Hilfe intelligenter einheimischer Ärzte für Ihr spezielles Problem.“
Conway sagte lange Zeit nichts und starrte auf die beiden SRJHs auf dem Boden in O’Maras Büro. Es schien völlig unmöglich zu sein, daß ein Tier, das für die Rettung seines Lebens verantwortlich war, so etwas ohne Gedanken oder Gefühle getan haben sollte. Der SRJH war also lediglich ein Spezialist wie die anderen spezialisierten Tiere und Pflanzen, die im Innern der großen Schichtkreatur lebten, und verrichtete die Arbeit, zu der er sich entwickelt hatte. Die chemischen Reaktionen im Innern der Schichtkreaturen liefen so langsam ab — die Stoffe waren für schnellere Reaktionen zu stark verdünnt, weil das Blut dieser Wesen wahrscheinlich nur wenig mehr als etwas unreines Wasser darstellte —, daß spezialisierte pflanzliche und tierische Symbionten die für die Muskelaktivität und das Gleichgewicht der inneren Sekretion notwendigen Sekrete erzeugten und große Bereiche des Gewebes mit Nahrung versorgten und von Abfallstoffen befreiten. Andere spezialisierte Symbionten steuerten den Atmungszyklus und sorgten auf der Oberfläche für eine Art Sehvermögen.
„Unser Freund Conway hat eine Theorie“, stellte Prilicla fest.
„Ja“, bestätigte Conway. „Aber ich würde sie gerne überprüfen, indem wir den toten SRJH nach oben holen. Thornnastor hat mit ihm bisher noch nichts Drastisches angestellt, und wenn dem SRJH irgend etwas passieren sollte, können wir leicht einen neuen besorgen. Ich würde die beiden lebenden SRJHs gerne mit einem toten Kollegen konfrontieren.
Prilicla sagt, sie würden zu keinem einzigen Anlaß irgendwelche starke Emotionen ausstrahlen“, fügte er hinzu. „Sie vermehren sich durch Zellteilung, also können zwischen ihnen keine sexuellen Gefühle bestehen. Aber wenn sie einen Toten ihrer eigenen Spezies sehen, sollte das doch irgendeine Reaktion bei ihnen hervorrufen.“
O’Mara starrte Conway scharf an und sagte dann: „Der Art und Weise wie Prilicla zittert und dem selbstgefälligen Blick in Ihrem Gesicht entnehme ich, daß Sie glauben, Sie haben die Lösung gefunden. Aber was soll denn passieren? Werden die beiden ihren Kollegen heilen und wiederbeleben? Na, ist ja auch egal. Ich halte mich zurück und werde Ihnen Ihren großen Aufritt nicht verderben.“
Als der tote SRJH eintraf, schob ihn Conway schnell von der Trage auf den Boden des Büros und winkte O’Mara und Prilicla zurück. Die beiden lebendigen SRJHs bewegten sich bereits entschlossen auf den Kadaver zu. Sie berührten ihn, kreisten über und um ihn herum und waren ungefähr zehn Minuten lang sehr beschäftigt. Als sie fertig waren, war nichts mehr übrig.
„Keine spürbare Veränderung der emotionalen Strahlung, keine Anzeichen von Trauer“, berichtete Prilicla. Er zitterte, doch wahrscheinlich waren seine eigenen Überraschungsgefühle dafür verantwortlich.
„Sie sehen nicht überrascht aus, Conway“, sagte O’Mara mit vorwurfsvollem Unterton in der Stimme.
Conway grinste und antwortete: „Nein, Sir. Ich bin zwar immer noch enttäuscht, keinen Kontakt mit einem drambonischen Arzt hergestellt zu haben, aber diese Tiere hier sind immerhin ein sehr guter Ersatz. Sie töten die Feinde der Schichttiere, heilen und beschützen deren Freunde und räumen den Abfall auf Läßt Sie das nicht an etwas Bestimmtes denken? Diese Wesen sind natürlich keine Ärzte, sondern lediglich eine Art Leukozyten. Aber es muß Millionen von ihnen geben, und sie sind alle auf unserer Seite.“
„Freut mich, daß Sie zufrieden sind, Doktor“, sagte der Chefpsychologe gelangweilt und blickte demonstrativ auf seine Uhr.
„Ich bin aber gar nicht zufrieden“, entgegnete Conway. „Ich brauche immer noch einen leitenden Pathologen, der die Ausbildung und die Fähigkeit hat, die Möglichkeiten des Hospitals wirklich zu nutzen; einen ganz bestimmten Pathologen. Ich muß unbedingt eine enge Verbindung aufrechterhalten, und zwar mit.“
„Die am engsten mögliche Verbindung überhaupt“, unterbrach ihn O’Mara, der plötzlich grinste. „Ich verstehe vollkommen, Doktor, und ich werde Thornnastor eindringlich darum bitten, sobald Sie die Tür hinter sich geschlossen haben.“
Großoperation Auf dem gesamten seltsamen und wunderbaren Planeten gab es nur siebenunddreißig Patienten, die einer Behandlung bedurften, sich jedoch sowohl von der Größe als auch von der Schwere der Erkrankung stark unterschieden. Natürlich behandelte man den Patienten als ersten, der am schwersten erkrankt war, obwohl er gleichzeitig auch der größte war; und zwar so groß, daß es mit der suborbitalen Geschwindigkeit des Aufklärungsschiffs von mehr als zehntausend Stundenkilometern etwas über neun Minuten dauerte, um vom einen Ende des Patienten zum anderen zu fliegen.
„Das ist ein riesiges Problem“, sagte Conway ernst. „Und nicht einmal die Höhe läßt es kleiner erscheinen — und der Mangel an Fachpersonal verschlimmert alles nur.“
Die Pathologin Murchison, die mit ihm die kleine Beobachtungskuppel teilte, klang kühl und ein wenig in der Defensive, als sie entgegnete: „Ich hab mich zwar schon lange vor meiner Ankunft vor zwei Monaten immer wieder mit dem gesamten Material über diesen Planeten eingehend befaßt, allerdings teile ich deine Meinung, daß einem das Problem zum erstenmal richtig vor Augen gehalten wird, wenn man das alles hier so sieht wie jetzt. Und was den Mangel an Fachkräften angeht, Doktor, mußt du dir eben darüber im klaren sein, daß du wegen eines einzigen Patienten nicht das gesamte Personal und sämtliche technische Möglichkeiten des Orbit Hospitals anfordern kannst, selbst wenn er die Größe eines Subkontinents hat. Schließlich gibt es im Hospital Tausende von kleineren und einfacher zu heilenden Patienten, die die gleichen Ansprüche an uns stellen.
Und falls du mir immer noch unterstellst, ich hätte mir persönlich Zeit gelassen hierherzukommen“, fügte sie etwas wütend hinzu, „ist das ein gewaltiger Irrtum. Ich hab mich sofort auf den Weg gemacht, als mein Chef endlich zu dem Schluß gekommen ist, daß du mich wirklich brauchst, und zwar als Pathologin.“
„Ich hab Thornnastor sechs Monate lang erklärt, daß ich hier eine Spitzenpathologin brauche“, erwiderte Conway besänftigend. Murchison sah herrlich aus, wenn sie wütend war, doch sogar noch besser, wenn sie es nicht war. „Ich dachte, im Hospital wüßten alle, warum ich dich wollte. Das ist nämlich auch ein Grund, weshalb wir hier zusammen in dieser engen Beobachtungskuppel hocken und auf etwas blicken, das wir beide schon oft von Band gesehen haben, und die Lage diskutieren, anstatt uns berufswidrig zu verhalten und uns ein wenig zu.“
„Hier spricht der Pilot“, meldete eine blecherne Stimme aus dem Lautsprecher in der Kuppel. „Wir gehen jetzt runter, fliegen im Kreis zurück und werden ungefähr zehn Kilometer östlich vom Terminator landen. Die Reaktion der Augenpflanzen auf das Sonnenlicht ist wert, es sich anzusehen.“
„Danke“, entgegnete Conway. An Murchison gewandt fügte er hinzu: „Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, aus dem Fenster zu schauen.“
„Ich schon“, erwiderte Murchison und boxte ihm mit einer leicht geballten Faust auf die Kinnlade. „Dich kann ich ja jederzeit sehen.“
Plötzlich deutete sie nach unten und sagte: „Da malt irgend jemand gelbe Dreiecke auf deinen Patienten.“
Conway lachte. „Hab ich ganz vergessen, du weißt ja bisher gar nichts von unseren Verständigungsschwierigkeiten. Die meisten Pflanzen auf der Oberfläche sind nämlich lichtempfindlich und dienen, wie einige von uns glauben, dieser Kreatur als Augen. Wir erzeugen geometrische und alle möglichen anderen Figuren, indem wir aus dem Orbit einen stark gebündelten, intensiven Lichtstrahl auf ein dunkles oder dämmeriges Gebiet richten und schnell hin- und herbewegen. Der Effekt ist so ähnlich wie der, wenn man einen hochbeständigen Punkt über einen Bildschirm zieht. Bisher hat es allerdings noch keine feststellbaren Reaktionen gegeben.
Wahrscheinlich kann die Kreatur gar nicht reagieren, selbst wenn sie wollte“, fuhr er fort, „weil die Augen ausschließlich sensorische Reiz empfangen, nicht aber übermitteln. Schließlich können wir mit unseren Augen Nachrichten übermitteln, nicht wahr?“
„Das glaubst auch nur du“, entgegnete Murchison.
„Im Ernst“, sagte Conway, „ich fange langsam an, mich zu fragen, ob die Schichtkreatur selbst wirklich intelligent ist.“
Kurz darauf landeten sie, stiegen vorsichtig auf den federnden Boden und zerdrückten mit jedem Meter, den sie sich vorwärts bewegten, mehrere der pflanzlichen Augen. Selbst die Tatsache, daß der Patient unzählige Millionen weiterer Augen besaß, konnte ihr Gewissen nicht erleichtert, mit ihren Füßen solchen Schaden anzurichten.
Als sie sich ungefähr fünfzig Meter vom Schiff entfernt hatten, fragte Murchison plötzlich: „Wenn diese Pflanzen Augen sind — was durchaus möglich sein kann, weil sie lichtempfindlich sind —, warum sollte das Tier dann ausgerechnet so viele an einer Stelle haben, wo so selten Gefahr droht? Es wäre doch viel praktischer, wenn es am Rand sehen könnte, um die Tätigkeit der Mäuler für die Nahrungsaufnahme zu koordinieren.“
Conway nickte. Sie knieten sich vorsichtig zwischen den Pflanzen hin, und ihre langen Schatten füllten sich mit dem Gelb fest geschlossener Blätter. Conway zeigte auf die Spuren, die zur Einlaßschleuse des Schiffs führten und ebenfalls leuchtendgelb waren, und schwenkte die Arme hin und her, um einige der Pflanzen teilweise vom Licht abzuschirmen. Auch Blätter, die sich nur zum Teil im Schatten befanden oder sogar nur vom Schatten gestreift worden waren, reagierten genauso wie die gänzlich vom Licht abgeschnittenen — sie rollten sich fest zusammen, um ihre gelben Unterseiten zu zeigen.
„Die Wurzeln sind dünn und unendlich lang“, stellte er fest und grub sanft mit den Fingern, um eine weißliche Wurzel freizulegen, die sich bis zum Durchmesser einer dünnen Schnur verengte, bevor sie dem Blick entschwand. „Wir waren selbst mit Bergbauausrüstung oder während der Probegrabungen mit Raupenbohrern nicht in der Lage, das andere Ende einer Wurzel zu finden. Hast du irgend etwas Neues über das Innenleben rausgefunden?“
Conway bedeckte die freigelegte Wurzel mit Erdreich, preßte jedoch weiterhin beide Handflächen leicht gegen den Boden.
Murchison schaute ihm zu und antwortete: „Nicht sehr viel. Licht und Dunkelheit bewirken nicht nur, daß sich die Blätter öffnen oder fest aufrollen, sondern verursachen auch elektrochemische Veränderungen im Saft, der so stark mit Mineralsalzen angereichert ist, daß er einen sehr guten Leiter darstellt. Die von diesen Veränderungen erzeugten elektrischen Impulse könnten sehr schnell von der Pflanze zum anderen Wurzelende weitergeleitet werden. Ahm, was machst du da, Liebling, ihren Puls fühlen?“
Ohne zu antworten, schüttelte Conway den Kopf, und Murchison fuhr fort: „Die Augenpflanzen sind gleichmäßig über die gesamte Oberfläche des Patienten verteilt, auch über die Bereiche, auf denen es eine dichtere Vegetation gibt und deren Pflanzen dafür sorgen, die Luft zu erneuern und Abfallstoffe zu vernichten. Deshalb wird ein irgendwo auf seiner Oberfläche empfangener Schatten- oder Lichtreiz schnell — oder eigentlich unverzüglich — über diesen mineralreichen Saft zum zentralen Nervensystem übermittelt. Aber was mich noch beschäftigt, ist die Frage, welchen möglichen Grund die Kreatur dafür gehabt haben könnte, einen Augapfel mit einem Durchmesser von mehreren hundert Kilometern zu entwickeln.“
„Schließ die Augen“, bat Conway lächelnd. „Ich werde dich jetzt berühren. Versuche mir so genau du kannst zu sagen, wo.“
„Du bist offensichtlich zu lange in Gesellschaft von Männern und ETs gewesen, Herr Doktor“, begann sie und brach dann mit nachdenklichem Blick ab.
Conway fing an, indem er sie leicht im Gesicht berührte, dann legte er drei Finger oben auf ihre Schulter und fuhr von dort aus fort.
„Linke Wange, ungefähr zweieinhalb Zentimeter vom linken Mundwinkel entfernt“, berichtete sie. „Jetzt hast du deine Hand auf meine Schulter gelegt. Du scheinst auf meinen linken Bizeps ein X zu reiben. Jetzt hast du einen Daumen und zwei, vielleicht auch drei Finger auf meinen Nacken genau am Haaransatz gelegt. Macht dir das Spaß? Mir schon.“
Conway lachte. „Das würde es mir vielleicht, wenn da nicht der Gedanke an Lieutenant Harrison wäre, der uns beobachtet und von dessen heißem Atem wahrscheinlich schon das ganze Dach der Pilotenkanzel beschlagen ist. Aber im Ernst, du merkst, worauf ich hinaus will: Die Augenpflanzen haben zwar nichts mit dem Sehvermögen der Kreatur zu tun, entsprechen aber druck-, schmerz- und temperaturempfindlichen Nervenenden.“
Sie öffnete die Augen und nickte. „Das klingt plausibel, aber du scheinst trotzdem nicht zufrieden damit zu sein.“
„Das bin ich auch nicht“, antwortete Conway verdrossen. „Und ich möchte, daß du diese Pflanzen bis in ihre letzten Bestandteile zerlegst. Verstehst du, der volle Erfolg dieser Operation hängt davon ab, ob wir mit den Wesen, die diese gedankengesteuerten Werkzeuge hergestellt haben, kommunizieren können. Bisher hatte ich angenommen, diese Wesen seien von der Größe her mit uns vergleichbar, selbst wenn ihre physiologische Klassifikation uns vollkommen fremd sein sollte, wären sie doch mit den üblichen Sinnen wie Sehen, Hören, Schmecken und Fühlen ausgestattet und könnten über alle oder jeden dieser Kanäle einzeln angesprochen werden. Doch jetzt verdichten sich die Beweise für eine einzelne intelligente Lebensform, nämlich die Schichtkreatur selbst, die, soweit wir wissen, taub, stumm und blind ist. Das Problem, ihr wenigstens die einfachsten Begriffe zu vermitteln, besteht darin.“
Er brach den Satz ab und konzentrierte sich mit seiner gesamten Aufmerksamkeit auf die rechte Handfläche, die er noch immer gegen den Boden drückte. Dann sagte er: „Lauf sofort zum Schiff!“
Auf dem überhasteten Rückweg achteten sie überhaupt nicht mehr darauf, auf keine Pflanzen zu treten, und als sich die Luke hinter ihnen geschlossen hatte, schepperte Harrison Stimme aus dem Kommunikator der Schleuse.
„Erwarten wir Gesellschaft?“
„Ja, aber erst in einigen Minuten“, antwortete Conway außer Atem. „Wieviel Zeit brauchen Sie, um zu starten? Und können wir die Ankunft des Werkzeugs durch etwas Größeres als durch dieses kleine Sichtfenster in der Luftschleuse beobachten?“
„Für einen Notstart zwei Minuten“, erwiderte der Pilot, „und wenn Sie nach oben in den Kontrollraum kommen, können Sie die Scanner zur Überprüfung von Außenschäden benutzen.“
Als Conway und Murchison bei ihm im Kontrollraum eintrafen, fragte Harrison: „Aber was haben Sie denn eigentlich da unten gemacht, Doktor? Ich meine, meiner Erfahrung nach hält man die Vorderseite des Bizeps nicht gerade für eine erogene Zone.“
Als Conway keine Antwort gab, blickte er flehentlich Murchison an.
„Er hat ein Experiment durchgeführt“, klärte sie ihn in ruhigem Ton auf, „um mir zu beweisen, daß ich nicht mit den Nervenenden meines Oberarms sehen kann. Als wir unterbrochen wurden, hat er mir gerade bewiesen, daß ich auch im Nacken keine Augen hab.“
„Ich merke schon, das war eine ziemlich dumme Frage von mir.“, begann Harrison.
„Da kommen sie“, sagte Conway.
Sie waren drei halbkreisförmige Metallscheiben, die in dem Bereich des Bodens, der von dem langen Morgenschatten des Aufklärungsschiffs bedeckt wurde, anscheinend ruckartig entstanden und wieder verschwanden. Harrison verstärkte die Vergrößerung des Scanners, der zeigte, daß die Gegenstände nicht einfach nur auftauchten und verschwanden, sondern vielmehr rhythmisch zu winzigen Metalltropfen von ein paar Zentimetern schrumpften und sich dann wieder zu flachen kreisförmigen Klingen ausdehnten, die durch die Oberfläche schnitten. Dort lagen sie einige Sekunden lang zwischen den überschatteten Augenpflanzen flach auf der Seite, und dann wurden die Scheiben plötzlich zu flachen, auf dem Kopf stehenden Schalen. Die Verwandlung ging derart abrupt vonstatten, daß sie mehrere Meter hoch in die Luft schnellten und ungefähr sechs Meter weiter landeten. Der Vorgang wiederholte sich alle paar Sekunden, wobei die eine Scheibe schnell auf die entfernte Spitze des Schiffsschattens zusprang, die zweite im Zickzack lief, um die Breite zu erfassen, während die dritte direkt auf das Schiff zukam.
„Ich hab noch nie gesehen, daß die sich so verhalten“, sagte der Lieutenant.
„Wir haben eine Art langanhaltenden Juckreiz verursacht“, erklärte Conway, „und die Scheiben kommen, um das Tier zu kratzen. Können wir noch ein paar Minuten stehenbleiben?“
Harrison nickte, entgegnete jedoch: „Aber bedenken Sie, wir benötigen noch zwei Minuten zum Starten, sobald Sie Ihre Meinung geändert haben.“
Die dritte Scheibe kam immer noch in fünf Meter weiten Sätzen in der Mitte ihres Schattens auf sie zu. Conway hatte zuvor noch nie gesehen, daß sie eine solche Beweglichkeit und Koordination entfalten konnten, obwohl er wußte, daß sie in der Lage waren, jede Form anzunehmen, an die ihre Lenker dachten, und daß die Komplexität der Form und die Schnelligkeit der Verwandlung einzig und allein von der Gedankengeschwindigkeit und — klarheit des Benutzergehirns gesteuert wurde.
„Lieutenant Harrison hat recht, Doktor“, sagte Murchison plötzlich. „Den ersten Berichten ist zu entnehmen, daß diese Werkzeuge eingesetzt wurden, um gelandete Schiffe zu unterhöhlen, damit sie in den so entstandenen Krater hineinfallen — vermutlich, um sie bei dieser Gelegenheit genauer zu untersuchen. Damals haben die Tiere versucht, den Schatten des Gegenstands zu unterhöhlen, und dabei die beschatteten Augenpflanzen als Anhaltspunkt für Größe und Position genommen. Aber inzwischen scheinen sie gelernt zu haben, den Juckreiz von dem Gegenstand zu unterscheiden, der ihn verursacht hat, um bei deinem eigenen Vergleich zu bleiben.“
Ein lautes Dröhnen hallte durch den Rumpf und kündigte die Ankunft des ersten Werkzeugs an. Sofort drehten die beiden anderen Scheiben ab und kamen hinter der ersten her. Eine nach der anderen sprangen sie hoch in die Luft, höher als selbst der Schiffskontrollraum lag, um im Bogen über den Rumpf zu fliegen und dagegenzuknallen. Die Scanner zur Überprüfung von Außenschäden zeigten, wie sie aufprallten, ein paar Sekunden lang kleben blieben, sich wie dünne Metallpfannkuchen über vorstehende Rumpfteile legten und dann wieder abfielen. Einen Augenblick später schlugen sie gegen einen anderen Rumpfabschnitt und blieben dort hängen. Doch wenige Sekunden darauf klebten sie dort nicht mehr; denn aus den Werkzeugen wuchsen Nadelspitzen, die tiefe glänzende Kratzer in die Außenhaut zogen.
„Die müssen blind sein“, sagte Conway aufgeregt. „Die Werkzeuge müssen eine Erweiterung des Tastsinns der Kreatur darstellen und werden eingesetzt, um die von den Pflanzen gelieferten Informationen zu vermehren. Sie betasten uns, um Größe, Form und Zusammensetzung festzustellen.“
„Bevor die Dinger entdecken, daß wir einen weichen Kern haben“, sagte Harrison mit Nachdruck, „schlage ich vor, daß wir lieber einen taktischen Rückzug vornehmen — oder besser gesagt, wir verduften, was das Zeug hält.“
Conway nickte. Während Harrison unhörbare Melodien auf seinem Steuerpult spielte, erläuterte Conway, daß die Werkzeuge bis zu einer Entfernung von zirka sechs Metern durch unsere Gedanken gesteuert werden könnten, darüber hinaus jedoch die Werkzeugbenutzer die Kontrolle besäßen. Er bat Murchison, sie sich als stumpfe Formen vorzustellen, sobald sie wieder in Reichweite kommen würden, als irgendeine Form, solange sie nur keine Spitzen oder scharfe Kanten hatten.
„Nein, warte“, sagte er, als ihm eine bessere Idee kam. „Stell sie dir breit und flach vor, mit einem Tragflächenteil und irgendeinem vertikalen Vorsprung für die Führung und Stabilisierung. Halte die Form durch deine Gedanken aufrecht, während das Gebilde herunterfällt, und laß es so weit wie möglich vom Schiff entfernt gleiten. Mit etwas Glück braucht es dann drei oder vier Sprünge, um zurückzukommen.“
Ihr erster Versuch war nicht erfolgreich, obwohl die Form, die schließlich gegen das Schiff schlug, zu stumpf und verschlungen war, um ernsthafte Schäden anzurichten. Doch auf die nächste konzentrierten sie sich angestrengt und brachten sie in eine Dreiecksform, die nur den Bruchteil eines Zentimeters dick war und in der Mitte eine breite Flosse besaß. Murchison hielt die Gesamtform aufrecht, während Conway durch seine Gedanken die Achterkanten und Stabilisierungsflächen verdrehte, so daß das Werkzeug genau vor dem Direktsichtfeld einen ausbalancierten vertikalen Kurvenflug vollzog und sich in einem langen, flachen Gleitflug vom Schiff entfernte.
Der Gleitflug dauerte noch lange an, nachdem das Werkzeug die Reichweite ihres Einflusses verlassen hatte. Es ging ein wenig in die Querlage, ruckelte und pflügte dann eine kurze Bahn durch die Augenpflanzen, bevor es aufsetzte.
„Ich könnte dich küssen, Doktor.“, begann Murchison.
„Ich weiß ja, daß Sie gerne mit Mädchen und Modellflugzeugen spielen, Doktor“, mischte sich Harrison ein, „aber wir starten in zwanzig Sekunden. Anschnallen.“
„Es hat die Form bis ganz zum Schluß beibehalten“, sagte Conway, der sich aus irgendeinem Grund Sorgen zu machen begann. „Könnte es von uns gelernt oder vielleicht selbst experimentiert haben?“
Er verstummte. Das Werkzeug schmolz, floß wieder in die auf dem Kopf stehende Schalenform zusammen und sprang hoch in die Luft. Als es zurückfiel, verwandelte es sich in die Gestalt eines Gleiters, nahm während des Falls Geschwindigkeit auf, fing sich dann wenige Meter über dem Boden und kam auf sie zugeschossen. Die Flügelvorderkanten waren scharf wie Rasierklingen. Seine beiden Begleiter befanden sich ebenfalls als Gleiter in der Luft und schnitten von der anderen Seite des Schiffs her durch die Luft auf sie zu. „Anschnallen!“
Sie warfen sich gerade auf die Beschleunigungsliegen, als die drei schnell gleitenden Werkzeuge zufällig oder absichtlich gegen den Rumpf schlugen und zwei der Außenscanner abrissen. Der eine von den beiden noch funktionierenden Scanner zeigte eine neunzig Zentimeter lange, in die dünne Außenhaut geschlagene Spalte, in der ein Gleiter steckte, der gerade seine Form veränderte und so den Riß verlängerte und verbreiterte. Wahrscheinlich war es gut so, daß sie nicht sehen konnten, was die beiden anderen anstellten.
Durch den Spalt in der Außenhaut konnte Conway leuchtend gefärbte Rohre und Kabelstränge sehen, die ebenfalls vom Werkzeug auseinandergedrückt wurden. Dann erstarb auch das Bild auf diesem Schirm, gerade, als Conway vom Startrückstoß tief in seine Liege gepreßt wurde.
„Doktor, überprüfen Sie das Heck auf blinde Passagiere“, befahl Harrison barsch, als die Anfangsbeschleunigung langsam zurückging. „Wenn Sie welche finden, dann stellen Sie sich die Dinger als sichere Formen vor, als irgendwas, das mir nicht noch mehr elektrische Leitungen durcheinanderbringt. Schnell!“
Conway war sich über das volle Ausmaß des Schadens gar nicht klar. Er hatte nur bemerkt, daß mehr rote Lampen als gewöhnlich vom Armaturenbrett herüberblinkten. Die Finger des Piloten bewegten sich mit solch ungeheurer Leichtigkeit über das Schaltpult, daß seine Stimme durch den barschen Ton so klang, als würde sie von einer ganz anderen Person kommen.
„Der Heckscanner zeigt, daß alle drei Werkzeuge hinter unserem Schatten hergleiten“, beruhigte ihn Conway.
Eine Zeitlang herrschte Stille, die nur vom unmelodischen Pfeifen der Luft durch die aufgerissene Außenhaut und an den nicht eingezogenen Scannerhalterungen entlang unterbrochen wurde. Die Oberfläche schwankte unter ihnen vorbei, und durch die Bewegungen des Schiffs hatte Conway den Eindruck, es befinde sich eher auf dem Meer als in der Luft. Ihr Problem war, die Höhe bei einer sehr geringen Fluggeschwindigkeit zu halten; denn durch die Erhöhung der Geschwindigkeit würden sich beschädigte Rumpfteile lösen oder wegen der atmosphärischen Reibung erhitzen, dadurch könnte der Luftwiderstand in solch einem Ausmaß anwachsen, daß das Schiff überhaupt nicht mehr flog. Für ein Schiff, das als Überschallgleiter für Operationen in der Atmosphäre galt, war die gegenwärtige niedrige Geschwindigkeit geradezu lächerlich. Harrison mußte sich sozusagen mit den Fingernägeln am Himmel festkrallen.
Conway versuchte angestrengt, die Probleme des Lieutenants zu vergessen, indem er sich laut über seine eigenen Sorgen machte.
„Ich glaube, das beweist eindeutig, daß die Schichtkreaturen unsere Werkzeugbenutzer sind“, sagte er. „Der hohe Grad an Beweglichkeit und Flexibilität, den die Werkzeuge gezeigt haben, macht das ganz deutlich. Sie müssen von einem diffusen und nicht sehr starken Feld geistiger Strahlung gesteuert werden, das von Wurzelnetzen erzeugt und gesteuert wird und sich nur über kurze Entfernung über dem Boden erstreckt. Das Feld ist so schwach, daß ein Durchschnittsterrestrier oder ET die Steuerung vor Ort übernehmen kann.
Denn wären die Werkzeugbenutzer Wesen von mit uns vergleichbarer Körpergröße und geistigen Fähigkeiten“, fuhr er fort, während er versuchte, nicht auf die unter ihnen dahinschlingernde Landschaft zu blicken, „dann müßten sie sich unter der Oberflächensubstanz und durch sie hindurch genauso schnell bewegen können, wie die Werkzeuge darüber hinwegfliegen, wenn sie die Kontrolle aufrechterhalten wollten. Um mit solch einer Geschwindigkeit zu graben, müßten sie in einer Art Panzerschale mit Selbstantrieb stecken. Aber das erklärt nicht, warum sie unsere Versuche, durch ferngesteuerte Geräte mit ihnen in Kontakt zu treten, ignoriert haben und die Kommunikationsmodule lediglich in ihre Einzelteile zerlegt haben.“
„Wenn die Reichweite des geistigen Einflusses den gesamten Körper der Kreatur durchzieht“, unterbrach ihn Murchison, „würde das dann bedeuten, das Gehirn der Kreatur wäre ebenfalls über den ganzen Körper verteilt? Oder, falls sie doch ein lokalisierbares Gehirn besitzt, wo befindet es sich dann?“
„Ich bevorzuge die Vorstellung eines zentralen Nervensystems in einem sicheren und natürlich gut geschützten Bereich“, erwiderte Conway. „Wahrscheinlich nahe der Unterseite der Kreatur, wo es einen reichen Vorrat an Mineralien gibt, und vielleicht in einer natürlichen Aushöhlung im Untergrundgestein. Die Augenpflanzen und ähnliche Arten von innerem Wurzelgeflecht, die du analysiert hast, werden immer differenzierter und umfangreicher, je näher man der Planetenoberfläche kommt. Das könnte bedeuten, daß dort das druckempfindliche Netz durch das elektrovegetabile System verstärkt wird und auf diese Weise sowohl Muskel- als auch die anderen Bewegungsarten hervorgebracht werden, deren Funktion und Zweck uns immer noch unbekannt sind. Das Nervensystem ist zugegebenermaßen größtenteils pflanzlich, aber der Mineralgehalt des Wurzelsystems bedeutet, daß die an irgendeinem Nervenende erzeugten elektrochemischen Reaktionen sehr schnell Impulse zum Gehirn übertragen. Folglich gibt es wahrscheinlich nur ein Gehirn, und das könnte überall liegen.“
Murchison schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ein Wesen von der Größe eines Subkontinents, das kein nachweisbares Gerippe oder einen Knochenbau besitzt, der einen Schutzpanzer bildet, und dessen Körper in Relation zu seiner Fläche einem dünnen Teppich ähnelt, brauchte mehr als nur ein Gehirn; ein zentrales sowieso, aber zusätzlich noch eine Anzahl von neuralen Nebenstellen. Aber was mir wirklich Sorgen macht: Was tun wir, wenn das Gehirn zufällig im Operationsbereich liegt oder zumindest gefährlich nahe?“
„Etwas, das wir nun wirklich nicht tun können, ist, die Operation zu verschieben“, antwortete Conway mit grimmiger Miene. „Das geht aus deinen Berichten ganz deutlich hervor.“
Murchison hatte keine Zeit vergeudet, seit sie auf den Planeten gekommen war. Infolge ihrer Analyse Tausender von Proben, die aus Testbohrlöchern, von Raupenbohrern und Ärzten an sämtlichen Stellen und aus allen Schichten entnommen worden waren, war sie in der Lage, ein wenn auch nicht vollkommen ausführliches, so doch ziemlich genaues Bild von dem gegenwärtigen physiologischen Zustand der Kreatur zu geben.
Ihnen war bereits bekannt, daß der Stoffwechsel der Schichtkreatur extrem langsam ablief und die Muskelreaktionen mehr denen von Pflanzen als von Tieren glichen. Die willkürlichen und unwillkürlichen Muskeln, die die Bewegung, Nahrungsaufnahme, Verdauung, den Kreislauf der Funktionsflüssigkeit und die Zerlegung der Abfallstoffe steuerten, wurden allesamt durch die Sekretion spezialisierter Pflanzen beeinflußt oder angeregt. Doch es waren gerade die Pflanzen, aus deren ausgedehnten Wurzelnetzen das Nervensystem des Patienten bestand, die unter dem atomaren Fallout der rollenden Dramboner am meisten gelitten hatten, weil sie der Oberflächenradioaktivität ermöglichten, tief in die Schichtkreatur einzudringen. Dadurch waren viele Pflanzenarten gestorben und darüber hinaus Tausende von inneren Tierorganismen vernichtet worden, deren Zweck es war, das Wachstum verschiedener spezialisierter Pflanzenarten zu kontrollieren.
Es gab zwei verschiedene Typen innerer Organismen, die beide ihre Aufgabe sehr ernst nahmen. Der Farmerfisch mit dem großen Kopf war dafür verantwortlich, gutartige Gewächse zu kultivieren und zu schützen und alle anderen zu zerstören; für solch ein großes Tier war das Stoffwechselgleichgewicht des Patienten bemerkenswert empfindlich. Der zweite Typ, der quallenartige „drambonische Arzte, jener Blutegel, der praktisch dieselbe Aufgabe wie Leukozyten hatte, assistierte dem Farmerfisch bei der Pflanzenkontrolle und half direkt, wenn einer der Fische verletzt oder krank wurde. Sie mußten auch für Sauberkeit sorgen, indem sie tote Angehörige ihrer eigenen oder der Fischspezies fraßen oder auf andere Art absorbierten. Deshalb konnte bereits eine sehr geringe Menge radioaktiver Substanz, die von den Wurzeln der Pflanzen auf der Oberfläche hineingespült worden war, für den Tod einer sehr großen Anzahl von Leukozyten verantwortlich sein, die wie die Fliegen starben.
Und deswegen entstanden durch die unkontrollierte Ausbreitung bösartigen pflanzlichen Lebens die toten Gebiete, die sich weit über die Gegenden hinaus ausgedehnt hatten, die direkt durch den atomaren Fallout in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Dieser Vorgang war nicht mehr rückgängig zu machen — genausowenig wie die Zersetzung. Die einzige Lösung bestand in der dringenden operativen Entfernung der befallenen Gebiete.
Aber der Bericht war in gewisser Hinsicht auch ermutigend gewesen. In einer Anzahl von Gebieten hatte man bereits kleinere Operationen durchgeführt, um die wahrscheinlichen ökologischen Auswirkungen von großen Mengen verfaulender tierisch-pflanzlicher Materie auf das Meer oder in der Nachbarschaft lebende Schichtkreaturen zu prüfen und sich Verfahren für die radioaktive Entseuchung in großem Maßstab auszudenken. Es hatte sich herausgestellt, daß der Patient, wenn auch langsam, genesen würde. Und wenn man den Einschnitt zu einem Graben von dreißig Metern verbreiterte, dann würde sich die unkontrollierte Wucherung in dem entfernten Abschnitt nicht weiter ausbreiten und das lebende Gebiet nicht infizieren können, obwohl es dennoch ratsam war, regelmäßige Rundgänge zu machen, um absolut sicherzugehen. Das Problem der Zersetzung schließlich war überhaupt keins — die explosionsartige Wachstumsgeschwindigkeit hielt an, bis die betreffende lebende Pflanze die vorhandene Materie verbraucht hatte und starb. An Land würden die Rückstände zu einer sehr fruchtbaren Lehmerde zerfallen und ein ideales Gelände für eine unabhängige Basis bilden, falls man in zukünftigen Jahren medizinische Beobachter benötigte. Und wenn die Substanz von abschüssigen Küstenstreifen in das Meer rutschte, dann brach sie einfach ab und sank auf den Meeresboden, wo sie einen eßbaren Teppich für die rollenden Dramboner bildete.
Bestimmte Gebiete konnten natürlich aus dem gleichen Grund nicht operativ behandelt werden, aus dem Shylock auf sein Pfund Fleisch verzichten mußte. Das waren relativ kleine Problemzonen weit im Inland, deren Zustand schwerem Hautkrebs entsprach; doch durch begrenzte Operationen und unglaublich hohe Dosen verschiedener Spezialpräparate sollte man auch dort allmählich erste gute Resultate erzielen können.
„Aber ich verstehe die Feindseligkeit dieser Kreatur uns gegenüber immer noch nicht“, sagte Murchison nervös, als das Schiff gerade ins Trudeln geriet und eine Menge Höhe verlor. „Schließlich kann sie unmöglich genug über uns wissen, um uns so zu hassen.“
Das Schiff flog über ein abgestorbenes Gebiet, wo die Augenpflanzen verfärbt und leblos waren und nicht auf den Schiffsschatten reagierten. Conway fragte sich, ob die gewaltige Kreatur Schmerz empfinden konnte, oder ob sie einfach die Empfindung verlor, wenn Teile von ihr starben. Für jede andere Lebensform, auf die er je gestoßen war — und er hatte im Orbit Hospital ein paar wirklich seltsame Lebewesen kennengelernt — bedeutete das Weiterleben Freude, und der Tod brachte Schmerzen mit sich. Auf diese Weise hielt die Evolution eine Spezies davon ab, sich einfach hinzulegen und zu sterben, wenn das Leben zur Strapaze wurde. Deshalb hatte die Schichtkreatur ziemlich sicher Schmerzen empfunden, äußerst starke Schmerzen über Hunderte von Quadratkilometern, als die rollenden Dramboner ihre Nuklearwaffen gezündet hatten. Sie mußten mehr Schmerzen als genug erlitten haben, um vor Haß verrückt zu werden.
Conway schreckte innerlich vor der Vorstellung eines solch gewaltigen und unvorstellbaren Schmerzes zurück. Ihm wurden langsam mehrere Dinge ganz klar.
„Du hast recht“, sagte er. „Diese Wesen wissen zwar überhaupt nichts über uns, aber sie hassen unsere Schatten. Diese Kreatur haßt die Schatten ganz besonders, weil das Flugzeug, das mit den Atombomben der rollenden Dramboner bestückt war, einen ähnlichen Schatten geworfen hat wie unser Schiff, kurz bevor große Gebiete des Patientenkörpers gebraten und verstrahlt worden sind.“
„Wir landen in vier Minuten“, gab Harrison plötzlich bekannt. „Und zwar, so leid es mir tut, an der Küste, weil dieser Kübel zu viele Löcher hat, um zu schwimmen. Die Descartes hat uns auf dem Radarschirm und schickt einen Hubschrauber.“
Als Conway das Gesicht des Piloten sah, mußte er gegen den Drang ankämpfen zu lachen. Er sah wie ein ungeschminkter Clown aus — durch die hemmungslose Konzentration hatten sich Harrisons Brauen zu einem lächerlich finsteren Ausdruck verzogen, während sich die Unterlippe, an der er seit dem Start ständig geknabbert hatte, zu einem breiten, blutroten Bogen guter Laune verzogen hatte.
„Die Werkzeuge können in dieser Gegend nicht arbeiten“, sagte Conway, „und außer einer geringen Reststrahlung, die der Fallout verursacht hat, besteht keine Gefahr. Sie können also sicher landen.“
„Ihr Vertrauen in meine beruflichen Fähigkeiten ist wirklich rührend“, entgegnete der Pilot.
Sie gingen von dem unausgeglichenen Flugzustand mit dem Heck voran in einen kaum kontrollierten Sturzflug über. Zuerst kroch der Boden auf sie zu, dann schoß er ihnen entgegen. Harrison bremste den Sturz mit vollem Notschub ab. Es entstand ein Höllenlärm von reißendem Metall, und die restlichen Lampen auf dem Kontrollpult leuchteten rot auf.
„Harrison, bei Ihnen fallen ja ganze Teile ab.“, konnte der Funker der Descartes gerade noch berichten, dann setzten sie auf.
Noch tagelang danach sollten sich die Beobachter darüber streiten, ob es sich um eine Landung oder um einen Absturz gehandelt hatte. Die stoßdämpfenden Beine verbogen sich, der Heckteil absorbierte noch mehr von dem Stoß, als er versuchte, sich mittschiffs zusammenzuschieben, und den Rest fingen die Beschleunigungsliegen ab — selbst dann noch, als das Schiff umfiel, auf die Seite krachte und ein breiter, flimmernder Keil aus Tageslicht kaum einen Meter von den Insassen entfernt in der Außenhaut auftauchte. Der Rettungshubschrauber befand sich bereits über ihnen.
„Alles nach draußen“, befahl Harrison. „Der Schutzschild des Nuklearantriebs ist beschädigt worden.“
Conway blickte auf den toten und verfärbten Boden um sie herum und dachte wieder an seinen Patienten. Fast wütend sagte er: „Ein bißchen mehr Strahlung macht in dieser Gegend sowieso keinen großen Unterschied mehr.“
„Für Ihren Patienten nicht“, erwiderte der Lieutenant eindringlich. „Aber ich hab — vielleicht ein wenig selbstsüchtig — an meine zukünftigen Nachkommen gedacht. Nach Ihnen.“
Während des kurzen Flugs zum Mutterschiff starrte Conway schweigend aus der Luke neben sich und versuchte verzweifelt, keine Angst zu haben und sich nicht überfordert zu fühlen. Seine Furcht war eine Reaktion auf das, was leicht ein tödlicher Absturz hätte werden können, und wurde zusätzlich von dem Gedanken an einen noch gefährlicheren Flug verstärkt, den er innerhalb weniger Tage würde unternehmen müssen. Und kein Arzt mit einem Patienten, der sich in allen Richtungen über die Grenzen der normalen Sichtweite hinaus erstreckte, konnte etwas dafür, wenn er sich selbst nur noch winzig dagegen vorkam. Er war bloß eine einzelne Mikrobe, die versuchte, einen ganzen Körper zu heilen. Und plötzlich sehnte er sich nach den normalen Arzt-Patienten-Beziehungen im Hospital zurück, obwohl nur sehr wenige seiner Patienten oder Kollegen als normal eingestuft werden konnten.
Er fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, einen General zum Direktor einer medizinischen Universität zu ernennen, als einem Arzt die Befehlsgewalt über das Untergeschwader eines ganzen Sektors zu geben.
Nur sechs der schweren Kreuzer des Monitorkorps standen auf der Planetenoberfläche, und ihre Landebeine steckten fest in den seichten Stellen ein paar Kilometer von den toten Abschnitten der Küste entfernt. Die übrigen Kreuzer füllten den Morgen- und Abendhimmel wie zu einem Regiment geordnete Sterne. Conways Ärzteteams waren rings um die auf dem Boden stehenden Schiffe gruppiert, die wie graue Bienenstöcke aus dem dickflüssigen, suppenartigen Meer emporragten. Die Terrestrier wie er selbst wohnten an Bord, während die ETs, von denen keiner reine Luft atmete, ganz zufrieden damit waren, in primitiver Art auf dem Meeresboden zu leben.
Er hatte die, wie er hoffte, letzte Versammlung vor der Operation im Laderaum der Descartes einberufen. Der Laderaum war mit drambonischem Meerwasser gefüllt, dessen Gehalt an tierischem und pflanzlichen Leben herausgefiltert worden war, damit der Lichtstrahl des Projektors eine faire Chance hatte, sich den Weg zu der an den vorderen Schotts befestigten Leinwand zu erkämpfen.
Das Protokoll verlangte, daß die anwesenden Dramboner die Veranstaltung eröffneten. Während Conway ihren Sprecher Surreshun beobachtete, der wie ein großer, schlaffer Doughnut im freien Raum in der Mitte des Decks umherrollte, fragte er sich erneut, wie eine solch empfindliche und leicht verwundbare Spezies in der Lage gewesen war, zu überleben und eine höchst vielschichtige, auf Technologie beruhende Kultur zu entwickeln — obwohl es natürlich sehr gut möglich war, daß ein intelligenter Dinosaurier ähnliche Gedanken über den Menschen haben könnte.
Auf Surreshun folgte Gareth, der hudlarische Chefarzt, der für die medizinische Behandlung des Patienten verantwortlich war. Garoths Hauptsorge galt der Entwicklung und Durchführung der künstlichen Ernährung in Gebieten, wo die vorzunehmenden Einschnitte die Rachentunnel zwischen den Küstenmäulern und den Vormägen im Inland durchtrennen würden. Darüber hinaus sagte er im Gegensatz zu Surreshun nicht gerade viel, sondern ließ den Projektor die Erklärungen übernehmen.
Die große Leinwand füllte sich mit dem Bild von einem als Speiseröhre fungierendem Hilfsschacht, der ungefähr drei Kilometer landeinwärts von der geplanten Einschnittlinie entfernt lag. Alle paar Minuten setzte ein Hubschrauber oder kleines Versorgungsschiff auf dem Boden neben dem Schacht auf, löschte seine Ladung, die aus toten Tiere von den seichten Stellen vor den Küsten bestand, und startete wieder. Gleichzeitig schoben Angehörige des Korps mit Frontladern und Planierraupen die Nahrung über den Rand der künstlichen Maulöffnung. Vielleicht entsprachen Menge und Qualität nicht ganz der normalerweise eingesogenen Nahrung, doch wenn man den Rachen während der Großoperation versiegelte, würde das die einzige Möglichkeit sein, große Teile des Patienten mit Nahrung zu versorgen.
Bei einer Operation von dieser Größenordnung waren aseptische Verfahren unmöglich. Pumpanlagen, die das Meerwasser von der Küste durch riesige Plastikrohrleitungen ansaugten, versorgten den Schlund mit Wasser — wenn die Rohre nicht gerade von einem der drambonischen Werkzeuge durchtrennt worden waren. Sie pumpten einen ständigen Strom in den Nahrungsschacht und versorgten die Schichtkreatur mit der benötigten Funktionsflüssigkeit und benetzten gleichzeitig die Innenwände des künstlichen Schlunds, damit man von Zeit zu Zeit „Leukozyten“ hinunterrutschen lassen konnte, um die Auswirkungen gefährlicher Pflanzen zu bekämpfen, die vielleicht während der Fütterung hineingelangt waren.
Die Teilnehmer der Besprechung sahen natürlich eine Bohrung, die ein paar Tage vorher bei einer Fütterungsinstallation ausgeführt worden war, doch es gab noch mehr als fünfzig weitere Hilfsmäuler im gleichen Bereitschaftszustand, die sich entlang der beabsichtigten Einschnittlinie hinzogen.
Plötzlich war auf der Leinwand zu sehen, wie sich neben dem Pumpengehäuse ein silbriger verschwommener Fleck über den Boden bewegte, und ein Mitglied des Korps ein paar Meter auf einem Bein hüpfte, bevor es zu Boden fiel. Der Stiefel, in dem noch der andere Fuß steckte, lag neben der Pumpe, wo der Mann gestanden hatte — und das Werkzeug, nicht mehr silbern, schnitt sich bereits unterhalb des blutbespritzten Bodens voran.
„Die Angriffe durch die Werkzeuge nehmen an Häufigkeit und Stärke zu“, erklärte Garoth in der Übersetzung des Translators. „Darüber hinaus legen sie eine beträchtliche Initiative an den Tag. Ihre Idee, Doktor, ein gewisses Gebiet rings um die Fütterungsinstallationen von sämtlichen Augenpflanzen zu befreien, damit die Werkzeuge blind arbeiten und umherspringen müssen, um ihre Ziele zu ertasten, hat nur kurze Zeit funktioniert. Die Werkzeuge haben sich einen neuen Trick einfallen lassen — und zwar gleiten sie jetzt ein paar Zentimeter unter der Oberfläche entlang, natürlich blind, stoßen dann plötzlich eine Spitze oder scharfe Klinge heraus und stechen oder schlagen damit zu, bevor sie sich wieder unter die Oberfläche zurückziehen. Wenn wir sie nicht sehen können, dann ist auch die Steuerung durch unsere eigenen Gedanken unmöglich. Und jeden arbeitenden Korpsangehörigen durch einen anderen zu bewachen, der einen Metalldetektor bei sich trägt, hat bisher auch nicht sonderlich gut funktioniert — vielmehr hat sich dadurch die Chance der Werkzeuge, jemanden zu treffen, nur verdoppelt.
Und gerade seit kurzem gibt es Anzeichen dafür“, schloß Gareth, „daß sich die Werkzeuge zu Vereinigungen zusammenschließen, die aus fünf, sechs, und in einem Fall sogar aus zehn Einheiten bestehen. Der Korpsangehörige, der davon berichtet hat, ist ein paar Sekunden später gestorben, noch bevor er in der Lage war, seinen Bericht zu beenden. Der Zustand seines Fahrzeugs hat diese Theorie jedenfalls später erhärtet.“
Conway nickte mit grimmiger Miene und sagte: „Danke, Doktor. Aber jetzt werden wir leider auch Angriffen aus der Luft standhalten müssen. Auf dem Weg hierher haben wir dem Patienten beigebracht, wie Gleiter funktionieren, und er hat schnell gelernt.“ Er fuhr fort, über die Begebenheit zu berichten und fügte die neuesten pathologischen Befunde und ihre Folgerungen und Theorien über das Wesen des Patienten hinzu. Folglich verwandelte sich die Versammlung schnell in eine Debatte und artete dann zu einer erbitterten Auseinandersetzung aus, noch bevor Conway den Vorgesetzten herauskehren und seine terrestrischen und extraterrestrischen Ärzte wieder zum Zustand nüchterner Distanz zurückführen konnte.
Die Leiter der melfanischen und chalderischen Teams erstatteten ihren Bericht praktisch im Duett. Wie Garoth waren sie beide mit den nichtchirurgischen Aspekten der Behandlung des Patienten betraut gewesen. Einem hypothetischen Beobachter, der den wahren Umfang ihres Problems nicht kannte, hätte diese medizinische Behandlung irrtümlicherweise als eine sehr weitgefächerte Verminungsoperation erscheinen können. Beide Leiter waren fest davon überzeugt, und Conway stimmte ihnen darin zu, daß man einen falschen Weg beschritt, wenn man Hautkrebs durch die Amputation des befallenen Glieds behandelte.
Die Mengen radioaktiver Substanz, die sich durch den atomaren Fallout in den zentralen Gebieten abgelagert hatten, waren relativ gering; und ihre Wirkungen breiteten sich ziemlich langsam in die Tiefen des Patientenkörpers aus. Doch selbst dieser Zustand würde letzten Endes tödlich sein, wenn man nicht irgend etwas unternahm, um ihn aufzuhalten. Da die weniger stark befallenen Gebiete zu zahlreich waren und an zu vielen inoperablen Orten auftraten, hatten die Teams die vergiftete Oberfläche mit Planierraupen und Baggern abgezogen und sie für die spätere Dekontaminierung zu Haufen zusammengeschoben. Der Rest der Behandlung bestand darin, dem Patienten dabei zu helfen, sich selbst zu helfen.
Plötzlich erschien ein Bild von einem unterirdischen Tunnelabschnitt unter den vom Fallout betroffenen Gebieten auf der Leinwand. In dem Tunnel gab es Dutzende von Lebensformen, von denen die meisten Farmerfische mit armdicken Fühlern waren, die aus dem Ansatz ihrer sich nach vorn vergrößernden Köpfe wuchsen, während die übrigen in wogenden Bewegungen wie große durchsichtige Nacktschnecken auf den Standort des Betrachters zuschwebten.
Für einen lebenden Abschnitt der Schichtkreatur sah er nicht allzu gesund aus. Die Farmerfische, deren Aufgabe die Kultivierung und Kontrolle des inneren Pflanzenlebens war, bewegten sich langsam, stießen gegeneinander und gegen die Leukozyten, die wiederum, normalerweise durchsichtig, die milchige Färbung aufwiesen, die kurz vor ihrem Tod auftrat. Die von den Strahlensensoren übermittelten Werte ließen keinen Zweifel darüber, woran sie starben.
„Diese Exemplare wurden kurz darauf gerettet“, berichtete der Chalder, „und in Lazarette auf den größeren Schiffen und zum Orbit Hospital transportiert. Sowohl die Fische als auch die Blutegel sprachen auf die gleichen Dekontaminierungs- und Regenerationsbehandlungen an, denen auch unsere eigenen Leute unterzogen wurden, wenn sie einer Überdosis Strahlung ausgesetzt gewesen waren. Fische und Egel wurden dann zurückgebracht, damit sie ihre nützliche Arbeit fortsetzen konnten.“
„Die darin besteht“, fiel der Melfaner ein, „die Strahlung der nächsten verseuchten Pflanzen oder Fische zu absorbieren und dadurch wieder zu erkranken.“
O’Mara hatte Conway beschuldigt, mit dem Orbit Hospital wie mit einer Art extraterrestrischer Wurstfüllmaschine umzugehen, obwohl das Hospital alles Lebendige von dem Planeten heilte, das es irgend heilen konnte. Allein reichten weder das Hospital noch die Behandlungseinrichtungen auf den Hauptschiffen aus, um das Gleichgewicht wieder einzupendeln. Um es dem Patienten wirklich zu ermöglichen, diese lokalen Infektionen zu bekämpfen, waren riesige Transfusionen der leukozytischen Lebensform von anderen, gesunderen Schichtkreaturen nötig.
Als er die Idee zum erstenmal vorgeschlagen hatte, hatte Conway noch befürchtet, daß der Patient das, was praktisch gesehen die Antikörper einer anderen Kreatur waren, abstoßen würde. Doch war dies nicht geschehen, und die einzigen Schwierigkeiten, auf die man stieß, waren Beförderungs- und Versorgungsprobleme, als die ersten, sorgfältig ausgewählten Kidnappings zu einer pausenlosen Massenentführung wurden.
Auf der Leinwand erschien eine Sequenz, die einen der Spezialtrupps zeigte, der Leukozyten aus einer kleinen und kerngesunden Schichtkreatur auf der anderen Seite des Planeten entfernte. Der Eintrittsschacht war schon mehrere Wochen lang in Gebrauch gewesen und hatte sich durch die Bewegung der Schichtkreatur an mehreren Stellen verzogen, doch war er noch immer verwendbar. Die Korpsangehörigen ließen sich aus den Hubschraubern in den abschüssigen Tunnel fallen und liefen los, wobei sie sich manchmal duckten, um der Aufzugsvorrichtung auszuweichen, mit der sie später ihren Fang an die Oberfläche ziehen würden. Sie trugen leichte Anzüge und hatten lediglich Netze dabei. Es war sehr wichtig für sie, sich ständig daran zu erinnern, daß diese quallenartigen Leukozyten ihre Freunde waren.
Diese Leukozyten besaßen hochentwickelte empathische Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichten, die Freunde des Wirtskörpers einfach von dessen Feinden zu unterscheiden, indem sie die emotionale Strahlung überprüften. Solange die Kidnapper des Korps ihnen warme, freundliche Gedanken entgegenbrachten, während sie ihrem Geschäft nachgingen, dann waren sie vollkommen sicher. Aber es war eine harte und oftmals frustrierende Arbeit, die riesigen, trägen Nacktschnecken mit dem Netz einzufangen, hochzuschleppen und in die Transporthubschrauber zu hieven.
Es war nicht einfach, so durchgeschwitzt und gereizt wie sie häufig waren, ihren Schützlingen gegenüber Gefühle der Freundschaft und Hilfsbereitschaft auszustrahlen. Wenn ein Korpsmitglied allerdings aus irgendeinem Anlaß einem Wutausbruch freien Lauf ließ und sei es, weil er sich über einen nicht funktionierenden Gegenstand seiner Ausrüstung ärgerte, mußte er für solch einen Fehler häufig mit dem Leben bezahlen.
Selten starben diese Monitore jedoch einzeln. Am Ende der Sequenz sah Conway, wie die gesamte Besatzung innerhalb weniger Minuten aus ihrem Transporthubschrauber herausgeholt wurde, weil es einem Mann unmöglich gewesen war, einem Wesen, das gerade einen Besatzungskollegen getötet hatte, freundliche Gedanken entgegenzubringen, selbst als sein eigenes Leben davon abhing. Der SRJH hatte dem Mann ein Gift injiziert, das so heftige Muskelkrämpfe auslöste, daß er sich praktisch jeden einzelnen Knochen im Körper brach. Dagegen gab es keinen Schutz und auch kein Heilmittel. Strapazierfähige Raumanzüge, die widerstandsfähig genug waren, um den Nadelspitzen der Blutegeltastköpfe standzuhalten, hätten den Korpsangehörigen für ihre Arbeit nicht genug Beweglichkeit ermöglicht — und diese Wesen töteten ebenso schnell, gründlich und bedenkenlos wie sie heilten.
„Um zusammenzufassen“, sagte der Chalder, als er den Projektor abschaltete, „die Transfusions- und künstlichen Ernährungsoperationen laufen im Moment zwar gut, aber wenn sich die Opfer weiterhin in dieser Geschwindigkeit häufen, dann wird der Vorrat für den vom Computer berechneten Bedarf gefährlich knapp werden. Ich rate deshalb dringendst, sofort mit der Operation des Schichtwesens zu beginnen.“
„Der Meinung bin ich auch“, stimmte ihm der Melfaner zu. „Angenommen, wir müssen sowohl ohne die Zustimmung als auch ohne die Mitarbeit des Patienten vorgehen, dann sollten wir unverzüglich anfangen.“
„Wie unverzüglich?“ unterbrach Captain Williamson, der sich zum erstenmal zu Wort meldete. „Es dauert seine Zeit, ein komplettes Untergeschwader eines ganzen Sektors über dem Operationsgebiet in Position zu bringen. Meine Leute werden endgültige Instruktionen brauchen, und. tja, ich fürchte, der Geschwaderkommandant macht sich über diesen Einsatz ein wenig Sorgen. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind seine Operationen rein militärischer Natur gewesen.“
Conway schwieg und versuchte, sich zu der Entscheidung zu zwingen, der er mehrere Wochen lang aus dem Weg gegangen war. Wenn er erst einmal den Startschuß gab und damit anfing, chirurgische Einschnitte in dieser Größenordnung durchzuführen, dann hatte er sich ein für allemal festgelegt. Es würde keine Möglichkeit geben, diese Operation abzubrechen, um es später noch einmal zu versuchen — es gab keine Spezialisten, auf die er zurückgreifen konnte, wenn die Sache zu schwierig wurde, und, was am schlimmsten war, es blieb keine Zeit zu zaudern, weil der Zustand des Patienten schon längst eines operativen Eingriffs bedurft hätte.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Captain“, sagte Conway und versuchte verzweifelt, das Vertrauen und die Beruhigung auszustrahlen, von denen er selbst nichts verspürte. „Soweit es Ihre Leute betrifft, ist dies eine militärische Operation geworden. Ich weiß, am Anfang haben Sie es lediglich als eine Art Katastrophenhilfeübung in ungewöhnlich großem Maßstab betrachtet, doch mittlerweile kann man es in Ihren Augen nicht mehr von einem Krieg unterscheiden. Denn im Krieg muß man mit Opfern rechnen, und die werden Sie ganz bestimmt haben. Das tut mir sehr leid, Sir. Ich hab nie solche schweren Verluste erwartet, und mir tut es persönlich sehr leid, daß ich diesen Werkzeugen heute morgen beigebracht hab zu gleiten — denn dieses Kunststück wird uns noch eine Menge mehr Opfer kosten.“
„Das ließ sich nun mal nicht vermeiden, Doktor“, unterbrach ihn Williamson. „Und irgendwann wäre einer unserer Leute auf die gleiche Idee gekommen — die haben ja schon an praktisch alles mögliche gedacht, um diese Werkzeuge abzulenken. Aber was ich wissen möchte, ist.“
„Wie bald unverzüglich ist“, beendete Conway die Frage für ihn. „Also, eingedenk der Tatsache, daß man die Operation eher nach Wochen als nach Stunden bemessen muß, und vorausgesetzt, es gibt keine logischen Gründe mehr zu zögern, dann schlage ich vor, mit der Arbeit übermorgen beim ersten Tageslicht zu beginnen.“
Williamson nickte, zögerte jedoch, bevor er entgegnete: „Zu der Zeit können wir in Stellung sein, Doktor. Aber vor kurzem hat sich etwas herausgestellt, das Sie vielleicht dazu veranlaßt, Ihre Meinung über den zeitlichen Ablauf doch noch zu ändern.“
Er deutete auf die Leinwand und fuhr fort: „Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die dazugehörigen Schaubilder und Zahlen zeigen, doch es geht schneller, wenn ich Ihnen zuerst die Resultate mitteile. Die Untersuchung der gesunden und weniger kranken Schichtkreaturen, um die Sie unsere Kontaktspezialisten gebeten hatten, ist jetzt abgeschlossen. Ihre Idee war ja, daß es einfacher sein müsse, die Kommunikation mit einem Wesen herzustellen, das keine ständigen Schmerzen hat, als im anderweitigen Fall. Insgesamt wurden achtzehnhundertvierundsiebzig infizierte Stellen auf allen uns bekannten Schichtkreaturen inspiziert und ein Werkzeug unbeaufsichtigt auf der Oberfläche zurückgelassen, das von weitem über Zeiträume von bis zu sechs Stunden überwacht wurde. Obwohl die Körpersubstanz der anderen Kreaturen mit der unseres Patienten praktisch identisch und bei allen auch eine etwas einfachere Form der Augenpflanze vorhanden war, fielen die Ergebnisse vollkommen negativ aus. Die getesteten Schichtkreaturen unternahmen keinerlei Versuch, die Werkzeuge auf irgendeine Weise zu kontrollieren oder zu verwandeln, und die auftretenden geringen Veränderungen ließen sich direkt auf geistige Strahlung von Vögeln oder nichtintelligenten Bodentieren zurückführen. Wir haben diese Daten in den Computer der Descartes und dann in den taktischen Computer der Vespasian eingegeben. So leid es mir tut, die Schlußfolgerungen haben überhaupt keinen Zweifel gelassen.
Es gibt nur eine intelligente Schichtkreatur auf Drambo“, schloß Williamson grimmig, „und das ist unser Patient.“
Conway antwortete nicht sofort, und die Versammlung wurde immer chaotischer. Anfänglich wurden ein paar brauchbare Ideen vorgebracht — zumindest klangen sie gut, bis der Captain sie verwarf. Doch dann bekam Conway statt konstruktiver Ideen nur noch sinnlose Auseinandersetzungen zu hören und schlechte Laune zu spüren, und plötzlich wußte er auch, warum.
Als die Versammlung begonnen hatte, waren sie alle sowohl überarbeitet als auch übermüdet gewesen — und das war vor fünf Stunden. Die knöcherne Körperunterseite des Melfaners hing bis auf ein paar Zentimeter auf den Decksboden herab. Der Hudlarer war wahrscheinlich hungrig, weil das Wasser im Laderaum von aller eßbaren Substanz gereinigt worden war. Gleiches war mit dem Boden geschehen, was dem ständig rollenden Dramboner wohl gleichermaßen mißfiel. Über ihnen hatte der Chalder viel zu lange in einer verkrampften Haltung gehangen. Und die anderen Terrestrier mußten ihre Druckanzüge genauso lästig empfunden haben wie Conway seinen. Es war offensichtlich, daß auf dieser Versammlung von niemandem mehr ein brauchbarer Beitrag kommen würde, auch von ihm selbst nicht, und es war an der Zeit, die Besprechung zum Abschluß zu bringen.
Er bat durch ein Zeichen um Ruhe und sagte dann: „Ich danke Ihnen allen. Die Nachricht, daß unser Patient die einzige intelligente Schichtkreatur auf dem Planeten ist, macht es notwendig, daß wir uns noch mehr anstrengen — wenn das überhaupt möglich ist — die bevorstehende Operation zum Erfolg zu führen. Die Neuigkeit, die wir eben vernommen haben, ist kein stichhaltiger Grund, den chirurgischen Eingriff zu verschieben.
Sie alle werden zig Angelegenheiten zu klären haben, die Sie morgen in Anspruch nehmen“, schloß er. „Ich werde die verbleibende Zeit nutzen, um einen letzten Versuch zu unternehmen, die Zustimmung und Mitarbeit unseres Patienten zu erlangen.“
Erst vor drei Tagen waren die baulichen Veränderungen an zwei der Raupenbohrmaschinen abgeschlossen worden, durch die sie gegen die Werkzeuge so sicher wie möglich gemacht worden waren. Außerdem hatte man die in beide Richtungen arbeitende Scannerausrüstung erweitert, um es Conway zu ermöglichen, die Operation von überall auf oder in der Schichtkreatur zu beobachten oder, falls nötig, auch anzuleiten. Als erstes überprüfte er die Kommunikationsausrüstung.
„Ich hab nicht die Absicht, ein toter Held zu werden“, erläuterte Conway grinsend. „Wenn wir uns in irgendeiner Gefahr befinden sollten, werde ich der erste sein, der um Hilfe schreit.“
Harrison schüttelte den Kopf. „Der zweite.“
„Ladies first“, sagte Murchison in bestimmtem Ton.
Sie fuhren landeinwärts zu einem gesunden Gebiet, das dicht mit Augenpflanzen bewachsen war, hielten eine volle Stunde an, fuhren eine Stunde lang weiter und legten dann erneut einen Halt ein. Sie verbrachten den ganzen Morgen und den frühen Nachmittag damit, ohne erkennbare Reaktion des Patienten immer wieder anzuhalten und weiterzufahren. Manchmal fuhren sie in engen Kreisen herum und versuchten so, Aufmerksamkeit zu erregen, doch auch damit hatten sie keinen Erfolg. Nicht ein einziges Werkzeug tauchte auf. Die Bodensensoren gaben kein Signal, daß irgend etwas versuchte, sich ihnen zu nähern oder sie zu untergraben. Im großen und ganzen stellte es sich als ein äußerst frustrierender, wenn auch körperlich erholsamer Tag heraus.
Als sich die Dunkelheit herabsenkte, schalteten sie die Scheinwerfer des Raupenbohrers an und ließen die Lichtstrahlen umherstreichen. Sie konnten zwar sehen, wie sich wegen dieses künstlichen Sonnenscheins Tausende von Augenpflanzen öffneten und plötzlich wieder schlossen, doch die Schichtkreatur verschmähte den Köder trotzdem.
„Am Anfang muß das Wesen auf uns neugierig und darauf aus gewesen sein, alle seltsamen Gegenstände oder Ereignisse zu untersuchen“, sagte Conway. „Jetzt hat es einfach Angst und ist feindselig gegen uns eingestellt — anderswo gibt es für ihn viel bessere Ziele.“
Die Sichtschirme des Raupenbohrers zeigten mehrere Transfusions- und Ernährungsstellen, die unter ständigem Angriff durch Werkzeuge lagen, und zu viele dunkle Flecken auf dem Boden, die nicht aus Öl bestanden.
„Ich glaube immer noch, wir hätten eine größere Chance, direkt mit ihm zu kommunizieren, wenn wir nahe an sein Gehirn herankommen würden oder sogar in den Bereich, wo diese Werkzeuge hergestellt werden“, sagte Conway ernst. „Und falls die direkte Kommunikation nicht möglich ist, könnten wir so vielleicht wenigstens bestimmte Sektionen künstlich stimulieren, um dieser Kreatur glauben zu machen, große Objekte seien auf der Oberfläche gelandet. Dadurch würden wir sie zwingen, die Werkzeuge abzuziehen, die die Transfusionsinstallationen angreifen. Oder wenn wir Kenntnisse von der von ihr angewandten Technologie erlangen könnten, ließe sich das vielleicht als Druckmittel einsetzen.“
Er brach ab, als Murchison den Kopf schüttelte. Sie rief ein Schaubild ab, das aus dreißig oder mehr transparenten Schichten bestand, die die Innenanordnung des Patienten so genau zeigten, wie es sechsmonatige Arbeit mit unzulänglichen Mitteln erlaubte. Ihre Gesichtszüge nahmen eine ernste Miene ein, als wollte sie einen Vortrag halten — ein Gesichtsausdruck, der nach Aufmerksamkeit und nicht nach Bewunderung verlangte.
„Wir haben schon versucht, den Sitz des Gehirns im Patienten zu finden, indem wir die Nerven zurückverfolgt haben“, sagte sie, „das heißt, das Netz aus Wurzelfasern mit metallischen Salzen, die elektrochemische Impulse übertragen können. Durch die willkürlich auf der Oberfläche angelegten Bohrlöcher und die direkte Beobachtung aus Raupenbohrern haben wir herausgefunden, daß sie nicht mit einem zentralen Gehirn verbunden sind, sondern mit einer Schicht aus ähnlichen Wurzelfasern, die direkt über der Planetenoberfläche liegen. Sie schließen sich nicht direkt an dieses neue Netz an, sondern verlaufen parallel dazu, und zwar so dicht daneben, daß durch Induktion Impulse überspringen können.
Ein Teil dieses Netzes ist wahrscheinlich für die Kontraktion der Muskeln auf dem Untergrund verantwortlich, die dem Patienten Beweglichkeit verliehen haben, bevor er diese spezielle Landmasse übernommen und damit aufgehört hat, über seine Feinde zu steigen und sie zu ersticken. Und natürlich ist anzunehmen, daß die Augenpflanzen oben und die Muskeln unten eine direkte Verbindung besitzen, da die Pflanzen die erste Warnung vor einer zweiten Schichtkreatur geben, die versucht, sich über die erste zu schieben, und die anschließende Muskelreaktion fast unwillkürlich wäre.
Doch in dieser Schicht befinden sich noch viele andere Wurzelnetze, deren Funktion wir nicht kennen“, fuhr sie fort. „Farblich unterscheiden sie sich nicht; bis auf winzige Unterschiede in der Dicke sehen sie alle vollkommen gleich aus. Die Sorte, die anscheinend dem Untergrundgestein Mineralien entzieht, kann in der Dicke schwanken. Deshalb würde ich von jeder Art künstlicher Stimulation abraten. Du könntest ganz leicht eine Gruppe der Muskeln über dem Untergrund zum Zucken bringen. Und die Korpsmitglieder auf der Oberfläche müßten zusätzlich zu allem anderen auch noch mit örtlich begrenzten Erdbeben fertig werden.“
„Na schön“, entgegnete Conway, der sich nur deshalb ärgerte, weil ihre Einwände berechtigt waren. „Aber ich möchte trotzdem nahe an sein Gehirn oder an das Gebiet herankommen, wo die Werkzeuge hergestellt werden. Und wenn das Tier uns da nicht selbst hineinzieht, dann müssen wir eben danach suchen. Aber wir haben nicht mehr viel Zeit. Wo ist deiner Meinung nach der beste Ort zum Suchen?“
Murchison dachte einen Moment lang nach und antwortete dann: „Entweder könnte sich das Gehirn oder das Gebiet, wo die Werkzeuge hergestellt werden, in einer Vertiefung oder kleinen Senke in der Planetenoberfläche befinden, wo das Tier vermutlich die notwendigen Minerale aufnimmt. Es gibt in vierundzwanzig Kilometern Entfernung eine große steinige Vertiefung, genau hier, die den nötigen Schutz nach unten und zu allen Seiten bietet, während die darüberliegende Körpermasse es vor Verletzungen von oben bewahrt. Aber es gibt noch Dutzende von anderen Stellen, die genausogut in Frage kommen. Ach ja, dort müßte es natürlich auch eine ständige Versorgung mit Nahrung und Sauerstoff geben. Doch da dies beim Patienten ein quasipflanzlicher Prozeß mit Wasser als Funktionsflüssigkeit an Stelle von Blut ist, sollte eigentlich kein Problem darin bestehen, auch ein tief vergrabenes Gehirn zu versorgen.“
Sie unterbrach sich, und ihr Gesicht und Unterkiefer versteiften sich wegen eines erfolgreich unterdrückten Gähnens. Bevor sie fortfahren konnte, sagte Conway: „Das ist ein ganz schönes Problem. Warum überschläfst du das nicht erst einmal?“
Auf einmal lachte sie. „Das tue ich ja gerade. Hast du das gar nicht gemerkt?“
Conway lächelte und entgegnete: „Jetzt mal im Ernst, ich würde gerne einen Hubschrauber rufen, der dich mitnimmt, bevor wir da runterfahren. Ich hab keine Ahnung, was uns dort erwartet, wenn wir das finden, wonach wir suchen. Vielleicht finden wir uns als Gefangene in einem unterirdischen Hochofen wieder oder werden durch die geistige Strahlung des Gehirns gelähmt. Mir ist klar, daß deine Neugier groß und vollkommen beruflicher Natur ist, aber mir wäre es sehr viel lieber, wenn du nicht mitkommen würdest. Schließlich sind durch wissenschaftliche Neugier schon viele Menschen umgekommen.“
„Bei allem Respekt, Doktor“, erwiderte Murchison, wobei sie sehr wenig davon zeigte, „du redest Quatsch. Es gibt keinerlei Anzeichen für ungewöhnlich hohe Temperaturen unter dem Schichtwesen. Und wir beide wissen, daß telepathische Aliens ihre Fähigkeiten nur innerhalb ihrer eigenen Spezies anwenden können. Die Werkzeuge sind eine völlig andere Angelegenheit, nämlich von sich aus inaktive, aber durch Gedanken formbare Gegenstände, die.“ Sie brach den Satz ab, holte tief Luft und schloß leise: „Es gibt noch einen zweiten Raupenbohrer genau wie diesen. Ich bin sicher, auf der Descartes findet sich ein Offizier oder anderer Gentleman, der bereit ist, mich mitzunehmen und dir darin zu folgen.“
Harrison seufzte laut auf und sagte: „Seien Sie nicht unsozial, Doktor. Wenn man jemanden nicht schlagen kann, muß man sich mit ihm zusammenschließen.“
„Ich werde jetzt eine Weile lang das Steuer übernehmen“, sagte Conway, indem er die einsetzende Meuterei auf die einzige Art behandelte, auf die er es unter diesen Umständen konnte — er ignorierte sie einfach. „Ich hab Hunger, und Sie sind dran, das Essen aufzutischen.“
„Ich helfe Ihnen, Lieutenant“, bot ihm Murchison an. Als Harrison Conway den Platz des Fahrers überließ und zur Kombüse ging, murmelte er: „Sie wissen ja, Doktor, hin und wieder versalze ich jemandem gern die Suppe, besonders Ihnen.“
Es war kurz vor Mitternacht, als sie das Gebiet erreichten, wo sich die Vertiefung unter der Oberfläche befand, den Raupenbohrer auf die Nase stellten und sich hineinbohrten. Murchison starrte durch die Direktsichtluke, die sich neben ihr befand, und machte sich gelegentlich Notizen über das Flechtwerk aus feinen Wurzeln, das durch die feuchte korkähnliche Substanz verlief, die das Fleisch der Schichtkreatur darstellte. Es gab kein Anzeichen für eine herkömmliche Blutversorgung und nichts, was darauf hingewiesen hätte, daß das Tier jemals eher im tierischen als im pflanzlichen Sinne lebendig gewesen war.
Plötzlich brachen sie durch die Decke eines Magens und sanken zwischen den großen Pflanzensäulen herab, die die Decke hoben und senkten, nahrungsreiches Wasser aus dem Meer hereinsogen und viele Tage später die Abfallstoffe wieder ausstießen, soweit sie nicht bereits von spezialisierten Pflanzen absorbiert worden waren. Die pflanzlichen Stalaktiten erstreckten sich in allen Richtungen bis an die Grenzen der Scheinwerferreichweite. Jeder von ihnen war von dem zweiten spezialisierten Gewächs bedeckt, dessen Sekret die Säulen steif werden ließ, wenn der Magen zu lange leer gewesen war, und sie wieder in die entspannte Stellung brachte, sobald der Magen voll war. Andere Höhlen, die kleiner waren und in geringeren Abständen voneinander lagen als die Mägen, hielten lediglich den Wasserkreislauf im System aufrecht, ohne irgendeine Verdauungsfunktion zu erfüllen.
Kurz bevor sie auf dem Boden aufsetzten, brachte Harrison das Fahrzeug in Tauchposition und ließ die Frontmesser mit maximaler Geschwindigkeit rotieren.
Sie stießen sanft auf den Boden des Magens auf und gruben sich hinein. Eine halbe Stunde später wurden sie nach vorne in ihre Gurte geschleudert. Das leise, dumpfe Geräusch der Messerklingen hatte sich zu einem ohrenbetäubenden Kreischen gesteigert, das erst verstummte, als Harrison die Klingen abschaltete.
„Entweder haben wir die Planetenoberfläche erreicht, oder diese Kreatur ist ausgesprochen hartherzig“, sagte er trocken.
Sie zogen sich ein kleines Stück weit zurück und verringerten dann den Abstiegswinkel, um sich weiter hineingraben zu können. Dabei rollten die Ketten des Raupenbohrers über den felsigen Untergrund und die Messer fraßen sich durch eine Substanz, die jetzt das Aussehen von stark zusammengepreßtem und mit dicken Adern durchzogenem Kork hatte. Als sie ein paar hundert Meter weit vorgedrungen waren, gab Conway dem Lieutenant das Zeichen zum Anhalten.
„Das sieht nicht aus wie der Stoff, aus dem Gehirne gemacht sind“, sagte Conway. „Aber ich glaube, wir sollten uns das einmal genauer ansehen.“
Es gelang ihnen ein paar Proben zu sammeln und sich alles genau anzusehen, doch nicht lange — denn kaum hatten sie ihre Anzüge verschlossen und waren durch die Heckluke ausgestiegen, da sackte der von ihnen gegrabene Tunnel bereits gefährlich ein, und dort, wo der nasse grobkörnige Boden auf die Tunnelwände traf, sickerte eine ölige schwarze Flüssigkeit heraus, die ständig stieg, bis sie schließlich schon den ganzen Knöchel bedeckte. Conway wollte nicht allzuviel von dieser Flüssigkeit mit zurück in den Raupenbohrer mitnehmen, denn durch die früheren, durch Bohrungen entnommenen Proben wußten sie, daß sie zum Himmel stank.
Als sie sich wieder im Raupenbohrer befanden, hob Murchison eine der Proben auf, die ein wenig an eine terrestrische Zwiebel erinnerte, die seitlich durchgeschnitten war. Die flache Unterseite war von einem Belag aus kurzen wurmartigen Auswüchsen bedeckt. Und der einzelne Stiel verzweigte und verästelte sich viele Male, bevor er sich mit dem Nervennetz verband, das sich nur ein kurzes Stück über diesen Wucherungen befand.
„Ich würde sagen, die Pflanzensekrete lösen und nehmen Mineralien und/oder Chemikalien vom Gestein und Erdreich des Untergrunds auf“, folgerte Murchison. „Zusammen mit dem Wasser, das nach hier unten durchsickert, sorgen sie für die Schmierung, die es dem Tier ermöglicht, die Position zu wechseln, wenn die Versorgung mit Mineralien zu Ende geht. Doch es gibt hier keine Anzeichen von ungewöhnlichen oder konzentrierten Nervenbahnen, und auch keinerlei Spuren von Narben, die die Werkzeuge hinterlassen, wenn sie sich durch diese Substanz schneiden. Ich fürchte, wir müssen es noch einmal irgendwo anders versuchen.“
Fast eine Stunde verging, bevor sie die zweite Höhle erreichten, und weitere drei bis zur dritten. Conway hatte von Anfang an gegenüber der dritten Stelle einige Zweifel gehegt, weil sie seiner Meinung nach zu dicht am Rand lag, um ein Gehirn zu beherbergen. Doch trotzdem war die Möglichkeit von mehreren Gehirnen oder wenigstens einer Anzahl von neuralen Nebenstellen gerade bei einem Wesen von dieser Größe nicht ausgeschlossen. Murchison erinnerte ihn daran, daß der in alten Zeiten lebende Brontosaurus zwei Gehirne gehabt habe und mit ihrem Patienten verglichen mikroskopisch klein gewesen sei.
Die dritte Stelle lag zudem ziemlich nah am Anfang der ersten Einschnittlinie.
„Wir könnten den Rest unseres Lebens damit verbringen, Höhlen zu suchen, und trotzdem nicht das finden, was wir suchen“, fluchte Conway. „Und soviel Zeit haben wir nun mal nicht.“
Die Repeaterschirme zeigten weit über ihnen den Himmel, der heller wurde und an dem bereits schwere Kreuzer des Monitorkorps in Stellung gegangen waren. An den Transfusions- und Fütterungsinstallationen schaltete man Scheinwerfer ein und aus, und hin und wieder war kurz Edwards zu sehen, den man als leitenden medizinischen Verbindungsmann für die Dauer der Operation auf das Flaggschiff Vespasian versetzt hatte. Seine Aufgabe bestand darin, Conways medizinische Anweisungen für die ausführenden Geschwaderoffiziere in militärische Manöver zu übersetzen.
„Diese Testbohrungen.“, sagte Conway plötzlich. „Ich nehme an, die sind in geographisch regelmäßigen Abständen vorgenommen worden, wobei man direkt in die Planetenoberfläche nach unten gebohrt hat, oder? Hat es irgendwelche Anzeichen dafür gegeben, daß es in bestimmten Gegenden mehr von der schwarzen Schmiere gibt, die der Patient als Gleitmittel verwendet, als in anderen? Ich versuche, einen Abschnitt dieser Kreatur zu finden, der beinahe bewegungsunfähig ist, weil.“
„Natürlich!“ unterbrach ihn Murchison aufgeregt. „Und das ist auch der wesentliche Faktor, durch den sich unser intelligenter Patient von all den kleineren und nichtintelligenten Schichtkreaturen unterscheidet. Zum besseren Schutz müßten sich das Gehirn und wahrscheinlich auch die Zentren der Werkzeugherstellung ziemlich sicher in einem feststehenden Abschnitt befinden. Auf Anhieb kann ich mich zwar nur an ein Dutzend Testbohrungen erinnern, wo das Schmiermittel nicht oder nur in ziemlich geringen Mengen vorhanden war, aber ich kann für dich die Verweise auf den Karten durchsehen. Dauert höchstens ein paar Minuten.“
„Du weißt, daß ich dich immer noch nicht hier haben möchte“, sagte Conway gefühlvoll, „aber ich bin froh, daß du mitgekommen bist.“
„Ich danke dir“, antwortete sie und fügte dann hinzu: „Glaube ich jedenfalls.“
Fünf Minuten später hatte Murchison alle verfügbaren Informationen beisammen. „In diesem Gebiet bildet die Planetenoberfläche eine kleine Ebene, die von Bergen umringt ist. Durch Luftsensoren wissen wir, daß sie ungewöhnlich reich an Mineralien ist, aber das trifft ja auch auf den Großteil der mittleren Landmasse zu. Unsere Testbohrungen sind sehr weit verteilt worden, weshalb wir die Entnahme von Gehirnsubstanz leicht verpaßt haben könnten. Aber ich bin mir jetzt ziemlich sicher, daß dort das Gehirn liegt.“
Conway nickte und sagte dann: „Harrison, das ist der nächste Halt. Aber das ist zu weit weg, um dahin auf oder unter der Oberfläche zu fahren. Bringen Sie uns nach oben, und fordern Sie einen Transporthubschrauber, der uns zu der Stelle bringt. Und würde es Ihnen etwas ausmachen, einen Umweg durch Rachentunnel dreiundvierzig zu machen und so nah an die Einschnittlinie heranzufahren, wie Sie es schaffen können, damit ich sehen kann, wie der Patient auf die Anfangsphase der Operation reagiert? Er muß doch irgendeine natürliche Abwehrreaktion gegen eine grobe Körperverletzung haben.“ Er brach ab, und seine Stimmung verwandelte sich im Nu von heller Aufregung zu tiefster Frustration. „Ach, verdammt! Hätte ich mich bloß von Anfang an auf die Werkzeuge konzentriert, anstatt mich von diesen rollenden Drambonern ablenken zu lassen und dann zu glauben, diese übergroßen Leukozyten wären die intelligenten Werkzeugbenutzer. Ich hab viel zuviel Zeit vergeudet.“
„Im Moment vergeuden wir keine Zeit“, sagte Harrison und deutete auf die Repeaterschirme.
So oder so, der chirurgische Großeingriff hatte bereits begonnen.
Auf dem Hauptbildschirm waren die schweren Kreuzer zu sehen, die in einer Reihe am ersten Teil des Einschnitts entlang einen schwerfälligen Gänsemarsch nachahmten und ihre Pulsatorstrahlen tief in die Schnittstelle hineinbohrten, während sie mit den Pressorstrahlen die Ränder der Wunde auseinanderdrückten, um dem nächsten Schiff in der Reihe ein tieferes Eindringen zu ermöglichen. Wie alle großen Schiffe des Monitorkorps konnten auch diese Kreuzer eine große Bandbreite an Schrecken in sehr genau bemessenen Dosen verabreichen, die vom Einschläfern von ein paar Aufrührern bis hin zur atomaren Vernichtung eines ganzen Kontinents reichte. Das Korps ließ es zwar selten zu, daß sich eine Situation bis zu dem Punkt verschlechterte, an dem als einzige Lösung nur noch Massenvernichtungswaffen blieben, aber sie behielten die Kreuzer als schweren und starken Schlagstock bei. Denn die Monitore, die in erster Linie für die Aufrechterhaltung und Durchsetzung der Gesetze der Föderation verantwortlich waren, wußten als gute Polizisten, daß ein nicht gezogener Gummiknüppel bessere und dauerhaftere Wirkung zeigt, als einer, der zu eifrig Schädel einschlägt.
Die wirksamste und vielseitigste Kurzstreckenwaffe — vielseitig, weil sie gleich gut sowohl als Schwert als auch als Pflugschar verwendet werden konnte — war der Pulsatorstrahl.
Dabei handelte es sich um eine Entwicklung aus dem künstlichen Schwerkraftsystem, das die mörderischen Beschleunigungen der Raumschiffe der Föderation ausglich, und dem Repulsionsfeld, das vor Meteoriten schützte und es einem Schiff mit ausreichenden Energiereserven ermöglichte, wie ein lenkbares Luftschiff aus alter Zeit über eine Planetenoberfläche zu schweben. Der Pulsatorstrahl drückte und zog einfach mehrere Male in der Minute heftig mit einer Kraft von bis zu achtzig, kurzfristig sogar von bis zu einhundert Ge.
Das Korps war nur sehr selten gezwungen, die Pulsatorstrahlen im Kampf einzusetzen — normalerweise mußten sich die zuständigen Offiziere hinter den Kontrollpulten damit zufriedengeben, mit ihnen unebenen Boden für neugegründete Kolonien einzuebnen und zu kultivieren. Und für die optimale Wirkung mußte der Strahl wirklich scharf gebündelt sein. Doch selbst ein diffuser Strahl konnte verheerende Wirkungen haben, besonders für ein kleines Ziel, wie zum Beispiel ein Aufklärungsschiff. Anstatt große Teile der Außenhaut abzureißen und die darunterliegende Konstruktion vollkommen zu zertrümmern, schüttelte er das ganze Schiff, bis die Besatzung im Innern völlig durchgerüttelt war.
Bei dieser Operation war der Strahl jedoch äußerst scharf gebündelt und seine Reichweite bis auf den letzten Zentimeter bekannt.
Optisch war die Operation überhaupt nicht spektakulär. Jeder Kreuzer besaß zwar drei Pulsatoraggregate, die man anwenden konnte, aber die Strahlen drückten und zogen so schnell, daß die Oberfläche kaum bewegt zu werden schien. Lediglich die zwischen die Pulsatorstrahlen gerichteten, relativ sanften Traktorstrahlen schienen etwas auszurichten: sie zogen einen schmalen Keil der gelösten Substanz nach oben und zerstückelten die Vegetation, damit der nächste Pulsatorstrahl in der Reihe den Einschnitt vertiefen konnte. Erst wenn der Einschnitt weit unter die Planetenoberfläche reichte und um mehrere Kilometer verlängert worden war, würden die restlichen Staffeln, die sich noch immer im Orbit befanden, hinzukommen, um den Schnitt, wie sie alle hofften, zu einem Graben auszuweiten, der breit genug wäre, um die Ausbreitung der Pflanzeninfektion durch die herausgeschnittene und sich zersetzende tote Substanz aufzuhalten.
Als Untermalung der Bilder konnte Conway die abgehackten Stimmen der technischen Offiziere hören, die pausenlos Bericht erstatteten. Es schien Hunderte von ihnen zu geben, und alle sagten das gleiche, allerdings mit so wenig Worten wie möglich. In unregelmäßigen Abständen wurden die Berichte von einer ruhigeren, gelasseneren Stimme unterbrochen, die das Gesamtunternehmen billigte, lenkte und koordinierte — der Stimme von Gott, manchmal auch als Geschwaderkommandant Dermod bekannt, dem ranghöchsten Offizier des Monitorkorps im galaktischen Sektor zwölf und als solcher der taktische Leiter von mehr als dreitausend Hauptgeschwadereinheiten, Versorgungs- und Kommunikationsschiffen, Hilfs-Stützpunkten, Schiffsfertigungsstraßen und der gewaltigen Menge an Lebewesen — egal, ob terrestrisch oder extraterrestrisch — die an der Operation beteiligt waren.
Falls die Operation schiefgehen sollte, würde sich Conway sicherlich nicht über die Qualität der Hilfe beklagen können. Allmählich entwickelte sich bei ihm im Stillen eine gewisse Zufriedenheit mit dem Verlauf der Dinge.
Die Zufriedenheit währte die ganzen zehn Minuten, während der sich die Einschnittlinie durch den Tunnel Nummer dreiundvierzig grub, in den sie gerade mit dem Raupenbohrer eingedrungen waren. Conway konnte die Innenseite der Tunneldichtung sehen, eine dicke gewellte Wurst aus widerstandsfähigem Kunststoff, die auf einen Druck von dreieinhalb Kilogramm pro Quadratzentimeter aufgepumpt war und damit gegen die Tunnelwände drückte. Um einem Verlust von Funktionsflüssigkeit vorzubeugen, waren spezielle Vorkehrungen getroffen worden, denn die Heilungsprozesse der Schichtkreatur verliefen bestürzend langsam. Ihr Blut bestand ganz und gar aus Wasser — und eine wichtige Eigenschaft, die Wasser nicht besitzt, ist die Fähigkeit zu gerinnen.
Neben der Dichtung hielten zwei Angehörige des Monitorkorps und ein melfanischer Arzt Wache. Sie schienen aufgeregt zu sein, aber im Tunnel schwammen so viele Leukozyten herum, daß Conway den Grund dafür nicht sehen konnte. Seine Bildschirme zeigten die Einschnittlinie, die diesen Rachentunnel kreuzte. Zwischen der Dichtung und dem Einschnitt flossen viele hundert Liter Wasser ab — wenn man die Größe des Patienten bedachte, war das allerdings kaum mehr als ein Tropfen. Die Pulsator- und Traktorstrahlen drangen weiter vor, verlängerten und vertieften den Schnitt, während die unsichtbaren Pressorstrahlen, die immateriellen Pfähle, die das gewaltige Gewicht der Kreuzer trugen, die Ränder auseinanderdrückten, bis sich der Einschnitt in eine immer breiter und tiefer werdende Schlucht verwandelte. Eine kleine Ladung von chemischen Sprengstoffen brachte den geräumten Tunnelabschnitt zum Einsturz und verstärkte dadurch die Kunststoffdichtung. Alles schien genauso zu laufen wie geplant, bis auf Conways Pult die Signallampe zu blinken begann, die sofortige Aufmerksamkeit verlangte, und Major Edwards’ Gesicht auf dem Bildschirm erschien.
„Conway“, sagte der Major eindringlich. „Die Dichtung in Tunnel dreiundvierzig wird von den Werkzeugen angegriffen.“
„Aber das ist doch unmöglich“, entgegnete Murchison in einem fast empörten Ton, der an jemanden erinnerte, der seinen Freund beim Falschspielen erwischte. „Der Patient hat doch noch nie unsere Innenoperationen gestört. Es gibt hier keine Augenpflanzen, die unsere Position verraten könnten, und auch kein nennenswertes Licht, und die Dichtung ist nicht einmal aus Metall. Auf der Oberfläche haben die Werkzeuge noch nie Kunststoff angegriffen, immer nur Lebewesen und Maschinen.“
„Und Lebewesen greifen sie nur deshalb an, weil wir unsere Anwesenheit verraten, indem wir versuchen, die geistige Kontrolle über sie zu erlangen“, fügte Conway schnell hinzu. Dann sagte er an Edwards gewandt: „Lassen Sie die an der Dichtung postierten Leute sofort in den Versorgungsschacht gehen, Major, schnell! Ich kann nicht direkt mit den dreien sprechen. Und sagen Sie ihnen, sie sollen versuchen, auf keinen Fall an die.“
Er brach ab, als die Dichtung vor ihm in einer gedämpften Explosion aus weißen Blasen verschwand, die durch das Tunnelgewölbe auf sie zuschössen. Außerhalb des Raupenbohrers konnte er überhaupt nichts mehr sehen und im Innern nur Edwards’ Gesicht und Bilder von Schiffen, die sich in einer Linie formiert hatten.
„Doktor, die Dichtung ist geplatzt!“ schrie der Major, während seine Augen zur Seite huschten. „Der Schutt hinter der Dichtung wird weggespült. Harrison, graben Sie sich ein!“
Aber der Lieutenant konnte das Fahrzeug nicht eingraben, weil es die vorbeitosenden Blasen unmöglich machten, etwas zu sehen. Er schaltete die Raupenketten schnell in die entgegengesetzte Richtung, doch die Strömung, die an ihnen entlangrauschte, war so stark, daß der Raupenbohrer kaum noch Kontakt mit dem Boden hatte. Edwards löschte die Scheinwerfer, weil sie durch das vom Schaum außerhalb der Kanzel reflektierte Licht geblendet wurden. Aber vor ihnen war immer noch ein Lichtfleck, der ständig größer wurde.
„Edwards, stellen Sie sofort die Pulsatorstrahlen ab….“
Ein paar Sekunden später wurden sie als Teil eines Wasserfalls aus dem Tunnel herausgespült, der über eine organische Klippe in eine Schlucht hinunterstürzte, die keinen Boden zu haben schien. Das Fahrzeug flog aber nicht in seine Einzelteile auseinander, und sie endeten auch nicht als Erdbeermarmelade — also war klar, daß Major Edwards in der Lage gewesen war, die Pulsatorprojektoren rechtzeitig abzuschalten. Als sie eine subjektive Ewigkeit später krachend zum Stillstand kamen, verabschiedeten sich zwei der Repeaterschirme mit spektakulären Implosionen, und der Wasserfall, der ihren Sturz auf dem Weg nach unten abgedämpft hatte, donnerte jetzt gegen die Fahrzeugseite und schob und rollte den Raupenbohrer über den Boden des Einschnitts.
„Jemand verletzt?“ fragte Conway.
Murchison lockerte die Sicherheitsgurte und zuckte zusammen. „Ich bin überall grün und blau und. und hab am ganzen Körper Dellen.“
„Die würde ich mir zu gerne ansehen“, bemerkte Harrison in einem Ton, der darauf schließen ließ, daß er sich nicht verletzt hatte.
Erleichtert und gereizt zugleich entgegnete Conway: „Zuerst sollten wir uns doch wohl lieber den Patienten ansehen.“
Der einzig noch funktionierende Bildschirm übertrug ein von einem über dem Einschnitt postierten Hubschrauber aufgenommenes Bild. Die schweren Kreuzer hatten sich ein kurzes Stück zurückgezogen, um das Operationsfeld für Rettungs- und Beobachtungshubschrauber freizumachen, die wie große Metallfliegen über der Wunde brummten und hinabtauchten. Pro Minute strömten Tausende von Litern Wasser — die unzählige Leukozyten und Farmerfische, unvollständig verdaute Nahrung und Klumpen von lebenswichtigen inneren Pflanzen mit sich führten — aus dem durchtrennten Rachentunnel in die Schlucht hinab und darin entlang. Conway gab Edwards ein Zeichen.
„Wir sind zwar in Sicherheit“, sagte er, bevor der Major sprechen konnte, „aber das hier ist ein schöner Schlamassel. Wenn wir diesen Flüssigkeitsverlust nicht stoppen können, wird das Verdauungssystem zusammenbrechen, und dann haben wir unseren Patienten getötet, anstatt ihn zu heilen. Verdammt, warum hat er nicht irgendein Verfahren, sich selbst gegen grobe körperliche Verletzungen zu schützen? Von mir aus eine Rückschlagventilvorrichtung oder sonst was! Ich hab überhaupt nicht damit gerechnet, daß so etwas passieren kann.“
Conway riß sich zusammen, weil er merkte, daß er anfing, zu jammern und nach Ausreden zu suchen, statt Anweisungen zu erteilen. In forschem Ton fuhr er fort: „Ich brauche den Rat von Fachleuten. Haben Sie einen Spezialisten für Kurzstreckenwaffen mit geringer Explosionsstärke dabei?“
„Kein Problem“, entgegnete Edwards, und ein paar Sekunden später meldete sich eine neue Stimme: „Hier technischer Ordonnanzoffizier der Vespasian, Major Holroyd. Kann ich Ihnen helfen, Doktor?“
Das will ich doch stark hoffen, dachte Conway, während er laut fortfuhr, das Problem zu umreißen.
Sie waren mit der Notsituation eines auf dem Operationstisch verblutenden Patienten konfrontiert. Ob das betroffene Lebewesen nun groß oder klein, ob seine Körperflüssigkeit nun terrestrisches Blut, überhitztes flüssiges Metall wie bei den TLTUs vom Planeten Threcald fünf oder das ein wenig unreine Wasser war, das Nährstoffe und spezialisierte innere Organismen zu den weit auseinanderliegenden Extremitäten des Körpers der drambonischen Schichtkreatur transportierte, alles würde auf das gleiche hinauslaufen — stetig absinkender Blutdruck, immer größer werdender Schock, sich ausbreitende Muskellähmung und schließlich der Tod.
Die normale Verfahrensweise wäre unter diesen Umständen, die Blutung zu stillen, indem man das beschädigte Blutgefäß abband und die Wunde nähte. Doch dieses bestimmte Gefäß war ein Tunnel mit Wänden, die nicht stabiler oder elastischer waren als die sie umgebende Körpersubstanz, weshalb sie nicht abgebunden und noch nicht einmal abgeklemmt werden konnten. So, wie Conway es sah, war die einzige verbleibende Möglichkeit, das aufgebrochene Gefäß zu verstopfen, indem man die Tunneldecke zum Einsturz brachte.
„Die TR-7-Torpedos für den Nahbereich“, sagte der technische Offizier wie aus der Pistole geschossen. „Die haben eine gute Aerodynamik, deshalb wird es kein Problem sein, sie in die Strömung zu schießen. Und vorausgesetzt, es gibt in der Nähe der Tunnelöffnung keine scharfen Kurven, dann kann man sie bis zu jeder gewünschten Tiefe eindringen lassen, indem man.“
„Nein“, unterbrach ihn Conway mit bestimmtem Ton. „Ich mache mir über die Kompressionsauswirkungen einer großen Explosion im Tunnel Sorgen. Die Druckwelle würde sich bis tief ins Innere ausbreiten und dabei eine große Anzahl von Farmerfischen und Leukozyten töten, ganz zu schweigen von den riesigen Mengen der empfindlichen inneren Vegetation. Wir müssen den Tunnel so nah wie möglich am Einschnitt versiegeln, Major, und den Schaden auf diesen Abschnitt beschränken.“
„Dann die B-22, die sind in der Lage, Panzer zu durchschlagen“, schlug Holroyd prompt vor. „In diese Substanz könnten sie ohne Schwierigkeiten fünfzig Meter weit eindringen. Ich schlage vor, drei Raketen gleichzeitig abzuschießen, die in einigem Abstand übereinander oberhalb der Tunnelöffnung einschlagen, damit sie genügend loses Material zum Einsturz bringen, um den Tunnel selbst gegen den Druck von Wasser zu versperren, das es beim Sinken wegzuspülen versuchen sollte.“
„Der Vorschlag klingt doch schon viel besser“, erwiderte Conway.
Aber der technische Offizier der Vespasian konnte weit mehr als nur Vorschläge machen. Innerhalb weniger Minuten zeigte der Bildschirm einen Kreuzer, der tief über den Einschnitt schwebte. Conway sah nicht, wie die Raketen abgeschossen wurden, weil ihm plötzlich einfiel zu überprüfen, ob ihr Raupenbohrer weit genug weggeschwemmt worden war, um nicht vom Schutt begraben zu werden — das war glücklicherweise der Fall. Den ersten Hinweis, daß überhaupt etwas passiert war, bekam er, als der Wasserstrom auf einmal trübe wurde, sich zu einem Rinnsal verlangsamte und schließlich zum Stillstand kam. Ein paar Minuten später begannen große Klumpen von dickem, zähflüssigem Schlamm über den Tunnelrand zu quellen, und plötzlich sackte ein riesiger Teil des Bereichs um die Öffnung herum ab, zerbrach und rutschte wie eine Masse aus braunem Porridge in die Schlucht.
Die Tunnelöffnung war jetzt fünf-, sechsmal so groß wie vorher, und der Patient blutete weiterhin mit unverminderter Stärke.
„Tut mir leid, Doktor“, meldete sich Holroyd. „Soll ich ihm noch mal eine Dosis verpassen und versuchen, sie tiefer hineinzubekommen?“
„Nein, warten Sie.“
Conway versuchte verzweifelt nachzudenken. Er wußte zwar, daß er eine chirurgische Operation durchführte, aber er konnte es nicht recht glauben — sowohl die Schwierigkeiten als auch der Patient waren einfach zu groß. Wenn sich ein Terrestrier in derselben Verfassung befunden hätte, dann wüßte er — selbst wenn ihm keine Instrumente oder Medikamente zur Verfügung gestanden hätten —, was zu tun wäre: den Blutfluß an einem Druckpunkt aufhalten, eine Aderpresse anlegen. Das war es!
„Holroyd, setzen Sie noch einmal drei Raketen an dieselbe Stelle und genauso tief wie beim letztenmal!“ ordnete er rasch an. „Aber können Sie, bevor Sie die Raketen abschießen, die Pressorstrahlen Ihres Schiffs so einstellen, daß so viele wie möglich genau über die Tunnelöffnung gerichtet sind? Und lassen Sie sie nicht gerade strahlen, sondern biegen sie die Strahlen, wenn möglich, direkt auf die Wand des Einschnitts um. Meine Idee dabei ist, das Gewicht Ihres Schiffs dafür auszunutzen, die von den Raketen zum Einsturz gebrachte Substanz zusammenzupressen und abzustützen.“
„Wird erledigt, Doktor.“
Die Vespasian brauchte weniger als fünfzehn Minuten, um ihre unsichtbaren Beine neu einzustellen und auszurichten und die Raketen abzuschießen. Der Wasserfall versiegte fast im Nu — und diesmal anscheinend endgültig. Die Tunnelöffnung war verschwunden, und an ihrer Stelle befand sich eine große, untertassenförmige Mulde in der Wand des Einschnitts, auf die die Steuerbordpressorstrahlen der Vespasian gerichtet waren. Zwar sickerte immer noch Wasser durch die zusammengepreßte Dichtung, doch solange der Kreuzer in Position blieb und sein nicht unerhebliches Gewicht dagegen stemmte, würde sie halten. Als zusätzliche Sicherheitsvorkehrung brachte man bereits eine weitere aufblasbare Dichtung in den Versorgungstunnel.
Plötzlich wurde das Bild durch ein Gesicht ersetzt, das trotz der unverkennbaren Altersfalten jung geblieben war. Es war der Geschwaderkommandant höchstpersönlich, auf dessen grüner Uniformjacke ein nicht unbeträchtliches Gewicht von Rangabzeichen lastete.
„Doktor Conway. Mein Flaggschiff war im Laufe seiner Dienstzeit schon an einigen merkwürdigen Übungen beteiligt, wir sind aber bisher noch nie gebeten worden, eine Aderpresse zu halten.“
„Entschuldigen Sie, Sir. Das schien die einzige Möglichkeit zu sein, die Situation in den Griff zu bekommen. Aber im Augenblick möchte ich, daß Sie, wenn es Ihnen nichts ausmacht, unseren Raupenbohrer hochheben lassen und zu den Koordinatennummern.“
Er brach ab, weil ihm Harrison zuwinkte. Der Lieutenant sagte leise: „Nicht diesen Raupenbohrer. Bitten Sie ihn darum, den anderen überprüfen und auf uns warten zu lassen, sobald man uns hier herausgezogen hat.“
Drei Stunden später saßen sie in dem zweiten umgebauten und verstärkten Raupenbohrer, der unter einem Transporthubschrauber hing, und erreichten das Gebiet, in dem sich, wie sie hofften, das Gehirn der Schichtkreatur und/oder die Einrichtungen zur Werkzeugherstellung befanden. Der Flug verschaffte ihnen die Möglichkeit, ein paar konstruktive Theorien über ihren Patienten aufzustellen.
Sie waren jetzt überzeugt, daß er sich ursprünglich aus einer beweglichen Pflanzenform entwickelt hatte. Er war schon immer groß und ein Allesfresser gewesen. Und als diese Lebensformen anfingen, voneinander zu leben, nahmen sie an Größe und Komplexität zu und in der Anzahl ab. Es schien keine Art und Weise zu geben, auf die sich die Schichtkreatur selbst vermehren konnte. Sie lebte und wuchs einfach weiter, bis sie von einem größeren Lebewesen ihrer eigenen Spezies getötet wurde. Der Patient war die größte, älteste, widerstandsfähigste und klügste Kreatur ihrer Art. Als alleinige Bewohnerin ihrer Landmasse seit vielen Tausenden von Jahren bestand für sie nicht mehr die Notwendigkeit, sich körperlich zu bewegen, weshalb sie wieder Wurzeln geschlagen hatte.
Dabei hatte es sich aber um keinen Degenerationsprozeß gehandelt. Ohne die Möglichkeit, andere Wesen ihrer eigenen Spezies zu fressen, hatte sie Methoden gefunden, ihr Wachstum zu kontrollieren und den Metabolismus leistungsfähiger zu machen, indem sie Werkzeuge entwickelte, die Arbeiten wie Graben, die Erforschung der Planetenoberfläche und die Verarbeitung notwendiger Minerale für ihr Nervennetz ausführten. Der ursprüngliche Farmerfisch war wahrscheinlich eine Spezies, die wie der biblische Jonas nur im Magen der Schichtkreatur überleben konnte. Im Magen wuchsen später sowohl für die Kreatur, in der er sich befand, als auch für den Farmerfisch selbst Pflanzenzähne, um beide gleichermaßen vor Raubtieren zu schützen, die durch die Mäuler eingesogen wurden. Wie die Leukozyten dort hineingelangt waren, war noch nicht klar, aber die rollenden Dramboner stießen hin und wieder auf Angehörige einer kleineren, weniger hochentwickelten Art, die wahrscheinlich die wilden Vettern dieser quallenartigen Blutegel waren.
„Doch ein Punkt, den wir nicht vergessen dürfen, wenn wir versuchen, mit der Schichtkreatur zu reden, ist, daß der Patient nicht nur blind, taub und stumm ist, sondern auch nie ein zweites Lebewesen seiner Art hatte, mit dem er reden konnte“, beendete Conway seine Erläuterungen mit ernster Stimme. „Unser Problem besteht nicht darin, einfach nur irgendeine bestimmte und besonders schwierige ET-Sprache zu lernen, sondern wir müssen mit einem Wesen kommunizieren, das nicht einmal die Bedeutung des Wortes „kommunizieren“ kennt.“
„Falls du versuchst, meine Moral zu heben“, merkte Murchison trocken an, „muß ich dich leider enttäuschen.“
Conway hatte nach vorn durch die Vorderkanzel gestarrt, hauptsächlich, um nicht auf das auf den Repeaterschirmen dargestellte Gemetzel blicken zu müssen, wo die Angriffe der Werkzeuge auf die Fütterungs- und Transfusionsstellen immer größere Ausmaße annahmen.
Plötzlich sagte er: „Der vermutliche Gehirnbereich ist viel zu umfangreich, um schnell durchsucht zu werden, aber — korrigiert mich bitte, falls ich unrecht hab — ist das hier nicht auch die Gegend, wo die Descartes ihre erste Landung gemacht hat? Wenn das der Fall ist, dann hatten die zu ihrer Untersuchung geschickten Werkzeuge eine relativ geringe Entfernung zurückzulegen. Wenn es nun möglich wäre, dem Weg eines Werkzeugs durch das vernarbte Fleisch zu folgen, das es in der Körpersubstanz hinterläßt.“
„Und ob das möglich ist!“ bestätigte Murchison mit aufgeregter Stimme. Harrison gab dem Hubschrauberpiloten neue Anweisungen, ohne dazu aufgefordert werden zu müssen, und ein paar Minuten später waren sie unten, und die Messerklingen drehten und fraßen sich in die nachgiebige fleischähnliche Körpersubstanz des Patienten.
Doch statt des großen zylindrischen, aus der Körpersubstanz herausgeschnittenen Pfropfens fanden sie einen flachen, auf dem Kopf stehenden kegelförmigen Schnitt vor, der sich scharf zu einer engen, beinahe haarfeinen Wunde zuspitzte, die fast genau in Richtung des vermuteten Gehirnbereichs verlief.
„Offensichtlich wäre unser Schiff neulich nur ein kurzes Stück unter die Oberfläche gezogen worden“, folgerte Murchison. „Weit genug, damit die Werkzeuge in der Lage gewesen wären, mit seiner gesamten Oberfläche in Berührung zu kommen, während es von der Körpersubstanz gestützt worden wäre. So konnten die Werkzeuge aber nur einen flüchtigen Kontakt herstellen, indem sie in die Luft gesprungen sind. Aber hast du bemerkt, wie es die Dinger geschafft haben, Verletzungen des Wurzelnetzes zu vermeiden, das ihre gedanklichen Anweisungen überträgt, obwohl sie sich mit Höchstgeschwindigkeit hindurchgeschnitten haben müssen.?“
„Beim gegenwärtigen Abstiegswinkel sind wir ungefähr zwanzig Minuten von der Planetenoberfläche entfernt“, unterbrach Harrison. „Die Sonaranzeigen deuten auf die Existenz von Höhlen oder tiefen Gruben hin.“
Bevor Conway einem von beiden antworten konnte, flammte Edwards’ Bild auf dem Hauptschirm auf. „Doktor, die Dichtungen achtunddreißig bis einundvierzig sind geplatzt. Und auf die Dichtungen achtzehn, sechsundzwanzig und dreiundvierzig drücken wir bereits Aderpressen, aber das.“
„Gleiche Verfahrensweise!“ befahl Conway knapp.
Es ertönte ein dumpfes Dröhnen, dem über die ganze Länge des Raupenbohrers verlaufende metallische Knirschgeräusche folgten. Die Geräusche wiederholten sich mit rasch zunehmender Häufigkeit. Ohne aufzusehen berichtete Harrison: „Werkzeuge, Doktor, Dutzende von Werkzeugen. Durch dieses nachgiebige Zeug können sie keinen großen Schwung aufnehmen und uns damit treffen, und unsere zusätzliche Panzerung sollte damit eigentlich fertig werden. Aber ich mach mir um das Antennengehäuse Sorgen.“
Bevor Conway fragen konnte, warum, wandte sich Murchison von der Sichtluke ab, und sagte: „Ich hab die ursprüngliche Spur verloren — das Gewebe in diesem Gebiet ist durch die von den Werkzeugen geschlagenen Wunden praktisch völlig vernarbt. Der Verkehr muß in dieser Gegend sehr stark sein.“
Die Sekundärschirme zeigten logistische Schaubilder über die Aufstellung von Schiffen, Maschinen zur Erdbewegung und Ausrüstung zur Dekontaminierung und über Bewegungen in die Fütterungs- und Transfusionsgebiete hinein und aus ihnen heraus. Auf dem Hauptschirm war zu sehen, daß sich die Vespasian nicht mehr in Position über Tunnel dreiundvierzig befand. Sie verlor Höhe und trudelte in schwerfälliger seitlicher Drehrichtung, während der Pilot offenbar schwer dagegen ankämpfte, sie davon abzuhalten, sich auf den Rücken zu legen.
Bei der nächsten Drehung sah Conway, daß einer ihrer vier Pressorstrahlenprojektoren wie von einem gigantischen Hammer eingeschlagen worden war, und er wußte, ohne daß man es ihm gesagt hatte, das es sich um den Pressorstrahl handelte, der den aufgebrochenen Tunnel dreiundvierzig zugedrückt hatte. Als das Schiff näher auf den Boden zutrudelte, wollte er die Augen schließen, doch dann sah er, wie die Drehung abgefangen und die Oberflächenvegetation von den drei verbliebenen Pressorstrahlen niedergedrückt wurde, die mit maximaler Leistung fächerförmig ausgebreitet waren, um das Schiffsgewicht zu tragen.
Die Vespasian machte zwar eine harte, aber keine Bruchlandung. Ein zweiter Kreuzer ging über Tunnel dreiundvierzig in Position, während Bodentransporter und Hubschrauber auf das notgelandete Schiff zurasten, um ihm zu helfen. Sie trafen gleichzeitig mit einer Gruppe gedankengesteuerter Werkzeuge ein, die allerdings überhaupt nichts unternahmen, um zu helfen.
Plötzlich füllte Dermods Kopf den Bildschirm.
„Doktor Conway“, sagte der Geschwaderkommandant mit kalter Wut in der Stimme, „das ist zwar nicht das erstemal, daß ein Schiff um mich herum zu Schrott verwandelt worden ist, aber ich hab mich nie daran gewöhnt, an solch einem Erlebnis Spaß zu haben. Der Unfall wurde verursacht, weil wir versucht haben, wirklich das gesamte Schiffsgewicht auf einem einzigen stark gebündelten Pressorstrahl zu balancieren, und das Ergebnis war, daß sich die Stützkonstruktion verbogen hat und verdammt nah davor war, das Schiff in ein Wrack zu verwandeln.“
Als er fortfuhr, wurde sein Ton zwar ein wenig freundlicher, aber nur vorübergehend. „Wenn wir auf jeden Tunnel Aderpressen drücken müssen, während die Werkzeuge jede einzelne Dichtung angreifen, dann sieht es ganz so aus, als ob wir folgendes tun müssen: Entweder lasse ich meine Schiffe zu größeren Konstruktionsänderungen zurückziehen, oder ich lasse sie immer für ungefähr eine Stunde im Einsatz und überprüfe sie nach jeder Dienstperiode auf einsetzende Konstruktionsmängel. Aber das würde eine viel größere Anzahl von Schiffen mit unproduktiven Tätigkeiten auslasten. Und je mehr wir den Einschnitt erweitern, desto mehr Tunnel gibt es, auf denen wir hocken müssen, und desto langsamer geht die Arbeit voran. Die Operation wird schnell zu einer logistischen Unmöglichkeit. Und die Opferzahlen und Materialverluste führen dazu, daß diese Operation nicht mehr von einer ausgewachsenen Schlacht zu unterscheiden ist. Wenn ich glauben würde, Doktor, daß das einzige Ergebnis die Befriedigung Ihrer Neugier und die der Leute vom Kulturkontakt wäre, dann würde ich sofort einen unbefristeten Stopp verhängen. Ich denke wie ein Polizist und nicht wie ein Soldat — der Föderation ist das auch lieber so. Ich will hier keine sinnlosen Ruhmestaten vollbringen.“
Der Raupenbohrer ruckelte, und einen Augenblick lang hatte Conway ein in dieser Umgebung eigentlich für unmöglich gehaltenes Gefühl — nämlich das des freien Falls. Dann krachte es gewaltig, als das Fahrzeug auf steinigem Boden aufschlug. Es landete auf der Seite, überschlug sich zweimal und bewegte sich wieder vorwärts, schleuderte und schlingerte und blieb schließlich auf einer Seite liegen. Der Lärm der Werkzeuge, die gegen den Rumpf schlugen, war ohrenbetäubend.
Auf der Stirn des Geschwaderkommandanten erschienen zwei senkrechte Falten. Er fragte: „Haben Sie irgendwelche Probleme, Doktor?“
Wegen des ständigen Knallens der Werkzeuge war es schwer zu denken. Conway nickte und antwortete: „Ich hatte nicht mit Angriffen auf die Dichtungen gerechnet, aber jetzt ist mir klar, daß der Patient nur versucht, sich dort zu verteidigen, wo er glaubt, den schwersten Attacken ausgesetzt zu sein. Mir ist jetzt auch klar, daß sein Tastsinn nicht nur auf die Körperoberfläche beschränkt ist. Sehen Sie, er ist zwar blind, taub und stumm, scheint aber in der Lage zu sein, in drei Dimensionen zu tasten. Die Augenpflanzen und die Wurzelnetze unter der Oberfläche ermöglichen ihm zu spüren, wo örtlich begrenzter Druck ausgeübt wird, wenn auch nur vage und ohne Details. Um die feinen Einzelheiten zu ertasten, schickt er Werkzeuge, die äußerst empfindlich sind — und zwar empfindlich genug, um in der Gestalt eines Gleiters die Luftströmung auf den Flügeln zu spüren und die Form nach Belieben selbst zu reproduzieren. Unser Patient lernt sehr schnell. Und dieser Gleiter, als den ich mir damals das Werkzeug vorgestellt hab, hat eine Menge Leben gekostet. Ich wollte.“
„Doktor Conway“, unterbrach ihn der Geschwaderkommandant barsch. „Entweder versuchen Sie jetzt, Ausflüchte zu machen, oder mir einen sehr elementaren Vortrag über Dinge zu halten, die mir längst bekannt sind. Ich hab für keins von beidem Zeit. Wir stehen vor einer operativen und taktischen Notlage. Ich brauche Anweisungen.“
Conway schüttelte heftig den Kopf Er hatte das Gefühl, gerade etwas Wichtiges gesagt oder gedacht zu haben, aber er wußte nicht, was es war. Er mußte bei seinem gegenwärtigen Gedankengang bleiben, wenn er ihn wieder ans Tageslicht ziehen wollte.
Er fuhr fort: „Der Patient sieht und spürt alles durch das Tastgefühl. Bisher sind die Werkzeuge der einzige gemeinsame Verbindungspunkt. Sie sind durch Gedanken gesteuerte Ausdehnungen des Tastsinnes, die sich über den gesamten Körper des Patienten und ein kurzes Stück darüber erstrecken. Unsere eigene geistige Strahlung und Steuerung ist enger konzentriert und besitzt eine stark begrenzte Reichweite. Die Situation ist wie die von zwei Fechtern gewesen, die versucht haben, sich nur mit den Spitzen ihrer Florette zu verständigen.“
Conway brach unvermittelt ab, weil er zu einem leeren Bildschirm sprach — bei allen drei Repeaterschirmen brannten zwar noch die Kontrollampen,
sie hatten aber weder Bild noch Ton.
Harrison brüllte: „Das hatte ich befürchtet, Doktor. Wir haben zwar die Panzerung des Rumpfs verstärkt, konnten das Antennengehäuse jedoch lediglich mit einer Radarkuppel aus Kunststoff abdecken, um den Sprechverkehr in beide Richtungen aufrechtzuerhalten. Die Werkzeuge haben unseren wunden Punkt gefunden. Jetzt sind wir ebenfalls taub, stumm und blind. Und uns fehlt ein Bein, weil die Backbordraupenkette nicht funktioniert.“
Der Raupenbohrer war auf einem flachen Felsvorsprung in einer riesigen Höhle liegengeblieben, die steil in die Planetenoberfläche hinein verlief. Über und hinter ihnen hing eine große Masse von der Körpersubstanz der Kreatur, aus der Tausende von Wurzelfasern herauskamen, die zusammenliefen und sich vereinigten, bis sie zu dicken silbrigen Strängen wurden, die sich reglos über den Boden, die Wände und die Decke der Höhle schlängelten, bevor sie in den Tiefen des Planeten verschwanden. Jeder Strang besaß mindestens eine Knospe, die wie ein Blatt aus zerknittertem Stanniolpapier aus ihm hervorsproß. Die besser entwickelten Knospen zuckten und versuchten, die Form der Werkzeuge anzunehmen, die den Raupenbohrer angriffen.
„Das ist einer der Orte, an dem die Kreatur die Werkzeuge herstellt“, sagte Murchison, wobei sie einen Scheinwerfer als Zeiger benutzte. „Oder sollte ich lieber sagen, wachsen läßt? Ich kann immer noch nicht entscheiden, ob das hier hauptsächlich eine tierische oder eine pflanzliche Lebensform ist. In dieser Gegend scheint das Zentrum des Nervensystems zu liegen, deshalb ist es ziemlich sicher auch ein Teil des Gehirns. Und es ist empfindlich; seht ihr, wie vorsichtig die Werkzeuge beim Angriff auf uns diesen silbernen Strängen aus dem Weg gehen?“
„Dann machen wir es denen nach“, entgegnete Conway und sagte dann an Harrison gewandt: „Das heißt, wenn Sie den Raupenbohrer mit einer Kette dort zu der überhängenden Wand mit den Strängen, die darauf verlaufen, fahren können, ohne die beiden Stränge auf dem Boden zu zerquetschen.“
Eine Beschädigung in dieser empfindlichen Gegend konnte für ihren Patienten sehr ernsthafte Folgen haben.
Der Lieutenant nickte und begann, den Raupenbohrer über den Vorsprung vor und zurück zu schaukeln, bis er dicht an der bezeichneten Wand stand. Durch die empfindlichen Stränge von oben, den Höhlenboden von unten und die Felswand von Steuerbord geschützt, beschränkte sich die Attacke der Werkzeuge auf die ungeschützte Backbordseite. Sie konnten sich zwar ein weiteres Mal laut überlegen hören, aber Harrison wies mit entschiedenem, jedoch bedauerndem Ton darauf hin, daß sie mit nur einer Kette den Abhang nicht hinaufklettern und sich auch nicht nach draußen graben konnten, daß sie nicht in der Lage waren, um Hilfe zu bitten, und nur noch Luft für vierzehn Stunden hatten, und das auch nur dann, wenn sie später ihre Anzüge verschließen und die Luft aus den Sauerstoffbehältern mit verbrauchen würden.
„Machen wir das doch gleich“, schlug Conway energisch vor, „und dann steigen wir aus. Stellt euch an jedem Ende des Raupenbohrers unter den Strängen und mit dem Rücken zur Höhlenwand auf. Auf diese Weise müßt ihr nur Angriffe von vorn durch Gedanken abwehren — denn jedes Werkzeug, das sich durch den Fels hinter euch zu schneiden versucht, erzeugt viel zuviel Lärm, um euch überraschen zu können. Ich möchte auch, daß ihr euch weit genug von meinem Standort mittschiffs entfernt, damit sich eure geistige Strahlung nicht auf die Werkzeuge auswirkt, die ich zu steuern versuche.“
„Ich kenne diesen selbstgefälligen und selbstzufriedenen Blick nur zu gut“, erzählte Murchison dem Lieutenant, als sie ihren Helm versiegelte. „Unser Doktor hat einen plötzlichen Geistesblitz gehabt. Ich glaube, er hat vor, mit dem Patienten zu reden.“
„Und in welcher Sprache?“ fragte Harrison trocken.
„Ich nehme an, man könnte es eine dreidimensionale Blindenschrift nennen“, entgegnete Conway und lächelte siegesgewiß, um das Selbstvertrauen auszustrahlen, von dem er selbst allerdings überhaupt nichts verspürte.
Rasch erklärte er, was er hoffte, tun zu können, und ein paar Minuten später befanden sie sich außerhalb des Raupenbohrers an ihren Plätzen. Conway saß mit dem Rücken zum Gehäuse der Backbordkette etwas mehr als einen Meter von einer mit Wasser gefüllten Vertiefung im Höhlenboden entfernt. In der Mitte der Mulde befand sich ein Loch von unbekannter Tiefe, durch das sich ein Strang oder eine ähnliche Erz aufnehmende Pflanze in den Stein hineingefressen hatte. Auf seiner einen Seite hatte sich eine Gruppe von sieben oder acht Werkzeugen zu einem Metallband zusammengeschlossen, daß sich um den Fahrzeugrumpf gespannt hatte, um ihn zusammenzudrücken, und ein Teil des Panzers begann auch schon, an den Schweißnähten aufzuplatzen. Conway stellte sich einen Riß in dem Metallband vor, und dann rollte er es wie einen großen Klumpen aus lebendem silbrigen Teig in die Vertiefung. Schließlich machte er sich an die Arbeit.
Er unternahm keinen Versuch, sich selbst gegen angreifende Werkzeuge zu schützen. Er hatte vor, sich so stark auf eine ganz bestimmte Form zu konzentrieren, daß alles, was in die Reichweite seiner geistigen Strahlung kam, seine gefährlichen Spitzen und Kanten verlieren würde.
Die äußere Erscheinung der Kreatur durch Gedanken zu formen war einfach. Innerhalb weniger Minuten lag in der Mitte des Tümpels ein großer, silberner Pfannkuchen — eine Nachbildung des Patienten in kleinem Maßstab. Aber sich die Mäuler, Mägen und ihre Verbindungstunnel in drei Dimensionen vorzustellen, war schon nicht mehr so einfach. Noch schwieriger war die Phase, als Conway sich vorstellte, wie sich die kleinen Mägen weiteten und zusammenzogen und das sandige, mit Algen durchsetzte Wasser in sein maßstabsgetreues Modell sogen und wieder ausstießen.
Es war ein primitives, grob vereinfachtes Modell. Das Beste, was er einmal hinbekam, waren acht Mäuler und damit verbundene Mägen, und er fürchtete sehr stark, daß sein Modell mit dem Patienten die gleiche Ähnlichkeit aufwies wie eine Puppe mit einem lebenden Baby. Aber dann ließ er sein Modell auch die kriechenden Bewegungen nachahmen, die er bei kleineren und jüngeren Schichtkreaturen beobachtet hatte, wobei er jedoch die Stellen um die Mulde in der Mitte herum reglos hielt, und hoffte, mit den Pumpbewegungen der Mägen den Eindruck eines lebendigen Organismus zu erwecken. Der Schweiß rann ihm von der Stirn und in die Augen, aber bis jetzt machte es nichts aus, daß er nicht richtig sehen konnte, da die Teile, die er formte, sowieso nicht zu sehen waren. Dann stellte er sich bestimmte Stellen als massiv, bewegungslos und tot vor. Er dehnte diese toten, bewegungs- und detaillosen Stellen aus, bis allmählich das ganze Modell ein massiver, lebloser Klumpen war.
Er blinzelte sich den Schweiß aus den Augen und fing noch einmal ganz von vorn an und schließlich noch einmal. Und plötzlich standen die anderen beiden neben ihm.
„Sie greifen uns nicht mehr an“, berichtete Harrison leise. „Und bevor die ihre Meinung ändern, werde ich schnell versuchen, die beschädigte Kette in Ordnung zu bringen. Wenigstens herrscht hier ja kein Mangel an Werkzeugen.“
Murchison fragte: „Kann ich helfen, außer an nichts zu denken, damit ich dein Modell nicht entstelle?“
Ohne aufzublicken antwortete Conway: „Ja, bitte. Ich werde es nochmal die gleiche Abfolge durchlaufen lassen, doch an dem Punkt anhalten, bis zu dem sich die toten Stellen gegenwärtig erstrecken. Wenn ich das tue, möchte ich, daß du dir die Positionen unserer Einschnitte vorstellst und sie verlängerst und verbreiterst, während ich die aufgebrochenen Rachentunnel versiegle und mir die Fütterungs- und Transfusionsschächte vorstelle. Du mußt die herausgeschnittene Substanz ein kurzes Stück wegziehen und sie dir massiv — das heißt tot — vorstellen, und ich versuche gleichzeitig, die Vorstellung zu vermitteln, daß der Rest gesund und munter ist und das wahrscheinlich auch bleiben wird.“
Murchison begriff sehr schnell, aber Conway hatte keine Möglichkeit festzustellen, ob ihr Patient die Botschaft verstanden hatte oder überhaupt verstehen konnte. Hinter ihnen arbeitete Harrison an der beschädigten Laufkette, während vor ihnen das Modell des Patienten und die Wirkungen ihrer momentanen Operation immer deutlicher wurden — bis hin zu den gewellten Miniaturdichtungen und dem, was mit der Kreatur geschah, wenn eine von ihnen aufbrach. Doch immer noch kam vom Patienten kein Hinweis darauf, daß er verstanden hatte, was sie ihm mitzuteilen versuchten.
Plötzlich stand Conway auf und kletterte den ansteigenden Boden hoch. „Tut mir leid“, sagte er, „aber ich muß mal eine Minute aus der Reichweite heraus, um geistig wieder zu Atem zu kommen.“
„Ich auch“, verkündete Murchison ein paar Minuten später. „Ich komme zu dir. sieh mal!“
Conway hatte in die Dunkelheit des Höhlendachs gestarrt, um sowohl seinen Gedanken als auch den Augen eine Ruhepause zu gönnen. Er blickte schnell nach unten, weil er dachte, sie würden wieder angegriffen, und sah, wie Murchison auf das Modell zeigte, das sich formende Modell.
Obwohl es sich außerhalb der Reichweite ihrer beider Gedanken befand, war es nicht in sich zusammengefallen und hatte keine Details verloren. Irgend jemand hielt die Form genau so aufrecht, wie sie es getan hatten. Auf einmal vergaß Conway seine körperliche und geistige Erschöpfung.
Aufgeregt sagte er: „Das muß seine Art sein, uns zu sagen, daß er uns versteht. Aber wir müssen die Verständigung ausweiten, ihm mehr über uns erzählen. Sammelt noch ein paar Werkzeuge zusammen und stellt euch ein Modell von der kompletten Höhle mit den Nervensträngen vor; ich werde den Raupenbohrer maßstabsgerecht mit sich bewegenden Modellen von uns dreien formen. Sie werden natürlich etwas primitiv ausfallen, aber am Anfang brauchen wir nur die Vorstellung von unserer geringen Größe und der Verwundbarkeit gegen die Angriffe der Werkzeuge zu vermitteln. Dann entfernen wir uns ein Stückchen und formen ein Modell eines aktiven Raupenbohrers, danach von Planierraupen, Hubschraubern und Aufklärungsschiffen auf der Oberfläche — natürlich nichts so Großes und Kompliziertes wie die Descartes, wenigstens am Anfang nicht. Wir müssen alles sehr einfach halten.“
In kürzester Zeit war der Felsvorsprung um den Raupenbohrer herum mit Modellen bedeckt, deren Formen von dem Patienten aufrechterhalten wurden, sobald sie fertig waren. Und immer mehr Werkzeuge rollten schwerfällig, jedoch sehr behutsam auf sie zu, begierig darauf, ebenfalls geformt zu werden. Aber ihre Visiere waren vom Schweiß fast undurchsichtig geworden, und ihnen ging in den Anzügen allmählich die Luft aus. Murchison behauptete, sie habe nur noch Zeit, ein weiteres Modell zu formen, ein großes, das über zwanzig Werkzeuge benötigte, als Harrison hinter dem Raupenbohrer hervorkam.
„Ich muß nach drinnen“, sagte der Lieutenant. „Im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten hab ich hart gearbeitet und meinen Sauerstoffvorrat aufgebraucht.“
„Gib ihm von mir einen Tritt! Du bist näher dran.“
„…aber der Raupenbohrer wird mit ungefähr einem Viertel der normalen Geschwindigkeit fahren können“, fuhr Harrison ungerührt fort. „Und wenn er das nicht tut, dann sind wir vielleicht immer noch in der Lage, um Hilfe zu bitten. Ich hab ein Werkzeug benutzt, um eine neue Antenne zu formen — mir sind nämlich die genauen Abmessungen bekannt —, so daß wir eventuell zusätzlich zum Sprechverkehr in beide Richtungen sogar noch Bilder.“
Er brach abrupt ab und starrte auf das, was Murchison mit den Werkzeugen gerade tat.
Ein wenig verärgert erklärte sie: „Als Pathologin der Gruppe ist es meine Aufgabe, den Patienten wissen zu lassen, wie wir aussehen oder, richtiger, wie wir uns anfühlen. Dieses Modell besitzt ein stark vereinfachtes Atmungs-, Verdauungs- und Kreislaufsystem und, wie Sie sehen können, Gelenkverbindungen an allen Hauptgelenken. Natürlich ist dieser Vertreter der Menschheit in Wirklichkeit weiblich, da ich über mich selbst ein wenig mehr weiß als über jeden anderen. Genauso wichtig ist, daß ich den Patienten nicht unnötigerweise verwirren möchte, indem ich Kleidung hinzufüge.“
Harrison hatte nicht mehr genügend Sauerstoff übrig, um eine Antwort geben zu können. Sie folgten ihm in den Raupenbohrer, und während Conway Kontakt mit der Oberfläche herstellte, hob Murchison instinktiv die Hand als Abschiedsgruß an die Höhle und die über den Vorsprung verstreuten Gestalten der Werkzeugmodelle. Sie mußte sehr intensiv an den Abschied gedacht haben, denn ihr letztes Modell hob ebenfalls die Hand und hielt sie oben, während der Raupenbohrer langsam aus der Reichweite der Gedanken herauskroch.
Plötzlich liefen alle drei Repeaterschirme wieder und Dermod, dessen Gesicht Besorgnis, Erleichterung und Aufregung, zuerst der Reihe nach und dann gleichzeitig widerspiegelte, starrte Conway an. Dann sagte er: „Doktor, ich hab geglaubt, wir hätten Sie verloren — Sie waren seit vier Stunden verschwunden. Aber ich kann Fortschritte melden. Mit dem Einschnitt kommen wir voran, und vor einer halben Stunde haben alle Werkzeugattacken aufgehört. Von den Tunneldichtungen werden auch keine Probleme mehr mit Werkzeugen gemeldet, auch nicht von den Dekontaminierungsteams oder irgendwo aus den Transfusionsschächten. Ist das nur ein vorübergehender Zustand, Doktor?“
Conway ließ seinen Atem in einen langen, lauten Seufzer der Erleichterung übergehen — ihr Patient war ein sehr aufgeweckter Bursche, ungeachtet seiner langsamen Körperreaktion. Er schüttelte den Kopf und antwortete: „Die Werkzeuge werden Ihnen keine Schwierigkeiten mehr bereiten. Sie werden sogar feststellen, daß Sie Ihnen helfen, die Ausrüstung zu warten, und in schwierigen Bereichen des Einschnitts von Nutzen sind, wenn wir dem Patienten erst einmal unsere Bedürfnisse klargemacht haben. Sie können es auch vergessen, diesen Isolierungsgraben anzulegen — unser Patient besitzt noch genügend Beweglichkeit, um sich selbst von der jüngst herausgeschnittenen Substanz zurückzuziehen. Das bedeutet, die Schiffe, die sonst mit dem Anlegen dieses Grabens ausgelastet gewesen wären, sind jetzt frei, um den Einschnitt schneller zu verlängern, wodurch die Operation in einem Bruchteil der ursprünglich veranschlagten Zeit abgeschlossen sein wird.
Sie sehen, Sir, wir haben jetzt die aktive Mitarbeit unseres Patienten“, schloß Conway.
Der chirurgische Großeingriff wurde in etwas weniger als vier Monaten abgeschlossen, und man beorderte Conway wieder ins Orbit Hospital zurück. Die postoperative Behandlung würde eine ganze Reihe von Jahren erfordern und zusammen mit der Erforschung des Planeten und der genaueren Untersuchung seiner Lebensformen und Kulturen voranschreiten. Vor dem Abflug hatte Conway einmal den Wert und den Nutzen dessen, was sie getan hatten, hinterfragt, da er sich von dem Gedanken an die vielen Todesopfer einfach nicht hatte losreißen können. Ein etwas neunmalkluger Kontaktspezialist hatte es ihm sehr einfach verständlich zu machen versucht, indem er behauptet hatte, daß alle Unterschiede zwischen verschiedenen Spezies, egal, ob es sich um kulturelle, physiologische oder technologische handelte, ungeheuer wertvoll seien. Von der Schichtkreatur und den rollenden Drambonern würde man eine Menge lernen, während man sie gleichzeitig unterrichtete. Conway sah das ein, wenn auch nur mit einigen Schwierigkeiten. Er konnte sich auch damit abfinden, daß seine Arbeit als Chirurg auf Drambo getan war. Viel schwerer war es dagegen hinzunehmen, daß das Pathologenteam, besonders ein Mitglied davon, noch eine Menge Arbeit auf dem Planeten zu erledigen hatte.
O’Mara freute sich zwar nicht offen über Conways Kummer, zeigte andererseits aber auch kein Mitleid.
„Hören Sie auf, so laut vor sich hin zu leiden, Conway“, forderte ihn der Chefpsychologe nach seiner Rückkehr auf, „und sublimieren Sie sich — vorzugsweise in ungelöschtem Kalk. Und wenn das nicht klappt, dann gibt es immer noch genügend Arbeit. Übrigens ist gerade ein seltsamer Fall eingeliefert worden, den Sie sich bestimmt mal gerne ansehen würden. Das war natürlich höflich ausgedrückt. Es ist Ihr Fall, und zwar ab sofort. Sehen Sie her!“
Der große Bildschirm hinter O’Maras Schreibtisch ging an, und der Chefpsychologe fuhr fort: „Dieses Wesen wurde in einer der bislang unerforschten Regionen des Galaxis gefunden und ist das Opfer eines Unfalls, der sein Schiff und den Patienten selbst praktisch in zwei Hälften getrennt hat. Luftdichte Schotts haben den unbeschädigten Teil abgeriegelt, und Ihr Patient war in der Lage, seinen Körper, oder einen Teil seines Körpers, wegzuziehen, bevor sie sich geschlossen haben. Es war ein großes Schiff, gefüllt mit einer Art Nährboden, und das Opfer ist noch am Leben — oder sollte ich vielleicht besser sagen, halb am Leben? Wissen Sie, wir haben keine Ahnung, welche Hälfte wir von ihm gerettet haben. Also?“
Conway starrte auf den Bildschirm und dachte sich bereits Methoden aus, einen Teil des Patienten zur Untersuchung und Behandlung ruhigzustellen, synthetisch Vorräte des Nährbodens zu erzeugen, der inzwischen praktisch ausgelaugt sein mußte, und sich mit den Bedienungselementen des Wracks zu befassen, um sich so Informationen über die Sinnesorgane des Patienten zu verschaffen. Wenn der Unfall, der das Schiff zerstört hatte, infolge einer Explosion der Generatoren geschehen war, was nahezuliegen schien, dann konnte der Teil, der überlebt hatte, sehr gut die vordere Hälfte sein, die das Gehirn enthielt.
Sein neuer Patient war nicht gerade die Midgardschlange, aber viel kürzer war er auch nicht. Sich schlängelnd und windend füllte er praktisch das ganze gewaltige Hangardeck aus, das man räumen mußte, um ihn überhaupt unterbringen zu können.
„Also, was ist?“ fragte O’Mara nochmals.
Conway stand auf. Bevor er sich zum Gehen wandte, lächelte er und sagte: „Ganz schön klein, wie?“